Einleitung
Die Skabies ist eine häufige, stark juckende, durch Acarus scabiei hominis hervorgerufene
Dermatose. Als Ursache für den Pruritus wird eine allergische Reaktion auf Milbenbestandteile
angesehen. Die Weibchen bohren Gänge in das Stratum corneum, wo sie ihre Eier ablegen.
In drei bis vier Wochen entwickeln sich dort adulte Milben, und es kommt zur Reinfektion.
Eine schlechte Immunabwehr und schlechte hygienische Lebensbedingungen können zu einer
übermäßigen Ausbreitung der Milben führen; diese sogenannte Scabies norvegica ist
eine seltene, hochkontagiöse Verlaufsform.
Anamnese
Eine 42-jährige Patientin wurde in der chirurgischen Klinik zur Behandlung ihrer Mala
perforantes an beiden Füßen aufgenommen. Von dort kam es zur Verlegung in die Hautklinik
zur Abklärung des bereits seit 2 Jahren bestehenden generalisierten Pruritus.
Anamnestisch bestanden seit 3 Jahren eine Onychomykose und eine Mykose der Zehenzwischenräume
und Zehen, sowie vor etwa 2 Jahren eine Skabiesinfektion.
Während einer Gravidität vor 14 Jahren kam es zur Manifestation eines Diabetes mellitus
Typ I.
Dermatologischer Befund
An den Füßen, mit Betonung der Fußsohlen, teils Hyperkeratosen, teils gelbliche Schuppen
und Schuppenkrusten (Abb. [1]). Plantar ödematöse Schwellung und Fistelgänge, aus denen sich Eiter entleerte.
Abb. 1Fußrand mit hyperkeratotischen, stark schuppenden Plaques.
Über das gesamte Integument außer interdigital, paraumbilikal, axillär und inguinal
fanden sich Papeln und Exkoriationen neben kreisrunden, z. T. narbigen Hyperpigmentierungen
(Abb. [2]).
Abb. 2Papeln und Exkoriationen am Integument.
Laborbefunde
Außer einem erhöhten Glukosespiegel im Serum (220 mg/dl) und einem HbA1c von 14,6
% sowie einem CRP von 22 mg/dl (NB < 10 mg/dl) keine pathologischen Blutbefunde. Im
Kalilaugen-Präparat (Hautschuppen Füße) fanden sich massenhaft Skabiesmilben, -eier
und Kot (Abb. [3]).
Abb. 3Scabiesmilbe im Kalilaugenpräparat ( × 320).
Therapie und Verlauf
Die Scabies-norvegica-artige Infektion mit Acarus scabiei wurde zunächst für 3 Tage
am gesamten Integument mit Jacutin® Emulsion behandelt. Aufgrund der starken Schwellungen
an den Füßen waren die dortigen Fistelgänge der Therapie schlecht zugänglich; deshalb
wurde eine einmalige Gabe von 1 × 12 mg p. o. Ivermectin angeschlossen. Durch den
darauffolgenden Einsatz von lokalen Steroiden kam es zur raschen Befundbesserung und
Rückbildung des Juckreizes.
Weiterhin wurden die Fistelgänge täglich mit Lavasept-Lösung gespült und die Füße
in Kaliumpermanganatlösung gebadet. Wegen des erhöhten CRP-Wertes und einer Osteolyse
des Digitus III am rechten Fuß zusätzlich Antibiose über 14 Tage mit 3 × 600 mg Sobelin®
i. v. Bei Entlassung war das CRP normwertig und die Fistelgänge waren frei von Eiter.
Diskussion
Obwohl bei der Patientin eine 2 Jahre zurückliegende Skabiesinfektion bekannt war,
wurde initial nicht an ein Rezidiv gedacht, vor allem deshalb, weil die üblichen Prädilektionsstellen
(interdigital, paraumbilikal, axillär) ausgespart waren. Der dermatologische Befund
am Körperstamm zeigte die klinischen Symptome einer Prurigo simplex subacuta, die
Hyperkeratosen der Fußsohlen ließen primär an eine Mykose denken.
Allerdings findet man in der Literatur durchaus Hinweise auf ungewöhnliche klinische
Befunde bei der Scabies norvegica [5]
[6].
Diese Sonderform der Skabies ist gekennzeichnet durch das massive Auftreten von Milben
und ist deshalb extrem kontagiös. Sie wird hauptsächlich bei debilen Patienten, z.
B. bei seniler Demenz, sensorischer Neuropathie oder nicht immunkompetenten Patienten
beobachtet.
Neben Kindern und alten Menschen sind deshalb auch immunsupprimierte Patienten besonders
betroffen. Die Immunsuppression kann sowohl durch eine entsprechende Erkrankung (z.
B. AIDS), als auch durch entsprechende Therapien bedingt sein, z. B. nach Knochenmarkstransplantation
[1]
[2].
In letzter Zeit wurden auch Fälle von Scabies norvegica nach längerer Applikation
von topischen Kortikosteroiden beschrieben [3].
Bei unserer Patientin lag seit über 10 Jahren ein Diabetes mellitus vor, der schlecht
eingestellt war. Die Folge war eine Reihe von sekundären Komplikationen. Im Vordergrund
standen Mala perforantes aufgrund der diabetischen Mikroangiopathie und der diabetischen
Polyneuropathie.
Hinweise auf eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Infekten sowie die Mechanismen
der Immundefizienz bei Diabetes mellitus sind beschrieben [4]. Danach ist die Immunkompetenz aller Leukozytenpopulationen verringert, wobei die
Funktionen der polymorphkernigen neutrophilen Leukozyten eine deutliche Verschlechterung
der Chemotaxisfunktionen zeigen. Aber auch indirekte Effekte des Insulinmangels, z.
B. die Hyperglykämie, können in vitro eine Verschlechterung der Abwehrfunktionen gegen
verschiedene Erreger bewirken.
Einen Zusammenhang zwischen Diabetes mellitus und Scabies norvegica findet man in
der Literatur hingegen nicht. Nach unseren Beobachtungen besteht bei älteren Patienten
mit Skabiesinfektion häufig zusätzlich ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus. Eine
gestörte Hautbarriere und auch die gestörte Immunität könnten dabei eine pathophysiologische
Rolle spielen.
Dieser Fall von Scabies norvegica zeigt, dass bei Diabetes mellitus und generalisiertem
Juckreiz auch an eine Skabiesinfektion gedacht werden muss, selbst wenn Klinik und
Anamnese nicht typisch sind.