Anamnese: Ein 70-jähriger Patient wurde vom Hausarzt zur Abklärung einer zunehmenden Müdigkeit
und Abgeschlagenheit zugewiesen. Der Hausarzt hatte bereits eine Blutbilduntersuchung
vorgenommen, bei der eine Leukozytose von 52 000/µl sowie eine Anämie von 9,5 g/dl auffiel. Neben der seit 9 Monaten zunehmenden Müdigkeit und Abgeschlagenheit
berichtete der Patient, vor 3 Monaten erstmals Lymphknotenvergrößerungen beidseits axillär sowie vor einem Monat auch rechts inguinal bemerkt zu haben. B-Symptome,
insbesondere Fieberepisoden, wurden von dem Patienten verneint, er berichtete jedoch,
innerhalb des letzten Jahres gehäuft grippale Infekte gehabt zu haben. An Vorerkrankungen
ist seit 6 Jahren ein arterieller Hypertonus bekannt, der medikamentös eingestellt
ist. Die Medikation bei Vorstellung bestand in Enalapril 10mg täglich.
Untersuchungen: Bei der körperlichen Untersuchung fanden sich ein etwas blasses Hautkolorit sowie Lymphknotenvergrößerungen beidseits
zervikal von 1-2 cm, beidseits axillär von 3 cm und rechts inguinal von 2 cm Größe.
Die Lymphknoten waren weder druckdolent noch verschieblich. Hepato- oder Splenomegalie
war nicht tastbar. Die Laboruntersuchung bestätigte Blutbildveränderungen, die vom Hausarzt berichtet wurden: eine Leukozytose von 54 000/µl, mit 95% Lymphozyten
im Differentialblutbild, sowie eine normochrome Anämie von 8,9 mg/dl und eine Thrombozytopenie von 97 000/µl.
Im Blutausstrich ließen sich Gumprecht’sche Kernschatten nachweisen. Die Serumchemie
war bis auf erniedrigte IgG-, IgM- und IgA-Spiegel unauffällig, der ebenfalls durchgeführte
Coombstest war negativ. In der immunzytologischen Untersuchung fand sich auf 89% der Lymphozyten eine Koexpression von CD5 und CD19 sowie von CD19
und CD23; 99% der B-Zellen exprimierten monoklonal die Leichtkette kappa. In der Knochenmarkhistologie fand sich eine diffuse Infiltration durch kleine lymphatische Zellen. Im Ultraschall des Abdomens zeigten sich Lymphknotenvergrößerungen beidseits paraaortal sowie eine
leichte Splenomegalie von 14 × 10 × 5 cm.
Therapie und Verlauf: Bei dem Patienten wurde eine Therapie mit Chlorambucil 0,4 mg/kg Idealkörpergewicht
am Tag 1 p.o. begonnen. Die Therapie wurde alle 14 Tage wiederholt. Nach 3 Monaten
Therapie mit Chlorambucil zeigte sich lediglich eine geringe Reduktion der Leukozyten
auf 28 000/µl, bei stabilem Hämoglobinwert und Thrombozyten. beider körperlichen Untersuchung
sowie im Ultraschall ließ sich jedoch eine geringe Zunahme der Lymphknotenvergrößerungen
verzeichnen. Die Therapie wurde deswegen auf Fludarabin 25mg/m2 über 5 Tage intravenös, mit Wiederholung alle 4 Wochen, umgestellt. Unter dieser
Therapie zeigte sich ein gutes Ansprechen mit rascher Leukozytenreduktion und deutlicher
Abnahme der Lymphknotenvergrößerungen. Nach dem 3. Zyklus Fludarabin trat im Rahmen
der Leukopenie ein fieberhafter Infekt auf, der stationär für 5 Tage mit einer i.v.-Antibiose
behandelt wurde. Die folgenden Zyklen Chemotherapie wurden mit einer Dosisreduktion
auf 25% verabreicht. Nach 6 Zyklen Fludarabin fand sich eine komplette Remission
mit einer Normalisierung des Blutbildes, kompletten Rückgangs der Lymphknotenvergrößerungen
und Splenomegalie. Im Knochenmark fand sich keine Infiltration mehr durch die CLL.
Prognose: Dieser Patient war im fortgeschrittenen Stadium Binet C. In diesem Stadium beträgt
das mittlere Überleben derzeit 2-3 Jahre. Ob diese Prognose durch den Einsatz neuer
Therapien (Antikörper, Hochdosis-Chemotherapie, neue Medikamente, Immuntherapie) weiter
verbessert werden kann, wird in Studien geprüft.