Rofo 2001; 173(8): 769-771
DOI: 10.1055/s-2001-16408
DER INTERESSANTE FALL
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die intrahepatische Splenose

J. Hierholzer, B. Menzel, H. Fuchs
  • Schöneich, Potsdam
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
15. August 2001 (online)

 
Inhaltsübersicht

Die heterotope Implantation von Milzgewebe in anderen Organen nach Milzverletzung oder Milzoperation wird als Splenosis bezeichnet und wurde zuerst 1939 von Buchbinder beschrieben (Buchbinder et al. Surgery 1939;6:927 - 934). Mit dem Blutstrom abgeschwemmtes Milzgewebe kann sich dabei an den unterschiedlichsten Lokalisationen im Körper ansiedeln und auch wachsen.

Wir berichten über den Fall eines Patienten, bei dem eine hepatische Splenose schließlich durch Feinnadelbiopsie bewiesen werden konnte.

#

Fallbeschreibung

Ein 37-jähriger Mann stellte sich wegen unspezifischer Beschwerden im linken Nierenlager bei seinem Hausarzt vor.

Anamnestisch war eine Splenektomie im Kindesalter wegen Milzruptur nach Verkehrsunfall bekannt.

Bei der Oberbauchsonographie fiel eine fragliche Auftreibung der linken Nebenniere auf, die durch Magnetresonanztomographie weiter abgeklärt werden sollte.

Die T2-gewichteten fettunterdrückten Aufnahmen zeigten nach außen sich vorwölbende intrahepatische Läsionen mit im Vergleich zur Leber deutlich erhöhter Signalintensität, wohingegen sich diese Läsionen auf den T1-gewichteten Aufnahmen hypointens demarkierten (Abb. [1 a], [1 b]). Eine polyzyklisch imponierende Raumforderung gleichsinnigen Signalverhaltens fand sich suprarenal links.

Die rechte Nebenniere sowie die Nieren stellten sich unauffällig dar. Zur weiteren Abklärung wurde der Patient dann in die Klinik eingewiesen.

Die Computertomographie zeigte die bekannten Läsionen im Vergleich zur Leber etwas hypodens (Abb. [2 a]). Nach Kontrastmittelgabe kam es zu einer Nivellierung des Kontrastes gegenüber der Leber, so dass die Läsionen nur noch aufgrund ihrer Vorwölbung erkennbar waren (Abb. [2 b]). Die links-suprarenale Läsion verhielt sich gleichsinnig.

Die Feinnadelbiopsie der Leber ergab reifes Milzgewebe ohne Anhalt für ein tumoröses Geschehen.

Die Milzszintigraphie (durchgeführt mit wärmealterierten Technetium-markierten Erythrozyten) ergab multiple intrahepatische Mehranreicherungen sowie eine pararenal links gelegene Mehranreicherung, vereinbar mit Milznestern (Abb. [3]).

#

Diskussion

Die Häufigkeit der Versprengung von Milzgewebe im Rahmen von Milzverletzungen oder Milzoperationen wird in der Literatur mit bis zu 67 % angegeben (Gruen et al., AJR 1997;168;725 - 726). Häufigste Lokalisation der Implantation ist dabei die Peritonealhöhle; es sind aber auch thorakale, subkutane, renale und perikardiale Implantate beschrieben worden (Fleming et al., AmJMed 1976; 61:414 - 419). Die hepatische Splenose ist dagegen selten und in der Literatur bisher erst dreimal beschrieben worden.

Die klinischen Symptome der Splenose richten sich nach ihrer jeweiligen Lokalisation. Mechanische Probleme bis hin zur Darmpassagestörung aufgrund intestinaler Splenosis wurden ebenso beschrieben wie auch unspezifische abdominelle Schmerzen. Da das versprengte Milzgewebe die Funktion des normalen Milzgewebes übernehmen kann, sind Größenzu- bzw. -abnahme der Herde möglich. Zu Fehldeutungen kann es kommen, wenn die Splenosis als unklare Läsion in Leber oder Lunge erstmals auffällt. Wie im hier vorliegenden Fall ist es dann durchaus möglich, dass die richtige Diagnose erst nach Histologie-Gewinnung gestellt wird (Madjar et al., Thorax;1994;49:1021 - 1022).

Die Blood-Pool-Szintigraphie mit 99mTc-markierten Schwefel-Kolloiden bzw. markierten Erythrozyten wird als diagnostischer Goldstandard angesehen; als limitierend muss hier allerdings die Mindestgröße von ≥ 2 cm angesehen werden, unter der der Nachweis kaum gelingt (Gunes et al., CIin Radiol 1994; 49: 115 - 117).

Andere Autoren empfehlen die Magnetresonanztomographie nach Gabe des RES-gängigen Kontrastmittels Endorem (Aufnahme durch das retikulo-endotheliale System); hier zeigt Milzgewebe ähnlich dem Lebergewebe einen deutlichen Signalabfall auf den T2-gewichteten Aufnahmen (De Vuysere et al., Abdo Imaging 2000;25:187 - 189). Dieses Signalverhalten dient auch zur Abgrenzung gegenüber malignen fokalen Leberbefunden (HCC, Filiae), die vergleichsweise hyperintens zum Lebergewebe imponieren. Schwierig dagegen ist die Differenzierung der hepatischen Splenose gegenüber dem Leberadenom und der fokal nodulären Hyperplasie (FNH), da diese ebenfalls Endorem aufnehmen und daher einen Signalabfall erfahren (Vogl et al., RöFo 1994; 160/4: 319 - 328).

Typische oder pathognomonische computertomographische Charakteristika sind nicht bekannt.

In unserem Fall wurde die Differenzialdiagnose der hepatischen Splenose magnetresonanztomographisch durchaus erwogen. Computertomographisch konnte allerdings eine Tumorerkrankung nicht ausgeschlossen werden. Letztlich haben wir uns aber zu einer histologischen Sicherung der Leberherde entschlossen, die schließlich den Beweis erbrachte. Ob es sich bei dem suprarenalen Prozess ebenfalls um versprengtes Milzgewebe oder aber um eine operativ belassene kleine Nebenmilz handelt, lässt sich retrospektiv nicht mehr klären.

J. Hierholzer, H. Fuchs, Schöneich, Potsdam, B. Menzel, Brandenburg

Zoom Image

Abb. 1 aMRT (nativ T2w): Signalreiche Raumforderungen subphrenisch links bzw. intrahepatisch (*). Abb. 1 b MRT (nativ T1w): Signalarme Raumforderungen im rechten Leberlappen (↓).

Zoom Image

Abb. 2 aCT (nativ): Läsion intrahepatisch etwas hypodens im Vergleich zur Leber (←). Abb. 2 b CT (nach i. v.-KM) Nivellierung des Kontrastes (←).

Zoom Image

Abb. 3Milzszintigraphie in SPECT-Technik (wärmealterierte 99 mTc-markierte Erythrozyten), transversale Schicht im Bereich der Leber: multiple, z. T. intrahepatische, z. T. linkssubphrenische Milzherde (*).

 
Zoom Image

Abb. 1 aMRT (nativ T2w): Signalreiche Raumforderungen subphrenisch links bzw. intrahepatisch (*). Abb. 1 b MRT (nativ T1w): Signalarme Raumforderungen im rechten Leberlappen (↓).

Zoom Image

Abb. 2 aCT (nativ): Läsion intrahepatisch etwas hypodens im Vergleich zur Leber (←). Abb. 2 b CT (nach i. v.-KM) Nivellierung des Kontrastes (←).

Zoom Image

Abb. 3Milzszintigraphie in SPECT-Technik (wärmealterierte 99 mTc-markierte Erythrozyten), transversale Schicht im Bereich der Leber: multiple, z. T. intrahepatische, z. T. linkssubphrenische Milzherde (*).