Einleitung
Die Entwicklung der modernen Medizin hat in den jüngsten Jahrzehnten zu einer deutlichen
Ausweitung der Therapiemöglichkeiten chronischer Krankheiten geführt. Im Zuge dieser
Entwicklung konnte für eine Vielzahl dieser chronischen Krankheiten eine Lebensverlängerung
erreicht werden, auch wenn das Grundleiden nicht kuriert werden kann. Dabei ist in
zunehmendem Maße die Frage entstanden, ob die dazu gewonnene Lebenszeit auch lebenswert
ist. Diese Frage nach der Lebensqualität eines Patienten muss auch bei Patienten mit
chronischer respiratorischer Insuffizienz, die auf eine Heimbeatmungstherapie eingeleitet
werden, gestellt werden.
Die vorliegende Übersichtsarbeit hat das Ziel, den gegenwärtigen Forschungsstand zum
Thema „Lebensqualität bei Heimbeatmung” zu skizzieren. Dabei wird gezeigt werden,
dass die Frage nach der geeigneten Methodik der Erfassung von Lebensqualität in diesem
Patientenkollektiv noch nicht hinreichend beantwortet ist, da die Entwicklung geeigneter
Fragebogen aktuell noch Gegenstand wissenschaftlicher Bemühungen ist. Eine definitive
Conclusio bezüglich der Lebensqualität bei Heimbeatmung kann somit nach aktueller
Studienlage nicht hinreichend abgeleitet werden. Die vorliegende Übersichtsarbeit
möchte daher eine Sensibilisierung für das Thema erreichen, insbesondere vor dem Hintergrund,
dass die Zahl sowohl der Zentren, die das Therapieverfahren der Heimbeatmung anbieten,
als auch der Patienten selbst, die auf eine Heimbeatmung eingeleitet werden, steigend
ist. Dabei soll gezeigt werden, wie wichtig neue Forschungsvorhaben für die Erschließung
der Frage nach der Lebensqualität in dieser Patientengruppe sind. Die vorliegende
Übersichtsarbeit bietet somit eine Basis hierfür und hofft, die wissenschaftlichen
Bemühungen um diesen Themenkomplex zu beleben.
Heimbeatmung
Seit den 60er Jahren und insbesondere seit Beginn der 80er Jahre hat die nichtinvasive
Positivdruck-Beatmung (NPPV = noninvasive positive pressure ventilation) Einzug in
die klinische Praxis zur Behandlung der respiratorischen Insuffizienz erhalten [1]
[2]. Als Beatmungszugang dient eine Gesichtsmaske, entweder als Nasenmaske (Abb. [1]) oder als Nasen-Mundmaske. Die NPPV hat sich initial bei Patienten mit chronischer
respiratorischer Insuffizienz etabliert, wobei eine intermittierende Selbstbeatmung
(ISB) als Dauertherapie nach stationärer Einleitung zu Hause durchgeführt wird (Heimbeatmung).
Patienten mit COPD, neuromuskulären Erkrankungen oder thorakal-restriktiven Erkrankungen
stellen das Hauptkollektiv für eine Heimbeatmung. Atemantriebsstörungen, das Adipositas-Hypoventilationssyndrom,
Zwerchfellparesen, die Mukoviszidose sowie Bronchiektasen sind seltenere Indikationen.
In den 90er Jahren hat sich der Indikationsbereich auch auf Patienten mit akuter respiratorischer
Insuffizienz oder mit Schwierigkeiten bei der Entwöhnung vom Respirator ausgeweitet.
Dabei liegen vor allem gute Daten für die Akutexazerbation der COPD vor [2]
[3]
[4]
[5].
Abb. 1 Patient mit Muskeldystrophie Duchenne und nasaler Maskenbeatmung.
Durch die Heimbeatmung kommt es bei einem Großteil der Patienten zu einer Verbesserung
des Gasaustausches und der Symptome wie Dyspnoe, morgendliche Kopfschmerzen, Schläfrigkeit,
Schlappheit, Albträume oder Zeichen der chronischen Rechtsherzbelastung. Als mögliche
Mechanismen werden hierfür drei verschiedene Zustände diskutiert:
-
eine intermittierende Entlastung der übermüdeten Atemmuskulatur mit anschließender
Funktionsverbesserung derselben,
-
eine Verbesserung der pulmonalen Compliance mit Verringerung von Mikroatelektasen
und daher der Atemarbeit und
-
eine Re-Sensibilisierung des Atemzentrums für Kohlendioxid, verbunden mit einer renalen
Elimination erhöhter Bikarbonatkonzentrationen.
Für Patienten mit thorakal-restriktiven und neuromuskulären Erkrankungen gilt nach
dem aktuellen Wissenstand ein deutlicher Überlebensvorteil durch die Heimbeatmung
als gesichert [6]
[7]. Allerdings liegen hierzu keine kontrollierten Studien vor, da sich diese aus ethischen
Gründen verbieten. Für Patienten mit COPD wird ein Überlebensvorteil noch kontrovers
diskutiert. Ein gesicherter Überlebensvorteil, wie er durch eine Sauerstofflangzeittherapie
belegt ist, konnte bis dato für COPD-Patienten noch nicht nachgewiesen werden. Dabei
scheint das Langzeitüberleben unter einer Heimbeatmung aber vergleichbar mit dem Langzeitüberleben
unter einer Sauerstofflangzeittherapie zu sein.
Lebensqualität - Definition
Lebensqualitätsforschung
Die Lebensqualität eines Patienten hat in den letzten Jahren als neues Behandlungskriterium
entscheidendes Gewicht bei der Beurteilung des medizinischen Therapieerfolges erhalten.
Die Lebensverlängerung stellt somit nicht mehr das einzige Ziel therapeutischer Maßnahmen
dar. Vielmehr wird der subjektiven Sicht des Patienten bezüglich seiner Befindlichkeit
in verschiedenen Bereichen des Lebens eine zunehmend wichtigere Rolle beigemessen
[8]. Diese neue Sichtweise hat seit den 80er und mehr noch in den 90er Jahren des letzten
Jahrhunderts großen Einfluss auf die klinische Forschung erhalten, was durch die ständig
wachsende Zahl wissenschaftlicher Publikationen zu diesem Thema zum Ausdruck kommt
[9]
[10].
Diese so genannte Lebensqualitätsforschung ist ein interdisziplinäres Feld, das Mediziner,
Psychologen, Statistiker, Ökonomen und verschiedene Experten der Administration des
Gesundheitswesens vereint [8]. Sie geht von einem weitgefassten biopsychosozialen Krankheitsmodell aus, bei dem
auf dem Boden der subjektiven Einschätzung des Patienten innerpsychische Regulations-
und Bewertungsprozesse evaluiert werden [8]. Da dieser Ansatz in erster Linie gesundheitsbezogene Aspekte fokussiert, wird Lebensqualität
in dieser Begriffsdefinition abgegrenzt von der Lebensqualität aus materieller, ökonomischer,
sozialer, politischer und religiöser Perspektive. Man spricht daher von der gesundheitsbezogenen
Lebensqualität (health-related quality of life) [11].
Die gesundheitsbezogene Lebensqualität (health-related quality of life)
Der Begriff der gesundheitsbezogenen Lebensqualität ist in der Literatur allerdings
nicht eindeutig definiert [12]
[13]
[14]. Es besteht aber international zunehmend Einigkeit darüber, dass die gesundheitsbezogene
Lebensqualität als psychologisches Konstrukt zu verstehen ist, das in einem mehrdimensionalen
Modell das subjektive Befinden eines Patienten auf vier minimal zu definierenden Grundsäulen
charakterisiert, nämlich unter Berücksichtigung physischer, psychischer, sozialer
und funktionaler Aspekte [9]
[11]. Diese subjektive Wahrnehmung des Patienten wird nicht nur vom Charakter der Grunderkrankung,
sondern auch entscheidend vom Verlauf derselben wie auch von der Behandlung beeinflusst.
So ist die Bewertung der Nebenwirkungen einer zytostatischen Chemotherapie abhängig
davon, ob ein kuratives oder ein palliatives Therapieziel angestrebt wird [15]
[16]. Daneben kann Lebensqualität abhängig von einer optimistischen bzw. pessimistischen
Grundeinstellung deutlich unterschiedlich bewertet werden [15]. Ebenso sind Vorerfahrungen, Erwartungen und persönliche Einstellungen individuell
verschieden (perception of health) [9]
[11].
Durch die zunehmende internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Lebensqualitätsforschung
stellt sich zwangsläufig auch die Frage, ob interkulturell ein einheitliches Lebensqualitätskonstrukt
besteht. Es könnte z. B. eine kulturelle Universalität dahingehend bestehen, dass
es unabhängig von der Nationalität für den Patienten wichtig ist, keine Krankheitssymptome
zu haben, psychisch ausgeglichen zu sein, soziale Integrität zu genießen und frei
von funktionellen Einschränkungen zu sein. Unklar bleibt jedoch dann die Frage der
Gewichtung einzelner Dimensionen und Unterdimensionen des Konstruktes Lebensqualität
im interkulturellen Vergleich [17].
Methoden zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität
Messinstrumente
Bei der Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität steht die subjektiv empfundene
Befindlichkeit im Vordergrund. Diese Entwicklung trägt einer konsequenten Patientenorientierung
Rechnung. Mit Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität wird das Erleben des
Patienten fokussiert. Dieser Aspekt der Patientenorientierung findet unter methodischen
Gesichtspunkten darin seinen Ausdruck, dass Fragebogen bei der Erfassung der gesundheitsbezogenen
Lebensqualität dominieren. Alternativ kann ein standardisiertes Interview eingesetzt
werden. Eine Fremdbeurteilung durch ärztliches Personal oder Angehörige kann die Eigenbeurteilung
ergänzen, diese aber nicht ersetzten. Fragebogen eignen sich der guten Vergleichbarkeit
wegen insbesondere für den Einsatz bei großen Patientenkollektiven. Dagegen können
Einzelfallstudien die Lebensqualität dann zielsicherer beschreiben, wenn individuelle,
komplexe und ggf. seltene Faktoren nachvollzogen werden sollen, die durch einen Fragebogen
nicht erfasst werden können. Als weitere Methoden werden Therapieabbruchraten und
Selbstbeobachtungen (Tagesprotokoll) diskutiert [8].
Test-Gütekriterien von Fragebogen zur Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität
Ein Fragebogen zur Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität muss definierten
Anforderungen und Test-Gütekriterien genügen [18]
[19]
[20]. Neben der Objektivität des Testes, also der Unabhängigkeit der Untersuchungsergebnisse
vom Untersucher, wird ein hoher Grad an Genauigkeit des Messinstrumentes, mit dem
ein Merkmal gemessen wird, gefordert (Reliabilität). Die Reliabilität eines Messinstrumentes
kann unterschiedlich berechnet werden. So ergibt sich die Test-Retest-Reliabilität
aus den Korrelationen von Testergebnissen zu mindestens zwei verschiedenen Zeitpunkten;
am häufigsten wird die interne Konsistenz (nach Cronbach's Alpha) angegeben, die den
inneren Zusammenhang der einzelnen Fragen angibt. Wichtigstes Gütekriterium bildet
die Validität. Diese gibt an, wie genau der Sachverhalt, den es zu messen gilt, tatsächlich
gemessen werden kann. Die Validität umfasst unterschiedliche Aspekte [11]
[19]:
-
Inhaltliche Validität (content validity): Der Test selbst stellt das optimale Kriterium
für das Persönlichkeitsmerkmal oder die Verhaltensweise dar. Die inhaltliche Validität
wird in der Regel durch Erarbeiten des Instrumentes zusammen mit Experten angestrebt
(„Experteninterview”) [21].
-
Konstruktvalidität (construct validity): Hierbei werden Beschreibungsmerkmale erfasst,
die nicht in eindeutiger Weise operational erfassbar sind, sondern theoretischen Charakter
haben oder sich eher über ein psychologisches Konstrukt beschreiben lassen (z. B.
Angst, Lebensqualität, Intelligenz). Der Test wird dahingehend überprüft, ob er ein
solches „Konstrukt” zu erfassen vermag. Dies kann durch eine Faktorenanalyse geschehen.
-
Kriterienbezogene Validität (criterion validity): Die Testergebnisse werden mit einem
Außenkriterium korreliert. Eine weitere sehr einfache Möglichkeit der Validierung
ergibt sich in diesem Zusammenhang, wenn man durch ein Erhebungsinstrument unterschiedliche
Gruppen (bekannte klinische Extremgruppen) präzise beschreiben kann.
Krankheitsübergreifende und krankheitsspezifische Fragebogen
Man kann zwischen krankheitsübergreifenden (krankheitsunspezifischen) Fragebogen und
krankheitsspezifischen Fragebogen zur Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität
unterscheiden [8]
[9]. Erstere sind historisch älter und erlauben einen Vergleich zwischen verschiedenen
spezifischen Gruppen. Einige dieser Fragebogen ermöglichen darüber hinaus den Vergleich
mit Normkollektiven. Die Universalität des Messinstrumentes wird mit seiner fehlenden
Spezifität erkauft. Das bedeutet, dass bei spezifischen Fragestellungen krankheitsübergreifende
Fragebogen nur unzureichend die Lebensqualität erfassen können. Darüber hinaus verfügen
sie über eine eingeschränkte Änderungssensibilität. So können Veränderungen der Lebensqualität
durch eine medizinische Intervention nur unscharf abgebildet werden, wenn ausschließlich
krankheitsübergreifende Fragebogen eingesetzt werden.
Im Gegensatz dazu stehen Instrumente, die erkrankungsspezifische Aspekte der gesundheitsbezogenen
Lebensqualität erfassen und daher in der Regel therapiebedingte Veränderungen der
Lebensqualität genauer erfassen. So können z. B. beim Asthma bronchiale Veränderungen
der gesundheitsbezogenen Lebensqualität durch die Einleitung einer medikamentösen
Therapie besser erfasst werden, wenn der Fragebogen spezifisch nach Symptomen, Einschränkungen
und Behinderungen fragt, die eng mit der Erkrankung assoziiert sind [22]
[23]. Der Nachteil krankheitsspezifischer Messinstrumente liegt entsprechend in der fehlenden
Universalität, denn je spezifischer ein Messinstrument ist, desto kleiner ist sein
Einsatzbereich. Dennoch sind krankheitsspezifische Messinstrumente zentral, wenn es
um die Beurteilung von speziellen Therapiestrategien geht, so dass in den letzten
Jahren für eine Vielzahl von Erkrankungen spezifische Fragebogen zur Beurteilung der
gesundheitsbezogenen Lebensqualität entwickelt wurden. Die Fragebogen, die bei Patienten
mit Heimbeatmung im Rahmen von Studien eingesetzt wurden, sind in Tab. [1] aufgeführt.
Tab. 1 Fragebogen, die bei Patienten mit Heimbeatmung eingesetzt wurden
Fragebogen |
Abkürzung |
Literatur |
Skalen |
Zielgruppe |
MOS 36-Item Short-Form Health Survey
|
SF-36 |
[27]
[28]
[29]
[30]
[31]
[32]
[33]
[34]
[35]
|
8 |
krankheitsübergreifend |
Sickness Impact Profile
|
SIP |
[25]
[26]
|
12 |
krankheitsübergreifend |
Nottingham Health Profile
|
NHP |
[24]
|
6 |
krankheitsübergreifend |
Hospital Anxiety and Depression Scale
|
HAD |
[36]
[37]
[38]
[39]
|
2 |
krankheitsübergreifend |
Mood Adjective Check List
|
MACL |
[46]
|
3 |
krankheitsübergreifend |
Chronic Respiratory Disease Questionnaire
|
CRQ |
[40]
|
4 |
COPD |
St. George's Respiratory Questionnaire
|
SGRQ |
[20]
[41]
|
3 |
COPD |
Fragebogen zur chronischen Heimbeatmung
|
FCH |
[42]
|
5 |
Heimbeatmung |
Dresdner Fragebogen
|
|
[62]
|
|
Heimbeatmung im Kindesalter |
Maugeri Foundation Respiratory Failure item set
|
MRF-28 |
[43]
|
3 |
chronische respiratorische Insuffizienz |
Severe Respiratory Insufficiency Questionnaire
|
SRI |
[44]
|
7 |
Heimbeatmung |
Krankheitsübergreifende Fragebogen, die bei Heimbeatmung eingesetzt worden sind
Zu den ersten gut validierten und häufig eingesetzten Fragebogen gehören das Nottingham
Health Profile (NHP) [24] mit 28 Fragen in 6 Subskalen sowie das Sickness Impact Profile (SIP) [25]
[26]. Letzteres ist mit 136 Fragen in 12 Bereichen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität
eines der umfangreichsten Instrumente überhaupt. Übersetzungen liegen in mehreren
Sprachen vor. Die Werte entsprechen dem Prozentsatz der maximalen Einschränkung, hohe
Werte reflektieren folglich eine starke Einschränkung. Das MOS 36-Item Short-Form
Health Survey (SF-36) [27]
[28]
[29]
[30] enthält 36 Fragen in 8 Bereichen der subjektiven Gesundheit. Er ist gegenwärtig
der wohl bekannteste und am meisten eingesetzte krankheitsübergreifende Fragebogen.
Seine internationale Verfügbarkeit basiert auf der Arbeit der International Quality
of Life Assessment Group (IQOLA) [17]
[31]
[32]
[33]
[34]
[35]. Danach wird ein Studienprotokoll erarbeitet, was die Übersetzung in andere Sprachen
sowie die psychometrische Prüfung und Normierung festlegt. Die Hospital Anxiety and
Depression Scale (HAD-Skala) wurde als psychologisches Screening-Instrument zur Erfassung
von Angst und Depression bei Patienten internistischer Kliniken entwickelt, wobei
auch eine deutsche Fassung vorliegt [36]
[37]
[38]
[39]. Dabei zeigt die Skala keine Interferenz mit somatischen Symptomen von Angst und
Depression, so dass physische Einschränkungen wie z. B. Schlafstörungen die Ergebnisse
nicht verfälschen.
Krankheitsspezifische Fragebogen, die bei Heimbeatmung eingesetzt worden sind
Für Patienten mit COPD wurden in der Vergangenheit mehrere spezifische Messinstrumente
entwickelt. Zwei davon aus dem angloamerikanischen Sprachraum wurden bei Patienten
mit COPD und Heimbeatmung eingesetzt: Der Chronic Respiratory Disease Questionnaire
(CRQ) mit 4 Ebenen (Dyspnoe, Müdigkeit, emotionale Funktionen, Lebensbewältigung)
[40] und der St. George'Žs Respiratory Questionnaire (SGRQ) mit 3 Bereichen (Symptome,
Aktivität, psychische Beeinträchtigungen) [41]. Eine autorisierte deutsche Übersetzung des SGRQ liegt seit 1999 vor [20]. Allerdings wurden diese Fragebogen an COPD-Patienten mit sehr unterschiedlichen
Schweregraden ihrer Erkrankung entwickelt, so dass zu hinterfragen bleibt, ob diese
Fragebogen für Patienten mit COPD und schwerer respiratorischer Insuffizienz geeignet
sind.
Aus diesem Grund wurden in letzten Jahren Fragebogen speziell für Patienten mit schwerer
respiratorischer Insuffizienz entwickelt. Der erste war der Fragebogen zur chronischen
Heimbeatmung (FCH) mit 57 Fragen [42]. Neben psychischen, sozialen und allgemein funktionalen Aspekten der Lebensqualität
konzentriert sich der Fragebogen auf funktionale Aspekte unter Beatmung und Aspekte,
die Nebenwirkungen der Beatmung enthalten. Ein eigener Teil des Fragebogens erfasst
retrospektiv Veränderungen der Lebensqualität. Die Fragen wurden mit dem Ziel einer
hohen inhaltlichen Validität nach Ergebnissen einer Patientenbefragung aufgestellt.
In einer ersten Prüfung konnte in Teilbereichen eine konvergente Validität nachgewiesen
werden.
Außerdem wurde das Maugeri Foundation Respiratory item set (MRF-28) für Patienten
mit chronischer respiratorischer Insuffizienz entwickelt [43]. Dieser Fragebogen wurde im Rahmen einer Studie unter Einschluss von Patienten mit
Heimbeatmung aber auch mit Sauerstofflangzeittherapie entworfen, wobei neben neuen
Fragen auch solche aus älteren gut validierten Fragebogen (u. a. SGRQ, CRQ, SIP) mit
aufgenommen wurden. Der Fragebogen enthält 28 Fragen (items) in drei Bereichen: Alltagsaktivität,
kognitive Funktionsfähigkeit und Invalidität. Der MRF-28 verfügt über eine hohe inhaltliche
Validität. Nachteilig sind jedoch eine geringe Varianzaufklärung bei der Konstruktvalidität
sowie die Tatsache, dass der Fragebogen vor allem an COPD-Patienten validiert wurde.
Der Einsatz bei Patienten mit restriktiven Erkrankungen oder neuromuskulären Erkrankungen
ist daher nicht unproblematisch. Eine validierte deutsche Übersetzung steht aktuell
nicht zur Verfügung.
Der Fragebogen zur Befindlichkeit bei schwerer respiratorischer Insuffizienz (SRI)
Auf dem Boden der Erfahrungen mit dem FCH wurde in der eigenen Arbeitsgruppe der Severe
Respiratory Insufficiency (SRI) Questionnaire mit 49 Fragen in 7 Subskalen (Atembeschwerden,
körperliche Rollenfunktion, Begleitsymptome/Schlaf, soziale Beziehungen, krankheitsbezogene
Ängste, psychische Befindlichkeit und soziale Rollenfunktion) in deutscher Sprache
entwickelt (Abb. [2]) [44]. Im Rahmen einer multizentrischen Validierungsstudie unter Einschluss von 226 Patienten
mit chronischer respiratorischer Insuffizienz unterschiedlicher Genese und Heimbeatmungstherapie
wurden für den SRI hohe psychometrische Kennwerte nachgewiesen: Die interne Konsistenz
war mit einem Cronbach's Alpha von > 0,7 in allen Skalen und > 0,8 in vier der sieben
Subskalen ein Maß für die hohe Reliabilität. Eine inhaltliche Validität war dadurch
gegeben, dass die Fragen durch ein Expertengremium entwickelt wurden (Pneumologen,
Psychologen). Darüber hinaus konnte durch Korrelationsanalysen mit dem SF-36 eine
gute Übereinstimmung sowie über eine Faktorenanalyse eine Konstruktvalidität nachgewiesen
werden, wobei eine Summenskala aus den 7 Subskalen gebildet wurde [44].
Abb. 2 Messmodell des Fragebogens zur Befindlichkeit bei Schwerer Respiratorischer Insuffizienz
(SRI)
Alle Fragen werden auf einer 5-Punkte-Likert-Skala beantwortet. Um Ja-Sage-Tendenzen
zu vermeiden, entsprechen je nach Frage hohe oder tiefe Werte einem günstigen Resultat.
In der Auswertung werden die Fragen einheitlich umkodiert. Für jede Subskala und für
die Summenskala wird ein Score zwischen 0 und 100 errechnet, wobei hohe Werte eine
höhere Lebensqualität im Sinne des Konstruktes der Skala und tiefe Werte entsprechend
eine niedrigere Lebensqualität widerspiegeln.
Praktischer Einsatz von Fragebogen zur Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität
bei Heimbeatmung
Grundsätzlich wird zur Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität eines definierten
Patientenkollektivs der Einsatz sowohl eines spezifischen als auch eines unspezifischen
Messinstrumentes empfohlen, um die Vorteile der Universalität und Vergleichbarkeit
einerseits sowie der Spezifität und Änderungssensibilität andererseits zu vereinen.
Das Beantworten von Fragebogen ist jedoch bei Patienten mit Heimbeatmung begrenzt.
Zum einen ist ein Teil der Patienten mit einer generalisierten Muskelschwäche nicht
in der Lage, Kreuze auf dem Antwortbogen zu markieren. Zum anderen kann das Ankreuzen
zu vieler Fragen für Patienten mit fortgeschrittenem Leiden nicht zumutbar sein. Dabei
wird die Anstrengung und notwendige Konzentration dafür nicht selten unterschätzt.
Das betrifft vor allem Fragebogen mit vielen Fragen (z. B. SIP [26] mit 136 Fragen) und insbesondere Patienten vor Einleitung einer Heimbeatmung. Eine
Reduzierung der Fragen oder die Durchführung eines Interviews können dann sinnvoll
sein. In Einzelfällen können auch Blindheit oder mentale Einschränkungen das Ausfüllen
von Fragebogen unmöglich machen. Dann können Angehörige oder der Untersucher selbst
bei der Beantwortung der Fragen helfen, was allerdings die Objektivität beeinträchtigen
kann.
Als krankheitsübergreifender Fragebogen eignet sich für den deutschen Sprachraum gegenwärtig
am besten der SF-36 [27]
[28]
[29]
[30], da er kürzer als die meisten anderen Fragebogen ist, hervorragend validiert ist
und darüber hinaus einen internationalen Vergleich mit Normkollektiven und anderen
Patienten-Gruppen erlaubt. Die HAD-Skala [36]
[37]
[38]
[39] ist kurz und einfach auszufüllen, sie kann daher zusätzlich eingesetzt werden, wenn
es um die spezielle Erfassung von Ängsten und Depressionen geht. Bei COPD-Patienten
kann der SGRQ [41] als spezifisches Instrument eingesetzt werden. Als krankheitsspezifischer Fragebogen
für die schwere respiratorische Insuffizienz eignet sich am besten der SRI [44], insbesondere, wenn Patienten mit verschiedenen Grunderkrankungen vergleichend betrachtet
werden.
Gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Heimbeatmung - aktueller Stand
Gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Heimbeatmung im Vergleich zu Normalkollektiven
und zu anderen Patientengruppen
Die erste Arbeit, die sich intensiv mit der Lebensqualität bei Heimbeatmungs-Patienten
beschäftigt hat, war die schwedische Studie von Pehrsson u. Mitarb. von 1994. In dieser
Studie wurden 39 Patienten mit einer chronischen ventilatorischen Insuffizienz auf
dem Boden einer restriktiven Ventilationsstörung untersucht. Neben dem SIP [26], der HAD-Skala [36], einem allgemeinen Teil des EORTC Quality of Life Questionnaire (QLQ-C30) [45] und der Mood Adjektive Check List (MACL) [46] wurde ein eigener Fragebogen eingesetzt, der mit 57 Fragen in 3 Ebenen (Sozialleben,
Probleme mit dem Beatmungsgerät, Schlafqualität) speziell für die Studie entwickelt
wurde. Zusammenfassend konnte aus der Vielzahl der Ergebnisse dieser Studie eine hohe
gesundheitsbezogene Lebensqualität insbesondere für den psychosozialen Bereich abgeleitet
werden. Zwar zeigten sich im SIP vermehrte Einschränkungen im Vergleich zu einer gesunden
Referenzgruppe, verglichen mit anderen Patientengruppen, z. B. Patienten mit chronischen
Rückenschmerzen oder rheumatoider Arthritis [47], waren diese Einschränkungen jedoch geringer ausgeprägt. Patienten mit neuromuskulären
Erkrankungen waren physisch und psychosozial von allen Beatmungspatienten noch am
stärksten limitiert. Insgesamt lief die Beatmung mit nur wenigen Problemen, die meisten
Patienten waren mit der Beatmungstherapie deutlich zufrieden. Die Schlafqualität wurde
insgesamt als gut bezeichnet. Auch die Auswertung der HAD-Skala konnte keine erhöhte
Prävalenz von Angst und Depression aufzeigen.
Die Interpretation dieser Ergebnisse muss jedoch vor dem Hintergrund geschehen, dass
die guten Ergebnisse auch eine Selektion des Patientenkollektivs reflektieren. Zum
einen betrug die Dauer der Heimbeatmung im Mittel 50 Monate, so dass in erster Linie
Patienten eingeschlossen wurden, die dauerhaft motiviert waren. Zum anderen war die
tägliche Beatmungszeit mit durchschnittlich 7,7 Stunden trotz der langen Therapiedauer
eher niedrig. Der tendenziell gute Allgemeinzustand der Patienten kommt auch dadurch
zum Ausdruck, dass alle Befragten in der Lage waren, die insgesamt ca. 250 Fragen
zu beantworten. Für viele andere Patienten könnte dies eine nicht überwindbare Mühe
bedeuten. Schließlich wurden keine Patienten mit COPD in die Studie eingeschlossen.
In der großen Studie von Simonds u. Mitarb. wurden 180 Patienten untersucht, die auf
eine Heimbeatmung eingeleitet wurden [7]. Bei den 105 Patienten, die in einer Subgruppe von insgesamt 118 Patienten den SF-36
beantwortet haben, konnte gezeigt werden, dass die gesundheitsbezogene Lebensqualität
bei Heimbeatmung zwar deutlich eingeschränkt ist im Vergleich zu einem Normalkollektiv
[7]. Diese Einschränkungen waren jedoch nicht wesentlich deutlicher als bei Patienten
mit anderen chronischen Erkrankungen.
In der Validierungsstudie des SRI wurde außerdem der SF-36 eingesetzt, um eine Aussage
zur Ähnlichkeit der Verfahren zur Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität
zu machen (konvergente Validität, s. o.) [44]. Dabei wurde aber in den Summenskalen des SF-36 auch deutlich, dass die körperliche
Gesundheit von Patienten mit Heimbeatmung im Vergleich zu einem Normalkollektiv und
einem Patientenkollektiv mit chronischen Lungenerkrankungen [30] deutlich eingeschränkt ist, was aufgrund der oftmals deutlichen und offensichtlichen
körperlichen Behinderungen der Patienten zu erwarten ist (Abb. [3]). Allerdings zeigt sich im Vergleich dieser Untersuchungsgruppen für Patienten mit
Heimbeatmung keine richtungsweisende Einschränkung in der psychischen Summenskala.
Daraus ergibt sich, dass sogar schwere körperliche Beeinträchtigungen, wie sie bei
Patienten mit Heimbeatmung vorliegen, nicht notwendigerweise zu psychischen Beeinträchtigungen
führen müssen. Diese Ergebnisse entsprechen denen in der Studie von Pehrsson u. Mitarb.
[48].
Abb. 3 Scores für die beiden Summenskalen (körperliche Gesundheit und seelische Gesundheit)
des SF-36 in einer Querschnittsstudie bei 226 Patienten mit Heimbeatmung im Vergleich
mit einem historischen Normalkollektiv und einem historischen Kollektiv mit chronischen
Lungenerkrankungen, die nicht abhängig von einem Respirator sind (100 = maximal hohe
Lebensqualität; 0 = niedrigste Lebensqualität).
Abb. 4 Krankheitsgruppenvergleich mit dem Fragebogen zur Befindlichkeit bei Schwerer Respiratorischer
Insuffizienz (SRI) in einer Querschnittsstudie bei 226 Patienten mit Heimbeatmung:
Summenscore für die gesundheitsbezogene Lebensqualität (100 = maximal hohe Lebensqualität;
0 = niedrigste Lebensqualität): COPD = Chronic obstructive pulmonary disease; KS =
Kyphoskoliose; Post-Tbc = Posttuberkulöses Syndrom; NME = Neuromuskuläre Erkrankungen;
Sonstige = Sonstige Erkrankungen.
Zusammenfassend bestehen deutliche Einschränkungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität
bei Patienten mit Heimbeatmung im Vergleich zu Gesunden. Diese Einschränkungen sind
jedoch nicht notwendigerweise größer als bei anderen Patienten, die nicht von einem
Beatmungsgerät abhängig sind. Darüber hinaus betreffen die Einschränkungen der Lebensqualität
in erster Linie die körperliche Ebene. Dies führt nicht zwangsläufig, wie häufig geglaubt,
auch zu psychischen Veränderungen, da das psychische Befinden bei vielen Patienten
mit Heimbeatmung trotz schwerer körperlicher Beeinträchtigungen normal sein kann.
Unterschiede in der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei verschiedenen Patienten-Gruppen
mit Heimbeatmung
In der aktuellen Studie von Dellborg u. Mitarb. zeigen sich Unterschiede in der gesundheitsbezogenen
Lebensqualität bei einem gemischten Patienten-Kollektiv mit chronischem Hypoventilations-Syndrom
auf dem Boden thorakal-restriktiver Erkrankungen, die noch nicht auf eine Heimbeatmung
eingeleitet worden sind [49]. Dabei hatten Patienten mit posttuberkulösem Syndrom eine schlechtere gesundheitsbezogene
Lebensqualität als Patienten mit Kyphoskoliose oder Post-Polio-Syndrom, was insbesondere
auf der psychosozialen Ebene deutlich war. Allerdings ist die Studie durch ihre eher
geringe Fallzahl (n = 44), durch die heterogene Anzahl von Patienten in den einzelnen
Krankheitsgruppen sowie durch die Tatsache limitiert, dass die Patientengruppen nicht
für Alter und Geschlecht kontrolliert werden konnten, zumal fortgeschrittenes Alter
insbesondere ab 70 Jahren als negativer Vorhersagewert vor allen Dingen für die körperliche
Gesundheit angesehen werden darf [50]. Bemerkenswert bleibt jedoch, dass sich diese Ergebnisse bei Patienten mit chronischer
ventilatorischer Insuffizienz ohne Heimbeatmung decken mit früheren Ergebnissen bei
Patienten mit chronischer ventilatorischer Insuffizienz und langfristiger Heimbeatmung
in Bezug auf krankheitsbedingte Unterschiede in der gesundheitsbezogenen Lebensqualität
[48]. Einschränkungen in der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Patienten mit posttuberkulösem
Syndrom im Vergleich zu anderen Patienten mit thorakal-restriktiven Erkrankungen scheinen
somit unabhängig von der Heimbeatmung krankheitsspezifisch zu sein.
In der großen Studie von Simonds u. Mitarb. [7] konnte anhand des SF-36 für Patienten mit COPD insgesamt eine schlechtere Lebensqualität
nachgewiesen werden im Vergleich zu Patienten mit thorakal-restriktiven Erkrankungen.
Auf der funktionalen Ebene waren neuromuskulär Erkrankte am stärksten limitiert, was
darin zu sehen ist, dass diese Patienten neben den funktionellen Einschränkungen durch
die Atemstörung natürlich auch durch die allgemeine Muskellähmung funktionell limitiert
sind. Allerdings sind in dieser Studie die einzelnen Subskalen des SF-36 in den verschiedenen
Patienten-Gruppen nicht weiter quantifiziert, so dass eine weitere Analyse in dieser
Studie nicht möglich ist.
In einer anderen Studie wurden insgesamt 67 Patienten mit Heimbeatmung zu ihrer gesundheitsbezogenen
Lebensqualität befragt [42]. Dabei wurde in retrospektiver Betrachtung ein Gruppenvergleich zwischen verschiedenen
Patientengruppen angestrebt. Die tägliche Beatmungsdauer betrug im Mittel bei COPD-Patienten
9,5 Stunden, bei Skoliose-Patienten 8,7 Stunden und bei neuromuskulär Erkrankten 10,5
Stunden. Die mittlere Beatmungsdauer in Monaten lag bei COPD-Patienten bei 27, bei
Skoliose-Patienten bei 28 und bei Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen bei 50.
Auch in dieser Studie kamen mehrere Instrumente zum Einsatz: Der FCH [42], die HAD-Skala [36]
[37]
[38]
[39] sowie eine modifizierte Version des Asthma Quality of Life Questionnaire (AQLQ)
[22]
[23]. Die Ergebnisse dieser Untersuchung lassen deutliche Unterschiede bei den verschiedenen
Grunderkrankungen erkennen.
Während COPD-Patienten tendenziell keine Veränderung ihrer gesundheitsbezogenen Lebensqualität
unter Heimbeatmung im Vergleich zum Zeitpunkt vor Beatmungsbeginn aufweisen, verbessert
sich diese von Skoliose-Patienten und neuromuskulär Erkrankten deutlich. Auf physischer
Ebene kommt es neben einem Rückgang der Atemnot zu einer verbesserten Schlafqualität.
Nebenwirkungen der Beatmung sind beim Langzeitgebrauch wenig einschränkend. Psychisch
zeigen insbesondere COPD-Patienten stärkere Defizite. Im Vergleich zu der Arbeit von
Pehrsson u. Mitarb. [48] dokumentierten sich insgesamt deutlich höhere Auffälligkeiten für Angst und Depression,
was, wie oben beschrieben, am ehesten in der Auswahl des Patientenkollektivs begründet
ist. Minderwertigkeit, fehlender Kontakt zu engen Familienmitgliedern oder andere
Faktoren, die das soziale Befinden einschränken könnten, sind in allen Patientengruppen
selten. Eine zusätzliche Angehörigenbefragung hat jedoch ergeben, dass nicht selten
die Partner, die mit dem Patienten ein Schlafzimmer teilen, eine Störung durch das
Geräusch des Beatmungsgerätes empfinden. In funktioneller Hinsicht sind insbesondere
Patienten mit COPD und solche mit neuromuskulären Erkrankungen limitiert. Das betrifft
vor allen Dingen Aktivitäten des Alltags wie Hausarbeit, Essen, sich Waschen oder
Ankleiden.
In der Validierungsstudie des SRI wurden wie auch in den Untersuchungen mit dem FCH
Unterschiede der Lebensqualität zwischen den verschiedenen Patientengruppen deutlich
[44]. Dabei hatten Patienten mit Kyphoskoliose die insgesamt beste gesundheitsbezogene
Lebensqualität im Summenscore (Abb. [4]). Am deutlichsten waren die Unterschiede im Bereich der krankheitsbezogenen Ängste,
wobei Patienten mit COPD und posttuberkulösem Syndrom sehr viel deutlicher Ängste
hatten als die anderen Patientengruppen. Dies deckt sich gut mit den Ergebnissen,
die mittels HAD-Skala erarbeitet wurden, wo COPD-Patienten deutlich häufiger Ängste
und Depressionen hatten als Patienten mit Kyphoskoliose oder neuromuskulären Erkrankungen
[42]. Ähnlich war das Verhältnis bei den Atembeschwerden und bei der sozialen Rollenfunktion.
Bei der körperlichen Rollenfunktion waren erwartungsgemäß Patienten mit neuromuskulären
Erkrankungen am stärksten limitiert, jedoch weniger durch die Atembeschwerden als
durch die Grunderkrankung selbst, da diese Patienten von allen Patientengruppen über
die wenigsten Atembeschwerden berichtet hatten. In dieser Arbeit wie auch in anderen
Untersuchungen hatte die Grunderkrankung somit den stärksten Einfluss auf die gesundheitsbezogene
Lebensqualität, wobei abgesehen vom Alter [50] objektive Parameter wie Daten der Lungenfunktion und andere die gesundheitsbezogene
Lebensqualität nur wenig voraussagen können. Am stärksten scheinen noch die erhöhten
Bikarbonat-Werte mit Einschränkungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität zu korrelieren.
Dies betrifft sowohl Patienten mit chronischer ventilatorischer Insuffizienz, die
auf eine Heimbeatmung eingeleitet worden sind [48], als auch solche, die noch nicht beatmet werden [49].
Patienten mit Tracheotomie sind in der Regel stärker beeinträchtigt als solche, die
über einen nichtinvasiven Beatmungszugang ventiliert werden. Dies betrifft insbesondere
das Sprechen, das Essen, die Abhängigkeit von pflegenden Personen, den Komfort, Probleme,
die sich aus dem künstlichen Beatmungszugang ergeben können sowie die Tatsache, dass
auch im Falle der Beatmungspause häufig nicht über die natürlichen Atemwege geatmet
werden kann [51]. Gelegentlich kann der sichere Beatmungszugang jedoch auch mehr Sicherheit und Vertrauen
für den Patienten bedeuten.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Patienten
mit COPD deutlicher eingeschränkt ist als bei den meisten Patienten mit thorakal-restriktiven
oder neuromuskulären Erkrankungen. Ähnlich scheint dies bei Patienten mit posttuberkulösem
Syndrom der Fall zu sein. Das betrifft neben der physischen Funktion insbesondere
auch psychische Aspekte wie Ängste und Depressionen. Dies liegt zumindest bei COPD-Patienten
z. T. darin begründet, dass diese nicht nur durch ihre ventilatorische Insuffizienz,
sondern auch in erheblichem Maße durch ihre pulmonale Insuffizienz beeinträchtigt
sind. Dabei können ein Bronchospasmus, chronisch-produktiver Husten, die Hypoxie und
die Folgen eines cor pulmonale die gesundheitsbezogene Lebensqualität zusätzlich zum
Hypoventilations-Syndrom stark beeinträchtigen. Darüber hinaus kommt es bei COPD-Patienten
häufiger zu Infektexazerbationen, von denen gezeigt wurde, dass sie in der Folge die
gesundheitsbezogene Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können [52]
[53]
[54].
Einfluss der Heimbeatmung auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität in Verlaufsbeobachtungen
Ein Vergleich zwischen historischen Patientenkollektiven in der Studie von Dellborg
u. Mitarb. deutet an, dass sich die Lebensqualität bei Patienten mit verschiedenen
thorakal-restriktiven Erkrankungen nach Einleitung der Heimbeatmung bessern kann [49]. Ein Teil der Einschränkungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität vor der Heimbeatmung
kann somit auf die chronische ventilatorische Insuffizienz und nicht primär auf die
Grunderkrankung selbst zurückgeführt werden. Diese Interpretation muss jedoch zurückhaltend
erfolgen, da die Patienten ohne Heimbeatmung in der aktuellen Studie mit einem historischen
Kollektiv von Patienten unter langfristiger Heimbeatmung verglichen werden.
Wie oben gezeigt, kommt es in der retrospektiven Betrachtung zu einem Gewinn an Lebensqualität
bei Patienten mit thorakal-restriktiven und neuromuskulären Erkrankungen, nicht jedoch
bei Patienten mit COPD [42]. Die retrospektive Betrachtung muss hier nicht unbedingt von Nachteil sein, da die
aus der Rückschau subjektiv wahrgenommene Veränderung der Lebensqualität seit Beginn
der Heimbeatmung für den Patienten ebenso wichtig sein kann wie die objektive Veränderung
der Lebensqualität, die sich aus einer prospektiven Analyse ergibt.
Dennoch wurden in der Vergangenheit Bemühungen unternommen, den Einfluss der Heimbeatmung
prospektiv zu untersuchen. Hier wurden insbesondere COPD-Patienten, die auf eine Heimbeatmungstherapie
eingeleitet wurden, mit unterschiedlichen Messinstrumenten prospektiv untersucht [55]
[56]
[57]
[58]. In zwei Arbeiten konnten keine wesentlichen Verbesserungen durch die Heimbeatmung
dokumentiert werden [55]
[58]. In den anderen beiden Arbeiten zeigte sich eine signifikante Verbesserung der gesundheitsbezogenen
Lebensqualität, wobei in beiden Studien im Gegensatz zu den ersten beiden u. a. der
SGRQ eingesetzt wurde [56]
[57]. Fragebogen, die spezifisch die Probleme der Patienten mit Heimbeatmung erfragen,
wurde jedoch in keiner dieser Studien eingesetzt, so dass der Effekt der Heimbeatmung
auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität weiterhin nicht sicher beurteilt werden
kann.
In einer anderen Arbeit konnte bei 16 Patienten mit amyotropher Lateralsklerose unter
Einsatz des SF-36 gezeigt werden, dass sich die gesundheitsbezogene Lebensqualität
nach Einleitung einer Heimbeatmung trotz Progredienz der Erkrankung nicht verschlechtert
und dass in der Subskala „Vitalität” sogar ein Gewinn an Lebensqualität erzielt werden
konnte [59]. Obwohl auch bei Patienten mit COPD, die mit Salmeterol behandelt wurden, und bei
Patienten mit obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom, die auf eine CPAP-Therapie eingeleitet
wurden, Veränderungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität mittels SF-36 erfasst
werden konnten [60]
[61], kann von diesem Fragebogen postuliert werden, dass er Veränderungen der gesundheitsbezogenen
Lebensqualität weniger gut erfasst als ein krankheitsspezifischer Fragebogen, da er
wesentliche Merkmale der Grunderkrankung nicht erfasst (s. o.). Die prospektive Untersuchung
zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei amyotropher Lateralsklerose [59] muss vor diesem Hintergrund kritisch betrachtet werden.
Zusammenfassend zeigen sich mehrere Studien, die den Einfluss der Heimbeatmung auf
die gesundheitsbezogene Lebensqualität untersucht haben. In keiner Studie konnte bis
dato eine Verschlechterung dokumentiert werden, was aufgrund der Progredienz vieler
dieser Erkrankungen positiv zu bewerten ist. Allerdings bleibt nach wie vor ungeklärt,
inwieweit sich die gesundheitsbezogene Lebensqualität unter der Heimbeatmung wirklich
verbessern kann, da die prospektiven Studien mit hohen Patienten-Fallzahlen und Gebrauch
moderner, spezifischer Messinstrumente noch ausstehend sind.
Gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Heimbeatmung im Kindesalter
Die oben dargestellten Ergebnisse lassen aber nur Rückschlüsse auf die gesundheitsbezogene
Lebensqualität bei Patienten mit Heimbeatmung im Erwachsenenalter zu, da Kinder und
Jugendliche nicht in die Analysen miteinbezogen wurden. Daher wurde in einer Deutschland-weiten
Multizenter-Studie die gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Heimbeatmung im Kindes-
und Jugendalter untersucht [62], wobei eigens für die Studie ein spezifischer Fragebogen entwickelt wurde. Zusammenfassend
ergab sich danach eine hohe Patientenzufriedenheit, wobei interessanterweise eine
zusätzlich durchgeführte Eltern-/Angehörigenbefragung diskrepante Ergebnisse bezüglich
der gesundheitsbezogenen Lebensqualität erarbeiten konnte und zwar in dem Sinne, dass
die Patienten ihre Lebensqualität höher einschätzten als die Eltern. Dies unterstreicht,
dass eine Angehörigenbefragung die Patientenbefragung niemals ersetzen kann.
Zukünftige Studien zur Erfassung der Lebensqualität bei Patienten mit Heimbeatmung
Wie oben aufgeführt, hat die Frage nach der Lebensqualität bei Patienten mit Heimbeatmung
in zunehmendem Maße die wissenschaftliche Auseinandersetzung beschäftigt. Konklusive
Aussagen zu dieser Frage können jedoch aktuell noch nicht gemacht werden, da in vielen
Studien nicht die geeigneten Instrumente zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität
zur Verfügung standen. Nach gegenwärtigem Wissensstand sollten in zukünftigen Studien
krankheitsübergreifende Fragebogen zum Vergleich mit anderen Patientengruppen mit
krankheitsspezifischen Fragebogen zur Erfassung krankheitsspezifischer Aspekte der
Grunderkrankung kombiniert werden. In diesem Sinne sollte auch der Wert der Heimbeatmung
für die gesundheitsbezogene Lebensqualität prospektiv untersucht werden. Solche zukünftigen
Forschungsvorhaben sollten zum Erreichen größerer Patienten-Fallzahlen multizentrisch
sein, damit die Aussagekraft solcher Studien für zukünftige Therapieentscheidungen
gegeben ist.
Aus diesem Grund wird aktuell eine Multizenter-Studie in Deutschland geplant, bei
der der Einfluss der Heimbeatmung auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität von Patienten
mit schwerer respiratorischer Insuffizienz prospektiv mit dem SF-36 [27]
[28]
[29]
[30] und dem SRI [44] untersucht werden soll. Parallel dazu ist das internationale Projekt QuESS (The
Quality of Life Evaluation and Survival Study) entstanden, das neben Überlebensraten
auch die gesundheitsbezogene Lebensqualität u. a. unter Einsatz des MRF-28 [43] bei Patienten mit chronischer respiratorischer Insuffizienz prospektiv untersucht
[63].
Die wissenschaftliche Beurteilung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität im Verlauf
einer Heimbeatmungstherapie ist insbesondere auch bei COPD-Patienten wichtig, da es
in der Zukunft schwierig sein wird, die Indikation für eine aufwendige Therapie aufrechtzuerhalten,
von der bis jetzt ein Vorteil weder für das Langzeitüberleben noch für die gesundheitsbezogene
Lebensqualität gesichert ist.