Einleitung
Einleitung
Seit der letzten Veröffentlichung über die Standards der pneumologischen Rehabilitation
der American Thoracic Society 1981 ist der Umfang und die Zielrichtung der pneumologischen
Rehabilitation wesentlich erweitert worden. Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten
belegen den Stellenwert und die Effektivität der Rehabilitation. Aus diesem erweiterten
Ansatz ergibt sich die Definition der American Thoracic Society: Pneumologische Rehabilitation
ist ein multidisziplinäres, individuell angepasstes Behandlungsprogramm für Patienten
mit chronischen Atemwegserkrankungen mit dem Ziel, die Symptome der Krankheit zu reduzieren,
die körperliche und soziale Leistungsfähigkeit und Autonomie zu optimieren und damit
die Lebensqualität zu verbessern.
Der Umfang pneumologischer Rehabilitation
Der Umfang pneumologischer Rehabilitation
Pneumologische Rehabilitation verbessert die Leistungsfähigkeit sowie die Lebensqualität
und reduziert die Symptome der Patienten trotz oft irreversibler Schädigung von Lunge
oder Bronchien. Dies ist möglich, weil die Beeinträchtigung im Alltag nicht nur durch
die respiratorische Erkrankung bedingt ist, sondern häufig durch Begleit- und Folgeerkrankungen
deutlich verschlechtert wird. Folgeerkrankungen wie z. B. Cor pulmonale, periphere
Muskelschwäche, Fehlernährung, Osteoporose, Depression und Angst sind oft durch Rehabilitation
positiv beeinflussbar.
Die für den Patienten zu erreichende Verbesserung wird anhand der WHO-Klassifikation
ICIDH (international Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps) für
Schädigung, Fähigkeitseinschränkung und Beeinträchtigung beschrieben.
Schädigung ist die Normabweichung einer anatomischen Struktur oder Funktion als Folge
einer Krankheit. Eine typische Schädigung in der pneumologischen Rehabilitation ist
die bronchiale Obstruktion, messbar durch den FEV1. Gerade dieser Parameter ist jedoch
oft nur unzureichend zu beeinflussen. Besser behandelbar sind Schädigungen wie z.
B. Schwäche und Muskeldysfunktion, psychopathologische Symptome und Über- bzw. Untergewicht.
Fähigkeitsstörung ist die Einschränkung einer komplexen Funktion, z. B. die körperliche
Belastbarkeit.
Beeinträchtigung ist die Unfähigkeit, aufgrund einer Schädigung oder Fähigkeitsstörung
die erwartete Rolle im Alltag erfüllen zu können. Die Beeinträchtigung kann z. B.
mit standardisierten Fragebogen zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität dokumentiert
werden, pneumologische Rehabilitation führt hier nachweisbar zu einer Verbesserung.
In der Überlebensrate zeigt sich eine Verbesserung nach Rehabilitation, die jedoch
in der statistischen Auswertung nicht signifikant war. Eine Reduktion der Krankenhauseinweisungen
sowie der Krankenhaustage für pneumologische Erkrankungen nach Rehabilitation konnten
jedoch belegt werden.
Patientenauswahl und Indikation
Patientenauswahl und Indikation
Grundsätzlich ist pneumologische Rehabilitation für die Patienten indiziert, die an
einer chronischen Atemwegserkrankung leiden und die trotz optimaler medikamentöser
Einstellung und Ausschöpfung der ambulanten Behandlungsmöglichkeiten drohende oder
schon vorhandene Fähigkeitseinschränkungen oder Beeinträchtigungen aufweisen. Es ist
weniger die Schwere der Lungenerkrankung als die Beeinträchtigung im Alltag, die über
die Notwendigkeit zur Rehabilitation entscheidet. Ausschlusskriterien sind z. B. schwere
und instabile Erkrankungen wie instabile Angina pectoris, kürzlich zurückliegender
Myokardinfarkt oder psychopathologische Auffälligkeiten, die Mitarbeit und Lernfähigkeit
behindern können.
Patienten, die nicht zur Mitarbeit motiviert sind oder ihren Nikotinkonsum nicht reduzieren
wollen, sind keine idealen Kandidaten, hier können jedoch Schulung und Motivation
wesentliche Ziele der Rehabilitation sein.
Die Untersuchung des Patienten besteht aus Anamnese, klinischen und funktionellen
Untersuchungen zur Feststellung des Schweregrads der Erkrankung und Diagnostik anderer
wesentlicher Erkrankungen. Der Schulungsbedarf muss geklärt werden, ansteigende Belastungstests
sollen die Ausgangsleistungsfähigkeit dokumentieren. Die kognitiven Funktionen sowie
das Ausmaß von Depression und Angst sollen festgestellt werden, da hierdurch die Rehabilitationsfähigkeit
wesentlich beeinträchtigt werden kann. Hier stehen standardisierte Fragebogen zur
Verfügung. Der Ernährungsstatus kann z. B. anhand von Bodymass-Index und anderen Methoden
objektiviert werden.
Vergleichende Untersuchung zwischen ambulanter und stationärer Rehabilitation zeigten
die Effektivität beider Maßnahmen. Entscheidender als der Ort der Rehabilitation ist
die Intensität des Programmes und seiner Komponenten.
Wesentliche Bestandteile der pneumologischen Rehabilitation
Wesentliche Bestandteile der pneumologischen Rehabilitation
Körperliches Training
Das körperliche Training ist die wesentliche Grundlage der pneumologischen Rehabilitation.
Unbestritten zeigt sich hier ein messbarer Effekt, z. B. auf Dyspnoe und maximale
Leistungsfähigkeit auch bei fehlender Verbesserung der zugrundeliegenden pneumologischen
Schädigung. Eine physiologische Adaptation im peripheren Muskel und eine Verbesserung
der kardialen Leistungsfähigkeit zeigten sich bei einer Trainingsintensität von 60
- 75 % der max. Leistungsfähigkeit. Letztere kann man z. B. anhand der max. O2-Aufnahme im ansteigenden Belastungstest, anhand der symptomlimitierten Leistungsschwelle
oder, weniger differenziert und individuell auch anhand der erwarteten maximalen Herzfrequenz
festlegen. Ein solches Trainingsprogramm sollte 2 - 5-mal pro Woche über 20 - 30 Minuten
durchgeführt werden, auf diese Weise kann eine deutliche Verbesserung der maximalen
Leistungsfähigkeit sowie eine Reduktion von Ventilation und Laktatkonzentration bei
gleicher Belastung erreicht werden. Für die Patienten, die nicht in der Lage sind,
auf dieser Belastungsstufe zu trainieren, steht alternativ ein Intervalltrainingsprogramm
zur Verfügung.
Beim Training ist zu beachten, dass nur für die Muskelgruppen eine physiologische
Anpassung erreicht wird, die auch im Training belastet werden.
Insofern hat sich ergänzend zu dem allgemeinen Ausdauertraining auf Ergometer oder
Laufband, welches in erster Linie die untere Extremität trainiert, auch ein Training
der oberen Extremitäten bewährt. Messbare Verbesserung im täglichen Leben kann auch
durch Krafttraining und durch Training der Atemmuskulatur erreicht werden.
Die durch Training erreichten Verbesserungen der Leistungsfähigkeit verschlechtern
sich rasch wieder, wenn nach Abschluss des Rehabilitationsprogrammes das körperliche
Training nicht weitergeführt wird. Der Langzeiterfolg einer Rehabilitation ist insofern
auch dadurch gekennzeichnet, wie sehr der Patient zur Fortführung des Trainings nach
Rehabilitation motiviert werden kann.
Patientenschulung
Zu den wesentlichen Bestandteilen der Patientenschulung gehört die Vermittlung von
Atemtechniken. Entscheidend ist hier die Lippenbremse, welche sich durch nasale Inspiration,
gefolgt von einer Ausatmung gegen die beinahe geschlossenen Lippen unter Vermeiden
von kraftvoller Ausatmung auszeichnet. Dies führt zu einer messbaren Senkung der Atemfrequenz
und des Atemminutenvolumens sowie des PaCO2 bei Ansteigen des PaO2 und der O2-Sättigung im Blut.
Die früher häufig empfohlene Zwerchfellatmung hat sich in der Praxis weniger bewährt,
so dass sie nicht mehr uneingeschränkt empfohlen werden kann. Der Atemrhythmus sollte
an die körperlichen Aktivitäten angepasst werden, körperliche Bewegungen und Aktivitäten
sollten durch optimierte Ausführung vereinfacht werden. Ein weiterer wesentlicher
Schulungsinhalt ist die Applikation der Medikamente, hier insbesondere der Dosieraerosole
und Pulverinhalatoren. Weiterhin wird der Patient über seine Erkrankung, den Umgang
mit ihr, zum Beispiel in Notfällen, die Selbstkontrolle sowie über spezielle Inhalte
wie O2-Langzeittherapie und Allergenvermeidung geschult. Selten angeboten, jedoch nach Umfragen
in den USA von den Patienten durchaus gefordert, sind Schulungsmodule, die das Thema
Lebensendplanung und Sterben behandeln.
Verhaltenstherapie und psychosoziale Betreuung
Dyspnoe hat eine wesentliche affektive Komponente, Angst vor Atemnot oder depressive
Symptomatik wegen der bemerkten Einschränkung im täglichen Leben ist bei Patienten
mit Atemwegserkrankungen relativ häufig. Durch diese Symptome werden die ohnehin eingeschränkten
Patienten in ihrer sozialen und körperlichen Leistungsfähigkeit weiter beeinträchtigt.
Affektive Symptome können durch Verhaltenstraining, Stressmanagement, Entspannungstechniken
und Selbstmanagement der Atemwegserkrankungen deutlich reduziert werden. Hier ist
eine Einbeziehung der nächsten Familienangehörigen besonders wichtig.
Ergebnisevaluation
Das Ausmaß der Fähigkeitseinschränkung und die Verbesserung der Leistungsfähigkeit
können in ansteigenden Belastungstests dokumentiert werden. Parameter sind die maximale
Leistungsfähigkeit, die Dyspnoerate bei submaximaler Belastungsstufe oder die Zeit,
die eine submaximale Belastung durchgehalten werden kann. In Gehtests, wie z. B. dem
6- oder 12-Minuten-Gehtest oder besser noch dem 10-Meter-Pendel-Gehtest (Shuttle walk
test) mit externem Taktgeber kann die Leistungssteigerung vor und nach Rehabilitation
verglichen werden. Insbesondere der Pendel-Gehtest zeigt hier eine hohe Sensitivität
bei guter Reproduzierbarkeit. Das Ausmaß der Dyspnoe bei körperlicher Belastung kann
anhand von Borgskala oder visueller Analogskala gemessen werden.
Die Beeinträchtigung ist durch Fragebogen objektivierbar. Da eine Beurteilung der
allgemeinen Lebensqualität, hier verstanden als Balance zwischen dem was vom Leben
erwartet wird und dem, was erreicht worden oder erreichbar ist, nur schwer standardisierbar
und sehr umfangreich ist, erfragt man den Gesundheitsstatus, also die gesundheitsbezogene
Lebensqualität. Krankheitsspezifische Fragebogen für COPD sind hier z. B. der Chronic
Respiratory Disease questionary (CRDQ) und der St. George Respiratory questionary
(SGRQ). Für den routinemäßigen Gebrauch sind diese ebenfalls zu umfangreich, im Rahmen
von Studien, die die Effektivität einer neuen Methode oder des gesamten Programmes
messen sollen, sind sie jedoch unentbehrlich. Minimalanforderung für die Erfolgsbeurteilung
der Rehabilitation für den einzelnen Patienten sind die Erfassung der Atemnot, der
Leistungsfähigkeit, des Gesundheitsstatus sowie des Aktivitätslevels vor und nach
Rehabilitation.
Ausblick
Ausblick
Rehabilitation kann die Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität der Patienten verbessern,
es fehlen jedoch valide Studien über die Auswirkung auf die Überlebensrate sowie die
Kosten für das Gesundheitswesen. Während die positiven Effekte des körperlichen Trainings
wissenschaftlich belegt sind, ist der Anteil der psychosozialen Betreuung, der Atemtechnik
und der Patientenschulung an der Gesamteffektivität der Rehabilitation noch unklar.
Auch die ideale Trainingsform und die tatsächlichen messbaren Effekte vom Training
der oberen Extremität und der Atemmuskulatur bedürfen weiterer Studien. Weitere offene
Fragen sind die Vorteile von Erholung der Atemmuskulatur durch nichtinvasive Überdruckbeatmung
bei schwerer COPD, über die Rolle der Rehabilitation in der Vor- und Nachbetreuung
von Lungenoperationen sowie genaue Standards für die Erfolgsevaluation. Die meisten
der hier zusammengefassten Daten beziehen sich auf die COPD und das Asthma bronchiale,
Standards für die Modifikation des Programmes für Patienten mit anderen Grunderkrankungen
stehen noch aus. Noch gibt es geteilte Meinungen über die Einbeziehung der Raucher
in die Rehabilitationsprogramme.
Eine Vereinheitlichung der Terminologie, angepasst an die WHO-Klassifikation, wäre
zur besseren Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit der Daten sowie der Standards wünschenswert.