Bei der COPD (chronisch obstruktive Bronchitis mit und ohne Lungenemphysem) reicht
die Pharmakotherapie allein nicht aus, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.
Die Teilnehmer des „Seefelder Pneumologen-Experten-Workshops” diskutierten unter der
Überschrift „COPD-Therapie 2001: Bronchodilatation ist nicht alles!” ergänzende Therapie-
und Versorgungskonzepte. Unterstützt wurde der Workshop von der Boehringer Ingelheim
Pharma KG.
Roland Stechert, Ingelheim, demonstrierte aktuelle Untersuchungsdaten des langwirksamen
Anticholinergikums Tiotropiumbromid. Das Zulassungsdossier stützt sich auf die Ergebnisse
von zwei Studien mit Tiotropium vs. Plazebo und zwei Vergleichsstudien vs. Ipratropium.
Tiotropium erwies sich als zuverlässig wirksam und gut verträglich. Bereits nach 3
Tagen kam es unter Tiotropium zu einer Erhöhung des FEV1 -Basiswertes, der auch nach 1 Jahr noch weiterbestand (Abb. [1 ]). Zusätzlich wurde die Dyspnoe signifikant über 12 Monate gebessert. Die gesundheitsbezogene
Lebensqualität (Saint George's Respiratory Questionnaire) hat um durchschnittlich
vier Punkte statistisch und klinisch signifikant zugenommen (Abb. [2 ]). Ein weiterer positiver Effekt war der Rückgang von Exazerbationen um bis zu 40
%. Das Arzneimittel war insgesamt sehr gut verträglich, lediglich Mundtrockenheit
trat signifikant häufiger als unter Plazebo auf.
Obwohl die Indikation für inhalative Steroide bei COPD nach wie vor Gegenstand kontroverser
Diskussionen ist, werden inhalierbare Steroide in der Praxis in hohem Umfang eingesetzt.
Die Auswirkungen inhalativer Steroide auf den Knochenstoffwechsel und die Frage, ob
unter inhalativen Steroiden bei COPD eine Osteoporoseprophylaxe zu betreiben sei,
beleuchtete Ulrich Costabel, Essen. Jährlich werden in der BRD 117 000 Oberschenkelhalsbrüche
und 2,5 Millionen Wirbelkörperfrakturen verzeichnet. Etwa 40 % aller Frauen > 45 Jahre
und 15 % aller Männer > 50 Jahre haben eine von der Norm nach unten abweichende Knochendichte
(WHO-Definition: Maximalwert der Knochendichte in der Osteodensitometrie - 2,5 SD).
Unter Langzeittherapie mit Kortikoiden, vor allem oralen, sind bis zu zwei Drittel
der über 50-Jährigen von Wirbelbrüchen betroffen. Typisch für die steroidinduzierte
Osteoporose ist, dass der Substanzverlust in den Trabekeln ausgeprägter ist als in
der Kortikalis. Eine „sichere” Schwellendosis gibt es nicht, denn auch bei Prednisondosen
< 10 mg/d und alternierender Therapie kommt es zu einem Verlust an Knochenmasse von
3 bis 16 %. Dieser ist in den ersten sechs Monaten am stärksten ausgeprägt. Zusätzliche
Risikofaktoren für die Entwicklung einer Osteoporose sind: genetische Faktoren (graziler
Habitus, Frauen >> Männer), Hormonstatus (späte Menarche, frühe Menopause), Ernährung
(kalziumarme Kost, hohe Proteinzufuhr) und exogene Faktoren (Bewegungsmangel, geringe
UV-Exposition). Nach den aktuellen Daten ist unter Steroidgabe, auch inhalativ, eine
begleitende Osteoporoseprophylaxe indiziert. Generell sollten die Patienten mit der
Nahrung ausreichend Kalzium (1000 - 1500 mg/d) aufnehmen, mit einer ausreichenden
Sonnenlichtexposition (5 Minuten/3× pro Woche) die Vitamin-D-Versorgung sichern und
sich regelmäßig körperlich betätigen. Postmenopausale Frauen und Männer mit Testosteronmangel
sollten hormonell substituiert werden. Zur medikamentösen Primärprävention eignet
sich eine Kombination aus Vitamin D (1000 U/d) und Kalzium (1000 mg/d). Eine Studie
zur Sekundärprävention hat gezeigt, dass eine Prophylaxe mit 1000 mg Kalzium und 500
IU Vitamin D pro Tag nach einem Jahr zu einer Zunahme der Knochendichte im LWS-Bereich
um 0,72 % führt, diese unter Plazebo aber um 2,0 % abnimmt.
„Pulmonale Kachexie: Ernährung schon, aber wie?” - zu dieser Thematik gibt es, so
Helmut Teschler, Essen, große Unsicherheiten, und konkrete Therapieempfehlungen fehlen.
Obwohl schon seit etwa 50 Jahren bekannt ist, dass starkes Untergewicht die Prognose
der COPD negativ beeinflusst, gibt es erst seit wenigen Jahren eine gezielte Forschung.
Der Ernährungszustand eines Patienten wird heute weniger mit Hilfe des Idealgewichtes
(Normalgewicht minus 15 %) beschrieben, wichtiger sind Bodymass-Index (BMI: Gewicht
/ Größe2 ) und Impedanz-Methode (Messung der Leitfähigkeit zwischen Arm und Fuß zur Bestimmung
von Fett- und Muskelmasse). Der Ernährungszustand von COPD-Patienten wird uneinheitlich
beurteilt. Während eine amerikanische Studie etwa 35 % aller Patienten mit mittelschwerer
bis schwerer COPD als untergewichtig einstuft, kommt die niederländische Arbeitsgruppe
um Wouters zu einer konträren Einschätzung: Bei den Patienten mit schwerer COPD sind
zum Zeitpunkt der Diagnosestellung etwa die Hälfte normalgewichtig, ein großer Teil
ist klar untergewichtig, der verbleibende Rest normalgewichtig, hat aber eine deutlich
reduzierte Muskelmasse. Unterscheidet man die Emphysempatienten nach „pink puffer”
und „blue bloater”, imponiert beim „pink puffer” eine deutliche Reduktion des Körpergewichtes
mit überproportionaler Reduktion der fettfreien Massen. Beim „blue bloater” hingegen
ist der BMI entweder deutlich oder leicht erhöht und die fettfreie Masse entweder
normal oder erheblich reduziert. Nimmt man den BMI als Prädiktor für die Mortalität,
dann korreliert ein BMI < 18 (normal: Männer 20 - 25, Frauen 18 - 24) mit einer erhöhten
Mortalität an COPD. Gleichzeitig haben Studien gezeigt, dass eine Korrektur des BMI
durch Gewichtszunahme, insbesondere durch Zunahme der fettfreien Masse, zu einer Verbesserung
der Prognose führt. Eine Möglichkeit, dem untergewichtigen COPD-Patienten zu helfen,
ist die Ernährungssupplementation. Durch strukturierte Ernährung können Patienten
mit stabilem Krankheitsverlauf die tägliche Kalorienzufuhr um 30 Prozent steigern
und um 200 bis 400 Gramm pro Woche an Gewicht zunehmen. Für schwerkranke Patienten
genügt das aber nicht. Diese Patienten sollten mit hochkalorischer Sondennahrung (pro
ml Nahrung mindestens 1 - 3 kcal.), körperlichem Training und Anabolikasubstitution
(z. B. Nandrolon; 50 mg/d bei Männern, 25 mg/d bei Frauen) behandelt werden.
Unter dem Titel „Physikalische Therapie: nur eine andere Form der Psychotherapie?”
zeigte Wolfgang Petro, Bad Reichenhall, Möglichkeiten und Grenzen der Physiotherapie
bei COPD auf. Die Rehabilitationsmedizin subsumiert unter dem Begriff „physikalische
Therapie” die krankengymnastische Atemtherapie, Inhalationstherapie, Bäder- und Massagen,
Atemhilfstherapie, Wärme-, Strahlen- und Klimatherapie, die Effektivität dieser Maßnahmen
bei COPD-Patienten ist aber nach wie vor nur schwer zu objektivieren. Maxime der pyhsikalischen
Therapie bei COPD-Patienten ist die Senkung der Atemarbeit und die Verbesserung der
Sekretelimination. Dazu werden krankengymnastische Atemübungen eingesetzt, um z. B.
unter körperlicher Belastung Exspirationshilfen zur Verfügung zu haben, die Thoraxbeweglichkeit
und die Zwerchfellkraft zu erhalten, die Gehstrecke letztendes zu vergrößern und Pressatmung
zu vermeiden. Wertet man die physikalische Therapie unter den Gesichtspunkten einer
evident-basierten Medizin (EBM), kann man lediglich für die Atemgymnastik und die
PEP-Maskenatmung den höchsten Evidenzgrad zuordnen („A” = solide Studien, kontrolliert
und randomisiert, statistisch gesichert), die Einstufung und Gewichtung aller weiteren
Maßnahmen (Yoga, Lippenbremse, Drainagelagerung, autogene Drainage, Flutter und Cornett,
Körperhaltung/Selbsthilfetechniken etc.) basiert auf nicht randomisierten Studien,
Beobachtungen und Expertenmeinung.
Harald Mitfessel, Remscheid, ging der Frage nach, ob „ambulante Rehabilitation nicht
nur ein Sparmodell der Kostenträger” ist, und dies auch vor dem Hintergrund, dass
mit jährlich 50 000 Todesfällen Atemwegserkrankungen hinter Herz-Kreislauf-Erkrankungen
(410 000) und Malignomen (218 000) in Deutschland die dritthäufigste Todesursache
ausmachen. Die Forderung nach mehr ambulanter Rehabilitation ist nicht mit Aufgabe
der stationären gleichzusetzen, ohnehin kommen nicht alle Patienten für eine solche
Maßnahme in Frage. Für eine ambulante Rehabilitation nicht geeignet sind schwerstkranke
Patienten, solche, die postoperativ besonderer Zuwendung bedürfen, die einen zu großen
Anfahrtsweg zu den ambulanten Sitzungen haben oder solche, bei denen das häusliche
Umfeld gegen einen Therapieerfolg der ambulanten Rehabilitation spricht. Nicht geeignet
sind ferner Drogen- und Alkoholabhängige und Patienten mit schweren konsumierenden
Krankheiten. In einer eigenen Umfrage haben sich von 207 Befragten etwa 50 % für eine
ambulante Maßnahme ausgesprochen. Dass ambulante Rehabilitation nicht nur gewünscht
wird, sondern auch funktioniert, zeigt das „Kölner Modell” der ambulanten kardialen
Rehabilitation. Darin wird ein fließender Übergang von stationärer Behandlung in die
teilstationäre, später rein ambulante Rehabilitation geschaffen und gesichert. Studien
aus den USA bestätigen dies auch für den ambulanten pneumologischen Bereich: durch
eine 18-wöchige Heimrehabilitation mit besonderem Augenmerk auf Stärkung der unteren
Extremitäten wurde im Vergleich zur Kontrollgruppe eine deutliche Verbesserung der
Ausdauerleistung erzielt, und regelmäßige 6 - 18-monatige Nachschulungen führten zudem
zu einer Minderung von Krankenhauseinweisungen und -verweiltagen, AU-Tagen und Schulfehlzeiten.
„Intensivmedizin: Wann und wann besser nicht?” Mit diesem Thema setzte sich Gerd Sybrecht,
Hornung, auseinander. Fürchteten sich frühere Generationen vor dem Scheintod, sei
dies heute einer Furcht vor dem Scheinleben gewichen. Aus der Sicht des Patienten
hat ein Paradigmenwandel stattgefunden, der nicht mehr die Verlängerung des Lebens
um jeden Preis fordere, sondern Individualität. Würde mit Karzinompatienten in fortgeschrittenen
Krankheitsstadien mittlerweile offen über verbleibende Therapiemodalitäten und die
Prognose gesprochen, sei dies bei COPD nicht der Fall. Bei schwerstkranken COPD-Patienten,
vergleichbar mit präfinalen Krebspatienten, gebe es fast nie Handlungsanweisungen
seitens der Hausärzte, auch die Interaktion mit der Familie habe selten stattgefunden.
Komme ein Patient wegen einer neuerlichen Exazerbation in die Klinik, stelle sich
die Frage: Will der Patient Therapie um jeden Preis oder will er in dieser Akutsituation
sanft aus dem Leben gleiten? Durch diese Unsicherheit würden Klinikärzte, allen voran
Intensivmediziner, zu lebensverlängernden Therapien gezwungen, die sie für sich selbst
ablehnten. Während die Palliation ohne explizit lebensverlängernde Maßnahmen für Malignompatienten
längst akzeptiert sei, würde dies bei COPD in Deutschland noch nicht einmal diskutiert.
Um Ärzte nicht länger alleine zu lassen, forderte Sybrecht standardisierte Behandlungsrichtlinien
auf einem breiten gesamtgesellschaftlichen Konsensus.
„Oft nur zwischen den Zeilen: der sterbende COPD-Patient” - Reiner Dierkesmann, Gerlingen,
skizzierte anhand zweier gegensätzlicher Kasuistiken den klinischen Alltag. Im ersten
Fall ging es um eine beatmungspflichtige Patientin im Endstadium einer schweren chronisch
obstruktiven Bronchitis. Bewusstseinsklar hatte sie um Beendigung lebensverlängernder,
aber nicht mehr lebensrettender Maßnahmen gebeten. Die Kinder stimmten zu, der Ehemann
nicht. Eine Behandlungskonferenz, zu der neben den Angehörigen auch ein der Familie
nahestehender Priester eingeladen war, konnte den Konflikt nicht lösen. Der Ehemann
fürchtete, mit einer Zustimmung Schuld auf sich zu laden; der Priester rückte die
Entscheidung in die Nähe eines Suizids. Die verunsicherte Frau trat daraufhin von
ihrer ursprünglichen Entscheidung zurück und wurde letztendlich entgegen den Vorstellungen
des behandelnden Personals weiterhin maximal behandelt und starb einen protrahierten
Tod. In dem anderen Fall ging es ebenfalls um einen schwerstkranken Patienten. Dieser
hatte seine Wünsche im Hinblick auf seine aussichtslose Situation und schwere Atemnot
klar bekundet: Er wollte nach dem Weihnachtsfest einen „humanen Tod” sterben. Angehörige,
Ärzte und Pflegepersonal hatten großes Verständnis für diese Entscheidung: Auch ohne
aktive Sterbehilfe konnte der Wunsch des Patienten weitgehend verwirklicht werden.
Um kranken Menschen in ihrer letzten Lebensphase die beste Hilfe gewähren zu können,
muss möglichst früh ein Vertrauensverhältnis zu den Patienten, aber auch zu den Angehörigen
aufgebaut werden. Vergleiche zur Euthanasie lehnt Dierkesmann ab, denn es gehe um
Palliation und nicht um aktive Lebensverkürzung.
Soll man nicht-invasive Beatmung (NIB), die primär für die Beatmung von Patienten
mit neuromuskulären Problemen und Patienten mit Kyphoskoliose gedacht war, als Methode
der Beatmung in den eigenen vier Wänden auch für den COPD-Patienten zur Verfügung
stellen? Diese Frage diskutierte Tobias Welte, Magdeburg. Entwickelt wurde die NIB
für Patienten, die aus mechanischen oder Kopplungsgründen Probleme mit der Atmung
haben und die sich in der Regel auch gut beatmen lassen. Aus der Euphorie der Anfangsergebnisse
bei neuromuskulären Patienten ist das Verfahren in die Intensivmedizin übernommen
und im akuten Setting bei exazerbierten COPD-Patienten mit Erfolg eingesetzt worden.
Der Vorteil: Patienten, die frühzeitig an die Maske kommen und nicht intubiert werden
müssen, haben ein geringeres Infektionsrisiko und deutlich größere Vorteile bezüglich
der Mortalität. Gründe dafür sind: Unter NIB bleiben Kehlkopf und Stimmlippen intakt,
Aspirationsprozesse werden vermieden. Bei der schlechten Prognose von COPD-Patienten
mit respiratorischer Insuffizienz, die sich nach einer Studie von Anon aus dem Jahr
1999 seit 1972 nicht wesentlich gebessert hat, rückt die nicht-invasive Beatmung von
COPD-Patienten zu Hause in den Mittelpunkt des Interesses. Eine Arbeit von Bardi aus
dem Jahr 2000, in der 30 Patienten mit moderater COPD-Exazerbation randomisiert zusätzlich
zu einer herkömmlichen medikamentösen Therapie für 1 - 2 Tage mit NIB versorgt wurden,
lässt vermuten, dass schon eine kurzfristige Verbesserung des CO2 eine deutlich bessere Überlebenschance nach einem Jahr mit sich bringt. Hauptproblem
aller Studien, die sich mit NIB bei COPD-Patienten befassen ist, dass unterschiedliche
PCO2 -Werte als Eingangskriterium für den Beginn der Atmung gewählt wurden. Wohl gibt es
Hinweise, dass bei hyperkapnischen Patienten mit ausreichend hohen Beatmungsdrücken
durch die NIB ein Behandlungserfolg zu erreichen ist, die Frage nach der Auswirkung
auf die Mortalität kann damit alleine nicht beantwortet werden. In Anbetracht der
hohen Kosten einer häuslichen Therapie mit NIB bei COPD ist eine große nationale Studie
zur Klärung dieser Fragen dringend erforderlich.
Ob „Bei Ateminsuffizienz Sedativa und Morphin: vertretbare Risiken?” bergen, darauf
gab Heinrich Worth, Fürth, die Antwort. Eine Besserung der Atemmuskelfunktion lässt
sich erreichen durch eine atemerleichternde Körperhaltung und Atemtherapie, in einigen
Fällen durch Training der Inspirationsmuskulatur, bei chronischer Hyperkapnie durch
Schonung der Atemmuskulatur mit Hilfe der Heimbeatmung bzw. auch akut mittels nichtinvasiver
Beatmung mit positivem Druck, durch Korrektur von Über- und Untergewicht sowie in
Einzelfällen durch positiv inotrope Medikamente. Entspannungstechniken und psychotherapeutische
Interventionen können gelegentlich die Atemnot der Patienten lindern. Bei schwerstkranken
Patienten sind sie häufig nicht ausreichend, eine medikamentöse Unterstützung ist
notwendig. Individuell ist der Einsatz von Sedativa und Opiaten zu diskutieren. Bei
den Sedativa stehen Benzodiazepine im Vordergrund, die im Gegensatz zu anderen Substanzen,
etwa den trizyklischen Antidepressiva, in ihren Effekten relativ gut dokumentiert
sind. Durch ihre anxiolytische, hypnotische, muskelrelaxierende und antikonvulsive
Wirkung mindern sie die Dyspnoe über eine Dämpfung des hypoxischen und hyperkapnischen
Atemantriebes. Substanzen mit einer Eliminationshalbwertszeit von 1 bis 3 h (z. B.
Midazolam) sind zu bevorzugen. An unerwünschten Effekten müssen eine Atemdepression,
Tachykardie, Verwirrtheitszustände sowie die Abnahme der Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit
berücksichtigt werden. In kontrollierten Studien zum Einsatz von Benzodiazepinen bei
respiratorischer Insuffizienz hat sich vor allem ein Abbau der Angst gezeigt, weniger
einer Reduktion der Dyspnoe. Angesichts der unerwünschten Effekte ist der Einsatz
der Substanzklasse nur bei ausgewählten Patienten mit psychischen Störungen, insbesondere
Panikattacken, und unter Beobachtung zu empfehlen.
Der Einsatz von Opiaten bei COPD-Patienten hat in erster Linie die Linderung von Schmerzen
zum Ziel, nachgeordnet die Besserung der Dyspnoe. Der erwünschten sedierenden, antikonvulsiven
und analgetischen Wirkung stehen die bekannten unerwünschten Wirkungen, insbesondere
die Atemdepression, gegenüber. Zur Schmerzbehandlung bei COPD sollten initial nichtsteroidale
Antiphlogistika, Codein (bei COPD und Normokapnie) und das nicht atemdepressive Tramadol
verabreicht werden. Ob sich Opiate zur Linderung der respiratorischen Insuffizienz
eignen, ist umstritten.
Nachdem auch bei COPD neben objektiv messbaren Parametern immer mehr der subjektive
Parameter „Lebensqualität” in den Mittelpunkt rückt, beschäftigte sich der Workshop
mit einem Diskussionsforum zum Thema „Lebensqualität von COPD-Patienten”.
Lebensqualität ist subjektiv und deshalb schwer greifbar, sagte Michaela Behnke, Großhansdorf.
Griffiger ist der Terminus „gesundheitsbezogene Lebensqualität”, weil er die Determinanten
psychisches Befinden, körperliche Verfassung, funktionale Kompetenz und soziale Beziehungen
eines Individuums im Bereich seiner sozialen Umgebung umfasst. Bezogen auf COPD kann
das bedeuten, dass selbst leichte Symptome zu einer subjektiv als schwer empfundenen
Behinderung führen können, weil sie die Durchführung der selbst gewollten Aktivitäten
im täglichen Leben be- oder verhinderten. Die Beziehungen zwischen chronischer Lungenerkrankung
und eingeschränkter Gesundheit sind komplex (Abb. [3 ]). In Bezug auf die COPD ist Dyspnoe das Kernsymptom, das die Determinanten der spezifischen
Lebensqualität beeinflusst. Dyspnoe führt u. a. zu eingeschränkter Belastbarkeit und
damit zur Vermeidung von Bewegung. Diese Bewegungsarmut wiederum führt zu gesteigertem
Muskelabbau und damit zu einer weiteren Einschränkung der Belastbarkeit. An dieser
Stelle wird deutlich, warum Lebensqualität gemessen werden sollte. Es gehe einerseits
um den diskriminativen Aspekt (Unterscheidung zwischen „besserer” und „schlechterer”
QoL) und andererseits um den evaluativen (verändert sich die Lebensqualität durch
die eingeleitete Intervention).
Die meisten Verfahren zur Messung der QoL kommen aus den USA. Es ist deshalb unumgänglich,
die Messmethoden auf unseren Kulturkreis anzupassen und zu validieren, sagte Adrian
Gillissen, Leipzig. Als derzeit beste Strategie zur möglichst genauen Messung der
QoL bei COPD wird die Kombination von generischen (z. B. SF 36 = Medical Outcome Study
Questionnaire Short Form 36-item) mit krankheitsspezifischen (z. B. CRQCOPD = Chronic Respiratory Questionnaire; SGRQ = St. George's Respiratory Questionnaire)
angesehen. Die generischen Verfahren erlauben eine krankheitsübergreifende Erfassung
der QoL von Populationen, sind Indikatoren für die subjektive Gesundheit und machen
unterschiedliche Erkrankungsgruppen vergleichbar. Der SF 36 beinhaltet 36 Fragen in
8 Kategorien (körperliche Funktion, körperliche Rollenfunktion, Schmerz, allgemeine
Gesundheit, Vitalität, soziale Funktion, emotionale Rollenfunktion und psychisches
Wohlbefinden). Jede Dimension wird einzeln auf einer Punkteskala (0 bis 100) bewertet.
Je niedriger die Punktzahl, desto schlechter die allgemeine QoL. Kombiniert wird der
SF36 häufig mit krankheitsspezifischen Messverfahren der QoL, z. B. dem CRQCOPD . Mit diesem Verfahren werden 20 Fragen zu den vier Kategorien Dyspnoe, körperliche
Erschöpfung, Emotion und Krankheitsbewältigung abgefragt. Generell erstaunt es, wie
schlecht Lungenfunktionswerte mit der QoL korrelieren. Trotz objektiv schlechter FEV1 stufen viele Patienten subjektiv ihre QoL als nicht so schlecht ein, wie es der Funktionstest
vermuten ließe.
Die Verbesserung der QoL der Patienten, so Harald Morr, Greifenstein, ist Ziel und
Sinn eines jeden ärztlichen Handelns. Vor diesem Hintergrund gewinnt der evaluative
Aspekt von QoL-Messung besondere Bedeutung. Die COPD betrifft nicht nur die Atmungsorgane,
sondern den Gesamtorganismus, und viele unterschiedliche Faktoren sind für das Wohlbefinden
bzw. Unwohlsein der Patienten ausschlaggebend. Die rein somatischen Probleme - Atemnot,
reduzierte körperliche Belastbarkeit etc. - haben unmittelbar Auswirkungen auf das
familiäre und soziale Umfeld, den Arbeitsplatz, den Freundeskreis. Bei Störungen hat
das im Sinne einer negativen Rückkoppelung Auswirkungen auf Psyche und Selbstwertgefühl.
Und somit bestimmen im Verlauf der Erkrankung sekundäre Faktoren wie Angst, Depression
und auch Aggression die QoL von COPD-Patienten und die primär die Atemfunktion beeinflussenden
Faktoren treten in den Hintergrund.
Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3