Einleitung
Einleitung
Primäre Sarkome der Pulmonalarterien sind seltene Tumoren, mit ca. 120 in der Literatur
beschriebenen Fällen [[5]]. Ausgehend von pluripotenten mesenchymalen Zellen in der Gefäßwand, zeigen diese
Tumoren in der Regel ein intraluminales Wachstum [[4], [11]]. Histologisch handelt es sich in den meisten Fällen um undifferenzierte Sarkome
[[3], [4], [5], [8], [11], [13]]. Primäre Leiomyosarkome wurden in dieser Lokalisation in nur 30 Fällen beschrieben
[[1], [4], [5], [6], [7], [12], [14]]. Klinisch präsentieren sich diese Tumoren häufig mit einer Symptomatik, die an
chronische rezidivierende Lungenembolien denken läßt, so dass die endgültige Diagnose
oft erst postmortal gestellt wird [[8], [13], [14]].
Wir berichten hier über einen Fall, bei dem die Diagnose eines primären Leiomyosarkoms
der Pulmonalarterie präoperativ an einer Biopsie gestellt werden konnte, die im Rahmen
einer Herzkatheteruntersuchung entnommen wurde.
Fallbeschreibung
Fallbeschreibung
Eine 61-jährige Patientin, mit bekannter arterieller Hypertonie, verspürte im April
1998 beim Golfspielen einen plötzlich einsetzenden rechtsseitigen Thoraxschmerz. In
den nächsten Wochen kam es zu einer progredienten Einschränkung der Belastbarkeit
mit Dyspnoe und intermittierendem, unproduktivem Husten. Zunächst wurde bei Verdacht
auf eine infektiöse Pleuritis eine ambulante Antibiotika-Therapie begonnen. Als nach
zwei Monaten keine Besserung der Symptomatik eintrat, erfolgte die stationäre Aufnahme
in eine pneumologische Fachklinik zur weiteren Abklärung.
Diagnostik
Diagnostik
Die physikalische Untersuchung erbrachte keinen pathologischen Auskultationsbefund
von Lunge und Herz. Auch das EKG, die Echokardiographie, die Lungenfunktionsprüfung
(Spirometrie, Ganzkörperplethysmographie, Diffusionskapazität, Blutgasanalyse, Ergometrie),
die Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage sowie die Laborwerte waren unauffällig.
Eine Röntgenaufnahme des Thorax zeigte einen rechtsseitigen Zwerchfellhochstand von
4 cm und einen kranial verzogenen Mittellappenspalt.
In der thorakalen Computertomographie und im Spiral-CT des Thorax fand sich eine Kontrastmittelaussparung
in der rechten Pulmonalarterie sowie in der rechten Ober- und Unterlappenarterie.
Die hypodense Formation füllte das gesamte Lumen aus, ohne dass sich ein wandübergreifendes
Wachstum oder ein Umfließungsphänomen nachweisen ließ. Das übrige Lungenparenchym
und die Bronchien waren unauffällig. Im anschließend durchgeführten Lungenperfusionsszintigramm
bestätigte sich ein fast vollständiger Perfusionsausfall der rechten Lunge. Die weitere
Diagnostik mit Abdomen-CT und Phlebographie ergab unauffällige Befunde. Mit der Verdachtsdiagnose
eines bereits mehrere Wochen zurückligenden thromboembolischen Verschlusses der rechten
Pulmonalarterie wurde die Patientin im Juni 1998 zur pulmonalen Embolektomie in die
Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie überwiesen. Zur präoperativen Planung
wurde eine Links- und Rechtsherzkatheteruntersuchung durchgeführt. Es fand sich eine
leichte pulmonale Hypertonie bei linksseitig normaler Arteria pulmonalis und rechtsseitig
komplettem Verschluss. Wegen des untypischen Verlaufs und der chirurgischen Erfahrung
mit einem ähnlichen Fall wurde bei dieser Gelegenheit eine Biopsie aus dem Pulmonalarterienprozess
entnommen.
Die ca. 0,4 cm durchmessende Biopsie zeigte in der histopathologischen Untersuchung
Gruppen von pleomorphen, atypischen Zellen mit großen hyperchromatischen Kernen und
vielen Mitosen. Immunhistochemisch waren die wenig differenzierten Tumorzellen negativ
für Cytokeratin und positiv für den mesenchymalen Marker Vimentin, was für eine sarkomatöse
Differenzierung spricht. Es wurde die vorläufige Diagnose gestellt: Maligner pleomorphzelliger
Tumor, in erster Linie Sarkom.
Therapie und pathologisch-anatomische Begutachtung
Therapie und pathologisch-anatomische Begutachtung
Aufgrund dieses Befundes wurde die geplante Operationsstrategie geändert. Unter Einsatz
der Herzlungenmaschine wurde eine rechtsseitige Pneumonektomie mit Resektion der Pulmonalarterien
durchgeführt. Mit einem makroskopisch ausreichenden Sicherheitsabstand von 1,5 cm
vom Tumor wurde die rechte Pulmonalarterie aus dem Stamm exzidiert und der Defekt
mit einem autologen Perikardflicken verschlossen.
Zur pathologisch-anatomischen Begutachtung wurde ein Pneumonektomiepräparat von 21
× 13 × 5 cm und 480 g mit einem Pulmonalissegment von 4 cm Länge und maximal 2 cm
Durchmesser übersandt. Das Lumen der Pulmonalarterie war vollständig ausgefüllt von
einem grau-roten, elastischen Tumor von maximal 6 × 2 cm Ausdehnung, der sich fingerförmig
in die Lappenarterien fortsetzte (Abb. [1]). Makroskopisch fand sich kein die Gefäßwand überschreitendes Wachstum, der Resektionsrand
war tumorfrei.
Histologisch zeigte der Tumor Bündel von Spindelzellen mit „zigarrenförmigen” Zellkernen.
Zwischen den Spindelzellverbänden fanden sich zahlreiche kleine Kapillaren und Areale
mit kleinen runden Zellen mit vakuolisiertem Zytoplasma sowie einzelne eingestreute
pleomorphe Riesenzellen mit atypischen, bizarren Kernen. Der Tumor wuchs dabei überwiegend
intraluminal mit distinkter Grenze zur Gefäßintima, herdförmig war auch eine flache
Infiltration der Gefäßwand nachweisbar, jedoch ohne vollständige Wandpenetration.
Zum Lumen hin zeigte der Tumor herdförmig kleine Nekrosen sowie aufgelagerte Thrombusanteile.
In hilären Lymphknoten und im Lungenparenchym fanden sich keine Metastasen.
Immunhistochemisch waren die Tumorzellen positiv für Vimentin und herdförmig für Aktine
(smooth muscle Actin, alpha-1-smooth muscle Actin; Abb. [2]). Negative Reaktionen ergaben sich für Pan-Cytokeratin, Desmin, S-100, CD34, CD31,
Myoglobin, CD68, epitheliales Membran-Antigen und Collagen Typ IV. Die Proliferationsrate,
bestimmt anhand des Ki-67-Index, betrug ca. 30 %. In Zusammenschau der histologischen
und immunhistochemischen Befunde ergab sich die Diagnose eines wenig differenzierten
(G3) Leiomyosarkoms der Pulmonalarterie.
Die histologische Aufarbeitung des proximalen Pulmonalisresektionsrandes zeigte diskrete
intraluminale Ausläufer des Leiomyosarkoms. Daher wurde zehn Tage nach dem ersten
Eingriff eine Nachresektion durchgeführt.
Zunächst erfolgte die Resektion des ehemaligen Perikardflickens mit einem zirkumferentiellen
Abstand von 4 mm. Die intraoperative Schnellschnittuntersuchung zeigte jedoch auch
in diesem Nachresektat Tumorausläufer, so dass eine komplette Resektion der Arteria
pulmonalis communis und sinistra durchgeführt wurde. Der dadurch entstandene, ca.
6 cm lange Defekt, wurde durch eine Goretex-Prothese (PTFE) überbrückt. Die distale
Anastomosierung gestaltete sich bei ausgesprochen dünnwandigem distalen Pulmonalisareal
und eingeschränkten Sichtverhältnissen im linken Lungenhilus technisch sehr schwierig.
Die proximale Anastomosierung in Höhe der Kommissuren der Pulmonalklappe erfolgte
dagegen problemlos.
Die histologische Untersuchung des endgültigen Nachresektates zeigte tumorfreie Resektionsränder
und bestätigte damit die vollständige Resektion des Leiomyosarkoms.
Abb. 1 Makroskopie: Querschnitt durch die rechte Arteria pulmonalis. Das Leiomyosarkom zeigt
ein intraluminales Wachstum (→) und füllt zusammen mit aufgelagertem Thrombusmaterial
das Gefäßlumen vollständig aus.
Abb. 2Mikroskopie, × 400: Immunhistochemische Färbung auf Alpha-Glattmuskel-Aktin (APAAP-Technik;
monoklonaler Antikörper, Klon 1A4, DAKO, Hamburg). Positive Reaktion sowohl in pleomorphen
Riesenzellen (▄▄▸) als auch in Spindelzellen (-→).
Verlauf und Epikrise
Verlauf und Epikrise
Nach komplikationslosem postoperativen Verlauf konnte die Patientin neun Tage nach
dem letzten Eingriff aus der stationären Behandlung entlassen werden. Während einer
vierwöchigen Anschlussheilbehandlung konnte durch intensive Physiotherapie zunächst
nur eine geringe Verbesserung sowohl der allgemeinen Leistungsfähigkeit als auch der
kardiopulmonalen Belastbarkeit erzielt werden. Im Rahmen von ambulanten Kontrolluntersuchungen
klagte die Patientin noch über Hustenreiz und Belastungsdyspnoe. Ein halbes Jahr nach
der Operation war jedoch eine deutliche Besserung des Allgemeinzustandes bei gleichzeitigem
Anstieg der Vitalkapazität zu verzeichnen. Der Befund stabilisierte sich und 14 Monate
nach dem letzten Eingriff besteht bei der Patientin kein Anhalt für ein Rezidiv bzw.
für Metastasen des primären Leiomyosarkoms der Pulmonalarterie.
Diskussion
Diskussion
Primäre Sarkome der Pulmonalarterien sind eine seltene Entität. Erstmals wurde 1923
von Mandelstamm ein Fall publiziert [[9]], seitdem sind 120 Fälle, darunter 30 Leiomyosarkome, in der Literatur beschrieben
[[1], [4], [5], [7], [12], [14]]. Wie in dem vorliegenden Fall ist die klinische Symptomatik mit Dyspnoe, Thoraxschmerz
und Reizhusten in der Regel nicht wegweisend, so dass in der Vergangenheit die Diagnose
des Sarkoms häufig erst postmortal gestellt wurde [[8], [13], [14], [15]]. Seit Einführung moderner bildgebender Verfahren hat die Anzahl prämortal diagnostizierter
Fälle zwar zugenommen, dennoch ist bis heute die häufigste präoperative Verdachtsdiagnose
die pulmonale Thrombembolie (53 %), gefolgt von malignen Tumoren (32 %) [[5]].
In dem vorliegenden Fall konnte präoperativ die Diagnose an einer kleinen Biopsie
im Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung gestellt werden, was in der Literatur bisher
nur in einem weiteren Fall beschrieben ist [[16]]. Die ausführliche nicht-invasive Diagnostik erlaubte dagegen keine sichere Zuordnung
der Befunde. Die Prognose von Sarkomen in dieser Lokalisation ist ohne Therapie sehr
ungünstig mit einer mittleren Überlebenszeit von 1,5 Monaten. Durch radikales operatives
Vorgehen, mit Pneumonektomie und ausgedehnter Gefäßresektion, kann das Überleben auf
10 - 12 Monate verlängert werden [[8]]. Das Langzeitüberleben der Patienten hängt dabei weniger von dem Auftreten von
Metastasen ab, die sich bevorzugt in der Lunge und seltener in Leber und Gehirn finden,
sondern wird vor allem durch Lokalrezidive bestimmt [[2], [3], [4]]. Eine lokale Exzision dieser Tumoren, in der Regel durchgeführt wenn die Sarkomdiagnose
präoperativ nicht bekannt war, bedeutet ein erhöhtes Risiko, zum einen einer Verschleppung
von Tumormaterial mit konsekutiver Metastasenbildung und zum anderen einer inkompletten
Resektion mit Lokalrezidiv. Weitreichende, diskret der Intima aufsitzende und daher
makroskopisch nicht sichtbare Tumorausläufer erfordern die ausgedehnte Resektion des
Gefäßstammes. Die vollständige Entfernung dieser, bei Diagnosestellung meist bereits
fortgeschrittenen Tumoren gestaltet sich jedoch technisch in der Regel sehr schwierig.
In der Literatur wird nur in 25 % der Fälle eine komplette Resektion beschrieben [[17]].
Der Wert einer adjuvanten Strahlen- oder Chemotherapie wird kontovers diskutiert und
ist aufgrund der geringen Anzahl von beschriebenen Fällen auch nur schwierig einzuschätzen
[[1], [5], [10]]. Aus gleichem Grund ist die Frage offen, ob verschiedene histologische Differenzierungsrichtungen
der Pulmonalarteriensarkome eine unterschiedliche Prognose besitzen. Als häufigster
Subtyp wird in der Literatur das „undifferenzierte bzw. nicht klassifizierbare” Sarkom
als Diagnose angegeben, wobei hier die meisten Diagnosen aus der Zeit vor Einführung
immunhistochemischer Techniken stammen. Es sind jedoch auch Fälle als maligne fibröse
Histiozytome, Fibrosarkome oder Sarkome mit angioider, myoider, chondroider oder osteoider
Differenzierung beschrieben worden [[4]]. In dem vorliegenden Fall konnte immunhistochemisch die glattmuskuläre Natur des
Sarkoms gesichert werden.
Die Tatsache, dass nicht alle Patienten, die unter dem klinischen Verdacht einer pulmonalen
Thrombembolie versterben, obduziert werden, legt die Vermutung nahe, dass primäre
pulmonale Sarkome häufiger vorkommen als beschrieben [[5], [8]]. Bei untypischem klinischen Verlauf eines vermeintlich thrombembolischen pulmonalen
Geschehens sollte eine ausführliche Diagnostik, einschließlich histopathologischer
Abklärung angestrebt werden, um im Falle eines Sarkoms die Voraussetzungen für ein
optimales operatives Vorgehen zu schaffen.