Prävalenz und Inzidenz arbeitsbedingter obstruktiver Atemwegserkrankungen haben sich
weltweit auf einem hohen Niveau eingependelt. Sie sind teils allergischer (BK 4301),
teils chemisch-irritativer oder toxischer Genese (BK 4302, die meisten BK 1315-Fälle
[Isocyanat-Erkrankungen]).
Ursächliche Allergene und Irritanzien
Ursächliche Allergene und Irritanzien
In Abb. [1a und b] sind die krankheitsauslösenden Allergene und Irritanzien der 1998 anerkannten Berufskrankheitsfälle
der Häufigkeit nach aufgelistet. Unter den 1428 Fällen der ersteren Gruppe dominieren
mit 46 % Mehl und Backwaren, gefolgt neuerdings von Naturkautschuk (Latex) und Pflanzen
(Abb. [1a]). Chemisch-irritativ bedingte Erkrankungen (n = 334) gehen v. a. auf Schweiß-, Schneid-
und Gießrauche, Lösungs- und Verdünnungsmittel, Friseurarbeitsstoffe sowie Lacke zurück
(Abb. [1b]). Isocyanate (BK 1315) verursachten bei weitgehend gleichbleibendem Trend 75-mal
Erkrankungen, die vorwiegend in der Kunststoffherstellung, in Lackierereien und in
chemischen Betrieben auftraten. An einer BK 4301 erkrankten in erster Linie Beschäftigte
in Bäckereien und Konditoreien sowie im Gesundheitswesen (Abb. [2a]), an einer BK 4302 bevorzugt Schweißer, Chemiebetriebswärter und Friseure (Abb.
[2b]), an einer BK 1315 v. a. Warenmaler/-lackierer, Kunststoffverarbeiter und Chemiebetriebswerker
(Abb. [2c]).
Abb. 1aFälle mit bestätigtem BK 4301-Verdacht (allergische obstruktive Atemwegskrankheiten;
BK-DOK 1998).
Abb. 1bFälle mit bestätigtem BK 4302-Verdacht (chemisch-irritative obstruktive Atemwegskrankheiten;
BK-DOK 1998).
Abb. 2aFälle mit bestätigtem BK 4301-Verdacht (allergische obstruktive Atemwegserkrankung;
gesamt = 1428; BK-DOK 1998).
Abb. 2bFälle mit bestätigtem BK 4302-Verdacht (chemisch irritative obstruktive Atemwegserkrankung;
gesamt = 334; BK-DOK 1998).
Abb. 2cFälle mit bestätigtem BK 1315-Verdacht (Isocyanate; gesamt = 75; BK-DOK 1998).
Konzentrations-Wirkungs-Beziehungen
Konzentrations-Wirkungs-Beziehungen
Neue Studien belegen sowohl für Allergene als auch für chemisch-irritativ und toxisch
wirkende Arbeitsstoffe Konzentrations-Wirkungs-Beziehungen, z. T. auch Dosis-Wirkungs-Beziehungen
[[5]]. Kürzlich wurde dies eindrucksvoll für Sensibilisierungen gegen Bäckereistaub,
Weizenmehlallergene, Isocyanate, Latexallergene, das Backmittelenzym α-Amylase und
Rattenurinprotein dokumentiert [[3], [4], [9], [10], [12], [13]]. Dabei verschieben sich die Konzentrations-Wirkungs-Beziehungen um so mehr in den
Niedrigkonzentrationsbereich (bis hin zu ng/m3), je reiner die aerosolisierten Allergene sind [[2]] (Abb. [3]). Es gibt dabei Hinweise auf Lowest Observed Adverse Effect Levels (LOAEL), unterhalb
denen kein erhöhtes Erkrankungsrisiko festzustellen ist. Eine Belastungsreduktion
führt demnach zu einem Rückgang berufsbedingter obstruktiver Atemwegskrankheiten im
Sinne der Zielsetzung der Primär- und Sekundärprävention. Bisher berücksichtigen Regelungen
bezüglich der Arbeitshygiene und arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen diese
neuen Kenntnisse nicht im erforderlichen Umfang. Nach der aktuellen Gefahrstoffliste
nach § 4 a der Gefahrstoffverordnung [[11]] sind 36 verschiedene Arbeitsstoffe sowie zusätzlich alle Isocyanate mit R 42 („Sensibilisierung
durch Einatmung möglich”) und 193 Arbeitsstoffe bzw. deren Zubereitungen mit R 37
(„reizt die Atemwege”) zu kennzeichnen.
Abb. 3Zusammenhang zwischen Luftkonzentrationsbereichen definierter Allergene und Sensibilisierungsprävalenz
(Baur 1998, [[2]]).
Möglichkeiten der Prävention
Möglichkeiten der Prävention
Primärprävention
Diese umfasst
-
Elimination der Schadstoffbelastung, u. a. a) Austausch gegen gesundheitlich unbedenkliche
Produkte; b) veränderte Zubereitung, z. B. den Einsatz flüssiger, pastöser oder granulierter
anstelle pulverförmiger Stoffe.
-
Reduktionen der Schadstoffbelastung durch a) Kapselung der Anlagen; b) Verwendung
staubgeminderter Produkte; c) Anwendung belastungsmindernder Bearbeitungsverfahren;
d) technische Maßnahmen, z. B. Luftabsaugung; e) arbeitsorganisatorische Maßnahmen,
z. B. Aufenthalt in größerem Abstand von der Staubquelle.
Sekundärprävention
Hierzu gehören
-
persönliche Schutzmaßnahmen, vor allem Atemschutzgeräte;
-
allgemeine arbeitsmedizinische Betreuung und spezielle Vorsorgeuntersuchungen.
Unterweisung und Schulung des Personals
Wissensvermittlung, Erzielen von Einsicht und Motivation in fach- und sachgerechten
Unterweisungen und Schulungen sind elementare, oft aber vernachlässigte Voraussetzungen
einer effizienten Prävention.
Beispiel konkreter Präventionsmaßnahmen: Mehlstaub in Backbetrieben
Beispiel konkreter Präventionsmaßnahmen: Mehlstaub in Backbetrieben
Primärprävention, d. h. Schadstoffreduktion (in Anlehnung an das Amt für Arbeitsschutz
der Freien und Hansestadt Hamburg 1998 [[1]], sowie an den Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik 1996 [[15]]):
-
räumliche Trennung der Produktionsräume von Bereichen ohne Mehlstaubbelastung;
-
Mehlsilo statt Sackware;
-
möglichst geschlossene Systeme von der Mehllagerung bis zur Teigbereitung;
-
bei einer Menge von mehr als 300 kg Mehl pro Tag ist an der Entstehungsstelle abzusaugen;
-
bei manueller Teigaufbereitung kein Mehl in der Handwurftechnik als Trennmittel verwenden;
-
Einstäuben von Arbeitstischen, Tüchern, Körben usw. mit staubarmen Mehlen, Stärke
oder Maismehl;
-
dichtschließender Deckel an Knetmaschinen mit einem Bottichdurchmesser von mehr als
510 mm;
-
Anlagen kapseln;
-
muss Mehl als Trennmittel verwendet werden, hat dieses durch Auflegen und Verreiben
auf der Oberfläche, Auftragen mittels einer Rolle zu erfolgen; alternative Trennmittel
sind Stärke, Maismehl, staubarme Trennmehle, ölhaltige Trennmittel;
-
die Zugabe von Backmitteln sollte ohne Staubentwicklung erfolgen;
-
flüssige pastöse oder körnige Backmittel sind zu bevorzugen;
-
Wrasen und Fettdämpfe aus Backöfen und Fettbackgeräten dürfen nicht in den Atembereich
der Beschäftigen gelangen. Geeignete Absaugeinrichtungen sind erforderlich;
-
für die Räume, Einrichtungen und Maschinen ist ein Reinigungsplan zu erstellen (u.
a. Reinigung mit Spezialfegern, geeigneten Saugern, Nassreinigungsmaschinen mit rotierenden
Bürsten, kein Ausblasen mit Druckluft).
Sekundärprävention
-
Atemschutzgeräte sind anzuwenden, wenn Primärprävention nicht ausreichend möglich
ist und generell von besonders empfindlichen Personen.
-
Arbeitsmedizinische Betreuung (ASiG; [[14]]), Vorsorge und spezielle Untersuchungen: Beratung hat Vorrang. Einzelheiten s.
Unfallverhütungsvorschrift Betriebsärzte, VBG 123, BG-Grundsätze für arbeitsmedizinische
Vorsorgeuntersuchungen G 23 „obstruktive Atemwegserkrankungen”, G 27 „Isocyanate”
und G 24 „Hautkrankheiten” [[8]].
Unterweisung und Schulung des Personals
Beschäftigte sind über mögliche Gefahren durch Mehlstaub, den staubarmen Umgang mit
Mehlen und über die Reinigung, Desinfektion und Schädlingsbekämpfung zu unterweisen.
Die Unterweisung hat in angemessenen Zeitabständen mindestens einmal jährlich sowie
vor Aufnahme der Tätigkeit zu erfolgen.
Einstufung, Kennzeichnungspflicht und Grenzwerte von gesundheitsgefährdenden Arbeitsstoffen
Einstufung, Kennzeichnungspflicht und Grenzwerte von gesundheitsgefährdenden Arbeitsstoffen
Laut Gefahrstoffliste nach § 4 a der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) sind Stoffe
mit R 42 zu kennzeichnen und mit dem Gefahrensymbol Xn zu versehen, wenn „Sensibilisierung
durch Einatmen möglich ist”. Hiermit sind im Einzelnen festgelegte Regularien des
Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz verbunden. Welche Stoffe diese Kennzeichnung erhalten,
wird heute auf der Ebene der Europäischen Union festgelegt. Derzeit zählen hierzu
u. a. alle Isocyanate, Maleinsäureanhydrid, Trimellitsäureanhydrid, Ethylendiamin,
Hexamethylentetramin, Piperazin, Nickelsulfat, Cobalt, Glutaraldehyd, fungale α-Amylase,
Bromelain, Cellulase (Aspergillus niger), Esperase, Pancreatin, Pepsin, Trypsin aus Rinderpankreas und vom Schwein, Alkalase
(Waschmittelprotease), Proteasen (Bacillus subtilis).
Es gibt eine Reihe atemwegssensibilisierender Arbeitsstoffe, die bisher nach dieser
Übereinkunft nicht kennzeichnungspflichtig sind, für die aber ausreichende wissenschaftliche
Kenntnisse für eine derartige Wirkung vorliegen [[25]]. 18 hierzu zählende Stoffe wurden kürzlich in der TRGS 907 „Verzeichnis sensibilisierender
Stoffe” [[21]] (Begründung: TRGS 908 [[22]]) mit dem Ziel zusammengefasst, den Informationsstand über Gefährdungen zu verbessern
und eine Praxishilfe zum Nachschlagen zu bieten. Da bislang in der Gefahrstoffverordnung
spezielle Umgangsbestimmungen für sensibilisierende Stoffe fehlen und das Vorhaben,
einen eigenen Abschnitt für sensibilisierende Stoffe in die Gefahrstoffverordnung
in Anbetracht der allgemeinen Tendenzen zur „Verschlankung der Gesetze” zunehmend
schwerer durchsetzbar ist, wurden in einer weiteren technischen Regel für Gefahrstoffe,
der TRGS 540 („sensibilisierende Stoffe”) [[19]], Anforderungen an einen Standard der Arbeitshygiene, die Rangfolge der Schutzmaßnahmen
sowie Empfehlungen zur arbeitsmedizinischen Betreuung formuliert. Die Anforderungen
sind inzwischen sowohl auf die Stoffe, die nach § 4 a GefStoffV bereits kennzeichnungspflichtig
sind, als auch auf die Stoffe, die nach TRGS 907 so zu betrachten sind „als wären
sie kennzeichnungspflichtig”, zu verstehen.
Derzeit existieren auf Basis der Gefahrstoffverordnung (TRGS 900) [[20]] Grenzwerte u. a. für folgende laut Literatur als sensibilisierend einzustufende
inhalative Arbeitsstoffe (Tab. [1]): Isocyanate, Cobalt, Formaldehyd, Glutaraldehyd, Maleinsäureanhydrid und Trimellitsäureanhydrid,
Holzstaub, Roggen- und Weizenmehlstaub. Auch für eine Anzahl chemisch-irritativer
Arbeitsstoffe existieren entsprechende Luftgrenzwerte in der TRGS 900. Nicht für alle
genannten Stoffe war die sensibilisierende bzw. chemisch-irritative Wirkung ausschlaggebend
für die Grenzwertfestlegung. So gibt es keine Schwellenwertkonzentration für krebserzeugende
Stoffe; die Orientierung erfolgt hier an der technischen Machbarkeit; Beispiele hierfür
sind Chrom(VI)-Verbindungen (0,05 - 0,1 mg/m3) und Holzstaub (2 mg/m3). Auch der Grenzwert für Mehl (4 mg/m3) versteht sich vom Ansatz her als eine „technische Richtkonzentration”. Zwar liegt
hier kein Hinweis auf ein krebserzeugendes Potential vor, aber die Festlegung des
Mehlgrenzwertes orientierte sich an den in den Betrieben vorherrschenden Konzentrationen.
Die Einhaltung solcher nicht gesundheitsbasierter Grenzwerte schließt arbeitsbedingte
Atemwegskrankheiten nicht aus. In jedem Verdachtsfall ist deshalb eine eingehende
Diagnostik erforderlich.
Es liegen umfangreiche Untersuchungsdaten vor, die Grenzwertsetzungen und die zusätzliche
Aufnahme in die GefStoffV von „enzymhaltigem Staub” [[6]] und von „Organischen landwirtschaftlichen Aerosolen soweit sie Allergene und/oder
Endotoxine enthalten” [[7]] gut begründen.
Tab. 1Atemwegssensibilisierende Arbeitsstoffe mit Grenzwerten
| Stoff |
Kennzeichnung |
Grenzwert lt. TRGS 900 (mg/m3) |
| 2-Aminoethanol |
|
5,1 |
| Chrom(VI)-Verbindungen |
|
0,05 - 0,1 |
| Cobalt |
R 42/43 |
0,1 - 0,5 |
| Cyanacrylsäuremethylester |
|
8 |
| Ethylendiamin |
R 42/43 |
25 |
| Ethylenimin |
|
0,9 |
| Ethylenoxid |
|
2 |
| Formaldehyd |
|
0,6 |
| Furfurylalkohol |
|
40 |
| Glutaraldehyd |
R 42/43 |
0,4 |
| Holzstäube |
TRGS 907 |
2 |
| Isocyanate |
R 42 bzw. R 42/43 |
0,024 - 0,09 |
| Maleinsäureanhydrid |
R 42/43 |
0,4 |
| Mehlstaub |
TRGS 907 |
4 |
| Methylmethacrylat |
|
210 |
| 4-Methylmorpholin |
|
20 |
| Phthalsäureanhydrid |
R 42/43, TRGS 907 |
1 |
| Platin (Chloroplatinate) |
TRGS 907 |
1 (0,002) |
| Polyvinylchlorid |
|
5 |
| Styrol |
|
85 |
| Tributylzinnoxid |
|
0,05 |
| Trimellitsäureanhydrid |
R 42/43 |
0,04 |
| Wolfram |
|
5 |
Arbeitsmedizinische Betreuung und Vorsorge/spezielle arbeitsmedizinische Vorsorge
Arbeitsmedizinische Betreuung und Vorsorge/spezielle arbeitsmedizinische Vorsorge
Es wird empfohlen, alle laut Literatur an den Atemwegen sensibilisierend bzw. chemisch-irritativ
wirkenden Arbeitsstoffe hinsichtlich der Notwendigkeit der Durchführung von arbeitsmedizinischen
Vorsorgeuntersuchungen zu überprüfen. Dies sollte erfolgen a) auf der Basis der Einstufung
der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe [[16]], b) der Kennzeichenpflicht mit R 42 („Sensibilisierung durch Einatmung möglich”)
bzw. mit R 37 („reizt die Atemwege”) [[24]] nach der GefStoffV, c) der Ergänzungen auf nationaler Ebene in Form Technischer
Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 540 [[19]], 907 [[21]], 908 [[22]]).
Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen verfolgen das Ziel, berufsbedingten Erkrankungen
frühzeitig durch individuelle, organisatorische und arbeitshygienische Maßnahmen gegenzusteuern
[[17]]. Erforderlich sind eine qualifizierte betriebsmedizinische Betreuung und Beratung
durch erfahrene und speziell ausgebildete Ärzte und die Erarbeitung wissenschaftlich
begründeter Empfehlungen für Risikokonstellationen. Die betriebsbezogenen Gefährdungs-
und Belastungsanalysen sind im Rahmen von individuellen Risikoabschätzungen zu berücksichtigen.
Die arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung nach dem berufsgenossenschaftlichen Grundsatz
G 23 wird insbesondere in Bereichen, in denen Exposition gegenüber folgenden Noxen
besteht, für notwendig gehalten (Empfehlungen zur Aufnahme in den Anhang VI der GefStoffV):
Platinsalze, Säureanhydride, enzymhaltiger Staub, Getreide- und Futtermittelstaub,
Mehlstaub, Holzstäube, Labor- und Nutztierstäube (Maus, Ratte, Meerschweinchen, Rind,
Pferd), naturlatexhaltiger Staub, stark schimmelpilzhaltige Stäube, Staub von Zuckmücken
und deren Larven. Untersuchungen nach G 27 (Isocyanate) sind bereits rechtsverbindlich
vorgeschrieben (Anhang VI der GefStoffV).
Grenzen der Präventionsmöglichkeiten
Grenzen der Präventionsmöglichkeiten
Der Erfolg der Primär- und Sekundärprävention ist v. a. durch folgende Faktoren limitiert:
-
fehlende Machbarkeit (z. B. Heu- und Getreidestaubbelastung in der Landwirtschaft);
-
wirtschaftliche Gründe (so sind derzeit nach Vorschlag eines gesundheitsbasierten
Mehlgrenzwertes von 0,75 mg/m3 wegen der befürchteten Präventionskosten, z. B. in den Niederlanden, erhebliche Widerstände
erkennbar);
-
Unkenntnis und mangelnde Motivation bez. des Gesundheitsschutzes (Tab. [2] );
-
extreme Empfindlichkeit auf Seiten des Beschäftigten, z. B. bei MCS.
Tab. 2Ergebnis einer Umfrage in 6200 englischen Unternehmen (Response 16 %) (Topping et
al., Ann. Occup. Hyg. 1998, 42, 6: 357 - 366, [[23]])
| Nur ein Drittel der Chemikalien-Anwender kennt die gesetzlichen Gesundheitsvorschriften
(COSHH) und nur 50 - 60 % kennen die speziellen Grenzwerte in England (OEL) |
| Nur 20 % halten die Einhaltung der Grenzwerte für erforderlich |
| Primärprävention (Einsatz von Ersatzstoffen) erfolgt in nur 10 % der Unternehmen |
| Sekundärpräventive und weitere Maßnahmen: - 60 % bevorzugen persönliche Schutzmaßnahmen
- 50 % machen Verfahrenskontrollen - 10 bis 43 % überwachen die Luftkonzentrationen
- 25 % achten auf Wartung und Training |
Resümee
Resümee
Die wesentliche Präventionsmaßnahme am Arbeitsplatz ist die Reduktion der Exposition.
Das Ziel muss sein, die Belastung am Arbeitsplatz unter die Schwellenkonzentration,
deren Überschreiten zu einer statistisch fassbaren Erkrankungszunahme führt, zu senken.
Risikokollektive sollten einem Screening mittels standardisierter Fragebogen, bei
Auffälligkeiten auch arbeitsplatzbezogenen Lungenfunktionsmessungen unterzogen werden.
Besteht eine Tätigkeit, die für den Betroffenen ein wesentlich erhöhtes Risiko hinsichtlich
einer Atemwegskrankheit aufweist, werden arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen
nach dem relevanten berufsgenossenschaftlichen Grundsatz für notwendig gehalten.
Bei bestehendem allergischen Berufsasthma ist eine vollständige Expositionskarenz
erforderlich. Eine Pharmakotherapie bei fortbestehender Exposition ist von stark beschränktem
Nutzen; sie hat vorübergehende Bedeutung zur Überbrückung, z. B. bis zu einer innerbetrieblichen
Versetzung.
Die Grenzen der Prävention ergeben sich durch fehlende technische Machbarkeit in einigen
Bereichen und v. a. durch die gegenüber dem Gesundheitsschutz oft überbetonten wirtschaftlichen
Aspekte. Für hochempfindliche Personen reichen die derzeit zur Verfügung stehenden
primär- und sekundärpräventiven Maßnahmen nicht immer aus. Die Ignoranz von Gesundheitsschutz-Regularien
[[18]] darf nicht hingenommen werden. Ihr ist entgegenzutreten mit verbesserten Informationsstrategien,
gezielter Förderung von Risikobewusstsein und Verantwortung, leicht verständlicher
Produktkennzeichnung und Lieferanteninformation, wenn notwendig durch Verbesserung
und intensivierte Überwachung der Einhaltung von Arbeitsschutz-Vorschriften.