Einleitung: Die Behandlung von Patientinnen mit schwergradiger Anorexia nervosa ist besonders
vulnerabel für medizinische Komplikationen. Psychologische Modelle wie das kognitiv-interpersonelle
Aufrechterhaltungsmodell betonen wechselseitige Einflüsse zwischen kognitiv-emotionalen
Mustern und somatischen Prozessen. Daher ist es essenziell, die Veränderungen von
Laborparametern und Gewicht während der stationären Behandlung ganzheitlich zu verstehen.
Methoden: Retrospektiv wurden Daten von 619 weiblichen Patientinnen mit Diagnose Anorexia
nervosa (Body-Mass-Index bei Aufnahme: M=13.13, SD=1.8) ausgewertet, die über sechs Wochen auf einer spezialisierten Essstörungsstation
behandelt wurden. Es wurden wöchentlich Laborparameter und das Körpergewicht erfasst.
Bei einem Teil der Patientinnen wurden zusätzlich essstörungsspezifische und allgemeine
psychopathologische Symptome selbstberichtet erfasst.
Ergebnisse: Das Körpergewicht nahm nicht-linear zu. Kreatin-Kinase, Blutzucker, Glutamat-Oxalacetat-Transaminase
und Glutamat-Pyruvat-Transaminasen nahmen ab, während Leukozyten, Phosphat, Kalium,
Natrium und Thrombozyten anstiegen. Hämoglobin und Hämatokrit zeigten u-förmige Verläufe.
Die Veränderungen von Glutamat-Oxalacetat-Transaminase, Hämatokrit, Hämoglobin, Leukozyten,
Phosphat, Natrium, Thrombozyten sowie des Körpergewichts wurden dabei durch den Body-Mass-Index
bei Aufnahme moderiert. Die Auswertung der psychischen Symptome ist aktuell in Arbeit
und wird bis zum Kongress abgeschlossen.
Schlussfolgerung: Die Ergebnisse belegen komplexe, teils Body-Mass-Index-abhängige Verläufe biochemischer
Parameter und unterstreichen die Bedeutung einer biopsychologisch fundierten Perspektive.
Eine engmaschige medizinische Überwachung und psychische Begleitung sind entscheidend
für eine sichere Wiederernährung und ein ganzheitliches Verständnis der Erkrankung.