Portionsgrößenwahrnehmung bei Anorexia und Bulimia nervosa: Veränderung im Therapieverlauf und Zusammenhang mit interozeptiver Wahrnehmung

Einleitung: Portionsgröße und Energiedichte bestimmen die Gesamtenergieaufnahme. Die Einschätzung und Auswahl von Portionsgrößen gilt als wichtiger Bestandteil zur Normalisierung des Essverhaltens bei Essstörungen. Bei Patient*innen mit Anorexia nervosa (AN) und Bulimia nervosa (BN) wird häufig die Wahl kleinerer Portionen beobachtet. Ziel der Studie war, die Portionsgrößenwahrnehmung im Therapieverlauf sowie interozeptive Einflussfaktoren darauf zu untersuchen.

Methoden: Von 2020-2023 wurden 99 stationär behandelte Patient*innen mit AN oder BN (Ø 8 Wochen Aufenthalt) längsschnittlich hinsichtlich Portionsgrößeneinschätzung, interozeptiver Wahrnehmung und Essstörungssymptomatik untersucht. Ergänzend erfolgte ein querschnittlicher Vergleich mit 22 gesunden Kontrollpersonen. Einflussfaktoren auf Veränderungen der Portionsgrößenwahrnehmung wurden mittels Korrelations- und Regressionsanalysen geprüft.

Ergebnisse: Zu Therapiebeginn überschätzten Patient*innen mit AN und BN Portionsgrößen signifikant im Vergleich zur Kontrollgruppe. Im Therapieverlauf zeigten sich drei Muster: Rund ein Drittel verbesserte sich bei initialer Überschätzung von 32%. Eine zweite Gruppe blieb über alle Zeitpunkte konstant, während eine dritte eine anfänglich geringe, im Verlauf zunehmende Überschätzung zeigte. Die interozeptive Wahrnehmung blieb stabil; das subjektive Sättigungsgefühl war durchgehend erhöht und korrelierte positiv mit der Portionsgrößeneinschätzung.

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse bestätigen eine Überschätzung der Portionsgrößenwahrnehmung bei AN und BN. Auf individueller Ebene blieb die Überschätzung bei zwei Dritteln der Patient*innen trotz Behandlung unverändert hoch oder nahm zu, während sich ein Drittel verbesserte.