Unter den tumorösen Raumforderungen des Mittelohrs und des Mastoids sind Adenome selten.
Die Diagnosestellung dieser Entität gestaltet sich schwierig, da die klinischen Symptome
uncharakteristisch sind und sowohl die Otoskopie als auch die Bildgebung außer dem
Nachweis einer Raumforderung häufig keine Hinweise auf die Ätiologie geben.
Fallbericht
Eine 40jährige Patientin stellte sich im Januar 1999 erstmals in der Ambulanz der
HNO-Klinik des St. Elisabeth-Krankenhauses vor. Sie gab an, seit 6 Monaten an einem
kontinuierlichen hochfrequenten Geräusch im rechten Ohr und einer zunehmenden rechtsseitigen
Hörminderung zu leiden. Bei der initialen Untersuchung fanden sich otoskopisch rechts
ein reizloser äußerer Gehörgang und ein intaktes Trommelfell. Im hinteren oberen Paukenanteil
war durch das transparente Trommelfell ein rötlich schimmernder Tumor zu sehen. Im
Reintonaudiogramm fand sich im Tief- und Mitteltonbereich eine Schalleitungsstörung
von 15 bis 20 dB, im Hochtonbereich bis auf 70 dB zunehmend. Zur Abklärung des Otoskopiebefundes
wurde eine Dünnschicht-Computertomographie des Felsenbeines durchgeführt (Abb. [1]). Hier zeigte sich ein 1 cm großer, ovalärer, hypodenser Weichteiltumor im rechten
Mittelohr, der die Gehörknöchelchen umwuchs. Eine knöcherne Arrosion der Paukenhöhlenwand
war nicht nachweisbar. In mehreren Mastoidzellen lag eine Flüssigkeitsansammlung vor.
Eine zusätzlich durchgeführte Magnetresonanztomographie (ACS-NT, Philips, Best, The
Netherlands) der Felsenbeine wurde unter Verwendung folgender Sequenzen angefertigt:
T1-gewichtete Gradientenechosequenzen (TR: 30 ms, TE: 13 ms; Flipwinkel: 30°, NSA 2;
FOV 200, Schichtdicke 2 mm; Scanzeit: 2 : 51 min; Matrix 256 × 256) in coronaler Schichtführung
vor und nach i. v. Kontrastmittelgabe (Gd-DTPA, Schering, Berlin) T1-SE-Sequenz transversal nativ (513/11, NSA 2, 4 mm, 2 : 48 min., FOV 240, Matrix 230
× 256); T1-TSE-Sequenz transversal nach i. v. KM-Gabe (Gd-DTPA, 500/12, TSE 5, NSA 2, 4 mm,
FOV 220, Matrix 254/512); T2-TSE-Sequenz transversal (1900/90, TSE 16, NSA 3, 4 mm, 2 : 57 min., FOV 240, Matrix
254/512). In Analogie zur CT zeigte sich eine 1 cm große, ovaläre Raumforderung in
der rechten Paukenhöhle. In T1- und T2-Wichtung erschien der Tumor gering hyperintens zu weißer Hirnsubstanz, nach i. v.
KM-Gabe zeigte sich ein homogenes Enhancement (Abb. [2]).
Bei der präoperativen Untersuchung im Juni 1999 fand sich otoskopisch im Vergleich
zur Voruntersuchung eine deutliche Größenzunahme des Tumors. Intraoperativ fanden
sich die Ossikel von dem Tumorprozeß umwachsen. Knöcherne Arrosionen lagen nicht vor.
Unter Mitresektion des Ambosses und des Hammerkopfes konnte der Tumor vollständig
aus der Paukenhöhle und dem Kuppelraum entfernt werden. Es wurde eine Rekonstruktion
der Gehörknöchelchenkette mittels einer Titanpartialprothese durchgeführt.
Histologisch bestand der Tumor aus weitgehend gleichförmigen, flachen, meist kubischen
Epithelien, drüsig und leicht papillär angeordnet mit zugehörigem lockeren Bindegewebsstroma
im Sinne eines Adenoms. Anhalt für Malignität bestand nicht. Der postoperative Verlauf
war komplikationslos. Ein postoperatives Audiogramm zeigte eine geringgradige Restschalleitungsschwerhörigkeit
von durchschnittlich 15 dB.
Diskussion
Adenome des Mittelohrs stellen eine seltene Entität dar. Die Literatur beschränkt
sich im wesentlichen auf Einzelfallberichte. In einer systematischen Literaturrecherche
konnten wir 46 Berichte über benigne Adenome des Mittelohrs finden. In der Schnittsammlung
des Armed Forces Institute of Pathology (Washington, DC) sind ca. 100 Fälle einer
adenomatösen Neoplasie des Mittelohrs (Adenome und Adenokarzinome) gesammelt.
Die histologische Abstammung der Mittelohradenome ist bislang noch nicht vollständig
geklärt. Die Ähnlichkeit des Tumorgewebes mit normaler Mukosa spricht für einen Ausgang
von der Paukenhöhlenschleimhaut. Die Tatsache, daß das Mittelohrepithel bei Entzündungen
Drüsengewebe bilden kann, unterstützt diese Annahme. Die Beurteilung der Dignität
adenomatöser Mittelohrtumoren ist schwierig. Auch histologisch lassen sich Adenome
nicht immer sicher von Adenokarzinomen differenzieren, so werden in der Literatur
die Begriffe Adenom, semimalignes Adenom und Adenokarzinom des Mittelohres uneinheitlich
gebraucht (Pallanch JF; Laryngoscope 1982; 92; 47 - 54).
Weder klinisch noch bildmorphologisch läßt sich die Erkrankung eindeutig diagnostizieren.
Die klinischen Symptome reichen von Druckgefühl im Ohr, Tinnitus und Hörminderung
bis zu Funktionseinschränkungen kaudaler Hirnnerven. Die otoskopischen Befunde sind
uncharakteristisch, meist findet sich eine rötlich durch das Trommelfell hindurchscheinende
Raumforderung.
In der Differentialdiagnose kommen am häufigsten eine chronische Otitis media, ein
Cholesteatom und verschiedene Mittelohrneoplasien wie Glomus jugulare- und Glomus
tympanicum-Tumoren, Meningeome, Hämangiome und tumorähnliche Neoplasien in Betracht.
Kongenitale Cholesteatome kommen meistens im Epitympanum des Mittelohres vor und gehen
wahrscheinlich von anomalen Epithelresten aus. Glomus tympanicum-Paragangliome neigen
dazu, frühzeitig Symptome zu entwickeln. Sie erscheinen bei Erstdiagnose häufig als
gut abgrenzbare, kontrastmittelaufnehmende Weichteilraumforderungen ohne Knochenbeteiligung
angrenzend an das kochleäre Promontorium im Mittelohr. Meningeome können sich ebenfalls
bis in das Mittelohr ausdehnen. Ein durales Enhancement („dural tail sign”) in Nachbarschaft
des Tumors ist hier charakteristisch.
Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung sind die Charakteristika von Adenomen in der
Schnittbilddiagnostik ungenügend definiert. In der Computertomographie erscheinen
Adenome als kontrastmittelaufnehmende, weichteildichte Raumforderungen, die meist
auf die Paukenhöhle beschränkt sind. Knöcherne Destruktionen der Paukenhöhle sind
selten und eher bei Adenokarzinomen des Mittelohrs zu finden (Genecke et al., Am J
Otol 1990). Die Gehörknöchelchen sind meist in Tumorgewebe eingebettet, aber nicht
destruiert. Die Mastoidzellen sind in der Regel durch Flüssigkeitsansammlungen ausgefüllt,
bedingt durch einen behinderten Sekretabfluß. Der äußere Gehörgang ist tumorfrei.
Bisher wurde eine MRT-Untersuchung bei adenomatösen Mittelohrtumoren nur in einem
Fall beschrieben (Arnold et al., Eur Arch Otorhinolaryngol 1996). Wie in unserem Fall
zeigt sich hier eine weichteildichte Raumforderung in der Paukenhöhle, die homogen
Kontrastmittel aufnimmt. Die Signalintensität entspricht in T1- und in T2-Wichtung etwa dem von weißem Hirngewebe. In der CT ist eine eventuelle Infiltration
der Ossikel und der knöchernen Paukenhöhlenwand besser zu beurteilen als in der MRT.
Vorteile der MRT gegenüber der CT ergeben sich in der besseren Beurteilbarkeit des
Kleinhirnbrückenwinkels inclusive der Hirnnerven VII und VIII. Insofern stellt die
MRT bei der Abklärung einer Mittelohrraumforderung eine sinnvolle Ergänzung zur CT
dar.
D. Maintz, C. Stupp, K. Krüger, Köln
Abb. 1Dünnschicht-HR-CT des Felsenbeines (Prof. Dr. Neufang, Euskirchen): 1 cm großer ovalärer
Weichteiltumor im Mittelohr, der die Gehörknöchelchen umwächst. Keine Arrosion der
Paukenhöhlenwand. Flüssigkeit in einzelnen Mastoidzellen.
Abb. 2 a u. bMRT (Prof. Dr. Neufang, Euskirchen): T1-Gradientenechosequenz des Felsenbeines coronal vor und nach i. v. KM-Gabe: 1 cm große,
ovaläre Raumforderung in der rechten Paukenhöhle. Tumor gering hyperintens zu weißer
Hirnsubstanz, nach i. v. KM-Gabe homogenes Enhancement. Die Gehörknöchelchen entsprechen
der signalfreien Struktur innerhalb des Tumors.