Psycho-biologische Korrelate bei PTBS
Bessel van der Kolk (a. a. O. p. 218)[18] skizziert eine Gesamtschau der Symptomatologie des PTBS
indem er auf die tiefe Verunsicherung durch das Trauma hinweist, die zu einer
dauernden Alarmbereitschaft
führe, wogegen die Patienten sich durch ein
Sich-Verschließen zu schützen suchten,
indem sie alle Erinnerungsreize meiden, aber auch gegen alle Emotionen
abstumpfen, da sie emotionale Reize weitgehend
unterschiedslos als
potentielle Gefährdungen
erlebten. Damit wäre die besondere Kombination
von Zeichen der Übererregung mit solchen der Unteraktivierung wie
Abstumpfung, Depression, soziale Isolation, die über Vermeiden immer mehr
externer und interner Hinweisreize als Gegenregulation
konzipiert: weil die Patienten nicht dauernd durch
Gefährdungserlebnisse beunruhigt werden wollen, reduzieren sie alle
äußere Aktivitäten. Eine solche Beschreibung übersteigt
jedoch bereits eine Phänomenauflistung bei weitem und enthält im Kern
eine eigene Theorie, die man als emotionale
Entdifferenzierung bezeichnen könnte.
Zuerst einmal findet man bei PTBS- Patienten eine Reihe
physiologischer, biochemischer und Verhaltens-Auffälligkeiten für
Übererregung und Überreaktionen, wie auch Zeichen der
Erschöpfung. In der Regel werden die Auffälligkeiten gegenüber
Kontrollpersonen, die auch ein Trauma erlitten, aber kein PTBS entwickelten,
registriert. Ein Teil der Abweichungen sind immer vorhanden, andere werden erst
in Situationen, in denen Trauma-Hinweisreize auftauchen, manifest.
Immer vorhandene Auffälligkeiten bei PTBS
Eine Reihe von Befunden betreffen das
Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierensystem (HHN), die klassische Stressachse
(siehe [1]. So sind die Cortisol-Werte im Blut
erstaunlicherweise eher erniedrigt [26]), aber es zeigt
sich eine verstärkte Cortisol-Hemmung nach Dexamethason, was als Ausdruck
verstärkter negativer Rückmeldung im HHN-System interpretiert wird.
Im Vergleich dazu zeigen Depressive häufig erhöhte Cortisol-Werte und
verringerte negative Rückkopplung im HHN. Weiterhin sind die Ruhewerte des
Corticotropin-Releasing-Hormons (CRH) im Liquor erhöht [27],[28]. CRH ist nicht nur das
hypothalamische Ausgangshormon des HHN-Systems, sondern hat auch den
Status eines
vermutlichen Neurotransmitters, der an vielen Stellen im ZNS wirkt
[29] und in enge funktionelle Beziehung zu Angst und
Stress gebracht wird [30]. CRH wird deshalb häufig
auch als CRF Corticotropin Releasing Factor bezeichnet, um zu betonen, dass es
sich hierbei nicht nur um ein Hormon im klassischen Sinne eines Botenstoffes
handelt, der über das Blut transportiert wird.
Eine weitere Symptomgruppe kann man als Übererregungszeichen
ansehen, die häufig mit einem überaktiven Noradrenalinsystem im ZNS
und peripher erhöhten Sympathicotonus einhergehen. So findet man
erhöhte Werte der Herzrate und Hautleitfähigkeit bei Beginn einer
Untersuchung [31] aber nicht zu Hause
[32]. Die Schreckreaktion (engl. Startle response) auf
ein lautes Geräusch hin ist erhöht, ihre Habituation und ihre
Reduzierung durch einen kurz vorher vorangehenden Vorreiz (sog. Pre-Pulse
Inhibition, im Deutschen vielleicht mit Vorreizhemmung wiederzugeben
[7] ist verringert [33],
[34]. Die Schreckreaktion wird durch den noradrenergen
alpha-Autorezeptor Blocker Yohimbin verstärkt, der zur Verlängerung
der körpereigenen Noradrenalinwirkung im Gehirn führt. Im Urin von
Kindern mit PTBS fand man erhöhte Werte von Adrenalin [35]. Weiterhin findet man Schlafstörungen in Form
vermehrter motorischer Aktivität im Schlaf, vermehrte
Schlafunterbrechungen und verlängerte Wachzeiten zwischen den
Schlafzyklen. Der Schlaf ist kürzer und weniger erholsam
[36], [37], [38], [39].
Die P300 Amplitude im EEG ist vermindert [40], [41], [42], [43]. Das Symptom wird
psychologisch als objektiver Indikator verminderter Aufmerksamkeit und
Konzentration gedeutet. Eine verringerte P300 passt nicht ganz ins Bild einer
Noradrenalinüberaktivität, da die P300 bei Affen mit steigender
Aktivität der aufsteigenden Noradrenalinbahn zunimmt [44], also eher vergrößert sein sollte, deutet
aber möglicherweise auf eine multifaktorielle Verusachung der P300 hin.
Dahingegen passt es in das Bild noradrenerger Überaktivierung, dass
Substanzen, wie das oben erwähnte Yohimbin, vorübergehend
Nachhallerinnerungen bei PTBS-Patienten induzieren und auch weitere
PTBS-Symptome verstärken [45]. Interessanterweise
betrifft das auch die PTBS-Symptome wie gefühlsmäßige Abstumpfung. Auch Serotonin-Blocker führen zu einer
ähnlichen Symptomsteigerung, sodass auch eine Beteiligung des
Serotoninsystems vermutet wird [46].
-
Mehr im Sinne eines überaktivierten und dann eventuell
neurotoxisch wirkenden Glutaminsystem wird der
mehrfach bestätigte Befund von bildgebenden Untersuchungen gesehen, dass
das Hippocampusvolumen bei PTBS verringert ist [47],
[27], wobei der Stellenwert und die
Kausalitätsfrage unterschiedlich diskutiert werden [15], [48].
Bei traumarelevanten Hinweisreizen feststellbare
Auffälligkeiten
Hierbei handelt sich in der Regel um die stärkeren Effekte,
die bei Traumaopfern mit gegenüber ohne PTBS festgestellt wurden. Bei
Exposition von Traumareizen (z. B. beim Verlesen eines Protokolls
über das Ereignis) erhöht sich die Herzrate, der EMG-Tonus des
corrugator supercilii (der Stirnrunzler, der Ärger signalisiert) und die
Hautleitfähigkeit übermäßig[49].
Dies stellt eine Objektivierung der stärkeren Angst dar, die durch die
Erinnerung an das Ereignis überproportional
wiederbelebt wird.
Auf ein überaktives endogenes
Opiatsystem deuten folgende Befunde hin: Traumareize
provozieren eine durch Naloxon zu verhindernde Analgesie [50]; im Liqor sind generell erhöhte Werte von
Beta-Endorphin gefunden worden (also unabhängig von Traumahinweisreizen),
die negativ mit Symptomen von Intrusion und Vermeidung korrelierten
[51], was als Kompensation durch das Individuum gedeutet
wurde, also je höher der Opiatspiegel, umso sicherer sei man vor
Intrusionen und ängstlicher Vermeidung.
Traumaerinnerungen induzieren einen Rechts-Shift (d. h. zu
höheren Frequenzen hin) im EEG im Sinne einer Überaktivität. Die
Kohärenz im EEG der linken Hemisphäre nimmt zu, d. h. die
Differenziertheit der Verarbeitung in der sprachverarbeitenden Hemisphäre
nimmt ab[52].
Nachhallerinnerungen gehen im PET-Scanner mit
rechthemispärischer Überaktivität des Amygdalums einher und
Unteraktivität des linksseitigen BROCA-Areals [53]
Zuordnung der biologischen Korrelate zur Störung
Es ist allgemein bekannt, dass Korrelationen noch keine
Kausalität implizieren, was bedeutet, daß eine Häufung von
Auffälligkeiten bei PTBS-Patienten noch nicht beweist, dass sie eine
alleinige Folge des erlebten Traumas sein müssen. Es kann auch umgekehrt
das Vorliegen von Auffälligkeiten zum Erwerb einer pathologischen
Stressreaktion auf ein Trauma prädisponieren. So gibt es Hinweise aus der
Komorbiditätsforschung, dass z. B. Depressionen der Patienten und
auch ihr Vorhandensein in der Familie prädisponieren, nach einem Trauma
ein PTB-Syndrom zu entwickeln [54], [55]. Auch soft neurological signs, und
neuropsychologische Auffälligkeiten bei PTBS-Patienten sprechen für
einen Anteil prämorbider Faktoren beim Zustandekommen von PTBS
[56], [57]. Wegen der erheblichen
sozialmedizinischen Bedeutung von Traumafolgen - man denke nur einmal
daran, dass bereits ein Zeuge eines schlimmen Verkehrunfalls ein PTBS
entwickelt, wofür der Verursacher haften soll! - muss man sich
unbedingt auch die folgenden Fragen stellen:
War eine fragliche Abnormalität präexistent (wie es zum
Beispiel für das reduzierte Hippocampusvolumen oder Auffälligkeiten
der Schreckreaktionen diskutiert wird) und hat sie a) zur erhöhten
Wahrscheinlichkeit geführt, dass der Betreffende eine akute
Traumatisierung erleidet und/oder b) danach ein PTBS entwickelt?
Hat das Trauma die Abnormalität verursacht und diese
ihrerseits das PTBS ?
Oder hat das Trauma das PTBS verursacht und dieses dann die
fragliche Abnormalität.
Hat das Trauma beides unabhängig voneinander verursacht?
Weitere Kombinationen sind noch denkbar und möglich. So
notwendig Antworten auf die gestellten Fragen auch sind, können sie
dennoch in den meisten Fällen heute noch nicht gegeben werden. Es sollte
hier nur daran erinnert werden, dass ein annähernd vollständiges
Verständnis von PTBS an den Antworten auf diese Fragen abzulesen sein
wird.
Modellvorstellungen der Entstehung des PTBS
Die DSM IV- Diagnose einer PTBS ist eine Omnibus-Diagnose, bei der eine Reihe von
Auffälligkeiten zusammenkommen müssen. Dies sagt noch nichts
darüber aus, ob diese Aufälligkeiten auch in einem engen
Wirkungszusammenhang stehen.
Eine Übersicht zu den psychologischen Modellvorstellungen geben
[58] und [17]. Wir wollen hier
mehr auf die biologischen eingehen (s. [59].
Eine spekulative biologische Übersicht
In einer spekulativen Zusammenschau haben Post und Mitarbeiter
[60] die Phänomene (s. Abb. [1] a) der Über- und Unteraktivierung über der Zeit
nach dem Trauma aufgetragen, die man üblicherweise bei PTBS findet, sowie
die hypothetischen ZNS-Prozesse skizziert, die diesen zugeordnet werden
können (s. Abb. [1] b).
Abb. 1 Phänomenologie und
Physiologie des PTBS. Nach der Übererregung des traumatischen Erlebnissen
kommt es bei der Ausbildung eines PTBS zu einer misslungenen Gegenregulation,
die durch Zeichen von Unteraktivierung, wie Gefühllosigkeit und Depression
ebenso gekennzeichnet ist wie solche von Übererregung, wie
verstärkter Schreckreaktion und allgemeiner Angst. Auf der physiologischen
Ebene ist das emotionale Erlebnis durch hohe Spiegel von Glutamat und
Noradrenalin, wie auch Stresshormonen, aber in der Dissoziation auch durch
Opiate und Oxytocin gekenzeichnet. Kommt es zur Chronifizierung werden sowohl
die Rezeptoren für Dopamin als auch Serotonin reduziert als auch die
Spiegel für diese Neuromodulatoren (Modifiziert nach Post
[60]).
Danach ist auf der Symptomebene (Abbildung 1 a) das Ereignis durch
einen Erregungs-Sturm eventuell mit einer begleitenden Dissoziation
(Entfremdungserlebnisse und /oder Amnesie für wichtige Teile des
Erlebnisses) gekennzeichnet, dem bei Ausbildung eines PTBS nach einer
anscheinend stummen (?) Latenzzeit später Nachhallerinnerungen und
Alpträume folgen, sowie auf der einen Seite eine Zunahme von
Erregungszeichen wie Schreckreaktionsverstärkung, Reizbarkeit,
Wutausbrüche und Angstanfälle hinzutreten (können) und auf der
anderen Seite eine allgemeine psychische Lähmung (Numbing), Depression und
sozialer Rückzug beobachtbar wird, die eher als Verlust normaler
Erregbarkeit (Antrieb und Hoffnung) einzustufen sind. Als biologische Korrelate
ordnen Post und Mitarbeiter diesen Phänomenen (Abbildung 1 b) primär
neben der Ausschüttung von Stresshormonen aus der Stressachse (
Hypothalamus, Hypophyse und Nebennierenrinde mit Corticoiden) auch exzessive
Ausschüttung von Glutamat, Serotonin und Opioiden und Oxytocin zu. Nach
der Latenz seien dann entweder die dauerhafte Abnahme von Neurotransmittern
oder ihrer Rezeptoren für die entsprechenden Symptome zuständig. Die
Autoren betonen selbst, dass ihr Schema spekulativ sei.
Zur Neuroanatomie der Furchtreaktionen
Für ein besseres Verständnis erscheint es sinnvoll, sich
einige neuroanatomische Zentren und ihre Verbindungen zu vergegenwärtigen,
die immer wieder im Zusammenhang mit den biologischen Prozessen bei Angst
gebracht werden. So ist in Abbildung 2 das Corpus amygdalum, oder kurz
Amygdalum, mit seinen Zuflüssen und abhängigen Zentren gezeigt, dem
nicht nur die natürliche Furchtreaktion, sondern auch die erlernten
zugeordnet werden [61]. Ein psychisches Trauma wird ja
durch Sinneserlebnisse ausgelöst, die nicht nur starke Angst hervorrufen,
sondern über die gezeigten Wege den ganzen Körper in Aufruhr
versetzen.
Abb. 2 Angst- und Stressresponse
nach Armony & LeDoux
Abbildung 2 Ein angstauslösender Stimulus bewirkt eine ganze
Kettenreaktion im Gehirn aus, die anschliessend auch bis in den Körper
hineinwirkt. Hierbei kann bereits ein nur schemenhafter Eindruck sehr früh
in der Verarbeitungskette, schon vom Thalamus ausgehend einen heftigen Schreck
über das Amygdalum auslösen, z. B. ein Stock, der im
dämmrigen Wald als Schlange imponiert. Die Bruchteile einer Sekunde
später eintreffenden Nachricht aus dem visuellen Cortex, dass diese
Schlange nur ein Stock ist, trifft bereits auf ein beginnendes Panikszenario
des Organismus, sodass die Löschungsinformation aus dem präfrontalen
Cortex („Reg Dich nicht auf - keine Schlange!”) schon
erhebliche Power aufweisen muss, um den Prozess noch im Keime zu ersticken.
Weitere Einzelheiten siehe Text. Ctx = Cortex,
BNST = bed of nucleus stria terminalis, Lat
Hyp = Lateraler Hypothalamus, Parabrach = Nuclei
parabrachiales im Rautenhirn, ZHG = Zentrales Höhlengrau,
NRPC = Nucleus reticularis pontis caudalis (Modifiziert nach
[61]).
Amygdaläre Überaktivität bei angsterzeugenden
Sinnesreizen löst ein Vielzahl anderer Prozesse aus: So wird die
hypothalamisch-hypophysäre Stressresponse ausgelöst. Sie besteht in
der bekannten Kettenreaktion: CRH -Freisetzung (Corticotropin Releasing Hormon)
aus dem Nucleus infundibularis des Hypothalamus, was zur ACTH -Freisetzung
(Adreno-Cortico-tropes Hormon) aus dem Hypophysenvorderlappen, das dann in der
Nebennierenrinde die Ausschüttung von Cortisol und anderen
Glucocorticoiden bewirkt. Diese Prozesse sind in der Regel negativ
rückgekoppelt, was zu einer Beendigung bzw. Bremsung der Reaktion nach
einiger Zeit führt. Interessanterweise scheint die angestoßene
Sympathicusaktivität im lateralen Hypothalamus, die u. a. zum
Nebennierenmark führt und hier einen Adrenalinausstoß bewirkt,
positiv rückgekoppelt zu sein: über vagale Afferenzen und den Nucleus
solitarius soll die periphere Adrenalinausschüttung zu einer
Verstärkung der Noradrenalinfreisetzung im Amygdalum führen, was den
Prozess weiter anheizt [62]. Die Sympathicusaktivierung
ist uns allen als Angstzeichen mit Herzrasen, verstärker Atmung, kaltem
Schweiß und blassem Aussehen usw. gut bekannt. Aber auch die aus dem
Zentralen Höhlengrau auslösbare Verteidigungs-Reaktion (defense
reaction) gehört zu den in Gang gesetzten Prozessen aus dem Amygdalum
untergeordneten Zentren (s.Abb. [2]). Oder der im
Hirnstamm gelegene Nucleus reticularis pontis caudalis, der für die
Verstärkung der Schreckreaktion (s. u.) verantwortlich gemacht
wird. Wichtig für unser Thema sind auch die Verbindungen des Amygdalum zum
Hippocampus und zum Nucleus caudatus, da über diese a) die
Gedächtnis(über)konsolidierungsprozesse im Hippocampus, in dem
kontextuelle, relationale und bewusste Erinnerungen vorbereitet werden
[63], und b) die motorischen Konditionierungen
(über den Nucleus caudatus) im Zusammenhang mit Furcht realisiert werden
[62].
Tiermodelle des PTBS
Wenn es um die Entstehung, Aufeinanderfolge von Störungen und
besonders ihre ZNS-Korrelate geht, sind Tiermodelle gefragt, da man hierbei
beteiligte Transmitter- und Hormonsysteme direkter angehen kann.
Yehuda & Antelman [64] haben Kriterien
aufgestellt, denen Tiermodelle genügen sollten, um als Modellverfahren zur
Entstehung eines PTBS-ähnlichen Prozesses gelten zu können. Einige
vorgeschlagene Tiermodelle für die Entstehung einer PTBS bezüglich
der biologischen und verhaltensmäßigen Korrelate unterzogen sie
einer kritischen Durchsicht. So analysierten sie speziell das Modell der
gelernten Hilflosigkeit, das
bei Tieren nach nicht kontrollierbaren Schocks auftritt und in Passivität
mit Catecholaminverarmung [65] mündet. Das
einmalige auslösende Ereignis bei PTBS und die Übererregungszeichen
tauchen in diesem Modell nicht auf und lassen es für die Autoren als nicht
zutreffend erscheinen; jedoch die Depression nach mehrfacher Traumatisierung
könne auf diese Weise vielleicht erklärt werden. Der Einwand der
Einmaligkeit des Stressors wird allerdings in einem anderen Tiermodell von
[66], dem Reminder- oder
Erinnerungsmodell entkräftet, bei dem das
mehrmalige Wiedereinsetzen - für nur eine Minute pro Woche !
- in den Käfig, in dem die Mäuse nur einen (!)
Elektroschock erhalten hatten, zu einem kontinuierlichen Anstieg der
Startle-Response als auch der Aggressivität gegenüber Artgenossen
führte. Offensichtlich sind Wiedererinnerungen
selbst bei Tieren in der Lage im Sinne einer Re-Traumatisierung zu einer
langfristigen Steigerung und Fixierung einer PTBS ähnlichen Symptomatik zu
führen. Yehuda & Antelman [64] favorisieren ein
anderes Tier-Modell der zeitabhängigen
Sensitivierung (Time
Dependent Sensitisation
oder TDS) zur Entstehung von
PTBS, bei dem auf - einen einzigen kurzzeitigen massiven Stressreiz
- zeitabhängig - eine steigende Bereitschaft auf einen
erneuten Stressreiz mit Überreaktionen zu verzeichnen war. Bei diesem rein
pharmakologischen Modell wurden jedoch keine spontane depressions-ähnliche
Symptomatik und auch keine Zeichen spontaner Übererregung berichtet. Wie
es zur Steigerung, Verselbstständigung und der Bipolarität der
Reaktionen (Übererregungs- und Depressionszeichen ) kommt, muss
natürlich in allen Tiermodellen noch weiter aufgeklärt werden.
Post und Mitarbeiter [60] haben ein
weiteres Tier-Modell, Kindling (Entfachen) genannt, untersucht, bei dem mehrere einzelne
Elektroschocks im Amygdalum (täglich 1 Sekunde hochfrequenter Reizung)
nach einigen Wiederholungen zu spontanen
epileptiformen Übererregungsphasen führen. Diese werden als Analogon
zu Nachhallerinnerungen gesehen. Post und seine Arbeitsgruppe
[67] verfolgen auch die Anstoßung von
Veränderungen bei der Gen-Expression von CRF, Opioiden und Thyreotropin
nach psycho-sozialem Stress, die die Langzeitform der Maladaptation etwas
verständlicher machen würde. Aber auch ein therapeutisches Tiermodell
stellen die Autoren [60] vor, das sie
Quenching (Dämpfung)
nennen, bei dem mehrere niedrigfrequente Stimulationen (täglich 15 min 1
Hz) ebenfalls ins Amygdalum appliziert werden und das zur vollen
Rückbildung der epileptiformen Symptomatik des Kindling führen soll.
Es ist ja keineswegs naheliegend, mit einer (geeigneten) Stimulation eine
Umstimmung der pathologischen Übererregungszustände anzustreben. Als
praktischer Vorschlag wird die transcranielle Magnetstimulation zur
experimentellen Behandlung von PTBS vorgeschlagen, die im Falle von
Depressionen erstaunliche Wirksamkeit gezeigt haben soll [68]. In dem Zusammenhang, dass eine geeignete Stimulation
Symptome rückgängig machen kann, ist auch auf die traumarelevante
Therapiemethode EMDR (Eye Movement Desensitisation and Reprocessing)
hinzuweisen [5], bei der hochfrequente rhythmische
Augenbewegungen während kritischer Exposition traumarelevanter
Erinnerungen über physiologische Stimulation wirksam zu werden scheinen
[25]. Der weit gesteckte Rahmen (vom Trauma zur
Genexpression) wie auch die Reversibiltät der Pathologie durch geeignete
Stimulation lassen den spekulativen Ansatz von Post et al. [60] heuristisch attraktiv erscheinen.
Nijenhuis und Mitarbeiter [69] schlagen ein
weiteres Tiermodell vor ( im Anschluss an [70] sowie
[71], die Animal
Defense Reaction, die
erstaunliche Parallelen im Tierverhalten zu bekannten PTBS -Symptomen aufweist:
in einer ihr Leben bedrohenden Angriffssituation zeigen viele Tiere in der
Regel sofort eine von zwei instinktiven Verhaltensweisen - je nach der
Bewertung der Ausgangslage - entweder das freezing (übersetzt Einfrieren, im deutschen Sprachraum jedoch als
Totstellreflex bezeichnet) bei Aussichtslosigkeit oder
einen vehementen Angriffs- oder Fluchtversuch, das wohlbekannte
fight or flight. Beide werden durch zwei Kerngebiete eines
Mittelhirnzentrums, des Zentralen Höhlengraus (s. Abb.2) , ausgelöst
und gehen u. a. mit einem hohen Ausstoß endogener Opiate einher,
d. h. über die bereits erwähnten HHN-Stressreaktionen hinaus
[72], [73]. Der dorsale Abschnitt
des Zentralen Höhlengraus veranlasst danach die aktive Form der
Verteidigung, während der ventrale Abschnitt das Totstellen initiiert, das
mit Hemmung aller Motorik (Flucht, sicherndes Orientieren und Wundpflege) auch
alle weiteren Auslöser für Beutefangverhalten beim Räuber
eliminiert und durch endogene Opiatausschüttung bereits erlittene
Verletzungen unspürbar macht. Der Hinweis auf die Totstellreaktion scheint
deshalb so wertvoll, weil dieser anscheinend die Negativ-Symptomatik bei PTBS zuzuordnen wäre, der
soziale Rückzug, die depressive Verstimmung, das innerliche Abwesendsein,
die nicht ohne weiteres in das Schema von ängstlicher Übererregung,
von fight or flight passen. Außerdem hat die Totstellreaktion
Ähnlichkeiten mit dem Zustand der Dissoziation, die in der akuten
Stressreaktion des DSM-IV, die im deutschen Sprachraum gerne mit
Schockreaktion bezeichnet wird, eine wichtige Rolle
spielt. Diese Schockreaktion ist durch ein Gefühl des Gelähmtseins,
der Unfähigkeit zu einer gefühlsmäßigen Reaktion, eine
eingeschränkter Wahrnehmung der Umwelt, Gefühle der Unwirklichkeit,
und des Nicht-Mehr-Ich-Selbst-Seins charakterisiert. Diese dissoziativen Zustände
während des traumatischen Erlebens sollen mit hoher Wahrscheinlichkeit
vorhersagen können, dass der Betreffende ein PTBS entwickeln wird
[74]. Und wenn diese Schock-Dissoziation dem tierischen
Freezing äquivalent ist, also eine atavistische Reaktion aus unserer
evolutionären Vergangenheit darstellt, dann machen Nijenhuis et al.
[69]konkrete Voraussagen, was entsprechend den
Tierversuchen beim Menschen zu erwarten ist: erhöhte Opioidspiegel (s.
[75], [51], erhöhte
Schmerzschwelle [76] und motorische Antriebslosigkeit.
Auch der Hinweis, dass das Freezing schlagartig angesichts einer aussichtslosen
Gefährdung eintritt, spricht gegen die Anschauung, dass dieser Zustand
durch Autosuggestion oder Selbst-Hypnose langwierig eingeleitet werden muss,
was vor allen Dingen für die konditionierten Disssoziationen, wie sie
später im Falle der Flashbacks der Fall sein dürfte, von Bedeutung
ist: Triggerreize können diese sofort auslösen.
Ein konkretes Beispiel für eine Nachhall-Erinnerung eines
57jährigen Korea-Krieg-Veteranen teilt Pitman [77]
mit: „Er saß am Küchentisch beim morgendlichen Kaffeetrinken
und schaute sich die morgendliche Nachrichtensendung im Fernsehen an.
Während jemand interviewt wurde, waren im Hintergrund
Hubschraubergeräusche zu hören. Seine Frau berichtete, dass er
plötzlich benommen wurde, ihm übel wurde und er ausrief „Da
bringen sie wieder weitere herein”. Er fiel in einen tiefen Schlaf und
als er aufwachte, war er klar. Dieser Patient hatte auf einem Lazarettschiff
Dienst gemacht und als tägliche Verrichtung schwer verletzte Soldaten aus
Hubschraubern ausgeladen, die frisch vom Schlachtfeld hereingeflogen waren. Er
hatte oft wenig oder gar nicht über lange Zeiten schlafen können, und
der Geruch verbrannten Fleisches hatte ihm häufig Übelkeit
verursacht. Nach seinem Ausscheiden aus der Marine hatte er häufig
Alpträume, in denen Hubschrauber blutige Körper auf ihn herabwarfen.
" (p. 187) Pitman interpretiert diese Erzählung so, dass das
Hubschraubergeräusch ausreichte, ihn in sein altes durch starke Emotionen
gebahntes Erinnerungsnetzwerk zu versetzen, in dem ihm pseudo-halluzinatorisch
weitere blutige Körper gebracht werden, deren pseudo-halluzinierter Geruch
ihm reale Übelkeit verursachte. Der Patient berichtete interessanterweise
„Als ich (bei einer anderen Gelegenheit) den Helikopter im Fernsehen
sah, wusste ich, dass das jetzt nicht auf dem Lazarettschiff stattfinden
konnte”, also der Helikopter auf dem Bildschirm lieferte genügend
Anhaltspunkte für das Verbleiben in der Realität und Sicherheit vor
dem Ablaufen der Nachhallerinnerung. An diesem Beispiel ist der plötzliche
Eintritt mit Benommenheit, also reduzierter Vigilanz bei heftiger
Emotionalität und Pseudohalluzinationen bedeutsam, der noch dazu
anschließend in einen Schlaf übergeht, so dass das Beispiel nicht
nur Ähnlichkeiten mit dem Freezing sondern auch mit einer narkoleptischen
Attacke aufweist, einem plötzlich eintretenden REM-Schlaf (s. Faust
[78] p.629) ähnlichen Zustand. Sollte die
Ähnlichkeit der Nachhallerinnerung mit einem traumschlafähnlichen
Zustand (wenig Realitätsüberprüfung, und Emotionskontrolle,
schlechtes Erinnerungsvermögen, motorische Hemmung und
Muskeltonusabsenkung) mehr als zufällig sein, so wäre nach Hobson
[79] p.205ff zu erwarten, dass das neurochemische
Gleichgewicht zwischen Acetylcholin und Noradrenalin wie im Traumschlaf
verändert ist und zwar cortical (und vermutlich auch hippocampal) eine
akute Absenkung des Noradrenalins herrscht. Möglicherweise sind generell
erhöhte Noradrenalinspiegel bei PTBS eher mit dem reaktiv entstehenden wie
auch später generalisierten ängstlichen Vermeidungsverhalten in
Verbindung zu bringen [80]
[81]
als mit Nachhallerinnerungen und Dissoziationen.
Auch die mit diesem Tiermodell angesprochenen Gegenregulationen im
Schmerzsystem der Tiere nach einem akuten oder durch Wiedererinnerung
herbeiassoziierten Gefährdungserlebens führen nach Nijenhuis et al.
zur Voraussage einer anschließend verringerten Schmerzschwelle und einer
verstärkten Schmerzempfindung, die einer Bestätigung beim Menschen
noch harren. Zusammenfassend - und über Nijenhuis et al. etwas
hinausgehend - kann man das PTBS als eine konditionierte atavistische
Defense-Reaktion beschreiben, die zwischen freezing und fight/flight
oszilliert. Die Vorstellung einer persistierenden
atavistischen Reaktionsform lässt genügend Platz für
begünstigende Faktoren wie einer unzureichenden Entwicklung von
Coping-Verhalten aus den verschiedensten Ursachen. Sie erklärt nicht,
warum es zur Persistenz dieser Primitivform kommt, aber sie liefert konkrete
Hinweise, welche Hirngebiete und evolutionär angelegte Verhaltensweisen
beteiligt sind.
Die verschiedenen erwähnten Modelle schließen sich
nicht notwendig gegenseitig aus, sondern ergänzen sich eher in vielen
Punkten.
Höhere Zentren oder wie sich Furcht im Gedächtnis zu
Angst und Depression wandelt
Bisher waren die einmalige Übererregung auf eine akute
Gefährdung und/oder Hilflosigkeit als HHN-Stressreaktion und die
Mittelhirn-Defense-Reaktion, beide als atavistische Reaktionsmuster noch wenig
mit der für das PTBS wichtigen Frage befasst, wie es zu der
charakteristischen Ausweitung eines einmaligen Erlebnisses auf
Befindlichkeitsstörungen kommt, die das tägliche Leben der
Betroffenen bestimmt. Hierfür nimmt man eine sog. Überkonsolidierung
(Overkonsolidation [77], [62])
an: Auf Grund der massiven Angst während des Ereignisses selbst und
vermutlich der weiter verstärkenden stark emotionierenden
Wiedererinnerungen in der Zeit nach dem Ereignis (wie auch im Reminder-Modell
von Pynoos et al. [66] gezeigt wurde) werden die
häufig selektiven Wahrnehmungen und ersten Attribuierungen während
der Hocherregungsphase quasi eingebrannt in das Gedächtnis und können nicht
leicht wieder gelöscht oder überarbeitet werden. So können sich
Holocaust-Opfer und Kriegsveteranen des zweiten Weltkriegs noch 50 Jahre
später an eine Unmenge von Details ihrer traumatischen Erfahrungen
erinnern [82], [83]. Dieser
Erinnerungskomplex bricht nun mehr oder minder häufig, bei mehr oder
minder relevanten Hinweisreizen in das Bewusstsein oder den Traum der
Betroffenen ein, ohne dass diese das willkürlich unterdrücken
können. Die Tierversuche von McGaugh und seinen Mitarbeitern
[62] haben bereits zu einem sehr konkreten Modell der
notwendigen Prozesse für eine furcht-verstärkte Erinnerung
geführt: danach ist eine
Noradrenalinüberaktivität im basolateralen Amygdalum unerläßlich. Das
Amygdalum ist nicht nur für die angeborene
Furchtreaktion zuständig, sondern auch für die gelernten
Furchtkonditionierungen. Das Amygdalum wird bei entsprechenden Vorerfahrungen
durch vage Hinweisweize - LeDoux [84] nennt als
Beispiel den Ast im halbdunklen Wald, der auf einmal als Schlange imponiert
- sehr schnell durch den sensorischen Thalamuskern (s.Abb.2) in
Aktivität versetzt, d. h. es kann also noch subcortical und
vorbewusst Furcht ausgelöst werden, die erst später durch die
langsameren Zuflüsse aus dem Cortex eventuell wieder korrigiert werden
kann, wenn das Bild genauer analysiert wurde und der
Cortex die
notwendige Hemmungskraft
zur Löschung
besitzt. Ist der betreffende Mensch
überängstlich oder hat bereits eine Fluchtreaktion eingeleitet, kommt
es eventuell gar nicht zur vollständigen Korrektur dieser unbewusst
ausgelösten, unberechtigten Furchtreaktion.
Kommen traumatischer Erinnerungen durch ein überaktiviertes
Amygdalum zustande, so sind deren aktivierende Verbindungen zum Hippocampus und
zum Nucleus caudatus von Interesse. Dem Hippocampus wird die Vorbereitung und
Konsolidierung bewusster Erinnerungen zugeschrieben, die den Kontext und
Relationen zu anderen Objekten berücksichtigen, also über das
Material, das ein Sinneskanal liefert, weit hinausgehen [63]. Über Verbindungen zum Nucleus caudatus initiiert
das Amygdalum auch motorische Konditionierungen. Soweit erklärt dieses
Amygdalum-Modell erst das ungemein intensive Einschreiben der Einzelheiten des
Ereignisses; aber wegen der Kontrolle über die Mittelhirn-defense-Zentren
und das Caudatum auch das Primat des unmittelbaren Handelns bzw. des
Einfrierens des Handelns ohne die sonst übliche Evaluation des Tuns durch
höhere Zentren. Und es liefert zugleich Hinweise für die Praxis, dass
ein Überaktivierung des Amygdalum durch Beta-Rezeptorenblocker verhindert
werden kann, die die positive Rückkopplung über das periphere
Adrenalin unterbinden (Angst macht körperliche Reaktionen, die wiederum
die Angst verstärken, s. Abschnitt 6).
Nicht erklärt wird durch die
Überkonsolidierungs-Hypothese die häufig für wichtig erachtete
dissoziative Amnesie während des Ereignisses und danach sowie die
mangelnde Überarbeitung der Gedächtnisinhalte in der Folgezeit,
z. B. die Eliminierung falscher erster Attribuierungen, um aus den
Erinnerungsfetzen ein stimmiges Skript zu formen, wie wir es üblicherweise
mit unseren Erinnerungen machen, die in der Regel überarbeitete Versionen
der primären lückenhaften Abspeicherungen darstellen. Vielleicht sind
für diese Wirkungen die endogenen Opioidausschüttungen verantwortlich, die neben den
Stresshormonen im akuten Trauma wie auch in den Flashbacks erhöht,
vielleicht massiv erhöht sind, was zwar angenommen [69] wird, aber noch nicht zweifelsfrei erwiesen ist. Da im
Amygdalum Opioid-Rezeptoren nach Roozendaal et al. [62]
hemmend wirken, ergibt sich hieraus auch eine spekulative
Erklärungsmöglichkeit für eine
akute, dissoziative
Amnesie: auf Grund der amnestisch wirkenden
Opoidausschüttung im akuten Trauma werden nicht alle Details in das
Langzeitgedächtnis übernommen. Wenn diese Details jedoch nur dem
bewussten Gedächtnis fehlen, dem impiziten sensorischen Gedächtnis
zugänglich sein sollten, das hauptsächlich für die Flashbacks
verantwortlich zu sein scheint (s. [85],
[25] muss auch eine alternative Erklärung für
die akute dissoziative Amnesie erwogen werden: das bewusste, explizite
Gedächtnis bedarf einer optimalen,
nicht einer
maximalen Hippocampusaktivierung, während das
implizite Gedächtnis ([86] eher der Regel zu folgen
scheint: je mehr noradrenerge Aktivierung, desto sicherer wird eine permanente
Spur aufgebaut [62]. Auch eine dritte Erklärung
muss erwogen werden: die häufig unvollständigen, fragmentarischen
akut-traumatischen Erinnerungen könnten wichtige Details auf Grund der mit
der Freezing-Reaktion einhergehenden motorischen
Hemmung nicht enthalten, da auch das
Orientierungsverhalten gehemmt wird: man schaut einfach nicht mehr umher,
sondern der Blick ist wie beim Kaninchen vor der Schlange nur auf den Angreifer
fixiert. Das Erinnerungsproblem könnte viertens auch in einer mangelnden
späteren Überarbeitung der ersten Erinnerung liegen, die durch die
Vermeidungstendenz, sich mit den aversiven Erinnerungen zu beschäftigen,
erzeugt wird. Auch eine Kombination dieser möglichen Gründe sind
denkbar, da sie sich nicht unbedingt gegenseitig ausschliessen.
Wie kommt es aber, dass man anschließend nicht
vernünftig mit dem Ereignis und der Erinnerung
daran umgehen kann? Deutet das nicht auf eine verminderte corticale Kontrolle
hin, die noch einer Modellierung bedarf? Und wie wird aus der Furcht angesichts
z. B. eines spezifischen Aggressors eine allgemeine Überreaktion,
ja Ängstlichkeit gegen fast alle stärker aversiven Reize, wie gegen
einen lauten Knall, der die verstärkte Startle-Reaktion auslöst; wie
entsteht also die starke Übergeneralisierung
auf ursprünglich
neutrale Reize, die nur wenig
mit der auslösenden Situation gemein haben?
Die Modellvorstellungen gehen bisher von einer massiven
Stress-Response während des traumatisierenden
Ereignisses aus. Das wird jedoch durch Daten [87] nicht
gestützt, die unmittelbar nach dem Ereignis tendenziell niedrigere
Cortisol-Spiegel bei Verkehrsopfern fanden, die 6 Monate später eine
PTBS-Diagnose hatten im Vergleich zu solchen ohne spätere
PTBS-Symptomatik. Dabei wird jedoch der Cortisolspiegel als einziger
quantitativer Indikator der Stressresponse eingesetzt, wie es in vielen Studien
geschieht, obwohl man entsprechend der Argumentation von Yehuda
[26] hierin eher eine Langzeitanpassung des HHN-Systems
sehen muss, die psychischen Stress überhaupt nicht ausschließt: ein
erniedrigter Cortisolspiegel ist danach nämlich
typisch für ein ausgebildetes PTBS. Da hierbei Dexamethason, ein
künstliches Glucocorticoid, eine verstärkte Abnahme von Cortisol
auslöst - vermutlich auf Grund vermehrter Glucocorticoid-Rezeptoren
- ist nach Yehuda also ein verringerter Cortisolspiegel als
verstärkte negative
Rückkopplung in
der Stressachse
HHN anzusehen und nicht als Abwesenheit von Stress
oder Angst zu interpretieren. Eine solche verstärkte Rückkopplung
könnte vom Individuum bereits vor
dem Ereignis durch
Minitraumatisierung, Vernachlässigung in der Kindheit o. Ä. erworben
sein [88].
Opioide, Noradrenalin und CRF sind demnach vermutlich bessere
Indikatoren als Cortisol für den durchlebten Stress, sind jedoch technisch
viel aufwendiger zu bestimmen und bisher nicht bei frisch Traumatisierten zu
erhalten, bei denen jedoch eine Dexamethason-Gabe die Rolle der erst
entstehenden Glucocorticoid-Überempfindlichkeit klären könnte:
Cortisol müsste dann noch wie bei Normalen abfallen und nicht vermehrt.
Zur Stützung ihrer neuroendokrinen Modellvorstellung des PTBS weist Yehuda
daraufhin, dass depressive Patienten, die auch Angst und Stress erleben,
gegenüber Kontrollen und PTBS-Patienten erhöhte Cortisolspiegel,
verringerte Glucocorticoid-Rezeptoren und eine fast fehlende
Cortisol-Suppression bei dem Dexamethason-Test aufweisen, also eine völlig
andere Regulation der HHN-Achse. Kontrollpersonen liegen in allen drei
Indikatoren in der Mitte zwischen PTBS- und depressiven Patienten. Für die
erhöhte Ängstlichkeit bei PTBS bei verringertem Cortisol-Spiegel
spricht eine verstärkte CRF-Ausschüttung
[89] ,
für eine spezielle Anpassung der HHN-Achse im Sinne einer veränderten
Rezeptorempfindlichkeit spricht die verminderte Ansprechbarkeit der
CRF-Rezeptoren im Hypothalamus [28]. Hierbei würde
sich zentral ausgeschüttetes CRF und peripher ausgeschüttetes
Cortisol umgekehrt verhalten: beim Cortisol ginge verringerte Ausschüttung
mit verstärkter Rezeptorempfindlichkeit einher, beim CRF verstärkte
Ausschüttung mit verringerter Rezeptorempfindlichkeit.
McFarlane [90] betont deshalb den
unzureichenden Wissensstand über die Prozesse im aktuellen Trauma und
äußern die Vermutung, dass möglicherweise entscheidende
Prozesse zur Entstehung einer PTBS auch in der Verarbeitungsphase nach dem
Trauma zu suchen seien. So spielen auch sich an das Trauma anschließende Hilflosigkeitserfahrungen nach Fischer & Riedesser im
Verlaufsmodell der psychischen Traumatisierung [91]
a. a. O. p.50 ff) eine entscheidende Rolle, wobei ein
endokrinologisches und ein psychosoziales Modell einander ergänzen
können.
Die verstärkte Schreckreaktion (engl. Startle Response) spielt nicht nur
beim Menschen diagnostisch (im DSM IV), sondern auch bei der Erstellung von
Tiermodellen des PTBS eine bedeutsame Rolle. Eine Ratte springt reflektorisch
auf einen plötzlichen lauten Ton hin hoch - wir Menschen zucken
reflektorisch zusammen und blinzeln. Die Lidschlagamplitude wird beim Menschen
denn auch als quantifizierbare Operationalisierung für die Stärke der
Schreckreaktion verwendet. Fast alle Wirbeltiere haben eine solchen
Schreckreflex auf einen plötzlichen starken Reiz ([92]). Hierbei scheint die motorische Seite dieses
Hirnstammreflexes als spezies-spezifische, initiale Fluchtrektion den
evolutionären Angstgegner einprogrammiert zu haben: Wir Menschen klappen
zusammen, die Ratte springt hoch, der Fisch und das Kaninchen schlagen einen
Haken. Bei uns Menschen könnten die einprogrammierten atavistischen
Angstgegner anspringende große afrikanische Katzen gewesen sein, denen
gegenüber durch Zusammenklappen die Angriffsfläche beim Angesprungen
werden verkleinert wird, was einen Überlebensvorteil bedeutet haben
könnte. Bei der Ratte könnte es die Schlange sein, deren
Zustoßen ins Leere geht, wenn sie hochspringt. Aber nicht nur auf eine
Schlangenattrappe, sondern auch auf einen Knall hin zeigt die Ratte ebenfalls
eine Startle Response. Die Amplitude ihres Hochspringens kann dabei als
Ausmaß ihrer Erregung dienen. Man fand nun dass, die Rate höher
springt, wenn sie
ein unangenehmes
Ereignis erwartet
[2], sich also in Furchtstimmung befindet. Das kann ein
Fußschock sein, aber auch ein angehendes Licht im Käfig, wenn dieses
vorher mehrfach mit dem Fußschock zusammen aufgetreten war.
Diese Startle-Potenzierung verschwindet
kurze Zeit nach dem Erlöschen des furchterregenden Lichtes wieder, so dass
die Schlussfolgerung gerechtfertigt erscheint, hierin eine Furcht-Konditionierung und keine allgemeine Angstzunahme
beim Tier zu sehen. Das corpus amygladum erwies sich hierbei als eine kritische
Hirnregion, deren Ausschaltung zur Verhinderung der Furchtkonditionierung
führt, was auch für den Menschen gelten könnte
[93].
Dem Amygdalum benachbart haben nun Davis et al. [2] eine zweite Struktur des limbischen Systems bei Ratten
gefunden, bed of
nucleus stria
terminalis (BNST) genannt (s. Abb.2), die
demgegenüber eher unspezifische Angst-Konditionierung zu vermitteln scheint. Diese
Reaktion ist nicht mehr auf das Amygdalum angewiesen, aber vom CRF-Spiegel
abhängig.
Dass CRF an vielen Stellen im ZNS wirkt [29], wurde durch CRF-spezifische Rezeptoren a) an
Noradrenalin produzierenden Zellen z. B. im Locus coeruleus im
Hirnstamm, dem wichtigsten aufsteigenden Noradrenalinsystem, und b) auch im
präfrontalen Cortex und c) im erwähnten BNST nachgewiesen. Da
intraventrikulär appliziertes CRF im Tierversuch angstanaloge Wirkungen
zeigt, sehen Davis et. al. [2] in der
CRF-ausgelösten Startle-Potenzierung, die nicht mehr auf das Amygdalum
angewiesen ist, ein Tiermodell für eine dauerhafte Gefahrtönung der Umwelt, wie sie auch PTBS- Patienten
erleben, die ihrerseits auch erhöhte CRF-Spiegel im Liquor aufweisen
[89].
Anders herum formuliert scheint CRF-Überaktivität auch
ein Korrelat für eine Überängstlichkeit
des Tieres bzw. Menschen zu sein. Dazu passt, dass bei Primaten, die
frühkindlichem Stress ausgesetzt wurden, CRF-Spiegel dauerhaft erhöht
sind und ihr Verhalten sich auch durch Übererregung auf Umweltreize wie
bei PTBS auszeichnet[94]. In weiteren Untersuchungen zur
Frage, durch welche Läsionen die CRF-ausgelöste Startle-Potenzierung
ausgeschaltet werden kann, wurde wiederum das BNST identifiziert
[2], das über den Fornix direkt vom
Hippocampus innerviert wird, womit sich die
ältere These von Gray bestätigen würde, der im Hippocampus eine
Zentrale der Verhaltenshemmung (das Behavioral Inhibition System) nach
aversiven Hinweisreizen sah[95], die zugleich auch Angst
auslösen soll. Nach der Vorstellung von Davis könnte der Angstzustand
auch am Amygdalum
vorbei direkt über das BNST und die oben
erwähnten weiteren Stationen (HHN, Sympathicus, Zentrales Höhlengrau)
ausgelöst und aufrecht erhalten werden.
Damit rückten auch eine veränderte Aktivität des
Hippocampus bei PTBS in einen Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Die eher
klassische Rolle spielt der Hippocampus in einer Untersuchung von Bechara et
al. [93] über Furchtkonditionierung bei Amygdalum-
vs. Hippocampus geschädigten Patienten: Bei einer Aufgabe, in der Farben
mit einem aversiv lauten Posthornlärm gekoppelt wurden, fanden sie eine
doppelte Dissoziation zwischen Amygdalum und Hippocampus für die
klassische Konditionierung der Hautreaktion auf den aversiven Stimulus und dem
deklarativen Wissen, welche Farbe mit dem Geräusch verbunden war. Beim
Ausfall des Amygdalums war das deklarative Wissen über den Zusammenhang
erhalten und beim Ausfall des Hippocampus die Hautreaktion, während der
jeweils andere Part fehlte.
Weiterhin weiß man schon längere Zeit, dass
erhöhte Mengen von
Glucocorticoiden (wie Cortisol) Schädigungen von Hippocampusneuronen
vermittelt durch Glutamin bewirken. Diese sind durch Benzodiazepin- oder
Serotoningabe vor dem Stress zu verhindern. Die Schädigungen sind zuerst
reversibel und auf die Dauer teilweise irreversibel [15]. Mehrere Gruppen haben denn auch eine Volumenabnahme
des Hippocampus bei PTBS mit bildgebenden Verfahren gefunden ([96], [97], [48]. Wenn auf Grund des Hypocortisolismus bei PTBS das Cortisol als Verursachung
hierfür nicht in Frage kommt, kann nach Yehudas Konzept
[26] die Zunahme der Glucocorticoidrezeptoren auch im
Hippocampus als Schädigungsmechanismus vermutet werden, die trotz Abnahme
der Glucocorticoide im Blut eine kritische Sensitivierung dieses Zielorgans
bewirken soll.
Andere Forscher sehen eine kritische Absenkung des Serotonins als
ursächlich an, wie im Modell der gelernten Hilflosigkeit vorgesehen
[65]. Zum Abbau von Hippocampussubstanz würde das
allerdings nicht sehr auffällige Nachlassen der Gedächtnisfunktionen
bei PTBS [98] passen, besonders des bewussten,
deklarativen Gedächtnisses, das in den wichtigsten Gedächtnismodellen
mit dem Hippocampus in Verbindung gebracht wird [99].
Unerklärt aber ist die Rolle des Hippocampus sowohl bei der akuten
traumatische Amnesie, wo die Übererregung ja nach dem Amygdalum-Modell
(s. u.) eine Überkonsolidierung auch im Hippocampus voraussagen
würde, als auch bei der Entstehung der Übererregbarkeit und der
mangelnden Überarbeitung der traumatischen Erinnerungen, wofür Bessel
van der Kolk [100] auch die mangelhafte Verarbeitung
durch den Hippocampus verantwortlich macht: „Because the hippocampus has
not played its usual role in helping to localize the incoming information in
time and space, these fragments continue to lead to isolated existence.
Traumatic memories are timeless and ego-alien.” (p. 295)
Einem bewussten expliziten Gedächtnis muss man eine ordnende,
integrative Wirkung auch bei der Verarbeitung zuschreiben, die aber sicher noch
höhere Zentren wie das Sprachzentrum und andere Zentren im
frontalen Cortex mitumfasst.
So sind nicht nur Zeichen präfrontaler Unterfunktion bei PTBS
unübersehbar, sondern auch die Unterfunktion des Broca-Areals im PET und
die Sprachlosigkeit bezüglich des Traumas sind Beobachtungen des
Kinikers.
Theoretisch unbefriedigend sind damit auch die sich an das Trauma
anschließende Persistenz und Verfestigung der krankmachenden
Hypermnesien erklärt. Diese werden
Nachhallerinnerungen, Flashbacks, oder Intrusionen genannt und sind
pathognomonisch für die PTBS. Möglicherweise übernehmen diese
die bedeutsame Rolle der sekundären Verfestigung, die sonst mehrfache
Schocks in den Tiermodellen, der gelernten Hilflosigkeit und des Kindlings
erforderlich machen, wie das im Reminder-Modell z. B. vorgesehen ist.
Diese traumatischen Erinnerungen brechen nach
Hinweisreizen ins Bewusstsein oder in den Traum ein, machen das vergangene
Ereignis wieder zur Gegenwart und hüllen den Betroffenen wieder und wieder
in Angst, Erschrecken und Lähmung ein, ohne dass er weiß, wie er
sich von diesen quälenden Hypermnesien befreien kann. Das versucht er,
indem er alles vermeidet, was ihn an das Ereignis erinnert, aber auch mit Hilfe
von Beruhigungsmitteln oder Alkohol - vergeblich was die Häufigkeit
der Erinnerungen, erfolgreich was die Intensität der Angst angeht, aber
mit der zusätzlichen Last einer entstehenden Sucht [101],[102]. Die Frage ist, warum
die Intrusionen so ein Eigenleben führen, vom Patienten ebensowenig wie
von den meisten therapeutischen Interventionen in vernünftige und stimmige Erinnerungen
überführt werden können. Nachvollziehbar ist die Argumentation
von LeDoux [103], dass Gefährdungserlebnisse, sei
es extern oder intern verursacht, unter Überlebensgesichtspunkten
absolutes Primat haben und sofort beantwortet werden und zwar ohne langes
Überlegen und mit schematischem Handeln, Uralt-Instinkten oder
konditionierten Reaktionen, jedenfalls Automatismen.
Erklärungsbedürftig ist, dass die Patienten Sicherheitszeichen und
Kontextinformationen lange Zeit nach dem Trauma nicht benutzen können, um
das Einrasten dieses
Schemas zu stoppen. Diese Unfähigkeit erinnert an
Patienten mit Frontalhirnläsionen, die einen
curious mismatch
between knowing
and doing zeigen
[104], p.139), und die nach Burgess & Wood
[105] hauptsächlich ein defizitäres
Supervisory Attention
System (SAS, [106]) zeigen:
die bewusste Wahl zwischen verschiedenen Alternativen als auch das Stoppen
inadäquat ablaufender Schemata ist beeinträchtigt, die Patienten
weisen Konzentrations- und die Planungsmängel auf und und geben ihren
ersten Impulsen nach, wenn sie nicht in Antriebslosigkeit verharren.
Dass während der Intrusionen eine frontale Dysfunktion des
exekutiven Aufmerksamkeitssystem anzunehmen ist (ein sehr
ähnliches Konzept wie das SAS ), das nach Posner & Raichle
[6] pp 184 hauptsächlich im präfrontalen Gyrus
cinguli zu lokalisieren ist, dafür sprechen die fehlende
Realitätskontrolle, die Derealitäts- und
Depersonalitätserlebnisse, die an den Traumschlafzustand erinnern, der ja
durch Halluzinationen wie Emotionen bei reduzierter Wachheit und
Realitätsnähe gekennzeichnet ist und keine Langzeitspeicherung
hinterlässt. Auch die verminderte PPI und P300 bei PTBS werden einer
verringerten Aktivität der aufsteigenden aktivierender Neuromodulatoren
zum präfrontalen Cortex zugeschrieben (bezüglich der PPI und Dopamin,
s. [107], bezüglich der P300 und Noradrenalin s.
[44]. Der präfrontale Cortex seinerseits ist nach
Rolls [108] und Armony & LeDoux [61] in der Lage das Amygdalum zu hemmen (s. Abb. [2]).
Ein mögliches Szenario sieht also ein überaktiviertes
rechtshemispärisches amygdaläres Netzwerk vor, das durch einen
unteraktivierten frontalen Cortex nicht gebremst werden kann, der auch nicht
genügend Aktivierung zum Hippocampus schickt, um diesen aus seinem
schlafähnlichen, automatisierten Aktivitätsmodus auf den Level
kontextueller, relationaler Vernüpfung der Erlebnisse zu heben. Eine
alternative Vorstellung würde einen überoptimal aktivierten
Hippocampus vorsehen, der jedoch auch dysfunktional, also zur
Langzeit-Engrammbildung unfähig wäre. PET-Untersuchungen während
der Flashbacks betonen außerdem die gleichzeitige Unterfunktion der
linksseitigen Broca-Areale, sodass man nicht nur eine Disconnection vom
frontalen Cortex sondern auch noch eine zwischen den Hemisphären annimmt.
Die Sprachlosigkeit und die Unfähigkeit ihre Gefühle zu benennen
(Alexithymie, s.[109], [110],
wird von Klinikern den PTBS-Patienten schon lange zuerkannt.
Bessel van der Kolks [18] p. 218)
Formulierungen, dass die
tiefe Verunsicherung
der Patienten
durch das Trauma zu einer dauernden
Alarmbereitschaft führe,
wogegen die
Patienten sich
durch ein Sich-Verschließen zu
schützen suchen,
da sie emotionierende Reize
weitgehend unterschiedslos
als potentielle
Gefährdungen erleben
kennzeichnet das PTBS als emotionale Entdifferenzierung. Zu einer solchen Anschauung passen die
beschriebenen Anzeichen einer kognitiv-emotionellen Unterentwicklung bei
traumatisierten Kindern, die sich dann in einer Zunahme psychiatrischer und
psychosomatischer Auffälligkeiten im Laufe der Entwicklung niederschlagen
[111]. Einer solchen mangelhaften Ausdifferenzierung im
Kindesalter könnte beim Erwachsenen eine Entdifferenzierung entsprechen.
Als neuroanatomische Korrelate wären dem ein überaktives
rechtshemisphärisches Amygdalum-System mit direkter Auslösung der
atavistischen Coping-Mechanismen von fight/flight bzw. freezing bei einem
unteraktiven linkshemisphärischen Sprachsystem und unzureichender
präfrontaler Hemmungsaktivität zuzuordnen. Ob die veränderten
neuroendokrinen-neuromodulatorischen Regulationen sich dabei als Organisatoren
dieser Entdifferenzierung betätigen oder eine Folge davon sind, muss die
Zukunft zeigen.