Patienten mit Asthma bronchiale leiden häufig unter nächtlichen und frühmorgendlich
auftretenden respiratorischen Beschwerden [5]
[6]
[8]
[15]. Die Symptome sind vielfältig und reichen von leichtem Hustenreiz, thorakalem Engegefühl
bis hin zum schwergradigen Asthmaanfall. Nächtliche Todesfälle werden bei diesen Patienten
vermehrt beschrieben. Aufgrund der nächtlich auftretenden Atembeschwerden können die
Lebensqualität und die Leistungsfähigkeit dieser Patienten erheblich beeinträchtigt
sein [4]
[7]
[13]
[17]
[19]
[23]
[29]. Es ist zu mutmaßen, dass nächtliche Bronchialobstruktionen zum gehäuften Auftreten
von Durchschlafstörungen führen. Eine medikamentöse Verbesserung der respiratorischen
Situation im Schlaf lässt eine verbesserte Schlafqualität und konsekutiv eine Optimierung
der Leistungsfähigkeit am Tage erwarten.
Schlaf und Leistungsfähigkeit
Schlaf und Leistungsfähigkeit
Leistungsfähigkeit und Erholungsfunktion des Schlafes sind an das synchron ablaufende
Wechselspiel der Funktionen Wachen und Schlafen gekoppelt. Eine Störung des zirkadianen
Rhythmus der Schlaf/Wachphase führt vor allem zu einer Einschränkung der psychomentalen
Leistungsfähigkeit, was sich in Form von verstärkter Tagesmüdigkeit, Antriebsarmut,
Konzentrationsmangel sowie Stimmungsschwankungen zeigt.
Wachsein entspricht einem Maximum an funktioneller Organisation mit Verfügbarkeit
der gesamten individuellen kommunikativen Leistungen. Jegliche Form der Vigilanzminderung
beinhaltet eine Beeinträchtigung dieser funktionellen Organisation und damit eine
Regression auf ein tieferes Niveau. Der Schlaf beim Gesunden zeigt eine charakteristische,
regelhafte Abfolge von Schlafstadien. Durch interne und externe Stimuli kann der Schlaf
unterbrochen und im Extremfall in den Wachzustand überführt werden. Vermehrt auftretende
zentrale Aktivierungsreaktionen (so genannte Arousal) können zu einer Zerstörung der
Makro- bzw. Mikrostruktur des Schlafes führen und damit die Erholungsfunktion des
Schlafes beeinträchtigen [3]
[28].
Arousal sind zeitlich begrenzte Zustandsänderungen, die den Organismus kurzzeitig
von einem niedrigeren auf ein höheres Erregungsniveau anheben. Sie tragen zur Aufrechterhaltung
der Homöostase des Organismus bei und können bei vital bedrohlichen Situationen durch
eine Aktivierungsreaktion des zentralen Nervensystems eine Kompensation des pathologischen
Status einleiten. Arousal stellen Schutzreflexe dar, die sensorische Qualitäten oder
Signale in Verhaltensreaktionen umsetzen. Es ist zu erwarten, dass auch vital bedrohliche
Situationen, wie die der nächtlichen Bronchialobstruktion, zur Auslösung von Arousalmechanismen
mit vegetativen und motorischen Reaktionen führen.
Bronchialobstruktion im Schlaf
Bronchialobstruktion im Schlaf
In einer großen Studie mit einem Kollektiv von mehr als 7000 Asthmatikern ergab eine
Befragung, dass 74 % der Patienten intermittierend nächtliche Symptome aufwiesen und
48 % aufgrund von respiratorischen Beschwerden mindestens dreimal wöchentlich aus
dem Schlaf heraus aufwachten [30].
Besonders in den frühen Morgenstunden, zwischen vier und sechs Uhr, sind Tonus und
Empfindlichkeit der Atemwege beim Asthmatiker krankhaft übersteigert, so dass der
Atemstoß oder der Peak-Flow-Wert als Maß des Tonus der Atemwege um mehr als 20 % der
besten Werte am Tage vermindert sein können. Zirkadiane Veränderungen der Atemwege
und der Hyperreaktivität werden vor allem durch den 24-h-Rhythmus neuroendokriner,
immunologischer und entzündlicher Vorgänge beeinflusst [1]
[6]
[12]
[15]
[21]. Auch der Gesunde zeigt eine zirkadiane Variabilität der Atemwegswiderstände mit
einem Maximum in der zweiten Nachthälfte.
Wenige Untersuchungen sind bisher der Frage nach dem pathogenetischen Zusammenhang
zwischen Schlaf und Bronchialobstruktion nachgegangen. Einheitliche Befunde waren
dabei jedoch nicht zu objektivieren [5]
[7]
[25]
[31]. Eine Beziehung zwischen nächtlichen Asthmaanfällen und Schlafstadien, beispielsweise
ein vermehrtes Auftreten im REM-Schlaf, konnte auch nicht nachgewiesen werden. Im
Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen waren jedoch bei Patienten mit stabilem Asthma
bronchiale mehr als doppelt so häufig Hypoxämiephasen im Schlaf zu objektivieren,
die auch ausgeprägter (im Mittel 85 % SaO2 gegenüber 92,8 % bei Gesunden) waren [5]. Die Schlafqualität der Asthmatiker war bei gleicher Schlafdauer vergleichsweise
schlechter mit vermehrten Wachphasen und irregulärem Atemmuster in Form von vereinzelten
Hypopnoen und zentralen Apnoen. Bei Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis
und Emphysem waren die im Schlaf auftretenden Hypoxämiephasen zumeist durch REM-assoziierte
Hypoventilationen bedingt.
Problemstellung
Problemstellung
Eine häufige Zielvariable von klinischen Studien zum Effekt von Antiobstruktiva ist
die Schlafqualität [9]. Bislang sind aber nur in wenigen Untersuchungen elektroenzephalographische Parameter
zur Beurteilung von Schlafstadien und Schlafstörungen abgeleitet worden. Meist wurden
nur subjektive Angaben über die Schlafqualität (morgendliches Gefühl des Ausgeschlafenseins,
Anzahl der Episoden mit nächtlichem Erwachen etc.) mittels Fragebogen indirekt erfasst.
Damit kann aber eine kausale Verkettung zwischen nächtlicher Atemnot, Schlafstruktur
und Tagesbefindlichkeit nicht hinreichend abgebildet werden. Zudem ist die Beurteilung
der Therapieeffizienz im Hinblick auf die Verbesserung der respiratorischen Situation,
der Lebensqualität sowie des kognitiven Leistungsvermögens nur eingeschränkt möglich.
Nächtliche Peak-Flow- bzw. Lungenfunktionsmessungen zur Objektivierung von schlafassoziierten
Bronchialobstruktionen sind verständlicherweise nicht sinnvoll, da die Patienten zur
Durchführung dieser Untersuchungen geweckt werden müssen und der Zustand „Wach” über
zentralnervös vermittelte Faktoren wiederum Einfluss auf den Grad der Bronchialobstruktion
nimmt. Die akustische Langzeitregistrierung trägt diesem Problem Rechnung.
Es ist anzunehmen, dass nächtliche Bronchialobstruktionen über zentralnervöse Aktivierungsreaktionen
zu einer Störung der Makro- und Mikrostruktur des Schlafes führen und damit eine Einschränkung
der Leistungsfähigkeit bedingen.
Die akustische Langzeitregistrierung bronchialer Obstruktionen
Die akustische Langzeitregistrierung bronchialer Obstruktionen
Die akustische Erfassung von Bronchialobstruktionen ist eine etablierte Methode, deren
diagnostische Relevanz in mehreren Studien belegt werden konnte [2]
[14]
[18]
[20]
[22]
[26]. Eine kontinuierliche nächtliche Aufzeichnung ist erst durch die Entwicklung leistungsfähiger
piezoelektrischer Schallaufnehmer möglich geworden. Die nächtliche Langzeitregistrierung
der Atemgeräusche ist besonders aus drei Gründen sinnvoll:
-
Sie ermöglicht eine Diagnostik im Hinblick auf vorwiegend oder ausschließlich nächtlich
auftretende respiratorische Beschwerden wie Luftnot und Hustenreiz.
-
Sie ermöglicht Registrierungen bei Patienten, die tagsüber respiratorisch stabil sind,
aber trotzdem unter einer eingeschränkten Schlafqualität und/oder Leistungsfähigkeit
leiden.
-
Sie ermöglicht die Beurteilung von Therapieeffekten.
Kiyokawa und Mitarbeiter registrierten schlafassoziierte Bronchialobstruktionen bei
siebenundzwanzig Patienten mit Asthma bronchiale durch eine intermittierend durchgeführte
tracheale Geräuschaufzeichnung. Giemen wurde in sechsunddreißig von neununddreißig
Messepisoden gefunden. Die Frequenz von Bronchialobstruktionen war um 05.00 h signifikant
höher als gegen Mitternacht. Während vierzehn der siebenundzwanzig Patienten tagsüber
kein Giemen aufwiesen, war dies interessanterweise nur bei einem Patienten im Schlaf
der Fall [14].
Meslier und Mitarbeiter registrierten bei acht Patienten mit stabilem Asthma bronchiale
am Tage auskultatorisch achtundvierzig Phasen mit bronchialer Obstruktion im Schlaf
[18].
Shim und Mitarbeiter konnten zeigen, dass die bronchiale Obstruktion bei solchen Patienten
mit Asthma bronchiale stärker ausgeprägt ist, die sowohl exspiratorisches als auch
inspiratorisches Giemen aufwiesen [26].
McFadden und Mitarbeiter verglichen den Schweregrad bronchialer Obstruktionen und
die klinische Symptomatik bei 22 Patienten mit exazerbiertem Asthma bronchiale. Unter
antiobstruktiver Therapie beschrieben 90 % der Patienten, dass sie beschwerdefrei
seien. 40 % der Patienten hatten jedoch immer noch exspiratorisches Giemen sowie ein
deutlich reduziertes FEV1 (<50 % des Sollwertes) [16].
Pasterkamp und Mitarbeiter analysierten die Atemgeräusche bei Patienten mit Anstrengungsasthma.
Bei einem FEV1 <45 % des Sollwertes konnte bei allen Patienten Giemen aufgezeichnet
werden, eine Korrelation zwischen Intensität der Geräusche und dem Grad der Bronchialobstruktion
war jedoch nicht zu objektivieren [20]. Auch andere Untersucher konnten keinen Zusammenhang zwischen der Ausprägung von
Giemen und dem Grad bronchialer Obstruktion nachweisen.
Polysomnographie und akustische Langzeitregistrierung der Atemgeräusche
Polysomnographie und akustische Langzeitregistrierung der Atemgeräusche
Um die Kausalität zwischen Bronchialobstruktion und gestörtem Schlaf beurteilen zu
können, ist eine polysomnographische Diagnostik im Schlaf notwendig. Von grundlegender
Bedeutung ist einerseits, ob sich Zusammenhänge zwischen Schlaf (als Funktionszustand)
und Bronchialobstruktion nachweisen lassen, zum anderen, welche Mechanismen eine zentralnervöse
Aktivierung mit Störung der Makro- und Mikrostruktur des Schlafs bedingen. Die nächtliche
Langzeitregistrierung sollte u. a. Messgrößen wie Elekroenzephalo-, Elektrookulo-
und Elektromyogramm, Atemfluss, Sauerstoffsättigung und Atemgeräusch umfassen. Abb.
[1] zeigt am Beispiel eines Patienten die Kombination von nächtlicher Langzeitregistrierung
des Atemgeräusches und Polysomnographie. Der Patient, bei dem ein Asthma bronchiale
vorbekannt ist, kam wegen einer Verschlechterung der respiratorischen Situation zur
Aufnahme. Die Langzeitregistrierung der Geräuschanalyse in der Nacht belegt, dass
der Patient nahezu die gesamte Nacht über bronchiale Obstruktionen aufweist. Gut zu
erkennen ist zudem die gestörte Schlafstruktur mit deutlich reduziertem Tiefschlaf-Anteil.
Abb. 1 Beispiel einer Kombination von nächtlicher Langzeitregistrierung des Atemgeräusches
mit einer Polysomnographie.
(SBAS = Schlafbezogene Atmungsstörungen; WTR = Anteil der Wheezingzeit/30 Sek.; TR
= tracheal; AL = Axilla links; AR = Axilla rechts; BL = basal links; BR = basal rechts;
Chest = Kombination der Kanäle AL, AR, BL und BR)
Konsequenz für die medikamentöse antiobstruktive Therapie
Konsequenz für die medikamentöse antiobstruktive Therapie
Eine effektive antiobstruktive Therapie hat sich unter Berücksichtigung der Pathomechanismen
an den tageszeitlichen Variationen des Atemwegsquerschnitts zu orientieren [10]
[27]. Das Ziel der Chronotherapie des Asthma bronchiale ist vor allem die Verhinderung
nächtlicher Atemwegsobstruktionen. Demzufolge sind Therapiekonzepte, die die Tag-
und Nachtrhythmik der Atemwegswiderstände berücksichtigen, notwendig. Neben inhalativen
Glukokortikosteroiden sollte die Therapie bei Patienten mit Asthma bronchiale und
nächtlicher Atemwegsobstruktion vor allem langwirksame Bronchodilatatoren wie die
ß2-Sympathikomimetika umfassen [24]. Auch von langwirksamen Theophyllinpräparaten ist ein positiver antiobstruktiver
Effekt bekannt. Diese sind jedoch aufgrund der häufigeren Nebenwirkungen heutzutage
nicht mehr Medikamente der ersten Wahl [11]
[32].
Abb. [2] zeigt die Gegenüberstellung einer nächtlichen Langzeitregistrierung vor und unter
additiver antiobstruktiver Therapie mit einem langwirksamen ß2-Sympathikomimetikum. Die Häufigkeit der Bronchialobstruktionen kann gesenkt, die
Schlafqualität gebessert werden. Es ist zu erwarten, dass die Optimierung der respiratorischen
Situation im Schlaf zu einer Verbesserung der Schlafqualität und damit auch der Leistungsfähigkeit
am Tage führen wird.
Abb. 2 Gegenüberstellung der nächtlichen Langzeitregistrierung der bronchialen Obstruktionen
vor (night 1) und unter additiver antiobstruktiver Therapie (night 3) mit einem langwirksamen
ß2-Sympathikomimetikum.