Fallbericht
Anamnese
Eine 34-jährige türkische Patientin wurde uns mit einem angeblich seit 3 Wochen schnell
wachsenden schmerzhaften Tumor am Kinn rechtsseitig vorgestellt. Wie die Hauteruption
vorher ausgesehen hat, konnte anamnestisch nicht eruiert werden. Eine diagnostische
Einordnung war auswärts trotz Probebiopsie, die eine unspezifische eosinophile Dermatitis
mit Akanthose, Hyperkeratose und Ödem des Papillarkörpers mit zahlreichen Eosinophilen
und reichlichen Infiltraten aus Lymphozyten, Plasmazellen sowie gering auch Granulozyten
erbrachte, nicht möglich. Anamnestisch kam es zu wiederholten Aufenthalten in der
Türkei, zuletzt vor knapp einem Jahr.
Hautbefund
Zum Vorstellungszeitpunkt fand sich eine 3,5 × 2,8 cm große tumoröse, schmalbasige
Hautveränderung am Kinn rechtsseitig mit beginnender zentraler Exulzeration und Randwall.
Die Umgebung des Herdes war entzündlich infiltriert (Abb. [1]). Das klinische Bild konnte unsererseits primär rein makroskopisch nicht eingeordnet
werden. Differenzialdiagnostisch dachten wir an ein Granuloma pyogenicum, eine vegetierende
Pyodermie und eine kutane Leishmaniose.
Abb. 1Tumorös wachsende kutane Leishmaniose mit Exulzeration am Kinn einer 34-jährigen Patientin.
Labor
BKS 30/61 mm n. W., CRP 1,6 mg/dl. Die restlichen ausgedehnten Routinelaborparameter
einschließlich des Antistreptolysin- und Antistaphylolysin-Titers waren normwertig.
Histologie
Die erneute Probebiopsie zeigte lediglich eine unspezifische abszedierende Entzündung
mit reichlich neutrophilen und eosinophilen Granulozyten sowie Kerntrümmer in Makrophagen.
Im Abstrichpräparat des Wundgrundes gelang uns jedoch der Nachweis von Leishmanien
(Abb. [2]). Kulturell wurden zusätzlich vergrünende Streptokokken nachgewiesen.
Abb. 2Abstrichpräparat vom Wundgrund der Hautveränderung der Patientin von Abb. [1] mit intrazellulären Leishmanien.
Therapie und Verlauf
Morphologisch stand zunächst das Granuloma pyogenicum mit geringer Exulzeration im
Vordergrund. Nach Sicherung der Diagnose wurde der Herd trotz der tumorösen Wucherung
kryochirurgisch mittels Kryosprayfreezing therapiert. Aufgrund der bakteriellen Superinfektion
mit vergrünenden Streptokokken bekam die Patientin eine antibiogrammgerechte Antibiose.
Lokaltherapeutisch setzten wir nach den kryochirurgischen Maßnahmen Providonjod-haltige
Salbe ein. Hierunter ist es zu einer raschen Besserung des Lokalbefundes gekommen,
so dass die Patientin bereits nach kurzer Zeit entlassen werden konnte. Eine Kontrolle
des Befundes erfolgte dann in unserer Ambulanz, dabei wurde eine komplette Abheilung
des Herdes festgestellt (Abb. [3]).
Abb. 3Die Patientin von Abb. [1] mit vollständiger Abheilung des Herdes nach kryochirurgischer Therapie.
Diskussion
Die Leishmaniosen stellen eine heterogene Gruppe von Infektionserkrankungen dar, die
durch Protozoen des Genus Leishmania hervorgerufen werden und in weiten geografischen
Regionen der Erde, vor allem im mittleren Osten, Afrika, Asien, Zentral- und Südamerika
verbreitet sind [1].
Die klinischen Erscheinungsformen der kutanen Leishmaniosen hängen im Wesentlichen
einerseits von der Leishmaniaspezies andererseits von dem Immunstatus des Patienten
ab [2]. Übertragen wird die Erkrankung durch den Stich einer infizierten Sandmücke (Phlebotomus
bzw. Lutzomyia). Sie kann jedoch auch kongenital, sexuell oder parenteral sowie durch
den direkten Kontakt übertragen werden [3].
Klinisch kann die kutane Leishmaniose lokalisiert, disseminiert, rezidivierend und
auch mukokutan auftreten [1]. Hierbei ist zu unterstreichen, dass die lokalisierte Manifestation als häufigste
Form der Leishmaniose, vor allem an frei exponierter Haut vorkommt [4].
Klinisch beginnt die Erkrankung meist 2-4 Wochen nach dem Insektenstich mit einer
kleinen erythematösen Papel, welche im Laufe der nächsten Wochen bzw. Monate langsam
wächst. Hier können sich im Verlauf Noduli, Plaques, Ulzerationen, krustös belegte,
trockene oder auch teils nässende Herde ausbilden. Möglich ist das Auftreten von kleinen
Satellitenknötchen periläsional und gelegentlich eine begleitende Lymphangitis sowie
Lymphadenopathie. Sekundär tritt häufig eine Superinfektion auf. Die kutane Leishmaniose
kann innerhalb von 3-14 Monaten spontan unter Ausbildung von hypo- bzw. hyperpigmentierten
atrophen Narben abheilen. Sie kann jedoch auch 2-5 Jahre aktiv bleiben. Abhängig vom
Immunstatus des Patienten können schwerste erosive und ulzerative Hauterscheinungen
auftreten [3].
Differenzialdiagnostisch können Leishmaniaveränderungen knotigen bzw. granulomatösen
Hautveränderungen z. B. einer kutanen Tuberkulose, einer Sporotrichose, einer atypischen
Mykobakterose (Schwimmbadgranulom), der Lepra, einem Furunkel, den Mykosen, der Malaria,
einer kutanen Sarkoidose, einem kutanen Lupus erythematodes, den Fremdkörpergranulomen,
einem Ecthyma infectiosum Orf oder auch den kutanen Neoplasien ähneln. Bei der disseminierten
Form der Erkrankung können multiple rote oder livid-rote, papulöse oder nodöse Läsionen
auftreten, die den größten Teil des Integuments bedecken. Im Gegensatz dazu kann das
Erscheinungsbild der rezidivierenden Form durch das Auftreten von erythematosquamösen
Papeln am Rand einer Narbe gekennzeichnet sein [4]. Die mukokutane Form lässt sich durch kleine, einzelne oder auch multiple, rötliche
oder livid-rote Papeln, von denen einige ulzerieren und andere zu Plaques konfluieren,
diagnostizieren. 4 Monate bis 12 Jahre nach Auftreten der Veränderungen, die sich
meistens spontan zurückbilden, treten die ersten Veränderungen der Schleimhäute auf,
mit Bevorzugung der Nase und der Lippen. Die häufigste Prädilektionsstelle ist hier
der Nasenknorpel, wo es zu Infiltration, Entzündung, Ulzeration bis zur Perforation
des Nasenseptums kommen kann. Selbst Rachen, Tonsillen, Trachea, Bronchien, Augen
und die Schleimhäute des Urogenitaltraktes können befallen sein [2]
[3]
[4].
Die Leishmaniose kann lokal und/oder systemisch behandelt werden. Die lokale Therapie
der kutanen Leishmaniosen ist bei Patienten mit einzelnen Läsionen indiziert. Hier
sind die chirurgische Exzision, die Kürettage, die Elektrodessikation, der CO2-Laser, die Hyperthermie, Paromomycinsulfat [5] und wie hier appliziert, die Kryochirurgie zu erwähnen. Die Kryochirurgie, welche
ein einfach durchzuführendes, kostengünstiges und zudem sehr effektives Behandlungsverfahren
darstellt [6], ist an erster Stelle zu empfehlen.
Systemische Therapien sind indiziert bei disseminiertem Hautbefall, multiplen großen
Hautveränderungen, gleichzeitigem Schleimhaut- bzw. Lymphknotenbefall sowie bei erfolgloser
Lokaltherapie. Es bieten sich hier verschiedene Therapeutika wie die fünfwertigen
Antimon-Verbindungen, Pentamidin [7]
[8], Allopurinol [9], Ketokonazol [10] und Rifampicin oder Metronidazol an.
Das interessante bei unserem Kasus war die klinische Morphologie mit einem tumorösen
schnellen Wachstum. Dieser Verlauf wurde sicherlich durch eine bakterielle Superinfektion
verursacht, worauf ein Granuloma pyogenicum-artiges Wachstum aufgetreten war. Sowohl
das Granuloma pyogenicum als auch die kutane Leishmaniose behandeln wir sehr effektiv
durch Kryochirurgie [6].