Einleitung
Chronisch-persistierender Husten (CPH) wird seit 1977 als diagnostische Entität anerkannt
[[9]]. Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen leiden nach Angaben aus der Literatur
in bis zu 20 % an einem pathologischen gastroösophagealen Reflux und die Refluxhypothese
gilt inzwischen als gesichert [[5], [9], [14], [16]]. Die gastroösophageale Refluxkrankheit gehört zu den häufigsten internistischen
Krankheitsbildern mit steigender Inzidenz, therapeutischer Goldstandard ist die Gabe
von Protonenpumpenblockern [[3], [6]]. Nach erfolgreichem empirischen Einsatz des Omeprazoltests bei Verdacht auf Reflux
[[8], [12], [13]] wurde dieser im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zur Evaluierung einer Refluxassoziation
bei chronischem Husten eingesetzt.
Patienten und Methodik
Achtunddreißig ambulant zugewiesene Patienten mit mindestens 8 Wochen anhaltendem
unklaren chronisch-persistierenden Husten (Einschlußkriterien siehe Tab. [1]) wurden in eine prospektive Studie eingeschlossen (Tab. [2]). An bildgebender Diagnostik erfolgten röntgenologische Untersuchungen von Thorax
und Nasennebenhöhlen, alle Patienten wurden lungenfunktionsanalytisch untersucht.
Ausschlußkriterien waren Asthma bronchiale, chronische Bronchitis, Sinusitis, postnasaler
Schleimfluß, Nikotinkonsum, ACE-Hemmertherapie, bekannte Refluxbeschwerden vor Beginn
der Hustensymptomatik sowie Vorbehandlung mit Protonenpumpenblockern. Alle Patienten
wurden in Videotechnik gastroskopiert (Olympus-Videogastroskope, Olympus GmbH Hamburg),
wobei Biopsien aus der distalen Speiseröhre, Magenantrum und Korpus entnommen wurden.
Die Stadieneinteilung der Ösophagitis erfolgte nach Savary et al. [[11]]. Wegen der international anerkannten hohen Sensitivität des Omeprazoltests, die
derjenigen der pH-Metrie gleichkommt, wurde auf die Durchführung von 24-Stunden-Langzeit-pH-Metrien
verzichtet. Anschließend erhielten alle Patienten eine einwöchige Behandlung mit 3
× 20 mg Omeprazol oral/die präprandial (Antra®, AstraZeneca, Wedel). Die Dosis von
60 mg täglich über 1 Woche wurde gewählt, da damit nach unserer Erfahrung eine ausreichend
hohe und zeitlich ausreichende Säuresuppression bewirkt wird um eine Assoziation von
Reflux und Husten wahrscheinlich zu machen. Die Patienten wurden daraufhin nach Husten-
und Refluxbeschwerden befragt und es erfolgte eine statistische Auswertung mit Bestimmung
von Sensitivität/Spezifität und positivem/negativem prädiktiven Wert (Tab. [3]). Bezüglich der primären Zielvariable Husten erfolgte die Quantifizierung nach folgendem
Schema: 0: kein Husten, 1: selten, 2: mehrfach wöchentlich, 3: täglich, 4: stündlich
(Tab. [5], [6]).
Ergebnisse
Sechsundzwanzig der 38 Patienten (68,4 %) wiesen makroskopisch und histologisch eine
distale Ösophagitis der Stadien I und II nach Sarvay auf, in den übrigen 12 Fällen
ergaben sich endoskopisch negative Befunde. In 17 Fällen (44,7 %) lag histologisch
eine Gastritis vor, davon bei 6 Patienten Helicobacter-pylori-assoziiert (35,3 %).
Diese Patienten wurden mittels italienischer Tripeltherapie (Omeprazol, Clarithromycin,
Metronidazol) eradizierend behandelt. Von den 25 Ösophagitispatienten litten bislang
lediglich 5 Patienten (19,2 %) an typischen Refluxbeschwerden (Sodbrennen, Brustschmerz,
Regurgitation), die in zeitlichem Zusammenhang mit Beginn und Manifestierung der Hustensymptomatik
auftraten. Zehn Patienten klagten über eher uncharakteristische Symptome (epigastrischer
Druck, Völlegefühl). Die übrigen 11 Patienten sowie die 12 endoskopisch negativen
Patienten hatten dagegen keine Refluxbeschwerden.
Der Protonenpumpenblocker Omeprazol wurde von allen Patienten gut und nebenwirkungsfrei
vertragen. Bei 21 der 26 Patienten mit Ösophagitis (80,8 %; inklusive aller Patienten
mit symptomatischem Reflux) waren die Hustenattacken nach einwöchiger Einnahme von
Omeprazol deutlich gebessert, jedoch nicht komplett verschwunden und die Refluxbeschwerden
bei den 15 betroffenen Patienten vollständig eliminiert (Tab. [4], [5], [6]). Die übrigen 5 Patienten litten dagegen unverändert an Husten. Von den 12 Patienten
ohne Ösophagitis ergab sich nur in einem Fall eine klinische Besserung, die anderen
11 Patienten klagten dagegen weiterhin über unveränderten Husten. Alle Patienten,
die unter Omeprazol weiter an Husten litten, wurden anschließend bronchoskopiert.
Dabei fand sich in einem Fall ein röntgennegatives Bronchialkarzinom. Die Sensitivität
des Omeprazoltests betrug somit 81 % bei einer Spezifität von 92 %, der positive prädiktive
Wert lag bei 95 % und der negative prädiktive Wert bei 69 %.
Tab. 1Einschlußkriterien.
| Hustendauer > 8 Wochen |
| negativer physikalischer Befund |
| negativer röntgenologische Lungenbefund |
| negativer HNO-Befund |
| normale Lungenfunktion |
Tab. 2Patientencharakteristika (n=38).
| Geschlecht (m/w) |
21/17 |
| Alter (Jahre) |
49,5 (38 - 76) |
| Hustendauer (Monate) |
16 (3 - 24) |
| Ösophagitis I (n) II (n) |
18 ü ¿ (68,4 %) 8 ¿ |
| keine Ösophagitis (n) |
12 |
| davon charakteristische Refluxbeschwerden (n) |
5 (19,2 %) |
| uncharakteristische Beschwerden (n) |
10 (38,5 %) |
| Nebenwirkungen der Omeprazoltherapie (n) |
0 |
Tab. 3Diagnostisches Procedere.
| Chronisch-persistierender Husten |
| ↓ |
| Pneumologische und HNO-Diagnostik negativ |
| ↓ |
| Gastroskopie |
| ↓ |
| Omeprazol 3 × 20 mg/die über 1 Woche |
| ↓ |
| Kontrolle |
Tab. 4Resultat des Omeprazoltests (n = 38)
| Ösophagitis (n = 26; 68,4 %) |
keine Ösophagitis (n = 12; 31,6 %) |
| ↓ |
↓ |
↓ |
↓ |
| Husten gebessert (n = 21; 80,8 %) |
nicht gebessert(n5; 19,3 %) |
Husten gebessert(n = 1; 8,3 %) |
nicht gebessert(n = 11; 91,7 %) |
| Sensitivität 81 %pos. prädiktiver Wert 95 % |
Spezifität 92 %neg. prädiktiver Wert 69 % |
Tab. 5Hustenscore vor und nach Omeprazol.
| Patienten mit Ösophagitis (n = 26) |
| Hustenscore |
vor |
nach Omprazol |
| 0 |
|
|
| 1 |
|
13 |
| 2 |
15 |
8 |
| 3 |
8 |
3 |
| 4 |
3 |
2 |
| (0: kein Husten, 1: selten, 2: mehrfach wöchentlich, 3: täglich, 4: stündlich) |
Tab. 6Hustenscore vor und nach Omeprazol.
| Patienten ohne Ösophagitis (n = 12) |
| Hustenscore |
vor |
nach Omprazol |
| 0 |
|
|
| 1 |
|
1 |
| 2 |
7 |
6 |
| 3 |
3 |
3 |
| 4 |
2 |
2 |
| (0: kein Husten, 1: selten, 2: mehrfach wöchentlich, 3: täglich, 4: stündlich) |
Diskussion
Eine Vielzahl von respiratorischen Störungen wird mit einem gastroösophagealen Reflux
in Zusammenhang gebracht [[1], [2], [4]]. Patienten mit chronischer Laryngitis, Husten, Bronchitis, obstruktiven Lungenkrankheiten
und Asthma bronchiale leiden gehäuft an einem pathologischen Säurereflex [[1], [2], [4], [14]]. Obwohl Refluxkrankheit und Atemwegserkrankungen zu den häufigsten Krankheitsbildern
in der internistischen Praxis gehören, wird beides nur selten miteinander in Beziehung
gebracht [[5]]. Wesentliche Ursachen des chronischen Hustens sind permanente Sekretabsonderungen
aus dem Nasen-Rachen-Raum in die tieferen Atemwege, Asthma bronchiale und chronische
Bronchitis, der Häufigkeit nach gefolgt vom gastroösophagealen Reflux [[9], [16]]. Nach Untersuchungen von Ing und Mitarbeitern werden vagale Reflexmechanismen über
die geschädigte Ösophagusschleimhaut durch den Reflux von saurem Mageninhalt in Gang
gesetzt, eine weitere Rolle spielt darüber hinaus die Mikroaspiration [[2]].
Im Rahmen des diagnostischen Algorithmus bei der ursächlichen Abklärung eines chronischen
Hustens muß dann an eine Refluxgenese gedacht werden, wenn keine bronchiale Hyperreagibilität,
Asthma bronchiale oder Rhinitis vorliegen, Thoraxröntgenbild und Lungenfunktion unauffällig
sind, es sich um Nichtraucher handelt und keine ACE-Hemmer eingenommen worden waren
[[16]]. Zwar gilt die 24-Stunden-Langzeit-pH-Metrie als diagnostischer Goldstandard zum
Nachweis eines gastroösophagealen Refluxes, Nachteile der Methodik sind allerdings
die beschränkte Verfügbarkeit, Patientenbelästigung und nicht optimale Sensitivität
[[12]]. Schenk et al. kommen weiterhin zu dem Schluß, daß die Methode bei 26 % der Patienten
mit endoskopisch gesicherter Ösophagitis versagt, da pathologische Refluxepisoden
nicht erfaßt wurden, zum Beispiel durch Dislokation der Sonden. Der erstmals von Young
et al. eingesetzte Omeprazoltest bei Verdacht auf Refluxkrankheit zeichnet sich durch
eine ähnlich hohe Sensitivität und Spezifität wie die pH-Metrie aus und hat weiterhin
die Vorteile, daß es sich um einen einfachen, nicht-invasiven und billigen Test handelt
[[17]]. Die von Young erzielte Sensitivität betrug 90 % bei einer Spezifität von 80 %.
Schindlbeck et al. beschrieben in ihrer Studie eine Sensitivität des Tests von 83
%.
Der probatorische Einsatz von Omeprazol erfolgte außerdem bei Verdacht auf Refluxlaryngitis
[[15]] und nichtkardialen Thoraxschmerz. Sensitivität und Spezifität entsprachen dabei
der pH-Metrie. Analog ergab sich aus der vorliegenden Studie eine vergleichbare Sensitivität
und Spezifität des Omeprazoltests [[7]]. Die kurze Therapiedauer von nur 1 Woche mit der Omeprazoldosis von 60 mg täglich
zur Identifizierung von Patienten mit refluxassoziierten Atemwegserkrankungen ist
zwar umstritten, nach unserer Erfahrung jedoch ausreichend zur a) effektiven Unterdrückung
des pathologischen gastroösophagealen Refluxes und b) Ansprechen der Hustensymptomatik.
Wir führen die empirische Omeprazolgabe bei initial therapierefraktärem Verlauf für
maximal 4 Wochen fort, um die Patienten danach bei nicht Ansprechen zu bronchoskopieren.
Hierbei geht es vor allem um den endoskopischen Ausschluß eines röntgennegativen Bronchialkarzinoms.
Interessanterweise war die gastroösophageale Refluxkrankheit bei der Mehrzahl unserer
Patienten mit Ösophagitis oligo- bis asymptomatisch - eine Beobachtung, die sich mit
anderen Untersuchungen deckt und die Notwendigkeit einer subtilen Anamnese unterstreicht
[[1], [2], [14]].
Bezüglich der Ergebnisse muß kritisch angemerkt werden, daß es sich nicht um eine
doppelblinde, plazebokontrollierte Untersuchung handelt, sondern lediglich um eine
Pilotstudie. Da keine unspezifische inhalative Provokation durchgeführt wurde, kann
nicht ausgeschlossen werden, daß ein Teil der Patienten trotz normaler Lungenfunktion
an Husten als Asthmaäquivalent leiden könnte.
Die Einführung des Protonenpumpenblockers Omeprazol revolutionierte die Therapie säureassoziierter
Erkrankungen des oberen Verdauungstraktes und vor allem der Refluxösophagitis [[6], [10]]. Dabei sind Protonenpumpenblocker allen anderen Therapieprinzipien wie H2-Rezeptorantagonisten,
Prokinetika, Antacida und Sucralfat signifikant überlegen. Die durch die starke antisekretorische
Wirkung erzielte Säuresuppression bewirkt eine wesentlich raschere, stärkere und länger
anhaltende Linderung der ösophagealen und extraösophagealen Beschwerden als mit den
genannten alternativen Substanzgruppen.
Die vor kurzem neu eingeführte innovative Galenik Antra-MUPS (Multiple-Unit-Pellet-System)
verspricht eine weitere Verbesserung der Wirkung des Omeprazols.
Die Besserung von Sodbrennen und Husten nach empirischer Gabe von Omeprazol macht
die Refluxgenese bei Verdacht auf ösophagealen chronischen Husten sehr wahrscheinlich
[[7], [14]]. Im Rahmen einer rationellen Diagnostik refluxassoziierter Atemwegserkrankungen
erscheint es sinnvoll, den Omeprazoltest auch bei Hinweisen auf Refluxasthma und Refluxbronchitis
einzusetzen. Bei einwöchiger Dauer kostet die probatorische Omeprazolgabe in der angegebenen
Dosierung etwa 100 DM (Langzeit-pH-Metrie nach GOÄ einfach 34,20 DM; 2,3fach 78,60
DM).
Zusammenfassend kann ein chronisch-persistierender Husten in hohem Prozentsatz mit
einem gastroösophagealen Reflux assoziiert sein. Der empirische Einsatz von Omeprazol
erweist sich als hilfreich zur differentialdiagnostischen Klärung einer möglichen
Refluxgenese.