Die Rhombencephalosynapsis ist eine seltene Kleinhirnfehlbildung, welche durch eine
Fusion der zerebellären Hemisphären und das Fehlen bzw. eine Hypoplasie des Kleinhirnwurms
gekennzeichnet ist. Assoziierte supratentorielle Fehlbildungen bestehen in einem unterschiedlichen
Ausmaß und korrelieren mit der Schwere der klinischen Behinderung (Barkovich A. J.
Pediatric Neuroimaging. 3rd ed. New York, Raven Press 2000: 346 f).
Fallbericht
Ein 5-jähriges Mädchen wurde wegen einer unklaren Bewusstlosigkeit und klinischen
Hirndruckzeichen stationär aufgenommen. Anamnestisch hatte es unmittelbar postnatal
einen V-P-Shunt bei Verschlusshydrozephalus erhalten. Eine weiterführende bildgebende
Diagnostik erfolgte bisher nicht. Klinisch bestanden akute Hirndruckzeichen. Außerdem
waren eine mentale und motorische Retardierung bekannt. Im kranialen Notfall-CT zeigte
sich ein Hydrozephalus bei Shuntinsuffizienz im Rahmen einer komplexen Hirnfehlbildung.
Es erfolgte eine sofortige Shunt-Revision. Zwischenzeitlich wurde das Kind reanimationspflichtig.
Postoperativ erfolgte ein MRT zur Abklärung einer intrazerebralen Hypoxiefolge sowie
zur Einordnung der zerebralen Fehlbildung. Das kraniale MRT am 1.5 T Siemens Vision
zeigte ein Fehlen des Vermis mit Verschmelzung der zerebellären Hemisphären sowie
der medialen Kleinhirnschenkel bei Hypoplasie der hinteren Schädelgrube. Der 4. Ventrikel
wies eine Tränenform auf (Abb. [1]). Weiterhin fand sich eine komplexe Mittellinienfehlbildung mit Aplasie des Septum
pellucidum und der Fornices und konsekutiver Verschmelzung des hypoplastischen Seitenventrikelsystems
(Abb. [2]). Es fielen eine partielle Fusion der Nuclei caudati und der Thalami (Abb. [2]) sowie der Colliculi sup. et inf. auf. Das dorsale Drittel des Corpus callosum inclusive
Splenium war aplastisch (Abb. [3]). Der Aquaeductus Sylvii verblieb ohne Flussnachweis. Die Kleinhirntonsillen standen
tief im Foramen magnum (Abb. [3]). Außerdem zeigten sich eine kortikale Dysplasie mit komplexen Gyrierungsstörungen
(Polymikrogyrie) und assoziierten prominenten kortikalen Gefäßen sowie eine Falxdysplasie.
In der echoplanaren Bildgebung fiel eine Diffusionsstörung in den Basalganglien und
im Kortex beidseits auf (Abb. [4]), welche als Zeichen einer diffusen Hypoxie gewertet wurde. Das Kind verstarb 2
Tage nach der MR-Untersuchung. Eine Obduktion wurde nicht durchgeführt.
Diskussion
Die Rhombencephalosynapsis ist eine sehr seltene komplexe Malformation in der hinteren
Schädelgrube. In der Literatur sind bisher 39 Fälle beschrieben (Montull C et al.,
Neuroradiology 2000; 42: 52; Sener R. N. Comput Med Imaging Graph 2000; 24 (4): 277).
Die Rhombencephalosynapsis ist charakterisiert durch eine Apposition bzw. Fusion der
Nuclei dentati und eine Fusion der Kleinhirnhemisphären. Durch Agenesie bzw. Hypogenesie
des Wurmes und das Fehlen des Nodulus entsteht eine Tränenform des 4. Ventrikels.
Weiterhin werden in variabler Ausprägung eine Fusion der Pedunculi cerebellares mediales
sowie der Colliculi sup. et inf., Heterotopien der grauen Substanz, eine Stenose oder
Atresie des Aquaeductus cerebri und eine Hypo- oder Aplasie der Nuclei olivares inferiores
beschrieben (Barkovich A. J. Pediatric Neuroimaging. 3rd ed. New York, Raven Press 2000: 346 f; Montull C et al., Neuroradiology 2000; 42:
52).
Diese Kleinhirnanomalien zeigen sich bei allen bisher beschriebenen Fällen weitgehend
konstant. Dagegen sind die assoziierten Anomalien der supratentoriellen Mittellinienstrukturen
vielfältig. Es handelt sich dabei insbesondere um Malformationen der ventralen Induktion,
da diese zeitgleich mit der Entwicklung des Kleinhirns auftritt (Truwit CL. et al.
Am J Neuroradiol 1991; 12: 957). In der Literatur werden ein Fehlen bzw. eine Hypoplasie
der vorderen Kommissur und des Septum pellucidum beschrieben. Ein hypoplastischer
3. Ventrikel kann zur Fusion beider Thalami führen. Auch eine Hypo- bzw. Dysplasie
des Corpus callosum wurde beobachtet (Barkovich A. J. Pediatric Neuroimaging. 3rd ed. New York, Raven Press 2000: 346 f; Truwit CL. et al. Am J Neuroradiol 1991; 12:
957).
Differenzialdiagnostisch sollten drei Fehlbildungssyndrome mit Hypo- oder Aplasie
des Kleinhirnwurmes abgegrenzt werden:
1. Das Joubert-Syndrom: Hier ist eine typische klinische Symptomatik mit episodischen
Hyperventilationen, abnormalen Augenbewegungen, Ataxie und mentaler Retardierung anzutreffen.
Die Anomalie der hinteren Schädelgrube umfasst eine Hypoplasie oder Aplasie des Kleinhirnwurmes.
Der mittlere Anteil des 4. Ventrikels ist dreieckförmig, der darüberliegende Anteil
„batwing-shaped” (Barkovich A. J. Pediatric Neuroimaging. 3rd ed. New York, Raven Press 2000: 346 f).
2. Die Dandy-Walker-Malformation: Sie besteht aus einer partiellen oder kompletten
Agenesie des Kleinhirnwurmes, einer zystischen Dilatation des 4. Ventrikels und einer
vergrößerten hinteren Schädelgrube mit Kranialverlagerung des Sinus transversus, des
Tentorium cerebelli sowie des Torculars (Utsunomiya H. Am J Neuroradiol 1998; 19:
547).
3. Die tectocerebelläre Dysraphie: Sie ist durch eine Hypo- oder Aplasie des Kleinhirnwurms,
eine occipitale Cephalocele und eine Dorsaltraktion des Hirnstamms gekennzeichnet.
Die hypoplastischen Kleinhirnhemisphären sind um den Hirnstamm rotiert und liegen
ventrolateral von diesem (Utsunomiya H. Am J Neuroradiol 1998; 19: 547).
Bei tiefstehenden Kleinhirntonsillen und beim Vorliegen einer lumbalen Myelomeningocele
sollte differenzialdiagnostisch auch eine Chiari-Missbildung Typ 2 ausgeschlossen
werden. Bei diesem Krankheitsbild liegt jedoch keine Fehlbildung des Kleinhirnwurmes
vor (Sener R. N. Comput Med Imaging Graph 2000; 24 (4): 277).
Bei dem von uns untersuchten Kind fielen neben den für eine Rhombencephalosynapsis
charakteristischen Kleinhirnfehlbildungen komplexe Anomalien der supratentoriellen
Mittellinienstrukturen auf. Es zeigten sich eine Fusion der hypoplastischen Seitenventrikel
bei Aplasie des Septum pellucidum und der Fornices sowie eine Aplasie des dorsalen
Balkendrittels und eine Asymmetrie der Stammganglien mit partieller Fusion der Ncl.
caudati sowie der Thalami. Es bestand Verdacht auf Aquaeduktstenose bei fehlendem
Flusssignal. Auch kortikale Entwicklungsstörungen, wie im vorgestellten Fall eine
Polymikrogyrie, werden im Rahmen der Rhombencephalosynapsis beobachtet (Barkovich
A. J. Pediatric Neuroimaging. 3rd ed. New York Raven Press 2000: 346 f).
S. Caffier, T. Kittner, M. Laniado, Dresden