Bei einem pneumologischen Meeting über die Atempumpe im Jahre 1987 in Göttingen kristallisierte
sich heraus, dass die intermittierende Beatmung eine effektive Therapie der ventilatorischen
Insuffizienz ist [1]. Die Theorie, dass durch die intermittierende Ruhigstellung der Inspirationsmuskulatur
die erschöpfungsbedingten Funktionseinschränkungen durch Erholung beseitigt werden,
so dass bei Spontanatmung die Atemmuskulatur funktionstüchtiger ist, ist bisher als
Ursache der Verbesserung der arteriellen Blutgasspannungen nie zweifelsfrei bewiesen
worden; sie hat sich aber als Modellvorstellung bis heute uneingeschränkt bewährt.
D. Robert berichtete über Patienten mit stabilen neuromuskulären Erkrankungen, die
bei einer Beatmungszeit von 15/24 Std. eine 5-jährige Überlebenszeit von 95 % und
eine 10-jährige Überlebenszeit von 87 % aufwiesen. Demgegenüber waren die Ergebnisse
der Heimbeatmung für Patienten mit COPD mit Überlebensraten von 18 % über 5 Jahre
sehr enttäuschend, was aber natürlich daran liegt, dass die Atemmuskelinsuffizienz
bei Patienten mit COPD nur eines der Vielzahl der respiratorischen Probleme darstellt,
während bei Patienten mit neuromuskulärer Erkrankung die Lunge annähernd gesund ist.
Diese Ergebnisse der Heimbeatmung waren bei tracheotomierten Patienten gewonnen worden
und D. Robert stellte bei diesem Meeting eine Alternative zur Tracheotomie vor: Die
nichtinvasive Beatmung über individuell angefertigte Nasenmasken, die in Lyon seit
1985 entwickelt wurden. Da nun die Heimbeatmung als effektive Therapie der Atempumpinsuffizienz
nichtinvasiv erfolgte, wurde die Indikation richtigerweise schon frühzeitig bei beginnender
Hyperkapnie gestellt, damit lebensbedrohliche respiratorische Komplikationen erst
gar nicht eintreten.
Die Ausweitung der Indikationen in ein möglichst frühes Stadium der Erkrankung erforderte
natürlich den Wirksamkeitsnachweis der Heimbeatmung. Ein wichtiges Therapiekriterium
ist die Prognoseverbesserung. Für Patienten mit thorakal-restriktiven und neuromuskulären
Erkrankungen wird aber eine Prognoseverbesserung in kontrollierten Studien wahrscheinlich
nie bewiesen werden, da alle Experten einheitlich von der hohen Effektivität der Heimbeatmung
so überzeugt sind, dass sich kontrollierte Studien aus ethischen Gründen verbieten.
Aus den Daten von D. Robert ging aber schon hervor, dass die Prognose von Patienten
mit COPD deutlich schlechter ist, so dass in den letzten Jahren kontrollierte, randomisierte
Studien begonnen wurden, um die Prognose bei Sauerstofflangzeittherapie und Heimbeatmung
zu vergleichen. Ganz aktuell ist eine erste Studie publiziert, die bei 2-jähriger
Beobachtung keine unterschiedliche Prognose ergab, wobei allerdings die Beatmungsmethode
sehr kritisch zu beurteilen ist [2].
Neben der Lebensverlängerung hat aber die Verbesserung der Lebensqualität eine entscheidende
Bedeutung bei der Beurteilung des medizinischen Therapieerfolges. Eine Lebensverlängerung
bei gleichzeitiger Minderung der Lebensqualität erscheint oft als Horrorvision, wie
z. B. ungewollte Lebensverlängerung durch medizinische Maßnahmen bei schwerkranken
Patienten ohne Aussicht auf Verbesserung ihres Leidens. So kommentierte der stets
allen Innovationen aufgeschlossene D. Nolte anlässlich der Publikation unserer ersten
Ergebnisse über Weaning und Heimbeatmung 1991 in einem Editorial der Med. Klinik,
dass es „sehr sorgfältig zu überlegen sei, ob wir ihn (den Patienten) wirklich unbedingt
auf Dauer in die Abhängigkeit eines Beatmungsgerätes bringen müssen” [3]. Hinter dieser Formulierung war die Besorgnis spürbar, dass wir ohnehin schwerbehinderten
Menschen, die zum Teil schon rollstuhlabhängig sind, durch die Heimbeatmung eine weitere
Bürde auferlegen und damit deren Lebensqualität noch stärker beeinträchtigen würden.
Auch wir hatten anfänglich diese Befürchtungen, die wir in unserer Arbeitsgemeinschaft
Heimbeatmung und Respiratorentwöhnung diskutierten. Unvergessen bleibt dabei die engagierte
Argumentation eines Betroffenen mit schwersten Behinderungen und auf wenige Stunden
limitierte Spontanatmung, dass gesunde Menschen sich ohnehin nicht in seine Lage versetzen
könnten und daher seine Lebensqualität überhaupt nicht ermessen könnten. Die Ärzte
hätten die Pflicht, die Betroffenen über alle Möglichkeiten der Behandlung aufzuklären
und diese würden dann entscheiden, welche Therapieoptionen für sie infrage kämen.
Dies sei ihr Recht auf selbstbestimmtes Leben und sie könnten diese Beatmungsoption
ausprobieren und dann entscheiden, ob sie weitergeführt wird oder nicht. Dieser Argumentation
konnten wir uns gut anschließen, zumal nach der oben beschriebenen Erholungstheorie
die intermittierende Beatmung niemand in die Abhängigkeit eines Beatmungsgerätes bringt,
sondern durch die erholungsbedingte Stärkung der Atemmuskelfunktion die Atmung erleichtert.
Ein Abbruch der Beatmung führt nicht zu einer Verschlechterung der Erkrankung, sondern
lediglich zu dem Status quo ante. Tatsächlich lehnen bei korrekter Indikationsstellung
und optimaler Maskenanpassung und Beatmungseinstellung nur wenige Patienten die Heimbeatmung
nach einer Probephase von 6 - 12 Wochen ab. Einige Patienten profitieren in ihrer
Lebensqualität derart, dass sie trotz Rollstuhlabhängigkeit und intermittierender
Beatmung weite Reisen in andere Kontinente unternehmen, z. T. Sport treiben können
und wieder berufstätig werden.
Um aber subjektive Erfahrungen in klinischen Studien zu belegen, muss die Lebensqualität
messbar gemacht werden. Die messbare gesundheitsbezogene Lebensqualität ist ein psychologisches
Konstrukt, dass die subjektive Befindlichkeit eines Patienten unter Berücksichtigung
physischer, psychischer, sozialer und funktioneller Aspekte charakterisiert. Die subjektive
Wahrnehmung des Patienten wird dabei von der Grunderkankung, vom Verlauf und auch
von der Behandlung beeinflusst. Bei der Erfassung der Lebensqualität steht die eigene
subjektiv empfundene Befindlichkeit des Patienten im Vordergrund: Der Patient und
nicht das medizinische Personal oder Angehörige entscheidet über das Ausmaß evtl.
Einschränkungen. Bei der Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität dominieren
Fragebögen, die der Patient beantwortet. Leider existiert keiner, mit dem - unabhängig
von der Erkrankung - alle Aspekte der Lebensqualität bewertet werden können. So gibt
es Fragebögen, die einen Vergleich zwischen verschiedenen Patientenkollektiven und
einem Normalkollektiv erlauben (krankheitsübergreifend) und andere, die die therapiebedingten
Veränderungen der Lebensqualität erfassen können (krankheitsspezifisch).
In diesem Heft geben W. Windisch und Mitarbeiter einen Überblick über die Problematik
der Messung von Lebensqualität und stellen unter Einbeziehung eigener Untersuchungen
die bisherigen Ergebnisse bei heimbeatmeten Patienten vor [4]. Beruhigend ist, dass sich die psychische Lebensqualität bei heimbeatmeten Patienten,
trotz schlechterer körperlicher Lebensqualität, in keinster Weise von der psychischen
Lebensqualität von Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen unterscheidet. Es
existieren sogar Gruppen mit starker körperlicher Einschränkung, bei denen die psychische
Lebensqualität gegenüber einem Normalkollektiv gleich bzw. sogar besser ist! Aus der
Übersicht geht aber auch eindeutig hervor, dass die methodische Weiterentwicklung
geeigneter, krankheitsspezifischer Fragebögen ein wichtiges Ziel ist, wenn in Zukunft
Änderungen der Lebensqualität im Zuge der Heimbeatmung sicher beurteilt werden sollen.
Dies geht auch aus der oben erwähnten Studie bei Patienten mit COPD hervor, bei der
erst die Modifikation von standardisierten Fragebögen eine Besserung der Lebensqualität
aufzeigte [2].
Von den Autoren wurde daher erstmals ein krankheitsspezifischer Fragebogen, der überhaupt
für diese Fragestellung geeignet ist, entwickelt und validiert [4]. Dieser Fragebogen ist Kernstück einer aktuell initiierten Multicenter-Studie, die
das Ziel hat, Änderungen der Lebensqualität nach Einleitung der Heimbeatmung prospektiv
zu erfassen.
Solange diese Ergebnisse jedoch noch nicht vorliegen, müssen wir bei unserem seit
15 Jahren bewährtem Verfahren bleiben: Nach Indikationsstellung wird eine mehrwöchige
intermittierende Beatmung durchgeführt und nach einer Kontrolluntersuchung nur dann
fortgeführt, wenn sich das subjektive Befinden und die Blutgasspannungen bei Spontanatmung
deutlich gebessert haben. Dabei darf die subjektive Bewertung des Therapieerfolges
der objektiven Bewertung in keiner Weise nachstehen. Hier wird in der Übersicht von
W. Windisch und Mitarbeitern deutlich, wie wichtig es ist, die sensitiven, vom Patienten
erlebten Kriterien des Therapieerfolges von den objektiven Funktionsparametern zu
trennen. Auf die Studienergebnisse der nächsten Jahre darf man somit sehr gespannt
sein.