Seit der Einführung der Kortikosteroid-Therapie der Sarkoidose besteht Uneinigkeit
über die Indikation und die Einschätzung der Resultate. Weitgehend Einigkeit besteht
darüber, dass eine nicht-symptomatische Sarkoidose keiner Therapie bedarf, dass beim
Löfgren-Syndrom eine Therapie mit nicht-steroidalen Antiphlogistika ausreicht und
dass bei symptomatischer Beteiligung von ZNS, Auge, Herz oder Niere oder bei Hyperkalzämie
eine Kortikosteroid-Therapie indiziert ist [[1]
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Problematisch ist die Indikationsstellung bei einer diskreten Symptomatik mit Husten
oder Dyspnoe, bei schwer fassbaren Befindlichkeitsstörungen wie chronischer Müdigkeit
und Muskelschmerzen oder bei einem progredienten radiologischen Befund ohne oder nur
mit diskreter Symptomatik. Auch in Fällen mit einer retikulo-nodulären Zeichnungsvermehrung
im Thorax-Röntgenbild ohne Lymphadenopathie (Typ III), die häufig chronifizieren,
kommt es in etwa 35 % noch zu einer Spontanremission mit normalem Thorax-Röntgenbild.
Bei den radiologischen Typen I (bihiläre Lymphadenopathie) und II (bihiläre Lymphadenopathie
mit retikulo-nodulärer Zeichnungsvermehrung) sind Spontanremissionen mit Normalisierung
des Thorax-Röntgenbildes in 80 bzw. 50 % innerhalb von 3 Jahren zu erwarten [[10]]. Daher ist eine Beobachtungsphase von 6 Monaten bei diesen Patienten anzuraten,
um abzuwarten, ob eine Spontanremission eintritt.
Ist dies nicht der Fall, so kann man meist einen sich entwickelnden Organschaden oder
eine eindeutig bestehende Symptomatik dokumentieren, dessen Rückbildung bzw. Sistieren
das Therapieziel darstellt. Eine aussagekräftige dänische Studie konnte zeigen, dass
eine dokumentierte aber symptomfreie Sarkoidose eine gute Prognose hat [[11]]. Laborparameter können die entzündliche Aktivität der Sarkoidose erfassen. Für
die Indikation oder das Beenden der Therapie können sie jedoch nur stützende Befunde
liefern [[12]]. Arzt und Patient sollten daher vorab ein Ziel der Kortikosteroid-Therapie formulieren.
Ist dieses Ziel erreicht, so kann die Therapie beendet werden. Lässt sich das Ziel
mit akzeptablen Kortikosteroid-Dosierungen in einem Zeitraum von 6 - 12 Monaten nicht
erreichen, so besteht eine Kortikosteroid-resistente Sarkoidose, die mit anderen Modalitäten
behandelt werden muss, da eine Langzeittherapie mit Kortikosteroiden ein zu ungünstiges
Verhältnis von Nebenwirkungen zu Risiken aufweist. Ein vorab formuliertes Therapieziel,
das anhand von Befunden überprüfbar ist, verhindert, dass eine Entscheidung über die
weitere Vorgehensweise verschleppt wird und unbeabsichtigt eine in ihrer Effektivität
nicht überprüfbare Kortikosteroid-Langzeittherapie resultiert.
Üblicher Weise wird die Therapie mit 0,6 bis 0,8 mg Prednisolon pro kg Körpergewicht
und Tag begonnen. In Abhängigkeit vom Ansprechverhalten der Erkrankung wird die schrittweise
Dosisreduktion nach 2 bis 6 Wochen begonnen und die Schritte werden so gewählt, dass
die Therapie nach etwa 6 Monaten beendet ist. Es existieren keine kontrollierten Studien
zur Startdosis, Gesamtdosis oder Therapiedauer. Diese Vorgehensweise beruht auf dem
Erfahrungsschatz seit der Einführung dieser Therapieform.
Eine Reihe von älteren, teilweise recht großen Studien haben sich mit den Resultaten
der Kortikosteroid-Therapie beschäftigt und kamen zu dem Schluss, dass eine Kortikosteroid-Therapie
nicht gerechtfertigt ist, da behandelte und unbehandelte Kollektive sich in ihren
Langzeitergebnissen nicht unterscheiden (zwei Beispiele: [[13], [14]]). In der Mehrzahl dieser Studien war der radiologische Typ sowohl die Indikation
für die Kortikosteroid-Therapie als auch der Zielparameter. Ein Therapieziel, wie
oben gefordert, mag bei einzelnen Patienten vorgelegen haben, ging aber in die Auswertung
nicht ein. Die Rückbildung einer Restriktion und der Symptomatik, ein Sistieren des
Hustens oder eine verbesserte körperliche Belastbarkeit wurden nicht erfasst. Gerade
diese Parameter sind jedoch funktionell und für die Lebensqualität des Patienten wichtig
und es ist zwischenzeitlich gut dokumentiert, dass die entzündliche, therapiebedürftige
Aktivität der Sarkoidose mit den radiologischen Typen in keiner Weise korreliert [[8], [15], [16]]. Bereits Louis Siltzbach, einem der ersten Befürworter der Kortikosteroid-Therapie
der Sarkoidose, wurde vorgehalten, dass sich die radiologischen Typen bei seinen Patienten-Kohorten
nicht änderten. Er hat erwidert, dass es seinen Patienten unter und nach der Therapie
besser ging und dass dies für ihn ein größeres Gewicht als ein radiologischer Befund
hat.
Heute kennen wir Details der Entzündungsvorgänge bei Sarkoidose und wissen, dass von
aktivierten Leukozyten inflammatorische Prozesse unterhalten werden, die einerseits
einen Funktionsverlust der betroffenen Organe und andererseits die den Patienten belästigende
Symptomatik hervorrufen. Mediatoren wie Interleukin 2, Interferon-γ und Tumornekrosefaktor-α
stellen zentrale Mechanismen dieser Vorgänge dar [[16]]. Bei der Mehrzahl der Patienten lässt sich beides durch Kortikosteroide supprimieren
und eine langanhaltende Remission herbeiführen [[17]
[18]
[19]]. Eine Suppression der Entzündungsmediatoren geht mit dem Eintreten einer Remission
parallel und eine erneute Aktivität der Leukozyten ist meist mit einem Rezidiv vergesellschaftet.
Der radiologische Befund reagiert nicht oder nur sehr verzögert auf diese immunologischen
Veränderungen, so dass er zur frühen Indikationsstellung nicht mehr oder nur in Ausnahmefällen
herangezogen werden kann [[15], [20]].
In den letzten Jahren haben sich zwei größere Studien mit der Kortikosteroid-Therapie
der Sarkoidose beschäftigt. G. Hunninghake et al. analysierten Patienten-Gruppen,
die nach einer Beobachtungsphase mit Dokumentation eines pulmonalen Funktionsverlustes
mit Kortikosteroiden therapiert wurden oder im Verlauf beobachtet wurden, wenn kein
progredienter Funktionsschaden erkennbar war. In der Therapiegruppe besserte sich
die Lungenfunktion bei 16 und stabilisierte sich bei 20 von 36 Patienten. In der Beobachtungsgruppe
kam es nur bei 8 von 55 zu einem Funktionsverlust der Lunge, der sich bei 6 durch
eine Kortikosteroid-Therapie und die Behandlung von Begleit- und Folgeerkrankungen
aufhalten ließ. Die Nachbeobachtung zeigte, dass in der Behandlungsgruppe etwa 14
% ein Rezidiv nach Therapieende erlitten. Bei der beschriebenen Vorgehensweise zur
Indikationsstellung kann somit ein Kollektiv identifiziert werden, das von einer Kortikosteroid-Therapie
der Sarkoidose eindeutig profitiert [[21]].
Eine große multizentrische Studie der British Thoracic Society teilte Patienten mit
persistierendem, radiologischem Befund in eine Gruppe (n = 27) mit Langzeit-Kortisontherapie
(mindestens 18 Monate) und in eine Gruppe (n = 31) mit Verlaufsbeobachtung und Therapie
(6 - 9 Monate) nur bei Symptomatik. In der Langzeitgruppe musste die Therapie zweimal
wegen Kortikosteroid-Nebenwirkungen abgebrochen werden. In der Beobachtungsgruppe
kam es lediglich bei 6 Patienten zu einer Symptomatik, die eine Therapie erforderte.
Nach vier Jahren unterschieden sich die beiden Gruppen kaum. Die Autoren bewerteten
eine Reihe von klinischen Parametern mit Punkten und fanden einen signifikanten Vorteil
für die Langzeittherapiegruppe. Für die Dyspnoe und den radiologischen Befund fanden
sich jedoch keine signifikanten Unterschiede. Die Autoren empfehlen zwar die Langzeittherapie,
aber ihre detailreiche Darstellung der Studie erlaubt dem Leser eine eigene Urteilsbildung,
und ich kann der Empfehlung der Autoren nicht folgen [[22]]. Nach meiner Einschätzung rechtfertigt das Ergebnis nicht den therapeutischen Aufwand,
das Nebenwirkungsrisiko und die Einschränkung der Lebensqualität der Patienten. Den
Autoren ist für die klare Beschreibung der vielen Aspekte der Studie zu danken, was
die persönliche Einschätzung erst ermöglicht.
Eine andere Studie darf in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. Gottlieb et
al. zeigten, dass chronisch behandlungsbedürftige Sarkoidoseverläufe mit mehreren
Rezidiven vor allem in der Gruppe von Patienten zu finden waren, die bereits bei Diagnosestellung
mit Kortikosteroiden behandelt werden mussten [[15]]. Die Autoren diskutieren die Möglichkeit, dass die initiale Kortikosteroid-Therapie
die Rezidive herbeigeführt hat. Im Kontext der Erkenntnisse zur Immunpathogenese der
Sarkoidose kann ich dieser Schlussfolgerung nicht zustimmen und sehe hier - wie auch
die Autoren - keine generelle Kontraindikation zur Kortikosteroid-Therapie, die sich
aus dieser Verlaufsbeobachtung ableiten ließe. Insbesondere kann die Studie nicht
dazu herangezogen werden, die Kortikosteroid-Therapie für ineffektiv zu erklären,
da Kortikosteroid-Wirkungen auf zentrale immunpathogenetische Mechanismen zahlreich
dokumentiert sind. Eine kausale Therapie stellt die Kortikosteroid-Therapie jedoch
nicht dar und die Mechanismen, die zur Remission führen, sind weiterhin unbekannt.
Es ist zu vermuten, dass die Kortikosteroide immunologische Regulationsmechanismen,
die auch bei der Spontanremission eine Rolle spielen, begünstigen [[23]].
Für kortikosteroidresistente Fälle, die immerhin zwischen 10 und 20 % der Patienten
mit Behandlungsindikation ausmachen, stehen keine monotherapeutischen Alternativen
zur Verfügung. Versuche, die Sarkoidose mit Cyclosporin A, Azathioprin, Methotrexat
oder Cyclophosphamid zu therapieren, haben zwar in Einzelfällen dokumentierte Erfolge
gezeigt, aber Parameter, die einen Behandlungserfolg voraussagen, konnten nicht herausgearbeitet
werden, so dass Subkollektive, die von derartigen Therapiealternativen vorhersehbar
profitieren, nicht identifiziert werden können [[24]
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[26]
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[28]
[29]]. Literatur, die Erfolge von Vorgehensweisen außerhalb der Schulmedizin, wie Eigenblutbehandlung,
über erweiterte Fallberichte hinaus dokumentiert, existiert nicht. Immunsuppressive
Kombinationstherapien, die es ermöglichen, die Kortikosteroid-Dosis zu reduzieren,
stehen jedoch zur Verfügung und ihre Erfolge sind ermutigend [[30]]. Welcher Partner bei geringster Nebenwirkungsrate und maximalem Effekt eine Kortisoneinsparung
ermöglicht, ist noch offen. Eine Reihe von Kandidaten wie Azathioprin, Methotrexat,
Pentoxifyllin und Thalidomid sind in Erprobung [[30]
[31]
[32]
[33]].
Solange eine ätiologische Therapie der Sarkoidose nicht möglich ist, muss bei persistierenden
Symptomen und/oder progredientem Funktionsverlust eines befallenen Organs die Kortikosteroid-Therapie
als Stand der Kunst angesehen werden, denn die Literatur belegt überzeugend, dass
diese Therapie lang anhaltende Remissionen induziert. Da ein formaler Beweis in Form
von doppelblinden, plazebokontrollierten Studien nicht führbar ist, muss die Indikation
auf der Basis des vorliegenden Erfahrungsschatzes gestellt werden und hier ist die
Kortikosteroid-Therapie die Option der ersten Wahl.