Aktueller Stand des Patientenverhaltenstrainings bei chronischen Atemwegserkrankungen
- Erfolge und Grenzen
Patientenschulungsmaßnahmen [[1]] bilden einen zentralen Bestandteil ambulanter wie stationärer medizinischer Rehabilitation.
Speziell im Rahmen der pneumologischen Rehabilitationsmedizin ist das Patientenverhaltenstraining
als wichtige Komponente inzwischen fest etabliert und Bestandteil der aktuellen nationalen
und internationalen Therapieempfehlungen. Dies gilt insbesondere für das Asthma bronchiale
[[2]
[3]
[4]
[5]
[6]], aber auch für die COPD [[7]
[8]
[9]]. Während der letzten 15 Jahre ist eine Reihe von entsprechenden Patientenschulungs-
bzw. Patientenverhaltenstrainingsprogrammen für Erwachsene wie Kinder entwickelt und
evaluiert worden. Zahlreiche empirische Arbeiten zeigen, dass insbesondere beim Asthma
bronchiale sowohl verschiedene Verlaufsparameter der Erkrankung wie Notfallaufnahmen,
Krankenhaustage, Arbeitsunfähigkeits- und Schulfehltage als auch die Lebensqualität
der Patienten günstig zu beeinflussen sind [[10]
[11]
[12]
[13]
[14]
[15]
[16]
[17]
[18]
[19]]. Wie in mehreren nationalen und internationalen Studien nachgewiesen, lassen sich
dadurch zudem langfristig deutliche finanzielle Einsparungen erzielen [[20], [21]]. Daher gilt Patientenedukation als essenzieller Bestandteil einer rationalen Therapie
chronisch obstruktiver Atemwegserkrankungen. Die Effektivität ist für das Asthma bronchiale
gesichert [[22]], für die chronisch obstruktive Bronchitis als wahrscheinlich anzunehmen [[23], [24]].
Definition, Inhalte und Ziele des Patientenverhaltenstrainings
Patientenverhaltenstraining bei obstruktiven Atemwegserkrankungen ist die Gesamtheit
aller Maßnahmen, die eine aktive Teilnahme des Patienten an der Bewältigung seiner
chronischen Krankheit durch Überwachen der Symptomatik und adäquate Selbstanpassung
der Therapie an den jeweiligen Schweregrad der Erkrankung ermöglichen [[25]]. Der Erkrankte soll in die Lage versetzt werden, seine Symptome zu erkennen bzw.
zu kontrollieren und Exazerbationen durch rechtzeitige Therapieanpassung zu beherrschen.
Er sollte seine Medikamente mit Wirkungen und Nebenwirkungen kennen und in der Lage
sein, diese korrekt anzuwenden (z. B. durch Training der Inhalationstechnik). Ein
wichtiges Ziel ist die Akzeptanz der chronischen Atemwegserkrankung, die zusammen
mit einem angemessenen, ärztlich begleiteten Selbstmanagement zu einer bestmöglichen
Gestaltung von Alltag und Beruf führen soll. Die für diese Zielsetzung erforderlichen
Schulungsinhalte (Tab. [1]) wurden durch die Arbeitsgruppe Patientenschulung der DGP und der Deutschen Atemwegsliga
1995 in einem allgemein akzeptierten Konsensuspapier festgelegt [[25]].
Ein wesentliches Ergebnis zahlreicher Evaluationsstudien zur Effektivität von „Patientenschulung”
besteht darin, dass Wissensvermittlung alleine keine Verbesserung des Selbstmanagements
und der Morbidität bewirkt [[26]]. Notwendig erscheint vielmehr ein regelrechtes Patientenverhaltenstraining, welches
nicht nur eine Verbesserung von Wissen zum Ziel hat, sondern auch das praktische Einüben
der erforderlichen Fertigkeiten umfasst und vor allem auf das dauerhafte Etablieren
eines krankheitsadäquaten Verhaltens abzielt (Tab. [2]). Wissens-, Kompetenz- und Verhaltensänderungen erfordern dabei vielfältige Interventionsmaßnahmen,
die sowohl auf kognitiver als auch auf motorischer und emotionaler Ebene greifen.
Effektives Patientenverhaltenstraining ist daher weit mehr als bloße Wissensvermittlung!
Gerade in einem stationären Setting bieten sich vielfältige Möglichkeiten für ein
systematisches Patientenverhaltenstraining, welches neben „klassischen Schulungskomponenten”
auch spezielle psychologische Bausteine (Krankheitsverarbeitung, Umgang mit der Krankheit
im Beruf und im Alltag) einschließt. Zudem bestehen hier ideale Möglichkeiten der
systematischen Integration der medizinisch überwachten Sport- und Trainingstherapie
in das Patientenverhaltenstraining [[27]], wobei wesentliche Lerninhalte alltagsnah und praktisch geübt und umgesetzt werden
können (z. B. DA-Gebrauch vor Belastung, Peak-Flow-Kontrolle bei Belastungsdyspnoe,
Hustentechnik, Atemtechniken bei Belastung). Die körperliche Trainingstherapie wird
somit zu einem praktischen Trainingsfeld des Patientenverhaltenstrainings.
Modulares individualisiertes Patientenverhaltenstraining
In Deutschland wurde das erste „Asthma-Behandlungs- und Schulungsprogramm” (ABUS)
von der Düsseldorfer Arbeitsgruppe etabliert und evaluiert [[28]]. Die Erfahrungen dieses stationären Programmes gingen in die ambulanten Schulungsprogramme
für Asthma (AFAS = „Ambulantes Asthma-Behandlungs- und Schulungsprogramm”) [[29]
[30]
[31]] und chronisch obstruktive Bronchitis [[32]] („Ambulantes Fürther Schulungsprogramm für Patienten mit chronisch obstruktiver
Bronchitis und Lungenemphysem”, AFBE) der Fürther Arbeitsgruppe um H. Worth ein.
Speziell ausgerichtet auf die Bedingungen der stationären Rehabilitation hat das Schulungsteam
der Fachklinik Bad Reichenhall unter der Leitung von W. Petro eines der ersten umfassenden
Trainingsprogramme für die Gesamtgruppe der chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankungen
im Erwachsenenalter („Bad Reichenhaller Modell”) entworfen, in die Praxis umgesetzt
und in seiner Wirksamkeit dokumentiert [[33]]. In zwischenzeitlich mehrfach modifizierter Form wurde dieses Schulungsprogramm
von mehreren tausend Patienten erfolgreich absolviert [[34]].
Trotz vieler Vorzüge dieser ersten stationären Schulungsmodelle, haftete ihnen doch
ein wichtiger, konzeptimmanenter Schwachpunkt an. Sie waren bezogen auf den einzelnen
Patienten oft zu wenig individuell, und zwar sowohl bezüglich des angebotenen Schulungsumfanges
und der Schulungsintensität (z. B. ein einheitlicher Kurs mit festgelegter Stundenzahl
für alle Patienten, unabhängig von Aufnahmefähigkeit, Motivation und Schulungsbedarf)
als auch insbesondere bezüglich notwendiger spezieller Schulungsinhalte (z .B. gleiche
Schulungsintensität des Themas Allergie für allergische und nicht-allergische Asthmatiker).
Insbesondere im Rahmen der stationären Rehabilitationsmedizin kann es aber nicht darum
gehen, den geeigneten Patienten für ein vorhandenes Schulungsprogramm zu finden, sondern
das Ziel muss umgekehrt ein flexibles System sein, das an die Bedürfnisse verschiedenster
Patientengruppen adaptierbar ist (z. B. spezielle Trainingsmodule für Allergiker oder
Sauerstoff-Langzeittherapiepatienten). Konkret besteht die Aufgabe also darin, einen
Zwischenweg zu finden zwischen einer unökonomischen und aus Zeitgründen i. d. R. lückenhaften
„Individualschulung” und einer zwar hochgradig standardisierten und strukturierten
Gruppenschulung, die aber für einen Teil der Patienten nicht optimal geeignet ist
(z. B. für kognitiv weniger strukturierte Patienten oder für Patienten mit Sonderproblemen).
Ein möglicher Lösungsweg aus diesem Dilemma besteht in einer konsequent modularen
Strukturierung [[35]] des Patientenverhaltenstrainings: Verschiedene, unabhängig miteinander kombinierbare
Schulungs- und Trainingsmodule werden dabei nach dem „Baukastenprinzip” für jeden
Patienten zu einem individuell bedarfsgerechten Curriculum kombiniert. Der Begriff
„Modul” wird hier also nicht im Sinne von „Unterrichtsstunde” verstanden, sondern
beinhaltet jeweils ein thematisch begrenztes, in sich abgeschlossenes Schulungs- oder
Trainingsprogramm, welches durchaus mehrere Unterrichtsstunden umfassen kann. Somit
kann für jeden Patienten aus einem größeren Pool unabhängiger und in sich geschlossener
Schulungs- und Trainingsmodule das für ihn individuell angemessene Curriculum zusammengestellt
werden.
Um den Charakter einer Gruppenschulung beizubehalten, ist eine ausreichende Zahl von
Patienten mit ähnlichen Schulungsvoraussetzungen erforderlich, um für die einzelnen
Schulungsgruppen mit spezifischen Modulangeboten optimale Gruppengrößen von 5 bis
10 (maximal 15) Patienten zu erreichen, mit denen sich einerseits ökonomisch und andererseits
effektiv arbeiten lässt. Des Weiteren ist eine genügend große Zahl von qualifizierten
Schülern eine Grundvoraussetzung, wobei es sich hier keinesfalls nur um Ärzte handeln
muss. Beide Voraussetzungen sind in den größeren pneumologischen Rehakliniken gegeben,
so dass diese modulare Schulungsstruktur hier verwirklicht werden kann.
Im Folgenden soll ein modular strukturiertes, individualisiertes Patientenverhaltenstrainingsprogramm
am Beispiel der pneumologischen Fachkliniken in Bad Reichenhall und Pfronten dargestellt
werden. Das Konzept beruht auf dem Prinzip der individuellen Erstellung eines maßgeschneiderten
Schulungscurriculums für jeden einzelnen Patienten, bestehend in der Regel aus einem
Intensivtrainingskurs Asthma bzw. Intensivtrainingskurs Chronische Bronchitis/Emphysem,
welcher bedarfsweise durch „Essenzialtrainingsmodule”, „Spezialschulungsmodule” sowie
„psychologische Module” ergänzt wird (s. Tab. [3]). Abhängig vom Schulungsbedarf, der Motivation, der Mitarbeitsfähigkeit, den kognitiven
Fähigkeiten und der zeitlichen Verfügbarkeit der Patienten ist aber auch eine Zusammensetzung
des individuellen Schulungprogrammes nur aus „Essenzialtrainingsmodulen” (Konzept
der essenziellen Minimalschulung) und/ oder „Spezialtrainingsmodulen” sinnvoll und
möglich.
Derzeit erfolgt die Indikationsstellung für die verschiedenen Module vor allem durch
die behandelnden Stationsärzte. Bei eindeutigen Diagnosen ist dies für viele Patienten
unproblematisch (z. B. nichtgeschulter, motivierter Emphysempatient mit Indikation
zur Sauerstoff-Langzeittherapie → mögliches Curriculum: Intensivtrainingskurs „Chronische
Bronchitis/ Emphysem” + Spezialmodul „Sauerstoff-Langzeittherapie” + Spezialmodul
„Apparateinhalation” + COPD-Sportgruppe). Darüber hinaus geht in die ärztliche Indikationsstellung
aber auch immer eine intuitive Einschätzung des Schulungsbedarfes, der Motivation
und Mitarbeitsfähigkeit des Patienten mit ein. Idealerweise sollte dieser Teil der
Indikationsstellung aber auf einer systematischen Patiententypologie basieren, d.
h. es wäre für die Zukunft wünschenswert, die Zuweisungskriterien expliziter zu definieren
und soweit wie möglich zu standardisieren. Voraussetzung solches Patienten-Screenings
wäre eine Art vorgeschalteter Schulungsdiagnostik, die zumindest drei zentrale Patientenmerkmale
zu identifizieren hätte:
-
individueller Schulungsbedarf: Vorwissen, Selbstmanagement-Kompetenzen, Belastungsgrad,
Copingfähigkeiten, spezifische Sonderprobleme;
-
individuelle Schulbarkeit: Alter, kognitive Funktionsfähigkeit (Verständnis, Erinnerungsfähigkeit,
Sprache), Krankheitseinstellungen (Akzeptanz, Kontrollüberzeugung, Selbstwirksamkeit);
-
individuelle Schulungsbereitschaft: Interesse, Motivation, persönliche Sichtweisen
und Ziele.
Es erscheint uns wahrscheinlich, dass dadurch das „Konzept des individualisierten,
modular strukturierten Patientenverhaltenstrainings” noch zu optimieren wäre. Hier
besteht aber noch ein erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf (valide und reliable
Diagnostika).
Durch den obligaten Gebrauch von Overhead-Folien, die die wesentlichen Lehrinhalte
in Form von stichwortartigen Texten und Merksätzen enthalten, wird eine sehr weitgehende
Standardisierung der Schulungsinhalte und -methoden erreicht. Dadurch ist es möglich,
ein solch komplexes System von Krankheits- und Behandlungsinformationen durch verschiedene
bzw. wechselnde Schuler zu vermitteln, ohne dass die Übertragbarkeit der Ergebnisse
gefährdet wird. Durch die Standardisierung wird zudem gewährleistet, dass die Inhalte
und die Durchführung unabhängig von der schulenden Person konstant bleiben. Dies ist
die Voraussetzung, dass ein Schulungs-/Verhaltenstrainingsprogramm auch mit wechselnden
Schulern kontinuierlich über Jahre in jedem Rehadurchgang in vergleichbarer Weise
(nach demselben Curriculum und Stundenplan) durchführbar ist. Zudem wird der durch
den Folieneinsatz erreichbare Zeitgewinn konsequent für das praktische Einüben der
erforderlichen Grundfertigkeiten mit allen Schulungsteilnehmern -- unter Supervision
durch die Gruppe - genutzt. Dies betrifft vor allem das systematische Einüben der
korrekten Dosier-Aerosol-Technik, die Ermittlung der „Peak-Flow-Ampelzonen” und das
praktische Durchspielen möglicher Notfallsituationen.
Intensivkurs „Asthma bronchiale”, Intensivkurs „chronische Bronchitis/Emphysem”
Im Rahmen dieser einwöchigen Intensivkurse werden in Gruppen mit zumeist 8 - 12 Teilnehmer
das erforderliche Wissen und die nötigen praktischen Fertigkeiten, entsprechend den
o. g. Empfehlungen (Tab. [1]), vermittelt und eingeübt. Diese Wochenkurse beinhalten neben Stunden mit vorwiegender
„Wissens- und Fertigkeitsvermittlung” („Aufbau der Atmungsorgane”, „Krankheitslehre”,
„medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapie”, „Selbstkontrolle”) auch Unterrichtseinheiten
mit primär psychologischen Themen sowie thematisch offene „Zusammenfassungsstunden”.
Die Durchführung erfolgt interdisziplinär durch fachlich entsprechend weitergebildete
Ärzte, Sozialpädagogen und Psychologen. Die Indikationsstellung wird durch die Stationsärzte
vorgenommen und verlangt spezielles pneumologisches Wissen, aufgrund der keineswegs
immer leichten Zuordnung der Patienten zu einer der beiden Gruppen.
Medizinische Inhalte der Intensivkurse „Asthma bronchiale” und „Chronische Bronchitis/Emphysem”
Die „medizinisch-ärztlichen Inhalte” dieser einwöchigen Schulungskurse sind in Tab.
[4] aufgelistet. Angelehnt an die oben erwähnten Standards (Tab. [1]) sind die dort geforderten Inhalte für den Asthma- bzw. Bronchitis/Emphysemkurs
jeweils inhaltlich differenziert vorgegeben. So wird im COPD-Kurs beispielsweise besonderes
Gewicht auf die Themen Rauchen, Atem- und Hustentechniken, Schleimmobilisation und
körperliches Training gelegt. Eindeutige Schwerpunkte des Asthmakurses sind die medikamentöse
Therapie, die Selbstkontrolle, das Peak-Flow-Meter-gesteuerte Selbstmanagement sowie
das Verhalten beim schweren Asthma-Anfall. Selbstverständlich gibt es aber in beiden
Kursen auch viele thematische Gemeinsamkeiten, wie den Curricula zu entnehmen ist
(Tab. [4]).
Psychologische Inhalte der Wochenkurse „Asthma bronchiale” und „Chronische Bronchitis/Emphysem”
Die „Einführungs- und Vorstellungsstunde” (1. Stunde) dient dem gegenseitigen Kennenlernen
von Patienten und Trainern, der Vorstellung der Methodik, der inhaltlichen Einführung
in das Verhaltenstraining und der Motivation der Patienten als Basis für eine aktive
Mitarbeit. Individuelle Voraussetzungen, Bedürfnisse und Erwartungen der Patienten
sind abzuklären. Nach der Schaffung einer förderlichen Beziehung können Unterschiede
in Krankheits- und Behandlungskonzepten zwischen Behandlern und Patienten thematisiert
werden [[37]], um eine ausreichende Kongruenz zu erreichen. Die Doppelstunde „Leben mit der Erkrankung”
(7./8. Stunde) dient der Bahnung einer förderlichen Einstellung gegenüber der eigenen
Erkrankung, der Veränderung problemstabilisierender Kognitionen („gesund” - „krank”)
sowie der Förderung eines selbstverständlichen Umgangs mit der Erkrankung.
Essenzialtrainingsmodule - Konzept der essenziellen Minimalschulung
In Deutschland existieren inzwischen zahlreiche, z. T. auch evaluierte Schulungsmodelle
mit einem definierten Curriculum, sowohl für die Gesamtgruppe der obstruktiven Atemwegserkrankungen
als auch differenziert für Asthma und Bronchitis/Emphysem (Übersicht bei [[38]] und [[39]]). Beispiele sind
-
das Modell des Berufsverbandes der Pneumologen,
-
die ambulanten Fürther Schulungsmodelle für Asthma bzw. chronische Bronchitis/Emphysem
-
sowie verschiedene von der Industrie verbreitete Modelle.
Dabei wird bei den Curricula dieser Programme nicht systematisch nach Lernzielumfang
und kognitivem Niveau für verschiedene Gruppen differenziert. Überspitzt mag dies
im Einzelfall auf die Entscheidung „schulbar bzw. nicht schulbar” hinauslaufen. Maßgeschneiderte,
individualisierte Schulungsprogramme, gerade im Rahmen der stationären Rehabilitation,
müssen aber auch Optionen für Patienten bieten, die mit einer 6 - 10-stündigen Gruppenschulung
(komplettes Curriculum entsprechend den DGP-Richtlinien) überfordert sind. Hier bietet
sich konsequenterweise die Beschränkung auf eine essenzielle Minimalschulung an, also
die Konzentration auf die Vermittlung essenzieller Mindestfertigkeiten und -kenntnisse
(1 - 2 Stunden). Dies ist mit den im Folgenden dargestellten „Essenzialtrainingsmodulen”
intendiert. Die Erarbeitung dieser Essenzialtrainingsmodule war daher ein entscheidender
Schritt zur Verwirklichung des modularen Schulungskonzeptes. Wir verstehen darunter
separate Trainingsbausteine, die sich auf das gezielte Einüben und Trainieren zentraler
und unabdingbarer („essenzieller”) Grundfertigkeiten und Kenntnisse beschränken, die
für das Selbstmanagement chronisch obstruktiver Atemwegserkrankungen unerlässlich
sind. Dazu gehören in erster Linie der richtige Gebrauch der verschiedenen Dosieraerosol-/Pulverinhalations-Systeme
(Essenzialtrainingsmodul: „Inhalative Medikamente bei Asthma und Bronchitis”) sowie
die Selbstüberwachung mittels Peak-Flow-Meter-Kontrolle (Essenzialtrainingsmodul:
„Peak-Flow-Meter” [[40]]). Diese Essenzialtrainingsmodule, die mit allen anderen Kursen bzw. Modulen frei
kombinierbar sind, haben zwei z. T. unterschiedliche Funktionen:
-
Wiederholung und Vertiefung: Zeigen sich bei der routinemäßigen Kenntnis- und Fertigkeitsüberprüfung
(z. B. im Rahmen der Visite nach den „allgemeinen Trainingskursen” und der individuellen
Einführung durch Arzt und/oder Schwester) noch Lücken oder Unklarheiten bei der Beherrschung
dieser Essenzialfertigkeiten, so erfolgt in diesen Kursen eine nochmalige und gezielte
Instruktion und Übung.
-
Separatangebot der essenziellen Minimalschulung: Für manchen Patienten ist bspw. ein
vollständiges Asthmatikerschulungsprogramm zu umfangreich, sei es aus Gründen der
Motivation oder der kognitiven Kapazität. In diesen Fällen kann aber ein speziell
auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittenes, gezieltes Minimalprogramm indiziert
und nützlich sein (z. B. bestehend nur aus dem Essenzialtrainingsmodul zum korrekten
Gebrauch der Dosieraerosole). Die Essenzialtrainingsmodule sind also so konzipiert,
dass sie auch separat und unabhängig von anderen Schulungsinhalten als Minimal-Schulungsprogramm
fungieren können.
Das Konzept der essenziellen Minimalschulung, also der konsequenten Beschränkung auf
ein aus modularen Komponenten zusammengestelltes Schulungscurriculum für die individuell
erforderlichen Mindestfertigkeiten und -kenntnisse wäre auch an Akutkrankenhäusern
oder im Rahmen einer ambulanten Patientenschulung umsetzbar, wo die vorhandenen Ressourcen
an Zeit und Schulungspersonal zu einer Beschränkung auf die essenziellen Inhalte zwingen.
Aufgrund der hochgradigen Standardisierung dieser Essenzialtrainingsmodule ist der
Lerneffekt seitens der Patienten auch bei Schulern unterschiedlicher Professionen
vergleichbar ausgeprägt. Dies wurde exemplarisch am Modul des Peak-Flow-Meter-Trainings
demonstriert [[41]]. Daher können diese Essenzialtrainingsmodule genauso effektiv durch nichtärztliche
Trainer durchgeführt werden [[42]], was in Bad Reichenhall und Pfronten erfolgreich praktiziert wird. In einer prospektiven
und randomisierten Studie erwies sich dieses standardisierte und strukturierte Vorgehen
in seiner Effizienz den weniger exakt definierten Schulungsformen sowohl bezüglich
der Wissensvermittlung (Multiple Choice-Fragen) als auch bezüglich der erlernten praktischen
Fertigkeiten (Beobachtungsscore) und des tatsächlichen durchgeführten Verhaltens (Patiententagebuch)
als überlegen. Zudem zeigte sich gegenüber dem alleinigen Intensivwochenkurs („Asthma
bronchiale”) ein zusätzlicher Benefit [[43]].
Computerbasierte Schulungsmodule: Aufgrund der hochgradigen Standardisierung war die
Umsetzung der „Wissensinhalte” der Essenzialtrainingsmodule in Form von PC-basierten
Schulungsprogrammen naheliegend. Zu betonen ist, dass solche PC-Programme zwar das
konventionelle Patientenverhaltenstraining effektiv ergänzen, aber keinesfalls ersetzen
können und sollen. Letztlich sind hierdurch vor allem Wissensinhalte, weniger aber
die praktischen Fertigkeiten und psychosozialen Aspekte der Krankheitsbewältigung
trainierbar. Ziel des ergänzenden und fakultativen Einsatzes innerhalb eines stationären
Schulungssystems ist, die damit zu gewinnenden personellen und zeitlichen Einsparungen
dem eigentlichen umfassenden Patientenverhaltenstraining zugute kommen zu lassen.
BREATH (Bad Reichenhaller elektronische Asthma-Therapie-Hilfe) ist ein an der Klinik
Bad Reichenhall entwickeltes interaktives und multimedial gestaltetes PC-Patientenschulungs-Programm
[[44], [45]]. Es basiert auf dem evaluierten Essenzialtrainingsmodul („Peak-Flow-Meter-Training”),
geht über dieses jedoch weit hinaus und umfasst die wesentlichen Aspekte des gesamten
Selbstmanagementtrainings bei Asthma bronchiale, vor allem Krankheitsverlaufskontrolle
und medikamentöse Therapie. Zwar liegt der Schwerpunkt auf einer detaillierten Einführung
in die Selbstkontrolle mittels Peak-Flowmetrie, es werden aber ebenso detailliert
die Prinzipien der Stufentherapie erläutert und in zahlreichen praxisnahen Trainingssequenzen
interaktiv eingeübt. Das Programm hat reges Interesse gefunden und eine erste Pilot-Evaluation
wurde erfolgreich abgeschlossen. Hierbei konnte neben einem deutlichen Wissenszuwachs
vor allem die Akzeptanz des Mediums PC seitens der Patienten dokumentiert werden [[46]]. Zwischenzeitlich ist das zweite BREATH-Modul fertiggestellt: „More BREATH" beinhaltet
die Umsetzung des Essenzialtrainingsmoduls „Inhalative Medikamente”; weitere Module
(„Allergo-BREATH” = Umsetzung der verschiedenen evaluierten Allergiker-Trainingsmodule,
„Oxygen-BREATH” = Umsetzung des Spezialmoduls zur O2-Langzeittherapie) werden derzeit erstellt bzw. sind in Vorbereitung.
Spezialtrainingsmodule [[47]]
Ein einheitliches Gesamt-Curriculum „Asthma, Bronchitis, Emphysem” muss zwangsläufig
bei vielen Patienten mit „Sonderproblemen” unvollständig bleiben. Diese sind jedoch
gerade in einer pneumologischen Schwerpunkt-Rehabilitationsklinik überproportional
vertreten. Es liegt auf der Hand, dass ein weiterer spezieller Schulungs- und Trainingsbedarf
bei verschiedenen Patientenuntergruppen besteht, der durch ein konventionelles Schulungsprogramm
nicht ausreichend abgedeckt wird. Für diese Patienten sind spezielle Schulungs- und
Trainingsprogramme vonnöten. Dies betrifft z. B. Patienten mit:
-
Allergien,
-
Indikation zur Sauerstoff-Langzeittherapie,
-
Indikation zur intermittierenden Selbstbeatmung (ISB),
-
Schlafapnoe (nCPAP, BiPAP)
-
Inhalationsgeräten (Düsenvernebler, IPPB)
-
interstitiellen Lungenerkrankungen
-
Bronchiektasenerkrankung
-
fremdsprachige Patientenschulung usw.
Spezialtrainingsmodule sehen wir als optionale Zusatzbausteine (Module) eines modular
strukturierten Gesamtprogrammes. Ziel ist letztlich eine umfassende Palette frei kombinierbarer
Schulungs- und Trainingsmodule, so dass für jeden Patienten ein auf seine individuellen
Bedürfnisse maßgeschneidertes Patientenverhaltenstraining angeboten werden kann.
Beispiel 1: Modular strukturierte Allergiker-Karenztrainingsprogramme [[48]]
Als Teil des für jeden Einzelfall individuell erstellten Curriculums durchlaufen jene
Patienten mit einer klinisch relevanten Atemwegsallergie ein „allergenspezifisches
Allergikertraining”, welches aus einem Grundlagenmodul und drei optionalen Trainingsgruppen
(Hausstaubmilben [[49]], Pollen, Tiere/ Schimmelpilze) besteht. Für jeden Patienten kann so ein individuelles
Allergikertrainingsprogramm zusammengestellt werden. Zudem ist es dadurch möglich,
das allgemeine Schulungsprogramm von diesen Sonderthemen weitgehend zu entlasten.
Das „Allergikertraining” erfolgt in Kleingruppen und findet in einem zweiwöchentlichen
Turnus statt. Jedes Modul umfasst eine Doppelstunde. Die Indikationsstellung erfolgt
durch die behandelnden Ärzte, Einschlusskriterium ist eine gesicherte und klinisch
relevante Sensibilisierung gegen die genannten Allergene. Im Grundlagenteil („Grundlagenwissen
für Atemwegsallergiker”) werden Fragen besprochen wie: „Was ist Allergie, wie entsteht
sie, wie wird sie diagnostiziert?” Des Weiteren werden die Grundprinzipien der Therapie
behandelt sowie die Themenkomplexe „Vererbung - Vorbeugung - Haustiere - Berufswahl”.
Dieses „Allergie-Grundlagenmodul” ist für alle Patienten identisch. Anschließend erfolgt
die gezielte Vermittlung weiterer spezifischer Kenntnisse und Kompetenzen in drei
speziellen „Aufbaumodulen”. Hier wird besonderer Wert auf ein praktisches Einüben
der notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten gelegt, unter besonderer Betonung der
Karenzmaßnahmen. Das Programm besteht einerseits aus weitgehend ausformulierten Texten
(Overhead-Folien, Kurshefte) und Dias/Videofilmen (multimedial), andererseits aus
praktischen Übungen und Demonstrationen. Die vorliegenden Evaluationsergebnisse [[50]] bestätigen die Effektivität dieses Allergikertrainings, gemessen am Grad der Wissensvermittlung
und der Akzeptanz seitens der Patienten.
Beispiel 2: Trainingsprogramm Sauerstoff-Langzeittherapie
Die Einleitung einer solchen Therapie stellt für den Patienten eine einschneidende
Veränderung seiner gesamten Lebenssituation dar. Die Effektivität dieser Behandlungsform
hängt ganz entscheidend von der konsequenten Therapiedurchführung ab. Eine solche
verlangt aber nicht nur ein erhebliches Maß an Motivation seitens des Patienten, sondern
auch eine sehr intensive und gründliche Einweisung durch den Arzt. Grundlage einer
tragfähigen Motivation ist das Wissen um die Zusammenhänge und die Prognose des Cor
pulmonale und die Möglichkeit, letztere durch eine Sauerstoff-Langzeittherapie entscheidend
zu verbessern. Wesentlich erscheint insbesondere die Vermittlung der Tatsache, dass
eine solche Behandlung nicht primär auf die Besserung von Husten, Auswurf und Dyspnoe
zielt. So wird Sauerstofftherapie sehr oft mit „besser Luft bekommen” gleichgesetzt.
Auf solchen Missverständnissen beruht sicher ein Teil der fehlenden Compliance. Neben
der Vermittlung dieser notwendigen Grundkenntnisse muss aber vor allem die praktische
Durchführung der Therapie eingeübt werden. Oft erst während dieser Übungsphase ergeben
sich die konkreten Fragen seitens der Patienten. Da sich all diese Lernanforderungen
gut im Rahmen eines speziellen stationären Trainingsprogrammes durchführen lassen,
wurde 1995 an der Klinik Bad Reichenhall ein standardisiertes Trainingsprogramm zur
O2-LZT entwickelt [[51]], welches von entsprechenden Patienten seither routinemäßig durchlaufen wird. Ziel
des Kurses ist sowohl Wissensvermittlung über den Zweck und notwendigen Umfang der
O2-LZT, als auch ein praktisches Training vieler technischer Details (Lärmvermeidung,
Mobilität, Hygiene, Filterwechsel, Fragen bez. Reisen u. Berufstätigkeit u. a.). Auch
dieser Kurs ist in einen einleitenden theoretischen Grundteil und einen eher praktischen
Unterweisungsteil gegliedert. Entscheidend scheint vor allem das Demonstrieren und
selbstständige Ausprobieren der verschiedenen Sauerstoffsysteme sowie der verschiedenen
Nasensonden. Dieses praktische Einüben ist insbesondere bei mobilen Systemen zwingend
erforderlich. Wesentlich ist hier auch der emotionale Benefit der Patienten (z. B.
Erleben und gemeinsames Angehen eines ähnlichen Lebensschicksals). Auch für dieses
Spezialmodul bestätigen die vorliegenden Evaluationsergebnisse die Effektivität gemessen
am Grad der Wissensvermittlung, der Verbesserung der praktischen Fertigkeiten und
der Akzeptanz seitens der Patienten [[52], [53]].
Verschiedene internationale Arbeiten untersuchten die Compliance bei der Durchführung
der LTOT und zeigten erhebliche Mängel bei der praktischen Durchführung [[54], [55]]. So wurde die Therapie bei etwa der Hälfte der untersuchten Personen nicht korrekt
durchgeführt [[56]]. In der Literatur finden sich allenfalls sporadisch Arbeiten zur Frage der Auswirkung
von Patientenschulung auf die Compliance und Effektivität einer Sauerstoff-Langzeittherapie.
Insbesondere zur Prüfung der Effektivität einer solchen Schulung auf die Dauer der
täglichen O2-Insufflation existieren nur zwei Studien, wobei sich immerhin Hinweise auf einer
Verbesserung der täglichen Anwendungszeit durch Schulung fanden [[57], [58]]. Kontrollierte prospektive Studien zu dieser Fragestellung fehlen aber bislang.
Ergänzende psychosoziale Module
Ein verhaltensmedizinisch optimiertes Schulungsmodell verlangt die Integration psychologischer
Verfahren zur Verbesserung des Umgangs mit chronischer Erkrankung und zur Verhaltensmodifikation.
Neben begleitenden therapeutischen Elementen wie Entspannungstraining, Sport- und
Ernährungstherapie sollen die bereits bestehenden Module einerseits - wie oben beschrieben
- psychologisch optimiert und andererseits durch neue Modulelemente ergänzt werden.
Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Krankheitsbewältigung, die Verbesserung der
Motivation, der Selbstmanagementkompetenzen, der Interozeptionsfähigkeit und auf einen
selbstsicheren Umgang mit sozialen Aspekten der Erkrankung gelegt, um damit die Compliance
langfristig zu unterstützen [[59]].
Modul Interozeptionstraining
Wie die psychophysiologische Grundlagenforschung belegt, lässt sich durch gezieltes
Interozeptionstraining die Symptomwahrnehmung von Asthmatikern deutlich verbessern
[[60]
[61]
[62]
[63]]: Das systematisches Wahrnehmungstraining für körperinterne Prozesse zielt darauf
ab, eine geräteunabhängige Sensibilisierung für Frühwarnzeichen einer Verschlechterung
zu vermitteln (Atemwegsobstruktionen, Symptomfrüherkennung), individuelle Warnsignale
und Auslösermuster identifizieren zu lernen sowie die Effekte der Medikation sinnlich
erfahrbar zu machen. Während des Kurses wird die Bedeutung der Interozeption erarbeitet,
die die Eigenkontrolle mittels Peak-Flow-Meter unterstützen soll. Die Patienten erhalten
einen Protokollbogen, auf dem sie in der Art eines „Körperchecks” relevante Symptome
durchgehen und protokollieren können. Anschließend sollen sie täglich nach dem Aufstehen
und gegebenenfalls vor Einnahme der Medikamente eine Schätzung ihres Peak-Flow-Wertes
abgeben, und danach den tatsächlichen Peak-Flow-Wert ermitteln. In regelmäßigen Gruppentreffen
werden die Ergebnisprotokolle durchgesprochen, gerade im Hinblick auf die Abhängigkeit
der Schätzgüte von der körperlichen Befindlichkeit.
Modul Selbstsicherheitstraining
Dieses Modul baut auf den Stunden 7 - 8 („Krankheitsbewältigung”) des Intensivkurses
auf und richtet sich an Patienten, die entweder ein krankheitsbedingtes Sozialvermeidungsverhalten
zeigen oder ihr Selbstmanagement aus sozialen Ängsten nicht adäquat durchführen. In
diesem Training können auch krankheitskonkordante sozial- und agoraphobische Haltungen
thematisiert werden. Gegebenenfalls wird dieses Modul ergänzt durch eine psychotherapeutische
Behandlung. Ziele dieses Moduls sind es, andere Menschen über die eigene Erkrankung
informieren und nötiges Selbstmanagement in der Öffentlichkeit praktizieren zu können
sowie die Verbesserung des Bedürfnisausdrucks und der Durchsetzungsfähigkeit gegenüber
medizinischen Fachpersonen. Dies wird in Standardrollenspielen (Inhalieren am Arbeitsplatz;
Umgang mit Rauchen in Gruppen etc.) sowie anliegenorientierten Rollenspielen erarbeitet
und geübt.
Modul Selbstmanagement
Dieses Modul ist für Patienten konzipiert, die einerseits aufgrund eines instabilen
Asthmaverlaufes bzw. der Notwendigkeit einer langfristigen und z. T. umfangreichen
Medikation einen erhöhten Selbstmanagementbedarf haben oder andererseits aufgrund
mangelnder Selbstmanagementfähigkeiten bereits vermeidbare Notfallsituationen oder
Krankenhausaufenthalte durchlaufen haben. Die Ursache dieser mangelnden Selbstmanagementfähigkeiten
kann sowohl in einem einfachen Wissen- und Fertigkeitsdefizit liegen, andererseits
aber auch durch psychologische Hemmnisse bedingt sein (Krankheitsverdrängung, Folgen
einer inadäquaten Laientheorie). Zur Verbesserung des Selbstmanagements erfolgt eine
systematische Vertiefung der Themen „Selbstkontrolle” und „ärztlich begleitetes Selbstmanagement”,
welche bereits im Wochenkurses „Asthma bronchiale” erörtert wurden. In dieser wöchentlich
stattfindenden Gruppe können alle positiven oder negativen Erfahrungen mit der eigenständigen
Therapieanpassung zur Sprache kommen. Insbesondere sollen auch Hemmungen und Widerstände
thematisiert werden können. In dieser Gruppe sollen verstärkt Kompetenz- oder Fertigkeitsdefizite
mit übenden (z. B. erfolgsbetontes Trainieren von Selbstmanagement und Notfalltechniken)
und verhaltenstherapeutischen Verfahren (z. B. Verstärkung, Modelllernen, Erarbeiten
von Verhaltensketten, Hilfen zum Alltagstransfer, Merkhilfen) aufgebaut werden. Die
Einstellungen des Patienten zu seiner Erkrankung, deren Behandlung und seinen Bewältigungsmöglichkeiten
(Krankheitsakzeptanz, Kontrollüberzeugungen, Selbstwirksamkeit) lassen sich mit kognitiven
Interventionsverfahren wirksam beeinflussen.
Modul: Gruppe „Nichtraucher werden”
Obwohl Nichtraucher-Trainingsprogramme bisher eher unbefriedigende Ergebnisse zeigen,
sind sie ein wichtiger Bestandteil eines umfassenden Verhaltenstrainingsprogrammes.
Diese Gruppe ist konzipiert als eine Art Selbsthilfetraining mit Moderation. Ganz
bewusst wird nicht von einem „Training” gesprochen, da dies für die Patienten gelegentlich
assoziiert ist mit einem Programm, das lediglich absolviert werden muss, um Nichtraucher
zu werden.
Die erste Stunde dient dem Einstieg in die Gruppe; die weiteren Stunden finden einmal
wöchentlich für die Dauer des Aufenthalts statt. Zu Beginn werden Einstellungsaspekte
besprochen und die Bereitschaft, mit dem Rauchen aufzuhören, eruiert und transparent
gemacht. Ergebnis dieses Prozesses ist eine Entscheidung, ob und wenn ja, wie mit
dem Rauchen aufgehört werden soll. Diese wird in der zweiten Stunde besprochen. Prinzipiell
werden die Reduktionsmethode und die Schlußpunktmethode (mit und ohne Nikotin-Substitution)
mit den Patienten erarbeitet. In den folgenden Stunden unterstützen sich die Patienten
wechselseitig in ihrer Entscheidung und der praktischen Durchführung, das Rauchen
deutlich einzuschränken oder besser ganz einzustellen. Großer Wert wird auf die verhaltenstherapeutische
Erarbeitung von Gewohnheitsänderungen gelegt sowie den Aufbau von Genussfähigkeit.
Körperliche Trainingstherapie als praktisches Übungsfeld des Patientenverhaltenstrainings
Körperliches Training ist fester Bestandteil aller stationären pneumologischen Rehabilitationsprogramme.
Durch die systematische Integration der speziell für Atemwegskranke konzipierten körperlichen
Trainingstherapie in das Patientenverhaltenstrainingskonzept erschließt sich ein wichtiges
praktisches psychosoziales Übungsfeld, da hier wesentliche Aspekte alltagsnah und
unter kontrollierter Konfrontation mit dem Leitsymptom Belastungsintoleranz in der
Gruppe eingeübt und optimiert werden. So kann ein adäquates Verhalten in Belastungssituationen
erprobt werden, wobei die grundlegende Fertigkeiten „Selbstkontrolle” (Peak-Flow-Meter,
Borg-Skala, Interozeption u. a.) und der richtige Gebrauch der inhalativen Medikamente
(z. B. Anwendungszeitpunkt vor dem Training, Applikationstechnik, Anwendung in der
Öffentlichkeit) nochmals konkret geübt wird. Die körperliche Trainingstherapie ist
daher ein ganz wesentliches praktisches Übungsfeld des Patientenverhaltenstrainings.
Zusammenfassung und Ausblick
Nach annähernd 15-jähriger Erfahrung betrachten wir Patientenschulung bei obstruktiven
Atemwegserkrankungen mehr denn je als unverzichtbaren Basisbestandteil eines sinnvollen
Therapiekonzeptes. Solche Programme müssen jedoch - gerade im Rahmen einer mehrwöchigen
stationären Rehabilitationsbehandlung - individuell den Bedingungen und Bedürfnissen
der Patienten angepasst werden. Notwendig erschien uns daher das Erarbeiten einer
breiten Palette von unterschiedlichen - für jeden Patienten individuell miteinander
kombinierbaren Schulungs- und Verhaltenstrainingsmodulen, die sowohl Wissen als auch
praktische Fertigkeiten vermitteln und einüben und mit deren Hilfe auch Selbstmanagementfähigkeiten
wie psychosoziale Kompetenzen erworben werden können.
-
Diese Module müssen strukturiert, standardisiert, pädagogisch ausgefeilt und in ihrer
Wirksamkeit evaluiert sein.
-
Für jedes Modul sollte ein Kursheft für die Patienten ausgegeben werden.
-
Eine Lernzielkontrolle sollte Schulungsbestandteil sein, um ggf. vorhandene Defizite
gezielt angehen zu können.
Selbstverständlich erfordert dieses System einen vermehrten Personal- und Sachaufwand,
der in dieser Form nur in größeren Reha-Kliniken zu leisten ist. Gerade diese Reha-Kliniken
würden aber ihrer speziellen Aufgabe einer optimalen rehabilitativen Gesamtversorgung
nicht gerecht, wenn sie sich bezüglich einer ihrer Kernaufgaben (Patientenverhaltenstraining)
an den hier deutlich beschränkteren zeitlichen, räumlichen und personellen Ressourcen
der Akutkrankenhäuser bzw. den ambulanten Schulungsmöglichkeiten orientierten.
Tab. 1Synopsis der Inhalte des Patientenverhaltenstrainings bei obstruktiven Atemwegserkrankungen
nach den Standards der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) und der Deutschen
Atemwegsliga
1. Unterrichtseinheit Namentliche Vorstellung Einführung in die Problematik |
2. Unterrichtseinheit Aufgaben der Atmung Kontrolle der Atmung - Peak-Flow-Meter -
Selbsteinschätzung |
3. Unterrichtseinheit Krankheiten der Atmungsorgane Einsatz des Peak-Flow-Meters bei
Erkrankungen der Atmungsorgane |
4. Unterrichtseinheit Ursachen der Erkrankungen - Allgemein (hereditär, exogen-allergisch,
unspezifisch chemische Noxen, Infekte) - Speziell (Asthma, chronische Bronchitis,
Emphysem) |
5. Unterrichtseinheit Atemwegserkrankungen und Beruf, Familie, Sport, Psyche |
6. Unterrichtseinheit Therapie mit Medikamenten (Früheinsatz, Dauereinsatz) Medikamentengruppen
(Wirkungen, Nebenwirkungen) Applikationsformen (Vorteile, Nachteile) |
7. Unterrichtseinheit Therapie bei - Asthma - Chronische Bronchitis - Lungenemphysem
Mitbringen der eigenen Medikamente Peak-Flow-Kurven interpretieren |
8. Unterrichtseinheit Therapie mit Medikamenten Übungen mit Treibgas-Dosieraerosolen,
Pulverinhalatoren, Spacern u. a. Kontrolle mit dem Peak-Flow-Meter |
9. Unterrichtseinheit Anfall, Exazerbation, Infekt Atemnotauslösende Mechanismen Angst
vor Asthma |
10. Unterrichtseinheit Therapie mit Kortison (systemische Steroide, topische Steroide,
Kortisonangst |
11. Unterrichtseinheit Notfalltherapie Nicht-medikamentöse Therapie Atemerleichternde
Stellungen Hustentechniken |
12. Unterrichtseinheit Was wissen wir? Was leben wir? |
Tab. 2Begriffsdefinitionen: Patienteninformation, Patientenschulung, Patientenverhaltenstraining
- Information: Wissensangebot z. B. mittels Broschüren, Video- oder PC-Programmen. |
- Schulung: Systematische Wissensvermittlung nach einem festgelegten Curriculum. |
- Patientenverhaltenstraining: Systematische Wissensvermittlung plus motorisch-koordinatives
Training (z. B. richtiger Gebrauch von Dosieraerosolen) plus Versuch einer Verhaltensmodifikation
durch Beeinflussung sozialer und emotionaler Strukturen (z. B. Lernen in der Gruppe
mit Erleben ähnlicher Schicksale und Lösungsstrategien bei anderen. Ein wichtiges
praktisches Übungsfeld ist hier die systematische Integration einer speziell für Atemwegskranke
konzeptierten körperlichen Trainingstherapie). |
Tab. 3Differenzierungsaspekte des modular strukturierten Patientenverhaltenstrainings
- Intensivkurse: Separate Wochenkurse „Asthma bronchiale” bzw. „Chronische Bronchitis/Emphysem” |
- Essenzialtrainingsmodule: Einüben essenzieller praktischer Fertigkeiten |
- Spezialtrainingsmodule (unterschiedliche individuell notwendige Schulungsthemen) |
- Psychologische Module |
1. Intensivkurse „Asthma bronchiale” bzw. „Chronische Bronchitis/Emphysem”: |
Separate einwöchige Intensivkurse zur Vermittlung der relevanten Kenntnisse und Fertigkeiten
für ein krankheitsadäquates Verhalten |
- Intensiv-Wochenkurs: Asthma bronchiale- Intensiv-Wochenkurs: Chronische Bronchitis/Emphysem |
2. Essenzialtrainingsmodule: |
- Modul: Inhalative Medikamente bei Asthma und Bronchitis- Modul: Krankheitsselbstkontrolle
mittels Peak-Flow-Meter |
3. Spezialtrainingsmodule: |
- Allergikertrainingsprogramm (pro Woche je 2 Module à 1 Doppelstunde in einem 14-tägigen
Turnus)- Grundlagenmodul- Modul für Hausstaubmilbenallergiker- Modul für Pollenallergiker-
Modul für Tier- und Schimmelpilzallergiker |
- Modul: Therapie mit elektrischen Inhalierapparaten (pro Woche 1 Kurs à 1 Doppelstunde)-
Modul: Sauerstoff-Langzeittherapie (2 Doppelstunden alle 14 Tage)- Modul: Schlafapnoe
(1 Doppelstunde) |
4. Psychologische Module |
- Modul: Interozeptionstraining- Modul: Selbstsicherheitstraining- Modul: Selbstmanagement-
Modul: Nichtraucher werden |
Tab. 4Curricula der Intensivkurse (Grundlagenmodule) „Asthma bronchiale” und „chronische
Bronchitis/Emphysem” der Fachkliniken in Bad Reichenhall und Pfronten
A) Curriculum des Intensivkurses „Asthma bronchiale” der Fachkliniken in Reichenhall
(8 Stunden) u. Pfronten (10 Stunden) |
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Montag |
Dienstag |
Mittwoch |
Donnerstag |
Freitag (Pfronten) |
60 Minuten |
1. Stunde |
3. Stunde |
5. Stunde |
7.-8. Stunde |
9.-10. Stunde |
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VorstellungWas wollen wir erreichen?Wie funktioniert Patientenschulung? |
MedikamentenkundeStufentherapie des Asthma bronchiale |
Selbstkontrolle (Symptome, DA-Bedarf, Peak-Flow-Meter)Akuter Bronchialinfekt (Vorbeugung,
Erkennung, Bedeutung und Therapie) |
Psychologische Aspekte: Phasen der Krankheitsverarbeitung, soziale Aspekte der Krankheit.Krankheitseinstellung
und Selbstmanagement |
Wiederholungsstunde: (Schwerpunkt: Meine Medikamente, mein Selbstmanagement, meine
Notfalltherapie) |
60 Minuten |
2. Stunde |
4. Stunde |
6. Stunde |
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Aufbau und Funktion der Atmungsorgane, Asthma als chronische Entzündung der Bronchialschleimhaut
mit bronchialer HyperreagibilitätKrankheitslehre: Allergisches, nicht-allergisches,
gemischtförmiges Asthma Sonderformen (Anstrengungsasthma, „Medikamentenasthma”) |
Nicht-medikamentöse Therapie des Asthmas |
SelbstmanagementAmpelschemaNotfalltherapie |
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