Inhalt
Seite
Vorwort
705
Ziele und Anwendungsbereich der Leitlinie
705
Entwicklungsprozess der Leitlinie
705
Sponsoring
706
Strategien zur Förderung der Verbreitung und Implementierung der Leitlinie
706
Weiterentwicklung der COPD-Leitlinie
707
Definitionen
707
Epidemiologie und sozialökonomische Bedeutung
707
Verlauf der Erkrankung
708
Management der COPD
708
Diagnostik
708
Untersuchungsmethoden
708
Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf COPD
711
Schweregradeinteilung
712
Differenzialdiagnose
713
Verlaufsuntersuchungen
713
Therapie
714
Prävention
714
- Raucherentwöhnung
714
- Schutzimpfungen
715
Langzeitbehandlung der stabilen COPD
715
- Bronchodilatatoren
716
- Glukokortikoide
718
- Mukopharmaka
719
- Immunmodulatoren
719
- Antitussiva
719
- Atemstimulanzien
719
- Analgetika
719
- Substitutionstherapie bei Alpha-1-Proteinase-Inhibitor-Mangel
719
- Behandlung der Osteoporose
720
Nichtmedikamentöse Therapie
720
- Ernährung
720
- Patientenschulung
720
- Physiotherapie
721
- Pneumologische Rehabilitation
721
- Langzeitbehandlung mit O2
723
- Heimbeatmung
723
- Operative Therapieverfahren
724
Management der akuten Exazerbation
725
- Diagnostik
726
- Therapie der Exazerbation
726
- Betreuung des Patienten nach akuter Exazerbation
730
- Exazerbationsprophylaxe
730
Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Leitlinie im Vergleich zur GOLD-Leitlinie
730
Appendix A: Berufsbedingte Bronchitis - Arbeitsmedizinische Aspekte der chronischen
Bronchitis
731
Appendix B: Teilnehmerliste der Konsensus-Konferenz
732
Literaturverzeichnis
733
Vorwort
Vorwort
Neue Erkenntnisse in der Diagnostik und Therapie machen eine Neufassung der Leitlinie
der Deutschen Atemwegsliga zur Behandlung von Patienten mit chronisch obstruktiver
Bronchitis und Lungenemphysem [1 ] notwendig. In Anlehnung an internationale Leitlinien [2 ]
[3 ]
[4 ]
[5 ]
[6 ]
[7 ] wird der Begriff COPD (chronisch obstructive pulmonary disease) benutzt, der chronisch
obstruktive Bronchitis, Lungenemphysem und deren Kombinationen umfasst, das Asthma
bronchiale hingegen ausschließt. So wurde die Diagnostik der COPD spezifiziert, mit
Angabe verschiedener Schweregrade entsprechend der GOLD-Publikation [2 ] und Darstellung der wesentlichen diagnostischen Verfahren. Neben neuen Erkenntnissen
zur medikamentösen Behandlung wurden weitere Therapieansätze wie die nichtinvasive
Beatmung, aber auch operative Behandlungsverfahren des Lungenemphysems wie Lungenvolumenreduktion
und Lungentransplantation berücksichtigt. Präventive Maßnahmen wie die Raucherentwöhnung
und nichtmedikamentöse Maßnahmen wie Patientenschulung, körperliches Training und
die pneumologische Rehabilitation wurden entsprechend ihrer Bedeutung stärker gewichtet.
Ziele und Anwendungsbereich der Leitlinie
Ziele und Anwendungsbereich der Leitlinie
Die vorliegende Leitlinie soll der Versorgung von Patienten mit COPD mit wissenschaftlich
begründeten, angemessenen, wirtschaftlichen und qualitätsgesicherten Verfahren der
Diagnostik, Prävention und Behandlung unter Einschluss der Rehabilitation dienen.
Sie soll allen Ärzten (Allgemeinärzten, Internisten und Pneumologen in Praxis und
Klinik) eine Hilfe für Diagnostik, Verlaufskontrolle und adäquate Therapie ihrer Patienten
sein. Die Leitlinie ersetzt das Urteil des behandelnden Arztes nicht, kann aber als
Entscheidungshilfe für ein optimiertes Management der Patienten mit COPD genutzt werden.
Eine ausführliche Version enthält wesentliche Literaturangaben und Hinweise auf die
Evidenz der dargestellten Aussagen. Eine Kurzversion mit praktikablen Schemata wird
dem Arzt, der sich rasch orientieren will, bei Therapieentscheidungen zur Verfügung
stehen. Eine Fassung in patientengerechter Sprache soll dem betroffenen Patienten
eine aktive Mitarbeit bei der Bewältigung seiner chronischen Krankheit ermöglichen.
Entwicklungsprozess der Leitlinie
Entwicklungsprozess der Leitlinie
Die Leitlinie zur Behandlung von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und
Lungenemphysem (COPD) ist entsprechend den methodischen Vorgaben zur Entwicklung von
Leitlinien für Diagnostik und Therapie der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen
medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) [8 ]
[9 ] erstellt worden und entspricht nach dem 3-Stufen-Konzept der AWMF einer S2-Leitlinie,
ergänzt durch klinische Algorithmen zur Diagnostik und Therapie der COPD. Die 3 Stufen
der AWMF-Leitlinien (S1 , S2 , S3 ) lassen sich folgendermaßen charakterisieren:
S1 (Expertengruppe): Eine repräsentativ zusammengesetzte Expertengruppe der Wissenschaftlichen
Medizinischen Fachgesellschaft erarbeitet im informellen Konsens eine Leitlinie, die
vom Vorstand der Fachgesellschaft verabschiedet wird.
S2 (formale Konsensusfindung): Vorhandene Leitlinien der Stufe 1 werden in bewährten
formalen Konsensusverfahren beraten und modifiziert und als Leitlinien der Stufe 2
verabschiedet.
S3 (Leitlinie mit allen Elementen systematischer Erstellung): Der formale Konsensusprozess
wird durch weitere systematische Elemente ergänzt: logische Analyse (klinischer Algorithmus),
formale Konsensfindung, Evidenzbasierung, Entscheidungsanalyse und Outcome-Analyse.
Der Konsens ist notwendig, um bei geringer vorhandener Evidenz Akzeptanz für eine
Leitlinie zu erzeugen und die Verbreitung und Implementierung zu unterstützen. Evidenzbasierung
bedeutet die Einbeziehung von Metaanalysen, klinischen Studien und epidemiologischen
Untersuchungen, um sie für Entscheidungen beim individuellen Patienten nutzbar zu
machen.
Die Entscheidungs- und Outcomeanalyse berücksichtigen Modelle mit probabilistischen
Entscheidungsbäumen, erwartetem Nutzen und ökonomischen Aspekten sowie die Bestimmung
des Gesundheitsstatus (ermittelt durch den Arzt) und der Lebensqualität (Selbstbeurteilung
von Patienen in einem validierten Fragebogen). Die resultierende Leitlinie soll einfach
und klar, aber auch umfassend sein.
Klinische Algorithmen
Ein klinischer Algorithmus ist ein in endlich vielen Schritten formuliertes Verfahren
zur Lösung eines klinischen Problems unter Benutzung von bedingten logischen Anweisungen
(Wenn-Dann-Logik).
Die Darstellung erfolgt üblicherweise in grafischem Format mit einer von der Society
for Medical Decision Making [10 ] empfohlenen Standardnomenklatur (Abb. [1 ]). Dabei unterscheidet man Zustands-, Aktions- und Entscheidungsknoten. Zustands-
und Aktionsknoten haben je einen Ausgang, Entscheidungsknoten haben genau zwei Ausgänge
(ja und nein).
Abb. 1 Standardisierte Terminologie für klinische Algorithmen.
Grundlage der Leitlinie ist eine Bestandsaufnahme der vorhandenen internationalen
und nationalen Empfehlungen sowie der verfügbaren Literatur zum Krankheitsbild mit
Angaben zur Validität der gemachten Aussagen entsprechend den Vorgaben der Evidence
based Medicine (Tab. 1 ). Im Text werden stets die Evidenzgrade entsprechend der Definition der GOLD-Leitlinie
[2 ] angegeben.
Tab. 1 Beschreibung von Evidenz- und Empfehlungsgraden
Evidenzgrad GOLD-Initiative
Evidenzgrad SIGN
Empfehlungsgrad SIGN
Quellen
Definition
A
I
A
randomisierte kontrollierte Studien (RKS) mit großer Patientenzahl
konsistente Daten von RKS mit großer Patientenzahl
B
II
A
RKS mit begrenzter Patientenzahl
RKS mit geringerer Patientenzahl und gewissen Inkonsistenzen, Meta-Analysen von RKS
C
II oder III
B oder C
nicht randomisierte Studien, Beobachtungen
Ergebnisse aus unkontrollierten oder nicht randomisierten Studien oder aus Beobachtungen
D
IV
D
Expertenmeinung
Stellungnahme anhand der Erfahrung der Experten ohne eindeutige Studienergebnisse
wie bei A - C
SIGN: Scottish Intercollegiate Guideline Network [8 ]
Von den verfügbaren nationalen und internationalen Empfehlungen wurden 7 [1 ]
[2 ]
[3 ]
[4 ]
[5 ]
[6 ]
[7 ] besonders berücksichtigt, vor allem aber die GOLD-Leitlinie [2 ]. Die in dieser Leitlinie von unabhängigen Experten mit großem Aufwand vorgenommene
Bewertung der verfügbaren Literatur über Diagnostik, Prävention und Therapie der COPD
wurde auch als Grundlage der nationalen Leitlinie herangezogen und durch wesentliche,
in der Zwischenzeit erschienene Publikationen und Arbeiten, die aus dem Kreise der
Experten benannt und bewertet wurden, ergänzt. Die Inhalte der Leitlinie wurden von
einem repräsentativ ausgewählten Expertengremium der Deutschen Atemwegsliga aus wissenschaftlich
und klinisch aktiven Internisten und Pneumologen sowie niedergelassenen Fachärzten
diskutiert. Eine Rohfassung der Leitlinie wurde durch den federführenden Autor erstellt
und von den Mitgliedern des Expertenkomitees kritisch kommentiert.
Eine verbesserte Fassung wurde analog einem Delphi-Verfahren einem Kreis von Pneumologen
in Praxis und Klinik, aber auch Hausärzten und niedergelassenen Internisten mit der
Bitte um eine Stellungnahme zugeleitet. Die Zusatzinformationen wurden durch den federführenden
Autor zusammengefasst.
Eine optimierte Fassung der Leitlinie wurde dann unter Moderation eines unabhängigen
Vertreters der AWMF in einer Konsensuskonferenz am 26. und 27. 10. 2001 diskutiert.
Zu dieser Konferenz wurden alle an der Versorgung der COPD-beteiligten Gruppierungen
eingeladen. Die Teilnehmer sind in Appendix B genannt.
Während der Konferenz wurden für wesentliche Entscheidungsprozesse in Diagnostik und
Therapie relevante Algorithmen entwickelt. Diese wurden in Expertenkreisen diskutiert
und in einem weiteren Delphi-Prozess bis zur endgültigen Konsensusfindung bearbeitet.
Die Endfassung der Leitlinien wurde den Vorständen der Deutschen Atemwegsliga und
der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und vor Publikation unabhängigen Gutachtern
zugeleitet.
Sponsoring
Sponsoring
Die Deutsche Atemwegsliga wurde von Ärzten mit dem Ziel gegründet, die Versorgung
von Patienten mit Lungenkrankheiten in Deutschland zu verbessern. Ihre Arbeit erfolgt
in Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie. Die Mitglieder der Deutschen
Atemwegsliga sind überwiegend Internisten und Ärzte für Allgemeinmedizin, zu einem
geringeren Anteil auch Patienten und/oder deren Angehörige. Der Vorstand besteht aus
in Praxis und Klinik tätigen Pneumologen sowie pneumologisch tätigen Kinderärzten.
Die Geschäftsstelle der Deutschen Atemwegsliga wird aus Mitgliedsbeiträgen sowie aus
Beiträgen eines Fördervereins finanziert. Dem Förderverein gehören 19 führende Pharma-Unternehmen
an. Kommentare von Repräsentanten der Firmen wurden bei der Entwicklung der Leitlinie
in dem vom Vorstand der Atemwegsliga benannten unabhängigen Expertengremium diskutiert
und bewertet.
Für die Teilnehmer des ersten Expertentreffens zur Erstellung der COPD-Leitlinien
wurden seitens der Deutschen Atemwegsliga Reisekosten erstattet, ebenso für einzelne
Teilnehmer der Konsensuskonferenz.
Die Geschäftsstelle der Deutschen Atemwegsliga sorgt für den Versand der bisher erstellten
Fassungen der Leitlinien und war bezüglich der Konferenzen organisatorisch tätig.
Strategien zur Verbreitung und Implementierung der Leitlinie
Strategien zur Verbreitung und Implementierung der Leitlinie
Die vorliegende Leitlinie zur Behandlung von Patienten mit COPD soll in den Fachzeitschriften
für Allgemeinärzte, Internisten und Pneumologen publiziert werden. Außerdem kann die
Leitlinie über die Geschäftsstelle der Deutschen Atemwegsliga bezogen werden. Hierdurch
wird eine weite Verbreitung der Leitlinie unter den behandelnden Ärzten ermöglicht.
Begünstigt werden Verbreitung und Implementierung der Leitlinie durch das Angebot
von Kurzversionen für Ärzte und für Patienten, die über die Geschäftsstelle der Liga
beziehbar sind.
Alle Leitlinien können über das Internet eingesehen werden. Eine weitere Implementierung
soll dadurch erfolgen, dass die Leitlinie Grundlage der strukturierten Schulungsprogramme
für Patienten mit COPD wird.
Die Trainerseminare für die Schulung von COPD-Patienten erfolgen mit strukturierten
Schulungsprogrammen auf Basis der nationalen COPD-Leitlinie und werden ebenfalls von
der Deutschen Atemwegsliga angeboten. In überregionalen und regionalen Fortbildungen
wird die COPD-Leitlinie diskutiert. Sie soll ferner in größere Netzwerke niedergelassener
Ärzte implementiert werden und in Disease Management Programmen genutzt werden.
Weiterentwicklung der COPD-Leitlinie
Weiterentwicklung der COPD-Leitlinie
Verantwortlich für die Aktualisierung der Leitlinie ist der Vorstand der Deutschen
Atemwegsliga. Ein Update der COPD-Leitlinie ist immer dann geplant, wenn wesentliche
neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen sind, spätestens nach Ablauf
von 3 Jahren.
Definitionen
Definitionen
Die meisten Patienten mit chronischem Husten und Auswurf entwickeln keine obstruktive
Lungenerkrankung, sondern leiden an einer nicht obstruktiven chronischen Bronchitis
(„simple chronic bronchitis”).
Nach der WHO-Definition [11 ] liegt eine chronische Bronchitis vor, wenn Husten und Auswurf über wenigstens 3
Monate in mindestens 2 aufeinanderfolgenden Jahren bestehen.
Eine chronisch obstruktive Bronchitis ist durch eine permanente Atemwegsobstruktion
gekennzeichnet.
Das Lungenemphysem wird pathologisch-anatomisch definiert als irreversible Erweiterung
und Destruktion der Lufträume distal der terminalen Bronchiolen [12 ].
Es geht oft mit einer funktionell relevanten Atemwegsobstruktion einher. Zwischen
dem Ausmaß der Destruktion im alveolären Bereich und der messbaren Atemwegsobstruktion
besteht eine schlechte Korrelation. Beim Lungenemphysem ist die Gasaustauschfläche
eingeschränkt.
Der Begriff COPD (chronic obstructive pulmonary disease) umfasst eine Symptomatik
und funktionelle Beeinträchtigung der Lunge, die charakterisiert ist durch eine Kombination
aus chronischem Husten, gesteigerter Sputumproduktion, Atemnot, Atemwegsobstruktion
und eingeschränktem Gasaustausch. Die COPD lässt sich als eine Krankheit definieren,
die durch eine progrediente, nach Gabe von Bronchodilatatoren und/oder Glukokortikoiden
nicht vollständig reversible Atemwegsobstruktion auf dem Boden einer chronischen Bronchitis
und/oder eines Lungenemphysems gekennzeichnet ist.
Nicht eingeschlossen in die Diagnose COPD werden andere Ursachen einer chronischen
Atemwegsobstruktion wie Asthma, Mukoviszidose, Bronchiektasie und Bronchiolitis obliterans.
Die Einteilung von COPD-Patienten in Patientengruppen mit chronisch obstruktiver Bronchitis
mit oder ohne Lungenemphysem, ist mit einfachen Kenngrößen der Lungenfunktion häufig
schwierig, insbesondere in Frühstadien. In fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung
erscheint die Unterscheidung zwischen chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem
mittels differenzierter Lungenfunktionsanalyse und bildgebender Diagnostik auch im
Hinblick auf die optimale Nutzung vorhandener Therapieoptionen sinnvoll. Klinisch
bedeutsam ist die Differenzierung zwischen COPD und Asthma, da Ursachen, Behandlung
und Prognose beider Krankheitsbilder unterschiedlich sind.
Epidemiologie und sozialökonomische Bedeutung
Epidemiologie und sozialökonomische Bedeutung
Valide Angaben zur Prävalenz der COPD in Deutschland liegen nicht vor. Die Prävalenz
der chronischen Bronchitis wird bei der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland auf
10 bis 15 % [13 ] geschätzt. Der Anteil der chronisch obstruktiven Bronchitis - Husten, Auswurf und
Atemwegsobstruktion - an der Gesamtprävalenz ist nicht genau bekannt.
Querschnittsuntersuchungen in Deutschland haben gezeigt, dass bei etwa 14 % der erwachsenen
Bevölkerung mit einer Einschränkung der Lungenfunktion zu rechnen ist [13 ]. Lebensqualität und Prognose der Erkrankung werden durch die obstruktive Ventilationsstörung
nachhaltig negativ beeinflusst.
In den offiziellen deutschen Sterbestatistiken nimmt die chronische Bronchitis mit
10 000 Männern und Frauen im Jahr [14 ] keinen vorderen Platz ein. Da sich diese Zahlen aber auf globale Angaben aus den
Totenscheinen und den ICD 9-Ziffern 490 (Bronchitis, nicht als akut oder chronisch
bezeichnet) und 491 (chronische Bronchitis) beziehen, ist eine erhebliche Unterschätzung
der Bronchitis-Mortalität zu unterstellen.
Weltweit ist die COPD gegenwärtig die vierthäufigste Todesursache. Für die nächsten
Jahrzehnte ist ein weiterer Anstieg von Prävalenz, Morbidität und Mortalität zu erwarten
[15 ]
[16 ], so dass die COPD im Jahre 2020 unter den häufigsten Todesursachen auf den 3. Platz
und bezüglich der Krankheitsfolgen - gemessen an der Summe aus den Jahren, die durch
vorzeitigen Tod verloren gegangen sind, und aus den Jahren, die mit einer schweregradgewichteten
Behinderung (DALY: disability adjusted life year) gelebt wurden - von Rang 12 auf
Rang 5 der 15 weltweit häufigsten Erkrankungen vorrücken wird.
Unbestritten ist die enorme sozioökonomische Bedeutung der COPD. Krankenhausstatistiken
weisen seit 1996 für alle obstruktiven Atemwegserkrankungen 2,7 Mio. Krankenhaustage
in Deutschland auf, der weitaus größte Teil dürfte zulasten der chronischen Bronchitis
und ihrer Folgen gehen. Hochgerechnet aus den Angaben der AOK verursacht die chronische
Bronchitis jährlich etwa 25 Mio. Arbeitsunfähigkeitstage [13 ]; die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten betragen, zurückhaltenden Schätzungen zufolge,
etwa 5,93 Mrd. € [13 ]. Nach einer prospektiven Krankheitskostenstudie an 785 COPD-Patienten fallen hochgerechnet
direkte Kosten von 4,50 Mrd. € und indirekte Kosten von 3,94 Mrd. € durch die COPD
in Deutschland an. Den größten Anteil der direkten Kosten nehmen hierbei mit 41,4
% die Arzneimittelkosten ein, gefolgt von den Kosten für Hospitalisierung mit 31,6
% und den Kosten für ärztliche Leistungen mit 20,6 % [17 ].
Bei den indirekten Kosten bildet die Arbeitsunfähigkeit mit einem Anteil von 45,8
% den größten Kostenblock, gefolgt von den Pflegekosten mit 21,7 %.
Verlauf der Erkrankung
Verlauf der Erkrankung
Der Krankheitsverlauf der COPD ist durch eine progrediente Verschlechterung der Lungenfunktion
und eine zunehmende Beeinträchtigung des Befindens gekennzeichnet, insbesondere auch
hervorgerufen durch rezidivierende Exazerbationen.
Management der COPD
Management der COPD
Wesentlich für das Management der COPD [2 ] sind:
eine exakte Diagnose als Grundlage einer effektiven und differenzierten Therapie
präventive Maßnahmen, insbesondere die Ausschaltung von Risikofaktoren
die Langzeittherapie
die Behandlung akuter Exazerbationen
Ziele eines effektiven Managements sind:
Verminderung der Progression der Erkrankung
Symptomlinderung
Steigerung der körperlichen Belastbarkeit
Verbesserung des Gesundheitsstatus und der Lebensqualität
Vorbeugung und Behandlung von Exazerbationen
Vorbeugung und Behandlung von Komplikationen
Reduktion der Mortalität
Die Frühdiagnostik der COPD wird dadurch erschwert, dass Patienten mit leicht- oder
sogar mittelgradiger COPD die progrediente Belastungsdyspnoe infolge körperlicher
Schonung nicht als störend empfinden und sich daher einer für die Besserung der Prognose
möglicherweise wichtigen Frühdiagnostik und frühzeitigen Therapie entziehen.
Der Nutzen von lungenfunktionsanalytischen Screening-Untersuchungen in der Allgemeinbevölkerung
oder bei Rauchern ist allerdings nicht gesichert. Wesentlich ist, bei der Angabe von
chronischem (morgendlichen) Husten und/oder Auswurf sowie Vorliegen von Risikofaktoren
(Tab. [2 ]) die Verdachtsdiagnose „COPD” zu stellen und abzuklären.
Tab. 2 Risikofaktoren für die Entwicklung der COPD
genuine Faktoren
genetische Prädisposition (z. B. Alpha-1-Protease-Inhibitor-Mangel [18 ]), bronchiale Hyperreaktivität [19 ], Störungen des Lungenwachstums [20 ]
[21 ]
[22 ]
[23 ]
erworbene Faktoren
inhalativer Tabakkonsum [24 ]
[25 ]
[26 ]
[27 ]
[28 ]
[29 ], berufsbedingte Stäube (Appendix A), allgemeine Luftverschmutzung [30 ]
[31 ], häufige Atemwegsinfektionen in der Kindheit [31 ]
Die Therapieziele können meist in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung und
der Komorbidität in unterschiedlichem Ausmaß erreicht werden. Bei Erstellung eines
individuellen Therapieplanes sind Nutzen und Risiken der Behandlungsmaßnahmen für
den Betroffenen zu beachten, auch die direkten und die indirekten Kosten.
Prinzipiell ist eine Reduktion der Behandlungsmaßnahmen bei Kontrolle der Symptomatik
für COPD-Patienten zu erwägen, etwa das Absetzen von Glukokortikoiden bei fehlendem
Nachweis ihres Nutzens in der Langzeittherapie.
Infolge einer progredienten Verschlechterung des Befindens und der Lungenfunktion
ist allerdings häufig eine Intensivierung der medikamentösen und nichtmedikamentösen
Therapiemaßnahmen notwendig.
Wesentlich sind auch die Vorbeugung und adäquate Behandlung akuter Exazerbationen,
um das Auftreten von Komplikationen und um kostenintensive Hospitalisationen zu minimieren.
Diagnostik
Diagnostik
Leitsätze:
Die Diagnose der COPD basiert auf der Angabe charakteristischer Symptome, von Risikofaktoren
und dem lungenfunktionsanalytischen Nachweis einer nicht vollständig reversiblen Atemwegsobstruktion.
Wichtigster Risikofaktor in Deutschland ist das Zigarettenrauchen.
Bei Patienten mit chronischem Husten und Auswurf sollte eine Lungenfunktionsprüfung
durchgeführt werden, auch dann, wenn sie keine Atemnot verspüren.
Für die Diagnosestellung und für die Abschätzung des Schweregrades ist die Spirometrie
die am besten validierte lungenfunktionsanalytische Methode.
Zur weiteren Differenzierung der Atemnot sowie zur Differenzierung von chronisch obstruktiver
Bronchitis und Lungenemphysem haben sich die Ganzkörperplethysmographie sowie die
Bestimmung der CO-Diffusionskapazität bewährt.
Bei allen Patienten mit einer ausgeprägten Belastungsdyspnoe, stark eingeschränkter
FEV1 oder klinischen Zeichen einer Rechtsherzbelastung sollten eine Bestimmung der 6-min-Gehstrecke
sowie eine arterielle Blutgasanalyse in Ruhe und ggf. unter körperlicher Belastung
durchgeführt werden.
Die Diagnose COPD ist bei allen Patienten mit Husten, Auswurf, Atemnot und/oder Vorhandensein
typischer Risikofaktoren (Tab. [2 ]) in Erwägung zu ziehen. Die Diagnose wird durch den Nachweis einer nicht vollständig
reversiblen Atemwegsobstruktion gesichert.
Untersuchungsmethoden
Untersuchungsmethoden
Anamnese
Chronischer Husten ist oft das Initialsymptom der COPD [32 ]. Er kann initial intermittierend, im Verlauf ständig morgens, später auch tagsüber
vorhanden sein.
Gelegentlich entwickelt sich eine Atemwegsobstruktion auch ohne Husten. Jede Form
chronischen Auswurfs kann ein Indikator der COPD sein. Häufig suchen Patienten aber
erst wegen Atemnot, die sich zunächst unter Belastung, später in Ruhe bemerkbar macht,
den Arzt auf. Bei Progression der Krankheit nimmt die Atemnot zu. Engegefühl im Thorax
und pfeifende Atemgeräusche können auch bei COPD-Patienten vorhanden sein.
Die Anamnese sollte bei Verdacht auf COPD folgende Angaben enthalten:
Exposition gegenüber Tabakrauch und anderen Risikofaktoren (Tab. [2 ])
Angaben über Asthma, Allergien, Sinusitiden, Nasenpolypen, Atemwegsinfekte und andere
Atemwegserkrankungen
Lungenkrankheiten in der Familienanamnese
Berufsanamnese
Verlauf und Intensität der Symptomatik
Häufigkeit und Schwere von Exazerbationen sowie frühere Krankenhausaufenthalte
Komorbidität (Herzerkrankungen u. a.)
gegenwärtige Medikation
Beeinträchtigung im Alltag
soziale Anamnese
Möglichkeiten zur Reduktion/Beseitigung von Risikofaktoren
Störungen der Atmung im Schlaf
körperliche Belastbarkeit
Im Falle einer Belastungsdyspnoe sind Lungenkrankheiten mit restriktiver Ventilationsstörung,
Stenosen im Bereich der zentralen Atemwege, Lungenembolien und andere Formen der pulmonalen
Hypertonie sowie nicht pulmonale Ursachen wie Übergewicht, Trainingsmangel, Herzerkrankungen,
eine Hyperthyreose, eine metabolische Azidose oder eine schwere Anämie differenzialdiagnostisch
zu berücksichtigen.
Körperliche Untersuchung
Bei Patienten mit geringer Ausprägung der COPD kann der körperliche Untersuchungsbefund
unauffällig sein.
Bei mittelschwerer Erkrankung können die Kennzeichen der Obstruktion mit verlängertem
Exspirium, Giemen, Pfeifen und Brummen feststellbar sein wie auch eine Lungenüberblähung
mit tief stehendem, wenig verschieblichem Zwerchfell und hypersonorem Klopfschall.
Die schwere COPD ist durch folgende Merkmale aus Anamnese und körperliche Untersuchung
gekennzeichnet:
Zeichen der chronischen Lungenüberblähung mit abgeschwächtem Atemgeräusch, leisen
Herztönen, Fassthorax und inspiratorischen Einziehungen im Bereich der Flanken
pfeifende Atemgeräusche, insbesondere bei forcierter Exspiration
Zeichen der Sekretansammlung im Anhusteversuch
zentrale Zyanose
Konzentrationsschwäche und verminderte Vigilanz
Gewichtsverlust
periphere Ödeme
Zeichen der pulmonalen Hypertonie mit präkordialen Pulsationen, betontem Pulmonalklappenschlusston,
einer Trikuspidalklappeninsuffizienz mit einem Systolikum über dem 3. bzw. 4. ICR
rechts parasternal
Lungenfunktionsdiagnostik
In allen Verdachtsfällen und bei allen Schweregraden der COPD sowie zur Differenzialdiagnose
der Dyspnoe sollte eine Lungenfunktionsanalyse durchgeführt werden. Die Diagnose COPD
basiert auf der Feststellung einer Atemwegsobstruktion.
Der Nachweis kann mittels Spirometrie, Analyse von Fluss-Volumen-Diagrammen oder der
Ganzkörperplethysmographie erfolgen.
Von den verfügbaren Kenngrößen der Obstruktion sind die Messung der 1-Sekunden-Kapazität
(FEV1 ), der inspiratorischen Vitalkapazität (VC ) und die Bestimmung des Verhältnisses FEV1 /VC die mit der höchsten Evidenz gesicherten Kenngrößen zur Charakterisierung der COPD
und zur Beurteilung des natürlichen Verlaufs der Erkrankung sowie des Ansprechens
auf eine Therapie mit Bronchodilatatoren (Evidenzgrad A).
Normale Werte der FEV1 /VC schließen die Diagnose COPD in der Regel aus, nicht jedoch die Zugehörigkeit zu
einer Risikogruppe. Bei einzelnen Patienten mit einem Lungenemphysem, das an erhöhten
Werten der funktionellen Residualkapazität (FRC) bzw. des intrathorakalen Gasvolumens
(ITGV), einer Erniedrigung der CO-Diffusionskapazität (DLCO), häufig ausgeprägt verminderten
Werten der maximalen Atemstromstärken nach Ausatmung von 50 und 75 % der Vitalkapazität
(MEF 50, MEF 25) erkennbar ist, liegt keine Einschränkung der FEV1 /VC vor.
Neuere Untersuchungen belegen, dass durch Messungen der inspiratorischen Einsekundenkapazität
(FIV1 [33 ]) und der inspiratorischen Kapazität (IC [34 ]
[35 ]
[36 ]) wertvolle zusätzliche Informationen über die funktionelle Beeinträchtigung des
Patienten mit COPD gewonnen werden können, die mit dem Ausmaß der Dyspnoe besser korrelieren
als die FEV1 .
Peak-Flow-Werte von mehr als 80 % des Sollwertes schließen eine leichtgradige COPD
nicht aus. Im Allgemeinen resultiert aus der Peak-Flow-Messung eine Unterschätzung
des Schweregrades der COPD. Die Messung der Peak-Flow-Werte ist für das Monitoring
der COPD weniger geeignet als für das Asthma, zumal bei Exazerbationen der COPD die
Zunahme der Beschwerden dem Abfall der Peak-Flow-Werte vorangeht [37 ].
Reversibilitätstests mit Bronchodilatatoren
Die Messung der Reaktion der Atemwegsobstruktion auf Bronchodilatatoren (kurzwirksame
Beta-2-Sympathomimetika, Anticholinergika) ist vor allem zur Differenzialdiagnose
zwischen Asthma und COPD notwendig. Die nach Inhalation von Bronchodilatatoren bestimmte
FEV1 ist einer der besten Prädiktoren der Langzeitprognose [38 ]
[39 ]. Sie sollte wegen ihrer besseren Reproduzierbarkeit gegenüber dem Peak-Flow als
Kenngröße zur Beurteilung des COPD-Schweregrades bevorzugt werden.
Die Untersuchungen sollten nach Möglichkeit in klinisch stabilem und infektfreiem
Zustand des Patienten durchgeführt werden. Kurz wirksame Beta-2-Sympathomimetika sollten
mindestens 6 Stunden, Anticholinergika 6 - 12 Stunden, langwirksame Beta-2-Sympathomimetika
12 Stunden, retardierte Theophyllinpräparate 24 Stunden vor der Untersuchung abgesetzt
werden.
Die Messungen der FEV1 erfolgen vor und 15 Minuten nach Inhalation eines kurzwirksamen Beta-2-Sympathomimetikums
(z. B. 200 µg Salbutamol oder 200 µg Fenoterol oder 500 µg Terbutalin) bzw. vor und
30 Minuten nach Inhalation eines Anticholinergikums (z. B. 80 µg Ipratropiumbromid).
Ein Anstieg der FEV1 um mehr als 200 ml und um mindestens 15 % gegenüber dem Ausgangswert gilt als relevant
[40 ]
[41 ]. Wegen des individuell unterschiedlichen Ansprechens sollte der für die Dauertherapie
verordnete Bronchodilatator ausgetestet werden. Eine fehlende Reversibilität schließt
allerdings einen späteren positiven Effekt dieser Medikamente, insbesondere bezüglich
einer Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit, einer Abnahme der Lungenüberblähung
oder der Belastungsdyspnoe nicht aus [42 ]
[43 ]
[44 ]
[45 ].
Bei Verlaufsuntersuchungen können Reversibilitätstests auch ohne vorheriges Absetzen
der medikamentösen Therapie der Bronchialobstruktion Informationen über eine aktuell
erreichbare Steigerung der Bronchodilatation ermöglichen.
Reversibilitätstests mit Glukokortikoiden
Glukokortikoide können zeitlich limitiert sowohl bei der differenzialdiagnostisch
schwierigen Abgrenzung zwischen Asthma und COPD als auch zur Beurteilung der Wirksamkeit
einer Langzeittherapie mit inhalativen Glukokortikoiden bei Patienten mit COPD eingesetzt
werden.
Reversibilitätstests mit Glukokortikoiden zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung
zwischen Asthma und COPD
Die Reaktion der postbronchodilatatorischen FEV1 auf Glukokortikoide in einer stabilen Phase der Erkrankung kann durch eine 2 - 3-wöchige
orale Applikation von täglich 20 - 40 mg Prednisolon ermittelt werden oder durch eine
nebenwirkungsärmere 2 × tägliche Inhalation von 1000 µg Beclometasondipropionat (BDP)
oder einer äquivalenten Dosis von Budesonid, Flunisolid, Fluticason oder in FKW-gelöstem
BDP über mindestens 4 Wochen. Die Kriterien für ein Ansprechen der FEV1 entsprechen denjenigen bei der Applikation von Bronchodilatatoren.
Dieser Test sollte bei allen Patienten durchgeführt werden, bei denen die Abgrenzung
zwischen Asthma und COPD problematisch ist. Asthmatiker sprechen auf diese Kurzzeittherapie
mit Glukokortikoiden regelhaft gut an, COPD-Patienten nur in 10 - 20 % [46 ]. Bei Ansprechen der FEV1 sollte der Patient mit inhalativen Glukokortikoiden behandelt werden.
Prüfung der Wirksamkeit einer Langzeit-Therapie mit inhalativen Glukokortikoiden
Der einfachste Weg, COPD-Patienten zu identifizieren, die auf eine Behandlung ansprechen,
ist ein Behandlungsversuch mit inhalativen Glukokortikoiden in einer Tagesdosis von
1000 µg BDP oder äquivalenten Dosierungen von Budesonid, Flunisolid, Fluticason bzw.
in FKW-gelöstem BDP. Eine positive Reaktion kann anhand einer Zunahme der postbronchodilatatorischen
FEV1 um mindestens 200 ml und 15 % gegenüber dem Ausgangswert [47 ], einer Besserung der Symptomatik und/oder einer Steigerung der Belastbarkeit (6-Minuten-Gehtest,
Ergometrie mit Borg-Skala) innerhalb von 3 Monaten beurteilt werden. Nur bei Ansprechen
auf diese Probetherapie sollte der Patient mit einem inhalativen Glukokortikoid in
der Langzeittherapie behandelt werden.
Bei Patienten der Risikogruppe bzw. beim leichten Schweregrad der COPD ist der Test
zur Prüfung der Wirksamkeit von Glukokortikoiden in der Langzeittherapie nicht erforderlich,
da die Effizienz inhalativer Glukokortikoide bei COPD-Patienten dieser Schweregrade
bisher nicht belegt ist.
Weitere Lungenfunktionstests
Bei Patienten mit leichtgradiger COPD ist die zusätzliche Bestimmung weiterer Kenngrößen
der Lungenfunktion nicht indiziert. Bei Patienten der Schweregrade II und III (s.
Schweregradeinteilung) oder bei Patienten, die nicht in der Lage sind, auswertbare
forcierte Atemmanöver durchzuführen, sind neben der Spirometrie zusätzliche Messverfahren
sinnvoll: die Bestimmung der von der Mitarbeit des Patienten weniger abhängigen ganzkörperplethysmographischen
Messgrößen (Raw: Atemwegswiderstand; ITGV: intrathorakales Gasvolumen) zum Nachweis
einer Obstruktion (Raw) und einer Überblähung (ITGV), die Bestimmung der arteriellen
Blutgase in Ruhe und unter Belastung zum Nachweis einer latenten Störung des respiratorischen
Gasaustausches und zur Beurteilung der Indikation einer Sauerstofftherapie unter körperlicher
Belastung sowie die Messung der CO-Diffusionskapazität zur Abschätzung der funktionellen
Auswirkungen eines Lungenemphysems.
Arterielle Blutgasanalyse
Eine arterielle Hypoxämie und eine Hyperkapnie werden bei Patienten mit schwerer COPD
häufig angetroffen. Eine respiratorische Insuffizienz liegt bei PaO2 -Werten < 8,0 kPa (60 mmHg) mit oder ohne Hyperkapnie (PaCO2 > 6,0 kPa [45 mm Hg]) bei Atmung von Raumluft vor. In einem Präschock- oder Schockzustand
muss die arterielle Blutgasanalyse über eine arterielle Punktion erfolgen.
Die Pulsoxymetrie ersetzt die direkte Analyse der arteriellen Blutgase aus dem hyperämisierten
Kapillarblut des Ohrläppchens nicht, insbesondere nicht bei klinischer Verschlechterung
des Patienten oder beim Auftreten von Komplikationen, da sie keine Auskunft über den
CO2 -Partialdruck gibt. Die Pulsoxymetrie ist als Verlaufsparameter zur Kontrolle der
Oxygenierung geeignet, da bei Werten über 90 % eine Gefährdung durch eine kritische
Hypoxämie auszuschließen ist [48 ]. Bei Werten zwischen 92 und 96 % ist infolge der Streuung der Methode eine zuverlässige
Beurteilung einer Gasaustauschstörung erschwert.
CO-Diffusionskapazität
Die Bestimmung der CO-Diffusionskapazität wird üblicherweise nach der single breath-Methode
durchgeführt. Sie ist eine zur Analyse der Funktionseinschränkung beim Lungenemphysem
wichtige Kenngröße [49 ], deren Messwerte mit dem pathologisch-anatomischen Schweregrad eines Lungenemphysems
gut übereinstimmen [50 ]
[51 ]
[52 ].
Belastungstests
Kontrollierte Belastungstests können bei COPD-Patienten zur Differenzierung verschiedener
Ursachen der Belastungsdyspnoe, zur Quantifizierung der eingeschränkten Belastbarkeit,
zur Auswahl eines individuell abgestuften Trainingsprogramms und zur Beurteilung von
Therapieeffekten bezüglich des Einsatzes von Bronchodilatatoren [35 ] wie auch von körperlichen Trainingsprogrammen in der pneumologischen Rehabilitation
eingesetzt werden.
Für die Routinediagnostik bei Patienten der Risikogruppe sind sie entbehrlich. Die
Auswahl der Belastungstests, Belastungsprotokolle sowie die Auswahl der Kenngrößen
zur Beurteilung der Belastbarkeit sind den Empfehlungen der DGP zur Durchführung und
Beurteilung von Belastungstests in der Pneumologie zu entnehmen [53 ].
Röntgenaufnahmen der Thoraxorgane
Eine Röntgenuntersuchung der Thoraxorgane ist bei der Erstdiagnostik sinnvoll und
sollte in 2 Ebenen durchgeführt werden, damit Emphysemblasen identifiziert und bedeutsame
weitere Erkrankungen, wie z. B. das Bronchialkarzinom oder eine Lungenstauung, erkannt
werden können. Sie trägt zur Diagnose der COPD durch Ausschluss anderer Erkrankungen
mit ähnlicher Symptomatik bei, ist aber nicht in der Lage, ein leichtgradiges Lungenemphysem
zu erfassen [54 ].
Computertomographie des Thorax
Das hochauflösende Computertomogramm des Thorax (HR-CT) kann zur Quantifizierung von
Ausmaß und Verteilung eines Lungenemphysems genutzt werden und ist zur Charakterisierung
ausgeprägter Lungenemphyseme, insbesondere vor operativen Eingriffen, etwa der Lungenvolumenreduktion
oder der Resektion von Bullae [55 ], notwendig. Bei Patienten mit COPD ohne Emphysemhinweis ist diese Untersuchung entbehrlich.
Bei häufigen Exazerbationen ist das HR-CT hilfreich zum Nachweis von Bronchiektasen
und beeinflusst damit die Entscheidung über den Einsatz von Antibiotika.
Elektrokardiogramm
Das EKG liefert Informationen über das Vorliegen einer koronaren Herzkrankheit und
von Herzrhythmusstörungen, ist jedoch eine insensitive Methode zur Abschätzung einer
Hypertrophie des rechten Ventrikels [56 ]. Gleichwohl können bei chronischem Cor pulmonale typische Zeichen der Rechtsherzbelastung
gefunden werden. Ihr Fehlen schließt aber ein Cor pulmonale nicht aus.
Echokardiographie
Bei Verdacht auf ein Cor pulmonale erlaubt die Echokardiographie mit der Doppler-
und Farbdopplertechnik häufig eine valide Abschätzung der pulmonalen Hypertonie und
der Dimensionen des rechten Ventrikels. Indikationen, Durchführung der Untersuchung,
Auswahl geeigneter Kenngrößen zur Beurteilung eines Cor pulmonale und der pulmonalen
Hypertonie sind den Empfehlungen der DGP zur Echokardiographie [57 ] zu entnehmen.
Laboruntersuchungen
Bei Exazerbationen ist die Bestimmung der BSG, des Blutbildes und des CRP im Serum
sinnvoll. Bei Polyglobulie ist eine arterielle Blutgasanalyse indiziert. Bei Patienten
mit Zeichen eines Lungenemphysems im Alter unter 45 Jahren sollte eine Screening-Untersuchung
bezüglich eines Alpha-1-Protease-Inhibitor-Mangels durchgeführt werden.
Sputumdiagnostik
Eine mikrobiologische Sputumdiagnostik ist bei akuten Exazerbationen in der Regel
entbehrlich. Hauptindikationen zur Durchführung [58 ] sind:
fehlendes Ansprechen auf eine kalkulierte antiinfektiöse Therapie nach 72 Stunden
häufige akute Schübe von Bronchialinfekten
bekannte Bronchiektasie
immunkompromittierte Patienten
Zur Sputumabgabe sollte möglichst das Morgensputum, nach Spülung des Mund-Rachen-Raumes
mit klarem Wasser genutzt werden. Das Sputum sollte möglichst rasch innerhalb von
2 - 4 Stunden im bakteriologischen Labor bearbeitet werden. Ein Transport ist auch
bei Kühlung (4 °C) nur dann zu empfehlen, wenn die Zeit zwischen Gewinnung und Verarbeitung
des Sputums 4 Stunden nicht überschreitet.
Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf COPD
Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf COPD
In Abb. [2 ] ist ein Algorithmus zum Einsatz der genannten diagnostischen Verfahren in der Diagnostik
und Differenzialdiagnostik der COPD sowie der Differenzierung zwischen chronisch obstruktiver
Bronchitis und Lungenemphysem (Evidenzgrad C) dargestellt.
Abb. 2 Diagnostik der COPD. Der Algorithmus beschreibt die differenzierte Abklärung der COPD.
GKP: Ganzkörperplethysmographie. Raw: Gesamtatemwegswiderstand. FRC: funktionelle
Residualkapazität. BGA: arterielle Blutgasanalyse. DLCO: CO-Diffusionskapazität. KCO:
CO-Transferkoeffizient (DLCO/VA). VA: alveoläres Volumen. COB: chronisch obstruktive
Bronchitis.
Zur initialen Diagnostik, die vom niedergelassenen Allgemeinarzt oder Internisten
durchgeführt werden kann, gehören die Ananmnese, die körperliche Untersuchung, eine
Thoraxaufnahme in 2 Ebenen und die Spirometrie. Reversibilitätstests mit Bronchodilatatoren
bzw. Glukokortikoiden erlauben häufig die Differenzierung zwischen Asthma und COPD.
Wenn Atemnot angegeben wird, obwohl die Messwerte für absolute und relative Sekundenkapazität
im Normbereich liegen, können die Ganzkörperplethysmographie (GKP) durch die Bestimmung
des Atemwegswiderstandes (Raw) und des intrathorakalen Gasvolumens (ITGV) wertvolle
Informationen liefern. So finden sich gelegentlich auch ohne FEV1 -Erniedrigung erhöhte Werte des ITGV als Hinweis auf eine COPD. Auch die Reaktion
auf Bronchodilatatoren kann insbesondere bei Patienten mit COPD und Lungenemphysem
anhand der Änderung des ITGV besser beurteilt werden als mit der FEV1 [59 ]. Außerdem ist die ganzkörperplethysmographisch bestimmte Resistance im Gegensatz
zur FEV1 eine valide Kenngröße zur Beurteilung der Dauerbelastung der Atempumpe bei Patienten
mit COPD [60 ]. Daher sollte der Patient mit einer chronischen Bronchitis und Atemnot bei normalen
Werten in der Spirometrie initial mindestens einmal ganzkörperplethysmographisch untersucht
werden. Die Analyse der arteriellen Blutgase wird zur Charakterisierung unklarer Atemnot
unter Belastung eingesetzt, für ein adäquates Management der respiratorischen Insuffizienz
bei COPD ist sie unentbehrlich.
Die Bestimmung der CO-Diffusionskapazität (DLCO) und des CO-Transfer-Koeffizienten
(KCO) dient der Differenzierung zwischen chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem
(Evidenzgrad C [61 ]). Ganzkörperplethysmographie, arterielle Blutgasanalyse in Ruhe und unter Belastung
sowie die Messung des CO-Transfers sind beim niedergelassenen Pneumologen und in den
Fachabteilungen der Krankenhäuser etabliert.
Schweregradeinteilung der stabilen COPD
Schweregradeinteilung der stabilen COPD
Die Schweregradeinteilung soll als Orientierung für ein adäquates Management genutzt
werden (Tab. [3 ]).
Tab. 3 Schweregradeinteilung der COPD [2 ]
Schweregrad
Kriterien
III (schwer)
- FEV1 < 30 % S, FEV1 /VC < 70 % - FEV1 < 50 % S und respir. Insuffizienz oder Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz
II (mittelgradig)
- 30 % S ≤ FEV1 < 80 % S, FEV1 /VC < 70 % - mit/ohne chronische Symptome (Husten, Auswurf, Dyspnoe)
I (leichtgradig)
- FEV1 ≥ 80 % S, FEV1 /VC < 70 % - mit/ohne Symptomatik (Husten, Auswurf)
O (Risikogruppe)
- normale Spirometrie - chronische Symptome (Husten, Auswurf)
Anmerkung: Für die Schweregradeinteilung gelten die Messwerte der FEV1 nach Bronchodilatation.
Risikogruppe (Schweregrad 0)
Diese Patientengruppe ist durch chronischen Husten und/oder Auswurf bei Vorliegen
von Risikofaktoren für die Entwicklung einer COPD (Tab. 2 ) charakterisiert.
Die spirometrischen Kenngrößen der Obstruktion liegen im Normbereich.
Bestehen Beschwerden und die Exposition gegenüber Risikofaktoren fort, sollte 1 ×
pro Jahr die Lungenfunktion überprüft werden, um eine Obstruktion möglichst frühzeitig
zu erfassen (Evidenzgrad D).
Leichtgradige COPD (Schweregrad I)
Der Schweregrad I ist durch eine leichte Atemwegsobstruktion charakterisiert (FEV1 /VC < 70 %, aber FEV1 ≥ 80 % S), in der Regel bestehen chronischer Husten und Auswurf. Atemnot wird häufig
noch nicht bemerkt. Bei diesem Schweregrad ist die Einschränkung der Lungenfunktion
dem Patienten nicht immer bewusst.
Mittelgradige COPD (Schweregrad II)
Der Schweregrad II ist durch eine Zunahme der Atemwegsobstruktion charakterisiert
mit FEV1 -Werten zwischen 30 % und weniger als 80 % des Sollwertes (S) und geht mit einer Progression
der Symptomatik (Husten, Auswurf, Belastungsdyspnoe) einher.
Schwere COPD (Schweregrad III)
Patienten diesen Schweregrades sind durch eine ausgeprägte Atemwegsobstruktion mit
einer FEV1 < 30 % S gekennzeichnet. Das Ausmaß der Dyspnoe korreliert allerdings nicht oder
nur schwach mit dem funktionsanalytisch bestimmten Schweregrad der Atemwegsobstruktion
[62 ], insbesondere im höheren Lebensalter [63 ].
Bei Vorliegen einer respiratorischen Insuffizienz oder klinischen Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz
gehören Patienten bereits mit einer FEV1 < 50 % S zum Schweregrad III.
Häufig suchen die Patienten den Arzt auf anlässlich einer akuten respiratorischen
Insuffizienz im Rahmen einer Exazerbation infolge eines Bronchialinfektes oder mit
Komplikationen, insbesondere einem dekompensierten Cor pulmonale. Arterielle Hypoxämie,
häufig vergesellschaftet mit einer Hyperkapnie, ein Cor pulmonale sowie periphere
Ödeme als Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz kennzeichnen das Spätstadium der Erkrankung.
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnose
Die für das Management der COPD wichtigste Differenzialdiagnose ist das Asthma bronchiale.
Charakteristische Merkmale beider Erkrankungen sind in Tab. [4 ] gegenübergestellt.
Tab. 4 Differenzialdiagnose: Asthma - COPD
Merkmal
Asthma
COPD
Alter bei Erstdiagnose
variabel, häufig: Kindheit, Jugend
meist 6. Lebensdekade
Tabakrauchen
kein direkter Kausalzusammenhang; Verschlechterung durch Tabakrauchen möglich
direkter Kausalzusammenhang
Hauptbeschwerden
anfallsartig auftretende Atemnot
Atemnot bei Belastung
Verlauf
variabel, episodisch
progredient
Allergie
häufig
selten
Obstruktion
variabel
persistierend
Reversibilität der Obstruktion
> 20 % FEV1
< 15 % FEV1
bronchiale Hyperreaktivität
regelhaft vorhanden
gelegentlich
Ansprechen auf Kortison
regelhaft vorhanden
gelegentlich
Bei einigen Patienten mit chronischem Asthma ist eine eindeutige Unterscheidung von
der COPD aufgrund bildgebender Verfahren oder der Lungenfunktionsanalyse nicht möglich.
In solchen Fällen sollte die Behandlung wie bei einem Asthma bronchiale erfolgen.
Weitere Differenzialdiagnosen sind die chronische Herzinsuffizienz und die Bronchiektasie.
An relevanter Komorbidität der COPD sind die koronare Herzkrankheit mit und ohne Linksherzinsuffizienz
sowie das Bronchialkarzinom zu nennen, die mit einer adäquaten Diagnostik erfasst
werden müssen.
Verlaufsuntersuchungen
Verlaufsuntersuchungen
Die COPD ist eine progrediente Erkrankung. Symptome und Kenngrößen der Atemwegsobstruktion
sollten mindestens 1 × pro Jahr vom Facharzt überwacht werden, damit Verschlechterungen
bzw. Komplikationen erkannt und behandelt werden können (Evidenzgrad D). Diese Verlaufskontrolle
sollte auch unter dem Aspekt der Kostendämpfung in der Langzeittherapie die Überprüfung
der Medikation unter Einschluss der Verordnung von Sauerstoff beinhalten.
Die Messung der arteriellen Blutgase sollte bei progredienter Dyspnoe bzw. einer Einschränkung
der FEV1 auf weniger als 40 % des Sollwertes oder bei klinischen Zeichen einer respiratorischen
Insuffizienz oder einer Rechtsherzinsuffizienz durchgeführt werden. In der Routinediagnostik
ist die Messung der Druckverhältnisse im kleinen Kreislauf entbehrlich.
Bei jeder haus- oder fachärztlichen Kontrolluntersuchung sollten die Dosierung und
die unerwünschten Wirkungen der Medikamente besprochen, die Inhalationstechnik und
der Einsatz nicht medikamentöser Therapiemaßnahmen überprüft werden.
Wesentlich ist die Dokumentation der Häufigkeit und des Schweregrades der Exazerbation.
Zunahme der Sputummenge, Auftreten eines purulenten Sputums und akute Atemnot sollten
ebenso registriert werden wie die Notwendigkeit einer Steigerung der Medikation mit
Bronchodilatatoren oder Glukokortikoiden sowie der Einsatz von Antibiotika. Schließlich
sollten die Hospitalisationen bezüglich Frequenz und Dauer unter Einschluss der Notfallbehandlungen
dokumentiert werden.
Therapie
Therapie
Der Behandlungsplan umfasst die Prävention, die medikamentöse Therapie, die Schulung
mit dem Ziel, den Patienten aktiv an der Bewältigung seiner Krankheit zu beteiligen
(ärztlich kontrollierte Selbstmedikation), die Physiotherapie, körperliches Training,
Ernährungsberatung, apparative Therapieoptionen sowie bei ausgeprägtem Lungenemphysem
operative Behandlungsmaßnahmen (Tab. [5 ]) und das Management akuter Exazerbationen.
Tab. 5 Therapieoptionen bei COPD
Prävention
medikamentöse Behandlung
nicht medikamentöse Behandlung
apparative/operative Behandlung
Raucherentwöhnung
Beta-2-Sympathomimetika Anticholinergika
körperliches Training
Langzeit-O2 -Therapie
Schutzimpfungen
Theophyllin
Patientenschulung
nichtinvasive Beatmung
Arbeitsplatzhygiene
Glukokortikoide Mukopharmaka Antibiotika
Physiotherapie Ernährungsberatung
Emphysemchirurgie Lungentransplantation
Einsatz und Auswahl der Therapieoptionen haben die Kooperationsbereitschaft des Patienten
zu berücksichtigen.
Prävention
Prävention
Leitsätze
Die Reduktion inhalativer Noxen ist vorrangiges Ziel, um die Entwicklung und die Progression
der COPD zu verhindern. Wichtigste Maßnahme ist der Verzicht auf Tabakrauchen (Evidenzgrad
A).
Multimodale Raucherentwöhnungsprogramme mit Verhaltenstherapie, sozialer Unterstützung
und einer Pharmakotherapie zur Behandlung der Nikotinabhängigkeit (Bupropion, Nikotinkaugummi,
Nikotinspray, Nikotinpflaster) können die Erfolgsquoten von Entwöhnungsprogrammen
steigern (Evidenzgrad A).
Berufsbedingte Atemwegserkrankungen können durch eine Reduktion der inhalativen Noxen
vermindert werden (Evidenzgrad C).
Ziel präventiver Maßnahmen ist die Verhinderung weiterer Lungenschädigungen durch
die Beseitigung von Risikofaktoren. Zigarettenrauchen ist weltweit der wichtigste
Risikofaktor für die chronisch obstruktive Bronchitis und das Lungenemphysem (Evidenzgrad
A).
Das Fortschreiten der Atemwegsobstruktion korreliert mit der täglich konsumierten
Zigarettenzahl. Durchschnittlich kommt es bei regelmäßigem Rauchen zu einer gegenüber
dem normalen Altersgang beschleunigten FEV1 -Abnahme um ≥ 50 ml/Jahr. Nach Aufgabe des Rauchens kann die weitere jährliche FEV1 -Abnahme auf das bei Nichtrauchern übliche Maß (ungefähr 25 ml/Jahr) reduziert werden.
Prävention des Tabakrauchens
Die Gesundheitserziehung in der Grundschule, Gesetzesinitiativen und Informationen
sind wesentliche Komponenten einer erfolgreichen Verhinderung des Tabakrauchens.
Verzicht auf Tabakrauchen
Der Verzicht auf Tabakrauchen ist die effektivste Einzelmaßnahme zur Reduktion des
COPD-Risikos und der Progression der Erkrankung. Selbst eine kurze Beratung (etwa
3 Minuten) führt in 5 - 10 % der Fälle [64 ] zur Aufgabe des Nikotinkonsums und sollte als Mindestmaßnahme bei jedem Kontakt
mit einem Raucher durchgeführt werden [64 ]
[65 ]. Es besteht jedoch eine enge Beziehung zwischen Intensität der Beratung zur Aufgabe
des Nikotinkonsums und dem Erfolg [66 ]
[67 ].
Raucherentwöhnung
Die Langzeitergebnisse von Raucherentwöhnungsprogrammen zeigen eine Rückfallhäufigkeit
von mehr als 80 % nach 1 Jahr [68 ]
[69 ]
[70 ]
[71 ].
Mit Hilfe verhaltenstherapeutischer Programme, nikotinhaltiger Pflaster, Sprays und
Kaugummis lässt sich die Erfolgsquote für motivierte Patienten nach 1 Jahr deutlich
steigern. In einer kontrollierten Multizenterstudie ergab die Kombination aus ärztlicher
Beratung, Raucherentwöhnung in einer Gruppe unter Einschluss von Entwöhnungstechniken
und Nikotinersatztherapie eine Aufgabe des Nikotinkonsums von 35 % der Teilnehmer
nach 1 Jahr und von 22 % nach 5 Jahren [72 ]. Wesentliche Punkte [73 ] für eine erfolgreiche Raucherentwöhnung sind:
Systematische Analyse der Rauchgewohnheiten bei jedem Patienten mit Verdacht auf chronische
Bronchitis.
Dokumentation der Empfehlung zum Rauchverzicht bei jedem Arztbesuch.
Kurze Ratschläge bezüglich der Notwendigkeit des Nikotinverzichtes und der Bewältigung
von Entwöhnungsproblemen. Hierzu gehört das Erkennen von potenziellen Rückfallsituationen,
etwa durch Zeitdruck, schlechte Stimmung oder das Zusammensein mit Rauchern.
Das Führen von Tagebüchern über die Situationen, bei denen Patienten ihre Zigarette
anzünden mit dem Ziel, verhaltenstherapeutische Maßnahmen zum Verzicht auf Nikotin
in diesen Situationen einzuleiten.
Weiterleitung von Informationen zur Raucherentwöhnung an andere Betreuer. Vereinbarung
eines Entwöhnungsdatums mit Kontrolluntersuchungen im Verlauf.
Information des Patienten darüber, dass eine langsame Reduktion der Anzahl der Zigaretten
in der Regel erfolglos ist, da dieses häufig durch die tiefere Inhalation mit längeren
Atemanhaltephasen kompensiert wird.
Berücksichtigung von Nikotinkaugummis, -Hautpflastern/und -Sprays sowie Bupropion
[74 ]
[75 ] zur Behandlung von Entzugssymptomen.
Ermutigung des Patienten zu erneuten Entwöhnungsversuchen auch bei Fehlschlägen, da
ein langzeitiger Verzicht von Nikotin häufig erst nach 3 - 4 Entwöhnungsversuchen
erreicht wird.
Diese Maßnahmen sind dem alleinigen ärztlichen Rat bezüglich der Erfolgsrate der Entwöhnung
überlegen [72 ]
[73 ]
[75 ]
[76 ]
[77 ].
Die Pharmakotherapie sollte in der Raucherentwöhnung eingesetzt werden, wenn die nichtmedikamentösen
Maßnahmen erfolglos sind. Alle Formen der Nikotinersatztherapie (Nikotinkaugummi,
Nikotinspray, Nikotinpflaster, sublinguale Tablette) führen zu einem höheren Langzeiterfolg
[69 ]. Die Nikotinersatztherapie ist effektiver, wenn sie mit Beratung und verhaltenstherapeutischen
Programmen kombiniert wird [78 ].
Kontraindikationen bezüglich des Einsatzes von Nikotinersatztherapien umfassen die
instabile koronare Herzkrankheit, unbehandelte Magengeschwüre, innerhalb der letzten
4 Wochen abgelaufene Herzinfarkte bzw. Schlaganfälle [68 ]. Die Behandlung mit Nikotinersatzstoffen sollte in der Regel 8 Wochen nicht überschreiten
[79 ]. In Einzelfällen kann ein über 8 Wochen hinausgehender Einsatz der Nikotinersatztherapie
zur Vorbeugung von Rückfällen sinnvoll sein. Bei der Auswahl der Applikationsform
ist das Nikotinpflaster dem Kaugummi vorzuziehen, da es weniger Training für einen
effektiven Einsatz benötigt und mit weniger Complianceproblemen verbunden ist.
Bei Einsatz des Nikotinkaugummis sollte der Patient nach dem Kauen das Gummi gegen
die Innenseite der Wange pressen, um eine optimale bukkale Absorption mit verlängerter
Freisetzung des Nikotins zu ermöglichen. 15 Minuten vor und nach Einsatz des Kaugummis
sollte er weder essen noch Kaffee oder Säfte trinken, um die Absorption des Nikotins
nicht zu reduzieren.
Bei starker Abhängigkeit des Rauchers ist zumindest initial das Kaugummi mit einer
Dosis von 4 mg Nikotin demjenigen mit einer Dosis von 2 mg vorzuziehen [80 ].
Das Antidepressivum Bupropion steigert über den Effekt von Beratung und den Einsatz
einer Nikotinersatztherapie hinaus die Entwöhnungsrate [74 ]
[75 ]. Der Einsatz von Bupropion wird allerdings durch gastrointestinale Nebenwirkungen,
gelegentlich aber auch durch Krampfanfälle limitiert. Bei schwerer Leberzirrhose bzw.
Neigung zu Krampfanfällen und schwerer instabiler koronarer Herzkrankheit sollte die
Substanz nicht eingesetzt werden.
Schutzimpfungen
Influenza-Schutzimpfung
Die Influenza-Schutzimpfung sollte jährlich bei allen Patienten mit chronischer Bronchitis
bzw. COPD im Herbst mit der jeweils aktuellen Vakzine durchgeführt werden. Die Influenza-Schutzimpfung
führt zu einer erheblichen Reduktion der Morbidität, ferner zu einer Abnahme von sekundär
auftretenden Pneumonien [81 ]
[82 ] (Evidenzgrad A).
Pneumokokkenschutzimpfung
Bisher fehlt eine eindeutige Evidenz für den positiven Effekt der Pneumokokkenschutzimpfung
bei COPD-Patienten im Hinblick auf die Reduktion von Exazerbationen [83 ]
[84 ].
Wirksam ist die Impfung gegen die bakteriämische Form der Pneumokokkenpneumonie mit
hoher Mortalität [85 ]. Allerdings ist eine erhöhte Inzidenz von Pneumokokkenpneumonien bei Patienten mit
COPD nicht gesichert [86 ].
Bei älteren, chronisch kranken Patienten mit und ohne COPD überwiegen jedoch die potenziellen
Vorteile gegenüber den Risiken der Pneumokokkenschutzimpfung [87 ].
Deshalb kann die Pneumokokkenschutzimpfung für alle COPD-Patienten empfohlen werden
(Evidenzgrad D). Eine Wiederholungsimpfung sollte im Abstand von 6 Jahren nach der
Erstimpfung durchgeführt werden [88 ].
Langzeitbehandlung der stabilen COPD
Langzeitbehandlung der stabilen COPD
Leitsätze
Die Langzeittherapie der stabilen COPD ist durch eine schrittweise Erweiterung der
Therapieoptionen in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung gekennzeichnet.
Mit keiner der vorhandenen medikamentösen Therapieansätze lässt sich die Progression
der Beeinträchtigung der Lungenfunktion beeinflussen (Evidenzgrad A). Die Pharmakotherapie
ermöglicht eine Linderung der Beschwerden, eine Besserung der körperlichen Leistungsfähigkeit,
der Lebensqualität und/oder eine Reduktion von Exazerbationen.
Bronchodilatatoren (Beta-2-Sympathomimetika, Anticholinergika und Theophyllin) sind
die Basismedikamente zur Linderung der Beschwerden bei COPD (Evidenzgrad A). Die Wahl
zwischen Beta-2-Sympathomimetika und Anticholinergika hängt vom individuellen Ansprechen
des Patienten bezüglich der Effekte und der unerwünschten Wirkungen ab (Evidenzgrad
A). Theophyllin ist effektiv in der Langzeittherapie der COPD (Evidenzgrad A), sollte
aber wegen zahlreicher Interaktionen und der relativ geringen therapeutischen Breite
als Bronchodilatator der 2. Wahl eingesetzt werden.
Eine Dauerbehandlung mit inhalativen Glukokortikoiden sollte nur bei COPD-Patienten
mit Besserung von Kenngrößen der Lungenfunktion und/oder der Symptomatik unter dieser
Therapie durchgeführt werden (Evidenzgrad B). Eine Dauerbehandlung mit systemischen
Glukokortikoiden sollte wegen der häufigen unerwünschten Effekte vermieden werden
(Evidenzgrad A).
Patienten mit COPD profitieren von körperlichem Training bezüglich Belastbarkeit und
Linderung von Dyspnoe und Ermüdbarkeit (Evidenzgrad A).
Die Langzeit-Sauerstofftherapie über 16 - 24 Stunden am Tag bei Patienten mit chronischer
respiratorischer Insuffizienz verbessert die Prognose der Patienten (Evidenzgrad A).
Die Patientenschulung ist ein wichtiges Therapieelement für alle Schweregrade der
Erkrankung, da sie zu einer Steigerung der Effizienz des Managements wesentlich beiträgt
(Evidenzgrad B).
Eine effiziente Langzeitbetreuung bedarf einer eng verzahnten Versorgung durch Hausarzt,
Facharzt, Akutkrankenhaus/Fachklinik sowie stationärer und ambulanter Rehabilitation
(Evidenzgrad D).
Ziele der Pharmakotherapie sind die Besserung der Symptome Husten und Auswurf, eine
Zunahme der körperlichen Leistungsfähigkeit und eine Steigerung der Lebensqualität
durch eine Abnahme der krankheitsbedingten Beeinträchtigung sowie die Prävention und
Reduktion von Exazerbationen.
Eine Normalisierung der Lungenfunktion ist bei Patienten mit COPD nicht zu erwarten.
Falls sich die Lungenfunktion unter einer Therapie normalisiert, muss die Diagnose
COPD revidiert werden. Meist handelt es sich in solchen Fällen um ein infektinduziertes
Asthma. Weder für Bronchodilatatoren noch für inhalative Glukokortikoide ist eine
Besserung der Prognose nachgewiesen [72 ]
[89 ]
[90 ]
[91 ]
[92 ]
[93 ].
Husten und Auswurf bessern sich nach Ausschalten exogener Noxen, insbesondere nach
Aufgabe des Nikotinkonsums. Die Dyspnoe von Patienten mit COPD wird oft durch Beta-2-Sympathomimetika,
Anticholinergika und Theophyllin günstig beeinflusst.
Bei ungenügendem Effekt ist ein Therapieversuch mit inhalativen Glukokortikoiden indiziert.
Wahl, Dosierung und die häufig vorteilhafte Kombination von Bronchodilatatoren sollen
individuell unter Berücksichtigung des Schweregrades der Erkrankung sowie von Wirksamkeit
und Verträglichkeit erfolgen. Der Stufenplan für die Langzeittherapie ist in Tab.
[6 ] dargestellt.
Tab. 6 Stufenplan für die Langzeittherapie der COPD
Schweregrad
medikamentöse Therapie
nicht medikamentöse Therapie
III
zusätzlich prüfen, ob eine Langzeit-O2 -Therapie angezeigt ist
weitere Möglichkeiten: Heimbeatmung Emphysemchirurgie Lungentransplantation
II
↑ bei fehlender Besserung
↑
Therapieversuch mit ICS über 3 Monate, Weiterverordnung bei nachgewiesenem Therapieeffekt ↑ zusätzlich Theophyllin ↑ Beta-2-Sympathomimetika und/oder Anticholinergika
zusätzlich Rehabilitation: körperliches Training Physiotherapie adäquate Ernährung
I
↑ bei Bedarf Beta-2-Sympathomimetika und/oder Anticholinergika
zusätzlich: Patientenschulung Schutzimpfungen
Risikogruppe
keine Medikation
Risikofaktoren meiden (Raucherentwöhnung)
ICS: Inhalative Glukokortikoide
Tab. 7 Dosierungen und Wirkdauer der wesentlichen Bronchodilatatoren in der Langzeittherapie
der COPD
Medikament
Dosieraerosola / Pulverinhalator (g)
Vernebler (mg)a
Tablette (mg)
Wirkdauer (h)
Beta2 -Agonisten:
Fenoterol
100 - 200
0,2 - 0,4
-
4 - 6
Salbutamol
100 - 200
1,25 - 2,5
4 - 8
4 - 6c
Terbutalin
500
2,5 - 10
2,5 - 7,5
4 - 6c
Bambuterol
-
-
10
24
Formoterol
12 - 24
-
12
Salmeterol
50 - 100
-
12
Anticholinergika:
Ipratropiumbromid
20 - 40/200
0,25 - 0,5
-
6 - 8
Oxitropiumbromid
100 - 200
-
7 - 9
Tiotropriumbromid
18
-
-
24
Methylxanthineb :
Theophyllin (SR)
-
-
100 - 500
Variabel (≤ 24)
Kombinationspräparate
Fenoterol + Ipratropiumbromid
50/20 - 100/40
0,05/0,025 - 0,1/0,05
6 - 8
a: Mittlere Dosen pro Inhalation für kurz wirksame Beta2 -Agonisten (4 Inhalationen pro Tag bei Dauermedikation), lang wirksame Präparate (2
Anwendungen pro Tag) und Anticholinergika (1 bis 4 Inhalationen pro Tag) b: Für Theophyllin
ist eine Dosistitration entsprechend der Serumkonzentration und in Abhängigkeit unerwünschter
Effekte erforderlich. c: Wirkdauer der Tabletten infolge der speziellen Galenik deutlich
länger als 6 Stunden
Wirksamkeitskriterien zur Beurteilung des Therapieerfolges sind die Beeinflussung
des Befindens (Gesundheitsstatus, Lebensqualität), der Symptome (Atemnot in Ruhe und/oder
bei Belastung), Husten, Auswurf), der körperlichen Belastbarkeit sowie von Kenngrößen
der Lungenfunktion (FEV1 , Resistance, intrathorakales Gasvolumen, Residualvolumen, arterielle Blutgase).
Bronchodilatatoren
Bronchodilatatoren sind die Basistherapie des symptomatischen Patienten mit COPD.
Durch Reduktion des Bronchialmuskeltonus und damit des Atemwegswiderstandes und durch
Abnahme der Lungenüberblähung führen sie zu einer Symptomlinderung. Die inhalative
Applikation ist der oralen Applikation vorzuziehen, da mit geringeren Dosen gleiche
Effekte erreicht werden und damit weniger unerwünschte Wirkungen in Kauf genommen
werden müssen. Bei allen inhalativ verabreichten Bronchodilatatoren muss die Inhalationstechnik
mit dem Patienten eingeübt und im Therapieverlauf überprüft werden (Tab. [7 ]).
Bei fehlendem Ansprechen auf Bronchodilatatoren sollte die Zuverlässigkeit der Medikamenteneinnahme
unter Einschluss der Inhalationstechnik geprüft werden. Bei unzureichender Inhalationstechnik
auch nach einem entsprechenden Training ist die Auswahl eines anderen Applikationssystems,
gegebenenfalls der Einsatz einer Inhalationshilfe sowie die Anwendung eines Verneblers
zu prüfen [94 ]. Für Patienten, die trotz entsprechender Anweisung und Anwendung von Inhalationshilfen
eine effektive Inhalationstechnik nicht erlernen können, stehen Vernebler zur Verfügung,
über die Beta-2-Sympathomimetika und/oder Anticholinergika appliziert werden können.
Gelingt eine effektive Inhalation auch mit Hilfe von Verneblern nicht, können orale
Beta-2-Sympathomimetika in Retardform eingesetzt werden. Sollte die Medikation nicht
zu einer Besserung der Symptomatik und/oder der Lungenfunktion führen, ist die Umsetzung
auf einen anderen Bronchodilatator zu versuchen. Bei regelmäßiger Anwendung von Bronchodilatatoren
sind kurzwirksame Substanzen billiger, aber wegen der erforderlichen viermaligen Gabe
pro Tag bezüglich der Therapietreue ungünstiger als langwirksame Substanzen mit 1
- 2-maliger täglicher Einnahme.
Beta-2-Sympathomimetika
Die Inhalation kurzwirksamer Beta-2-Sympathomimetika mittels Dosier-Aerosol oder Pulver
ist die Basistherapie bei akuter Atemnot. Trotz gewisser Bedenken bezüglich der Effekte
einer Dauermedikation mit kurzwirksamen Beta-2-Sympathomimetika spricht die gegenwärtig
vorliegende Studienlage nicht gegen einen derartigen Einsatz bei COPD [93 ]
[95 ], da bisher kaum Hinweise auf das Auftreten einer klinisch relevanten Tachyphylaxie
dokumentiert sind.
Lang wirksame Beta-2-Sympathomimetika (Salmeterol, Formoterol) mit einer Wirkdauer
von mindestens 12 Stunden führen zu einer Reduktion der Atemnot am Tage und in der
Nacht [96 ]
[97 ]
[98 ] zu einer Besserung der Lungenfunktion [99 ], zu einer Steigerung der Lebensqualität [100 ] und einer Reduktion von Exazerbationen [282 ].
An unerwünschten Wirkungen von Beta-2-Sympathomimetika sind vor allem Herzrhythmusstörungen
(Vorhofflattern, ventrikuläre Extrasystolie, supraventrikuläre Tachykardien), in seltenen
Fällen Angina pectoris sowie Palpitationen zu nennen, insbesondere bei Vorliegen einer
chronischen Hypoxämie [101 ]. Eine meist leicht beherrschbare Hypokaliämie kann auftreten.
Insbesondere bei Patienten mit Herzinsuffizienz und koronarer Herzkrankheit und Neigung
zu Herzrhythmusstörungen sollte der Einsatz von Beta-2-Sympathomimetika unter sorgfältiger
Kontrolle von Arrhythmien und koronaren Ischämiezeichen erfolgen.
Anticholinergika
Anticholinergika (Ipratropiumbromid, Oxitropiumbromid, Tiotropiumbromid) erweitern
die Bronchien, vermindern die Schleimsekretion, verringern das Dyspnoe-Empfinden,
bessern die körperliche Leistungsfähigkeit [35 ] und reduzieren Exazerbationen [102 ]
[103 ] bei Patienten mit COPD. Die volle Wirkung kurzwirksamer Anticholinergika (Ipratropiumpromid,
Oxitropiumpromid) tritt erst 20 - 30 Minuten nach Inhalation ein, hält aber länger
an als die der kurzwirksamen Beta-2-Sympathomimetika, weshalb bei regelmäßiger Medikation
eine 2 - 3-malige Anwendung pro Tag empfohlen wird.
Die meisten klinischen Untersuchungen zeigen bei Vergleich der kurzwirksamen Beta-2-Agonisten
mit den kurzwirksamen Anticholinergika eine ähnlich gute Wirkung [104 ]
[105 ], nach einigen Studien sogar einen besseren Langzeiteffekt der Anticholinergika [106 ]
[107 ]. Die einzige klinisch relevante unerwünschte Wirkung ist Mundtrockenheit.
Tiotropiumbromid, ein langwirksames Anticholinergikum, führt zu einer Bronchodilatation
bei COPD-Patienten, die über 24 Stunden anhält [108 ]
[109 ], und wird deshalb einmal täglich appliziert. Langzeitstudien mit Tiotropiumbromid
zeigen gegenüber Plazebo eine signifikant bessere Bronchodilatation, eine Reduktion
von Atemnot, Exazerbationen und Hospitalisationen sowie eine Steigerung der Lebensqualität
[110 ]. Im Vergleich zu Ipratropiumbromid (4 × 40 µg/Tag) erweist sich Tiotropiumbromid
(1 × 18 µg/Tag) bezüglich der Beeinflussung o. a. Wirksamkeitskriterien als überlegen
([111 ], Evidenzgrad B).
Theophyllin
Theophyllin ist ein schwächerer Bronchodilatator als ein Anticholinergikum oder ein
Beta-2-Sympathomimetikum [112 ]
[113 ]. Bei Dosierungen im oberen therapeutischen Bereich (10 - 15 mg/l) werden auch positive
Effekte auf die Symptomatik und die Belastbarkeit der COPD-Patienten berichtet [114 ]
[115 ]
[116 ]
[117 ]. Neben der Bronchodilatation werden bei Patienten mit COPD eine Steigerung der Atemmuskelkraft
[117 ] sowie eine Zunahme der Ejektionsfraktion des rechten Ventrikels beobachtet, deren
klinische Bedeutung für die Langzeitbehandlung allerdings kontrovers diskutiert wird.
Für die Langzeittherapie sind ausschließlich Theophyllinpräparate mit verzögerter
Wirkstofffreisetzung (Retardpräparate) geeignet. Limitierend für die Anwendung sind
die Häufigkeit unerwünschter Effekte [118 ], die geringe therapeutische Breite und die Abhängigkeit der Theophyllinclearance
von zahlreichen Einflussgrößen. So steigern das Tabakrauchen, proteinreiche Kost und
einige Medikamente (z. B. Rifampicin) die Theophyllinclearance, während andere, z.
B. einige Antibiotika (Ciprofloxacin, Erythromycin, Clarithromycin, Roxithromycin),
Cimetidin, Allopurinol, aber auch Leberkrankheiten, die Herzinsuffizienz, Pneumonien
und Virusinfekte zu einer Reduktion der Theophyllinclearance führen. Gelegentliche
Blutspiegelbestimmungen dienen der Überprüfung der gewählten Dosierung und der Patientencompliance.
Die Blutentnahme sollte 12 Stunden nach der letzten Einnahme erfolgen. Für COPD-Patienten
ist ein Blutspiegelbereich zwischen 10 und 15 mg/l anzustreben. Wesentliche unerwünschte
Effekte der Theophyllintherapie sind Übelkeit, Schlafstörungen, Muskelkrämpfe, eine
Hypokaliämie und tachykarde Herzrhythmusstörungen, die gelegentlich schon bei Serumkonzentrationen
im therapeutischen Bereich auftreten können.
Etwa die Hälfte der Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis profitiert von
einer Theophyllintherapie [119 ]. Die geeignete Methode, diese „Responder” zu identifizieren, ist der Auslassversuch
über 3 Tage nach vorheriger Theophyllinbehandlung. In einer stabilen Krankheitsphase
wird Theophyllin abgesetzt. Nur dann, wenn im Verlauf der folgenden 1 - 3 Tage die
Dyspnoe zunimmt bzw. sich die Funktionswerte verschlechtern, ist eine Langzeittherapie
gerechtfertigt. Andernfalls kann auf die ständige Theophyllingabe verzichtet werden.
Kombinationen von Bronchodilatatoren
Die Kombination aus kurzwirksamem Beta-2-Sympathomimetikum und Anticholinergikum [106 ]
[120 ] bzw. Theophyllin [121 ] hat gegenüber den Einzelsubstanzen einen additiven bronchodilatatorischen Effekt
(Evidenzgrad A). Ein äquivalenter therapeutische Effekt kann auch durch Dosissteigerung
eines Bronchodilatators erreicht werden, wenn unerwünschte Wirkungen diese Dosiserhöhung
nicht limitieren. Kontrollierte Studien zur Bewertung dieser beiden therapeutischen
Alternativen liegen nicht vor.
Bei älteren Patienten mit unerwünschten Effekten nach Inhalation von Beta-2-Sympathomimetika
(Tremor, Tachykardie) kann durch Reduktion des Beta-2-Sympathomimetikums bei zusätzlicher
Gabe eines Anticholinergikums eine nebenwirkungsärmere Behandlung erreicht werden.
Außerdem lässt sich durch Kombination eines Anticholinergikums mit einem kurzwirksamen
Beta-2-Sympathomimetikum gegenüber dessen alleiniger Gabe die Exazerbationsrate senken
[26 ]
[42 ].
Die Kombination aus Beta-2-Sympathomimetikum mit einem Anticholinergikum und/oder
Theophyllin kann zusätzlich zu Besserungen der Lungenfunktion [106 ]
[120 ]
[123 ] und des Gesundheitsstatus [45 ]
[103 ] beitragen. Gewöhnlich erhöht die Anzahl der Medikamente allerdings die Therapiekosten
und verschlechtert die Compliance. Durch die Kombination von Formoterol mit Ipratropiumbromid
ließen sich auch die Symptomescores günstig beeinflussen [123 ], während die Kontrolle der Symptome bei additiver Gabe von Ipratropiumbromid zu
Salmeterol nicht verbessert werden konnte [122 ].
Inhalation mit Verneblern
Die subjektiv empfundene Zunahme der Wirksamkeit bei akuter Atemnot [124 ] von Beta-2-Sympathomimetika oder Anticholinergika beim Einsatz über Vernebler bzw.
mittels intermittierender Überdruckinhalation (IPPB) liegt an einer höheren Deposition
der Wirkstoffe in den unteren Atemwegen, vor allem aber daran, dass die Wirkstoffe
in Inhalationslösungen meist höher dosiert sind als in Dosieraerosolen oder Pulverinhalatoren.
Vorteile einer dauerhaften Therapie mit Verneblern gegenüber Dosier-Aerosolen oder
Pulverinhalatoren sind nicht belegt.
Wenn sich bei einer Probetherapie über 2 Wochen eine Besserung, z. B. durch eine signifikante
Zunahme der mittleren, täglich gemessenen Peak-Flow-Werte oder anderer Kenngrößen
der Lungenfunktion zeigt, können Bronchodilatatoren auch dauerhaft über Vernebler
in der Langzeit-Therapie eingesetzt werden [125 ]. Als Nachteile der Inhalationstherapie mit Verneblern sind die Notwendigkeit der
Wartung und Desinfektion des Inhaliergerätes und die deutlich höheren Therapiekosten
zu nennen. Im Allgemeinen benötigen Patienten in der stabilen Phase der Erkrankung
keine Vernebler zur Dauermedikation, es sei denn, dass die Inhalationstechnik nicht
adäquat erlernt werden kann.
Glukokortikoide
Glukokortikoide werden in der Behandlung der COPD in großem Umfang eingesetzt. Ihre
Wirksamkeit ist aber nur für die Therapie der Exazerbationen gut belegt.
Eine klinisch relevante Hemmung chronischer Entzündungsprozesse bei COPD ist ebenso
wenig eindeutig gesichert wie eine Besserung von Kenngrößen der Lungenfunktion [126 ]
[127 ].
Inhalative Glukokortikoide
Inhalative Glukokortikoide werden bei Patienten mit obstruktiven Lungenkrankheiten
häufig ohne eine klare Differenzierung zwischen Asthma und COPD eingesetzt. Findet
sich bei Patienten mit COPD eine asthmatische Komponente, etwa mit Vorliegen einer
bronchialen Hyperreaktivität und einem Anstieg der FEV1 um mehr als 15 % bzw. 200 ml gegenüber dem Ausgangswert nach mindestens 2 - 4-wöchiger
Applikation von Glukokortikoiden (Reversibilitätstest, siehe Diagnostik), sollten
diese Patienten wie Asthmatiker behandelt werden.
Bei Patienten mit COPD ohne positiven Reversibilitätstest nach Inhalation von Bronchodilatatoren
sind nach jüngst publizierten Langzeituntersuchungen [89 ]
[90 ]
[91 ]
[92 ] keine erkennbaren positiven Effekte inhalativer Glukokortikoide auf die jährliche
Abnahme der FEV1 vorhanden.
Bei symptomatischen COPD-Patienten der Schweregrade II und III ist eine Dauertherapie
mit inhalativen Glukokortikoiden indiziert, wenn sich die Lungenfunktion und/oder
die klinische Symptomatik während eines Behandlungsversuchs über 3 Monate bessern.
Für COPD-Patienten dieser Schweregrade konnte in einer Studie auch eine Reduktion
von Exazerbationen durch den Einsatz inhalativer Steroide gezeigt werden (Evidenzgrad
B, [91 ]).
Klare Dosis-Wirkungsbeziehungen sind für inhalative Glukokortikoide bei COPD nicht
bekannt. Bei Langzeitanwendung höherer Dosierungen ist gehäuft mit Mundsoor zu rechnen
und auch mit einer Abnahme der Knochendichte [92 ].
Systemische Glukokortikoide
Eine Langzeit-Therapie mit oralen Glukokortikoiden wird bei der COPD nicht empfohlen
(Evidenzgrad A) [127 ]
[128 ].
Wegen der gelegentlich schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen darf die Indikation
nur dann gestellt werden, wenn positive Effekte eindeutig dokumentiert sind. Es handelt
sich in diesen Fällen um Patienten mit einer Asthma-Komponente. Besonders zu beachten
ist die Steroidmyopathie, die schon bei relativ geringen Tagesdosen (< 10 mg Prednisolonäquivalent)
auftreten und die Entwicklung einer respiratorischen Insuffizienz begünstigen kann
[128 ]
[129 ]. Dosisabhängig ist mit einer erhöhten Letalität zu rechnen [130 ].
Kombination aus langwirksamen Beta-2-Sympathomimetika und Glukokortikoiden
Kombinationspräparate aus Salmeterol/Fluticason und Formoterol/Budesonid sind erst
seit kurzer Zeit in der Therapie der obstruktiven Lungenkrankheiten verfügbar. Ihr
Stellenwert in der Langzeit-Therapie der COPD kann gegenwärtig nicht mit hinreichender
Validität beurteilt werden. Zu berücksichtigen ist, dass nur ein geringer Teil der
COPD-Patienten von einer Langzeitbehandlung mit inhalativen Glukokortikoiden profitiert.
Falls beide Einzelsubstanzen bei einem Patienten mit COPD indiziert sind, ist der
Einsatz des Kombinationspräparates gegenüber dem Einsatz der einzelnen Substanzen
mit zwei Inhalatoren wegen der einfacheren Handhabung vorteilhaft.
Mukopharmaka
Die Indikation zum Einsatz von Mukopharmaka zur besseren Sekretelimination sollte
kritisch gestellt werden und sich an dem subjektiven Therapieerfolg orientieren. N-Acetylcystein,
Ambroxol, Cineol und Myrthol können bei einigen Patienten mit viskösem Sekret hilfreich
sein (Evidenzgrad D).
Nach mehreren kontrollierten Studien [131 ]
[132 ]
[133 ]
[134 ]
[135 ]
[136 ]
[137 ]
[138 ]
[139 ] sowie Meta-Analysen [140 ]
[141 ]
[142 ] findet sich bei prophylaktischer Gabe in Tagesdosen von 400 - 1200 mg Acetylcystein
eine Reduktion (20 - 25 %) akuter Exazerbationen während der Wintermonate. Eine Reduktion
von Exazerbationen und Beschwerden wurde auch für die 6-monatige orale Gabe von 75
mg Ambroxol bei Patienten mit COPD beschrieben [143 ]. Mukopharmaka können somit bei Patienten mit COPD und gehäuft auftretenden Exazerbationen
prophylaktisch in den Herbst- und Wintermonaten eingesetzt werden (Evidenzgrad B).
Falls nach einjähriger Therapie keine Reduktion der Exazerbationshäufigkeit feststellbar
ist, sollte das Mukopharmakon abgesetzt werden.
Eine Steigerung der Expektoration lässt sich durch die Inhalation von Beta-2-Sympathomimetika
(ggf. in Kombination mit physiologischer oder hypertoner Kochsalzlösung) und durch
Theophyllin erzielen. Eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr fördert die Expektoration nur
bei dehydrierten Patienten. Die Empfehlung großer Trinkmengen ist nicht gerechtfertigt.
Sie kann der Dekompensation eines chronischen Cor pulmonale bzw. einer bereits bestehenden
Ödemneigung Vorschub leisten (Evidenzgrad D).
Immunmodulatoren
Nach einer kürzlich publizierten doppelblind-plazebokontrollierten, randomisierten
Studie führte die Gabe eines Immunmodulators (lyophilisierter normierter Bakterienextrakt)
bei COPD-Patienten, nicht zu einer Abnahme der Häufigkeit von Exazerbationen, aber
von deren Schweregrad und damit auch zu einer Reduktion der exazerbationsbedingten
Krankenhausaufenthalte [144 ]. Da weitere Studien mit ähnlich gutem Design, vergleichbar großen Patientenzahlen
und Dokumentation von Langzeitverläufen zum Einsatz von Modulatoren des Immunsystems
bei COPD-Patienten fehlen, kann gegenwärtig die regelmäßige Anwendung von Immunmodulatoren
nicht generell empfohlen werden [145 ].
Antitussiva
Husten kann Patienten mit COPD stark beeinträchtigen. Bei zunehmendem nicht produktiven
Husten sind Antibiotika nicht indiziert. Patienten mit hustenbedingter Störung der
Nachtruhe profitieren von der abendlichen Gabe ausreichend hoch dosierter Antitussiva
(z. B. 60 mg Codein, 20 mg Paracodein). Die potenziell atemdepressive Wirkung mancher
Antitussiva ist bei Patienten mit respiratorischer Globalinsuffizienz zu beachten.
Gegebenenfalls kann die Hustendämpfung mit codeinfreien Antitussiva (z. B. Clobutinol,
Noscapin) erfolgen.
Wegen des protektiven Effektes eines erhaltenen Hustenreflexes [146 ] - besonders wichtig bei Hyperkapnie - kann die regelmäßige Einnahme von Antitussiva
bei Patienten mit stabiler COPD nicht empfohlen werden. Ihr Einsatz sollte auf maximal
3 Wochen beschränkt bleiben (Evidenzgrad D). Insbesondere sollten bei Zunahme des
Hustens im Rahmen von schweren Exazerbationen der COPD deren Ursachen behandelt und
Codein bzw. Narkotika vermieden werden, um eine Atemdepression und die hiermit verbundene
Verschlechterung der Hyperkapnie zu vermeiden.
Atemstimulanzien
Die in früheren Zeiten häufiger gebräuchlichen Atemstimulanzien Doxapram und Almitrin
sollten angesichts nachgewiesener unerwünschter Effekte bei stabiler COPD nicht eingesetzt
werden (Evidenzgrad B) [147 ]
[148 ]
[149 ].
Analgetika (Morphin)
Der Einsatz von Morphin kann bei schwerer Dyspnoe zur Linderung beitragen. Wegen bedeutsamer,
unerwünschter Effekte (u. a. Atemdepression) sollte der Einsatz auf wenige, besonders
beeinträchtigte Patienten mit schwerer Atemnot und Hyperventilation beschränkt und
unter stationären Bedingungen eingeleitet werden ([150 ]
[151 ]
[152 ]
[153 ]
[154 ]
[155 ], Evidenzgrad C).
Weitere Therapieoptionen
In Anbetracht unzureichender Daten kann der Einsatz von Antileukotrienen, Nedocromil,
DNCG sowie homöopathischen Therapieverfahren gegenwärtig nicht empfohlen werden.
Substitutionstherapie bei Alpha-1-Protease-Inhibitor-Mangel
Patienten mit angeborenem Alpha-1-Protease-Inhibitor(Alpha-1-PI)-Mangel entwickeln
häufig, insbesondere bei chronischem Tabakkonsum, frühzeitig ein Lungenemphysem. Die
Substitution des fehlenden Glykoproteins kann das bestehende Ungleichgewicht von Proteasen
und Antiproteasen ausgleichen. Haupteffekt der Substitution ist eine Verlangsamung
der Emphysemprogredienz, erkennbar an einer geringeren jährlichen Abnahme der FEV1 [156 ]
[157 ]
[158 ].
Eine Substitutionsbehandlung, z. B. mit wöchentlicher i. v. Applikation von Prolastin
HS in einer Dosis von 60 mg/kg Körpergewicht, kommt unter Berücksichtigung der begrenzten
Wirkung und der hohen Therapiekosten nur bei Patienten mit homozygotem Alpha-1-PI-Mangel
(< 35 % des Normwertes), mittelgradiger Funktionseinschränkung (30 % S < FEV1 < 65 % S) und ausgeprägter jährlicher Reduktion der FEV1 (Δ FEV1 /Jahr > 50ml) in Betracht (Evidenzgrad B).
Bei Patienten mit schwerem Alpha-1-PI-Mangel und schwerer Funktionseinschränkung (FEV1 ≤ 30 % des Sollwertes) kann hingegen die Substitutionstherapie nicht generell empfohlen
werden. Ein dekompensiertes Cor pulmonale ist eine Kontraindikation für diese Substitutionstherapie.
Bei Patienten mit schwerem Alpha-1-PI-Mangel und normaler Lungenfunktion sowie jährlichem
Abfall der FEV1 von weniger als 50 ml ist die Substitutionstherapie ebenfalls nicht erforderlich.
Bei den Patienten unter Substitution sollten die Alpha-1-PI-Serumspiegel vor der nächsten
Infusion über 35 % des Normwertes liegen.
Unabhängig von einer Substitutionstherapie ist für alle Patienten mit Alpha-1-PI-Mangel
eine strikte Nikotinkarenz zu fordern. Eine Substitutionstherapie bei Rauchern ist
angesichts der Inaktivierung des Alpha-1-PI durch Zigarettenrauchen nicht zu rechtfertigen.
Eiweißunverträglichkeiten sowie ein kompletter IgA-Mangel sind Kontraindikationen
der Substitutionstherapie.
Behandlung der Osteoporose
Bei Patienten mit COPD kann sich im Krankheitsverlauf eine ausgeprägte Osteoporose
entwickeln, die durch Immobilität, mangelnde Ernährung und die langfristige Einnahme
systemischer Glukokortikoide begünstigt wird [159 ].
Zur Prophylaxe dienen eine kalziumreiche Ernährung bzw. die Gabe von 500 - 1000 mg
Kalzium und 500 - 1000 Einheiten Vitamin D3 täglich, bei Frauen in der Postmenopause ferner Östrogene. Günstig ist regelmäßige
körperliche Bewegung. Immobilen Patienten ist ein isometrisches Übungsprogramm (Osteoporose-Training)
zu empfehlen (Evidenzgrad D). Bei gefährdeten Personen kann eine Risikoabschätzung
und Therapiekontrolle mittels Osteodensitometrie erfolgen. In der Therapie der glukokortikoidinduzierten
Osteoporose ist der Einsatz auch von Bisphosphonaten erwägenswert [160 ]. Kontrollierte und randomisierte Studien für den Einsatz von Kalzium, Vitamin D,
Östrogenen und Bisphosphonaten für COPD-Patienten liegen nicht vor.
Nicht medikamentöse Therapie
Nicht medikamentöse Therapie
Ernährung
Übergewicht und Untergewicht beeinflussen Symptomatik und Prognose von Patienten mit
COPD. Die meisten Ernährungsempfehlungen basieren auf kleinen randomisierten Studien.
Etwa 25 % der Patienten mit mittelgradiger und schwerer COPD zeigen eine Reduktion
des Bodymass-Indexes und der fettfreien Masse [161 ]
[162 ]
[163 ]
[164 ]. Auch bei normalgewichtigen Patienten kann die fettfreie Masse erniedrigt sein [162 ]. Die Unterernährung wird bei Patienten mit schwerer COPD häufig angetroffen und
kann die Prognose, unabhängig vom Ausmaß der Obstruktion, beeinträchtigen [163 ]
[165 ]
[166 ]
[167 ]. Das Untergewicht korreliert bei COPD-Patienten mit Muskelschwäche [161 ], eingeschränkter Belastbarkeit [168 ] und verminderter Lebensqualität [169 ]. In einer prospektiven Untersuchung konnten bei der Mehrzahl der untergewichtigen
Patienten mittels einer hochkalorischen Nahrungszufuhr innerhalb von 8 Wochen eine
Gewichtszunahme und auch eine Besserung der Prognose erreicht werden [170 ]. Die mittels Kostaufbau mögliche Gewichtskorrektur untergewichtiger Patienten kann
zu einer Besserung der Symptome führen.
Bezüglich der Selektionskriterien der von einer Ernährungstherapie profitierenden
Patienten, der Auswirkungen einer entsprechenden, das Gewicht steigernden Kost auf
Morbidität und Lebensqualität, der optimalen Zusammensetzung der Nahrung sowie bezüglich
Kosten und Nutzen einer oralen Zusatzernährung ist die Datenlage noch unzureichend.
Sollten die Patienten infolge Atemnot zu geringe Nahrungsmengen aufnehmen, sind kleine,
häufige Mahlzeiten zu empfehlen. Falls notwendig, sollte das Gebiss saniert werden.
Bei Verlust an Muskelkraft infolge Untergewicht kann die Atemmuskelkraft durch gesteigerte
Kalorienzufuhr bei einem Teil der Patienten gebessert werden [171 ]
[172 ]
[173 ]. Meist reicht die alleinige Zufuhr von Kalorien nicht aus, sie sollte durch körperliches
Training bzw. Training der Atemmuskeln ergänzt werden. Diesbezüglich liegen jedoch
keine Studien an großen Patientenzahlen vor.
Bei übergewichtigen Patienten führt eine Gewichtsreduktion zu einer Abnahme des Energiebedarfs
bei körperlicher Belastung und damit zu einer leichteren Bewältigung der im Alltag
anfallenden körperlichen Aktivitäten. Diäten zur Gewichtsreduktion können mit einer
Beschränkung der täglichen Kalorienaufnahme auf 1200 bis 1500 Kalorien erfolgreich
durchgeführt werden.
Der Zusatz von Vitaminen oder Mineralstoffen ist bei ausgewogener Ernährung nicht
erforderlich.
Patientenschulung
Der Stellenwert der Patientenschulung im Management der COPD ist bisher nicht hinreichend
durch randomisierte kontrollierte Studien belegt. In den meisten Untersuchungen war
die Patientenschulung eine Komponente eines pneumologischen Rehabilitationsprogramms
neben körperlichem Training [177 ]. Nach den vorliegenden Untersuchungen führt die Patientenschulung allein nicht zu
einer Besserung der körperlichen Belastbarkeit [174 ]
[175 ], während eine Besserung der Lebensqualität beobachtet wurde. Die Patientenschulung
kann bei COPD-Patienten die Effizienz der Selbstmedikation mit kurzwirksamen Beta-2-Sympathomimetika
steigern [176 ].
In einer prospektiven, randomisierten, kontrollierten Studie mit einem ambulanten
strukturierten Schulungsprogramm für Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis
konnte gezeigt werden, dass zumindest bei Patienten mit leicht- und mittelgradiger
COPD im Vergleich zur Kontrollgruppe die Inhalationstechnik gebessert, die Selbstkontrolle
der Erkrankung gesteigert sowie die Zahl akuter Exazerbationen reduziert werden können
[178 ] (Evidenzgrad B).
Zu den wesentlichen Inhalten der Patientenschulung gehören für die Risikogruppe Informationen
über Risikofaktoren und deren Reduktion bzw. Elimination, insbesondere die Raucherentwöhnung.
Für die Schweregrade I und II sind das Monitoring von Symptomen, die schweregradadaptierte
Selbstmedikation, die Vorbeugung und Behandlung von Exazerbationen und Bronchialinfekten
neben korrekter Inhalationstechnik und Wissensvermittlung über die COPD sowie atemerleichternde
Stellungen wichtige Lehrinhalte.
Für den Schweregrad III kommen Informationen über Komplikationen, die apparative Therapie
mittels Langzeitsauerstoffbehandlung bzw. intermittierende Selbstbeatmung als zusätzliche
Lerninhalte in Betracht.
Die Patientenschulung für COPD-Patienten sollte die individuellen Belange des Patienten
und seine Umgebung berücksichtigen.
Die Raucherentwöhnung kann während einer pneumologischen Rehabilitation in ein multimodales
Schulungsprogramm integriert werden, in ambulanten Programmen sollte sie wegen ihres
erheblichen Zeitaufwandes separat von anderen Schulungsprogrammelementen durchgeführt
werden, um die positiven Effekte der Gruppeninteraktion nicht durch eine zu lang terminierte
Schulung mit der Schwierigkeit des Einhaltens gemeinsamer Termine aller Schulungsteilnehmer
zu gefährden.
Physiotherapie
Die physiotherapeutische Atemtherapie wird bei COPD-Patienten zur Senkung der Atemarbeit,
zum gezielten Einsatz der Atemmuskulatur, zur Verbesserung der Sekretelimination und
der Thoraxbeweglichkeit und damit zur Verbesserung des Gasaustausches eingesetzt (Evidenzgrad
C). Randomisierte kontrollierte Studien zum Stellenwert der Physiotherapie in der
Behandlung der COPD fehlen.
Mittels Relaxations- und Atemtechniken kann die Atemnot gelindert werden [179 ]. Atemerleichternde Körperstellungen, z. B. der Kutschersitz, reduzieren erhöhte
Atemwegswiderstände durch das Anheben der Atemmittellage zum Inspirium, unterstützen
die Funktion der Atemhilfsmuskulatur und entlasten den Thorax vom Gewicht des Schultergürtels.
Therapeutische Körperstellungen, z. B. Dehnlagen, Wärmeapplikation und manuelle Techniken
können zur Ökonomisierung der Atemarbeit beitragen.
Mittels exspiratorisch wirksamer Stenosen, z. B. der dosierten Lippenbremse, kann
der exspiratorische Kollaps bei tracheobronchialer Instabilität durch eine intrabronchiale
Druckerhöhung vermindert oder vermieden werden. Atemtechniken mit deutlichen atemsynchronen
Bronchialkaliberschwankungen und variierenden exspiratorischen Flüssen mit und ohne
exspiratorische Stenosen, z. B. die modifizierte autogene Drainage, stellen eine Möglichkeit
der Sekretelimination dar. Auch bieten sich Lagerungen mit Drehungen des Thorax zur
Mobilisierung von Sekret unter Nutzung der Schwerkraft an. Die Lagerungsdrainage kann
in Kombination mit Atemtechniken sowie mit Vibrationen und Kompressionen des Thorax
während der Exspiration zu einer besseren Sekretelimination führen. Die Lagerungsdrainage
sollte bei Patienten mit Sekretretention und Sputummengen von mehr als 30 ml pro Tag
eingesetzt werden [179 ]. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Messung der Sputumproduktion schwierig
ist. Bei geringeren Sputummengen liegen keine Belege dafür vor, dass die Lagerungsdrainage
bei akuten Exazerbationen [180 ] oder bei unkomplizierten Pneumonien [181 ] hilfreich ist.
Die Perkussion des Thorax wird wegen der hohen notwendigen Perkussionsfrequenz seltener
als in früheren Jahren eingesetzt [182 ].
Eine Atemtechnik, bei der die Atmung vertieft und nachfolgend bei offener Glottis
forciert ausgeatmet wird, so genanntes Huffing, ist in der Lage, Sekret aus den Bronchien
zu entfernen. Ein Halt am Ende der Inspiration für etwa 2 - 3 Sekunden erhöht die
kollaterale Ventilation [183 ].
Hilfsmittel zur Sekretelimination
Randomisierte, kontrollierte Studien zum Stellenwert von Hilfsmitteln mit und ohne
Oszillationen zur Sekretelimination liegen nicht vor. Handliche Geräte (VRP1-Flutter,
RC-Cornet-Pari-PEP-System, PEP-Maske), mit deren Hilfe ein positiver exspiratorischer
Druck (PEP) aufgebaut wird, sind auf der einen Seite in der Lage, Bronchialverschlüsse
durch Instabilität der Bronchialwand zu verhindern oder zumindest zu verringern, auf
der anderen Seite durch den Überdruck und die nachfolgende Erweiterung der Bronchien
Sekret von den Bronchialwänden zu lösen, das mittels Huffing aus dem Bronchialbaum
entfernt werden kann. Die Effektivität der Flutter ist nicht nur bei Bronchiektasie
und Mukoviszidose, sondern auch bei der COPD in Studien mit geringer Teilnehmerzahl
belegt [184 ]
[185 ] (Evidenzgrad C).
Das RC-Cornet hat gegenüber dem VRP1 den Vorteil, dass es von der Schwerkraft unabhängig
ist und somit in jeder Körperlage benutzt werden kann. Der Patient kann die für ihn
günstigste Position selbst ermitteln und einstellen [186 ]. Nachteilig sind die rasche Alterung des Schlauchmaterials und die gegenüber der
Flutter schwierigere Wartung. Zeitsparend lässt sich die Anwendung dieser Hilfsmittel
mit Inhalationen, Drainagelagerungen und weiteren physiotherapeutischen Techniken
kombinieren.
Pneumologische Rehabilitation
Hauptziele der Rehabilitation sind die Linderung der physischen und psychischen Beeinträchtigung
des Patienten, die Steigerung der Lebensqualität mit Wiederherstellung der bestmöglichen
Leistungsfähigkeit sowie die Förderung der sozialen Reintegration. Um diese Ziele
zu erreichen, bedarf es eines interdisziplinären Ansatzes unter Einbeziehung von Ärzten,
Psychologen, Physiotherapeuten und Ernährungsberatern.
Neben einer Optimierung der Pharmakotherapie sind weitere Inhalte der Rehabilitation,
insbesondere körperliches Training, Patientenschulung, Physiotherapie, Ernährungsberatung,
soziale Betreuung sowie psychosoziale Diagnostik, Beratung und Therapie. Mit Hilfe
umfassender Rehabilitationsmaßnahmen können auch Auswirkungen der COPD auf die Psyche,
etwa eine Depression, behandelt und die soziale Reintegration gefördert werden (Abb.
[3 ]).
Abb. 3 Auswirkungen der COPD auf körperliche Belastbarkeit, Lebensqualität und Psyche.
Eine Frührehabilitation beim Schweregrad I zur Aufrechterhaltung der körperlichen
und psychischen Leistungsfähigkeit sowie der beruflichen Aktivität erscheint auch
zur Verhinderung einer raschen Progression sinnvoll, wenn Aspekte der Prävention,
insbesondere die Raucherentwöhnung, eingeschlossen werden.
Effekte der pneumologischen Rehabilitation bei Patienten mit COPD
Die gesicherten Erfolge der Rehabilitation sind in Tab. [8 ] zusammengefasst. Hierbei wurden umfassende interdisziplinäre Rehabilitationsprogramme
und deren Analysen berücksichtigt [187 ]
[188 ]
[189 ]. Auswirkungen der pulmonalen Rehabilitation auf die Prognose der COPD konnten bisher
nicht gesichert werden [190 ]
[191 ]
[192 ].
Tab. 8 Gesicherte positive Effekte der pneumologischen Rehabilitation [187 ]
[188 ]
[189 ]
Nutzen
Evidenzgrad
gesteigerte körperliche Leistungsfähigkeit
A
Abnahme der Atemnot
A
Steigerung der Lebensqualität
A
Abnahme von COPD assoziierter Angst und Depression
A
Verbesserung von Kraft und Ausdauer der Armmuskeln bei gezieltem Training
B
Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Atemmuskeln bei speziellem Training der Atemmuskeln,
insbesondere in Kombination mit allgemeinem körperlichen Training
B
Besserung von psychischen Störungen Förderung durch psychosoziale Intervention
C
Auswahl der Patienten
Wesentlich für den Erfolg der pneumologischen Rehabilitation ist der motivierte Patient.
Sinnvoll sind Rehabilitationsprogramme für COPD-Patienten der Schweregrade I - III,
auch für Raucher, insbesondere dann, wenn sie an Entwöhnungsprogrammen teilnehmen.
Erfahrungsgemäß nehmen Raucher seltener als Nichtraucher das komplette Angebot eines
pulmonalen Rehabilitationsprogramms in Anspruch [193 ].
Organisation der pneumologischen Rehabilitation
In enger Abstimmung zwischen Patient, Hausarzt und Pneumologen kann eine effektive
ambulante Rehabilitation wohnortnah, z. B. nach Akutbehandlungen, durchgeführt oder
einer stationären Rehabilitation sowohl vor- als auch nachgeschaltet werden.
Ein flächendeckendes Angebot der ambulanten pneumologischen Rehabilitation für COPD-Patienten
liegt in Deutschland nicht vor.
Voraussetzung für die Einleitung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme sind ein
Antrag des Patienten sowie ein Attest des behandelnden Arztes. Die stationäre Rehabilitation
wird nach Abstimmung zwischen Patient, Hausarzt, Pneumologen und Akutklinik oder Lungenfachklinik
eingeleitet. Sie ist insbesondere bei unzureichender Besserung nach ambulanter Behandlung,
vor und nach Durchführung einer ambulanten Rehabilitation oder nach einer Krankenhausbehandlung
als Anschlussrehabilitation zu erwägen. Zur Aufrechterhaltung dauerhafter Effekte
können stationäre Rehabilitationen, die in Deutschland die größte Gewähr für eine
multimodale, vollständige Rehabilitation bieten, auch wiederholt werden.
Auch zur Aufrechterhaltung der Effekte umfassender stationärer Rehabilitationsprogramme
ist eine nachgeschaltete, ambulante wohnortnahe Rehabilitation mit Teilkomponenten
wie etwa der Bewegungstherapie im Rahmen ambulanter Lungensportgruppen, verbunden
mit Elementen der Patientenschulung, sinnvoll [194 ]
[195 ] (Evidenzgrad D). Positive Effekte bei COPD-Patienten sind sowohl für stationäre
(Evidenzgrad A) als auch für ambulante (Evidenzgrad A) Rehabilitationsprogramme dokumentiert
[196 ]
[197 ]
[198 ]
[199 ]
[200 ].
Komponenten der pneumologischen Rehabilitation
Die Inhalte der pulmonalen Rehabilitation variieren in Abhängigkeit von den bei ambulanten
bzw. stationären Programmen vorhandenen Möglichkeiten. Hauptinhalte einer intensiven
Rehabilitation sind körperliches Training, Schulung, Physiotherapie und Ernährungsberatung.
Körperliches Training
Positive Effekte werden insbesondere bei Trainingsprogrammen mit einer Dauer von 4
- 10 Wochen und einer hohen Trainingsintensität nahe der anaeroben Schwelle erzielt
[200 ]. Wesentlich ist die Fortsetzung der Bewegungstherapie nach Beendigung intensiver
stationärer Rehabilitationsprogramme im ambulanten Bereich, etwa durch Heimtraining
(Treppensteigen, Gehtraining) in Verbindung mit der Teilnahme an ambulanten Lungensportgruppen.
Das Trainingsprogramm sowie die Überwachung des körperlichen Trainings bei COPD-Patienten
sollten in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung gesteuert werden [199 ].
Eine Bewegungstherapie mit symptomlimitiertem Gehen über mindestens 20 Minuten am
Tage kann als einfache, von organisatorischen Voraussetzungen unabhängige Möglichkeit
eines Trainings empfohlen werden (Evidenzgrad D).
Isolierte Programme zum Training der Arm- oder Beinmuskulatur können bei Patienten,
die ein allgemeines körperliches Training wegen erheblicher Begleitkrankheiten nicht
durchführen können, hilfreich sein [200 ]
[201 ]. Mit derartigen Trainingsprogrammen isolierter Muskelgruppen kann deren Kraft verbessert
werden. Es liegen jedoch keine Belege dafür vor, dass ein Krafttraining der Arme zu
einer verbesserten allgemeinen Belastbarkeit oder einer höheren Lebensqualität führt
[201 ]. Ein isoliertes Training der Inspirationsmuskeln durch Atmung über Widerstände unter
Kontrolle der Atemstromstärke kann zu einer Steigerung von Atemmuskelkraft, Ausdauer
und der allgemeinen Leistungsfähigkeit führen ([202 ], Evidenzgrad B).
Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Besserung der körperlichen Belastbarkeit und
des Gesundheitszustandes nach einer einzigen Rehabilitationsmaßnahme über mehr als
ein Jahr aufrecht erhalten werden kann [199 ]
[203 ]
[204 ].
Voraussetzung ist die häusliche oder wohnortnahe Fortsetzung des körperlichen Trainings
(Evidenzgrad B). Um dies zu gewährleisten, ist ein wohnortnahes ambulantes Rehabilitationsangebot,
verbunden mit häuslichem Training, z. B. im Rahmen ambulanter Lungensportgruppen,
sinnvoll [200 ].
Kosten und Nutzen der pneumologischen Rehabilitation
Exakte Aussagen zur Kosten-Nutzen-Relation pulmonaler Rehabilitationsprogramme bei
COPD-Patienten können nicht gemacht werden. Einige Untersuchungen zeigen, dass die
Teilnahme an pulmonalen Rehabilitationsprogrammen zu Kostenersparnis durch eine geringere
Zahl von Hospitalisationen führte [205 ].
Langzeit-Sauerstofftherapie (LOT)
Die Langzeitbehandlung mit Sauerstoff ist bei Patienten mit chronischer Hypoxämie
im Stadium III der COPD nach den internationalen Empfehlungen [2 ]
[3 ]
[4 ]
[5 ]
[6 ]
[7 ] sowie den Leitlinien zur Langzeit-Sauerstoff-Therapie der DGP [206 ] indiziert (Evidenzgrad A).
Primäre Ziele sind eine Anhebung des arteriellen Sauerstoffpartialdrucks auf Werte
über 60 mm Hg, die eine adäquate Sauerstoffversorgung des Gewebes ermöglicht sowie
eine Entlastung der Atemmuskulatur durch einen bei Sauerstoffzufuhr verminderten Bedarf
an Ventilation. Die Langzeitsauerstofftherapie (LOT) führt zu einer Verbesserung der
Prognose bei Patienten mit chronischer respiratorischer Insuffizienz infolge COPD
bei Anwendung über 16 - 24 Stunden pro Tag [207 ]
[208 ] (Evidenzgrad A).
Weitere Effekte sind eine Verringerung der Progression der pulmonalen Hypertonie bei
COPD [209 ] sowie positive Auswirkungen auf Hämatokrit, Belastbarkeit [210 ], Atemmechanik und neuropsychologische Parameter [211 ]. Die Aufrechterhaltung von Kraft und Funktion der Muskulatur kann durch die Sauerstoffgabe
bei körperlicher Belastung für Patienten mit Belastungshypoxämie gefördert werden.
Die positiven Effekte der LOT sind umso ausgeprägter, je länger die tägliche Sauerstoffinsufflation
appliziert wird (Evidenzgrad A).
Bei Patienten mit schwerer respiratorischer Insuffizienz ist die Indikation für die
Langzeit-Sauerstofftherapie gegeben, wenn in der stabilen Phase der Erkrankung nach
Optimierung der Pharmakotherapie folgende Entscheidungskriterien erfüllt sind:
PaO2 ≤ 55 mm Hg mit und ohne Hyperkapnie.
PaO2 -Werte zwischen 56 mm Hg und 60 mm Hg bei Nachweis einer pulmonalen Hypertonie, peripheren
Ödemen als Hinweis auf eine Herzinsuffizienz oder Polyglobulie (Hämatokrit > 55 %).
Die Entscheidung zur LOT kann anhand der am Tage gemessenen PaO2 -Werte gefällt werden. In die Entscheidung sollten auch Messungen während des Treppensteigens
oder eines Gehtestes einfließen, da die Sauerstofftherapie zur Erleichterung der schweren
Dyspnoe bei körperlicher Belastung im Fall einer dann auftretenden Hypoxämie hilfreich
ist und über tragbare Systeme mit Einstellung höherer O2 -Flussraten unter Belastung genutzt werden kann.
Ein begrenzter Anstieg des PaCO2 auf ≤ 60 - 70 mm Hg unter Inhalation von Sauerstoff ist keine Kontraindikation gegen
die Langzeit-Sauerstofftherapie, sofern die Werte nicht stetig ansteigen. Primär hyperkapnische
Patienten zeigen sogar bessere Effekte unter der Langzeit-Sauerstoff-Therapie bezüglich
Reduktion von Morbidität und Mortalität als chronisch hypoxämische Patienten ohne
Hyperkapnie [206 ] (Evidenzgrad A).
Vorschläge zur Auswahl der Sauerstoffapplikationssysteme (Konzentrator, Flüssigsauerstoff,
Sauerstoffdruckflasche) sowie die Modalitäten der Verordnung sind den Leitlinien zur
Langzeit-Sauerstoff-Therapie [206 ] zu entnehmen, ebenso Angaben zur Auswahl geeigneter Patienten und Hinweise für die
Durchführung von Verlaufskontrollen.
Von den verfügbaren Systemen hat sich der Sauerstoff-Konzentrator gegenüber Sauerstoff-Flaschen
und Flüssigsauerstoff-Systemen als preisgünstigstes System erwiesen [211 ]
[212 ]
[213 ]. Unter Berücksichtigung der Stromkosten und der fallenden Preise für Flüssigsauerstoff-Systeme
sind Änderungen der Preisrelationen in Zukunft zu erwarten.
Bei der Verordnung muss die vom Arzt getroffene Wahl des Applikationssystems - O2 -Konzentrator für wenig bewegliche Patienten, Flüssigsauerstoffsysteme für Patienten
mit guter Mobilität - gegenüber dem Kostenträger begründet werden. Die Langzeitnutzung
durch die Patienten ist zu überprüfen.
Heimbeatmung
Bei Patienten mit COPD ist die Atemmuskulatur durch die Erhöhung der Atemarbeit schon
bei Ruheatmung vermehrt beansprucht infolge:
einer Atemwegsobstruktion
einer erhöhten Ventilation zur Kompensation der emphysembedingten Gasaustauschstörung
ungünstiger geometrischer Verhältnisse für die Kraftentfaltung der Atemmuskeln (Zwerchfelltiefstand)
Dem erhöhten Bedarf an Leistung der Atemmuskeln steht eine Verminderung ihrer Leistungsfähigkeit
infolge Lungenüberblähung, einer kortisonbedingten Muskeldystrophie [128 ]
[129 ] und bei kachektischen Patienten infolge einer verminderten Energiezufuhr [214 ] gegenüber.
Führt die chronische Überlastung der Atemmuskulatur zur Atemmuskelermüdung, so ist
die Heimbeatmung zu erwägen. Bei chronischer ventilatorischer Insuffizienz wird die
Indikation zur intermittierenden nichtinvasiven Beatmung als Heimbeatmung dann gestellt,
wenn alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und der Patient
weiterhin hyperkapnisch ist [215 ].
Bei arterieller Hypoxämie mit leichter Hyperkapnie (paCO2 ≤ 50 mm Hg) wird zunächst eine Langzeitsauerstofftherapie durchgeführt, die über
eine Abnahme des Atemminutenvolumens die Atemmuskulatur entlastet. Bei fortbestehender
schwerer Symptomatik, insbesondere Ruhedyspnoe, massiv eingeschränkter Belastbarkeit,
Konzentrationsstörungen und Beeinträchtigung der Vigilanz und PaCO2 -Werten über 50 mm Hg trotz der bisher durchgeführten Therapie sollte auf die intermittierende
Selbstbeatmung zurückgegriffen werden (Evidenzgrad D). Die Beatmung sollte nichtinvasiv
über Nasen- oder Mund-Nasen-Masken erfolgen.
Die Einleitung der nichtinvasiven Beatmung sowie die Einstellung finden in entsprechend
spezialisierten Krankenhausabteilungen statt.
Zur möglichst kompletten Entlastung der überlasteten Atemmuskulatur wird eine kontrollierte
Beatmung vorgezogen, wobei unter Beatmung normale bis leicht erniedrigte PaCO2 -Werte anzustreben sind. Teilentlastende Beatmungsformen haben den Vorteil der häufig
besseren Akzeptanz bzw. leichteren Adaptation. Sie führen aber nur zu einer inkompletten
Entlastung der Atemmuskulatur und damit nur zu einem geringen Erholungseffekt. Sie
können nur in leichteren Fällen angewandt werden.
Die Beatmungsdauer, die in der Regel bei 8 - 14 Stunden pro Tag liegt, muss individuell
nach Symptomatik, arteriellen Blutgasen und Inspirationsdrücken ermittelt werden.
Anzustreben ist ein nahezu normaler PaCO2 bei Spontanatmung, der bei guten Erholungseffekten der Atemmuskeln erreicht wird.
Empfehlenswert ist eine nächtliche Beatmung, damit am Tage möglichst viel beatmungsfreie
Zeit verfügbar ist.
Die Ergebnisse der Heimbeatmung bei COPD weisen eine gegenüber neuromuskulären Erkrankungen,
Skoliose bzw. posttuberkulösen Syndromen relativ schlechte Prognose mit einer 5-Jahresletalität
von etwa 50 - 60 % auf [216 ]. Zusammen mit der Langzeit-O2 -Therapie kann die nichtinvasive Beatmung zu einer deutlichen Besserung der arteriellen
Blutgase am Tage, der Effizienz des Nachtschlafs und der Lebensqualität führen [217 ] (Evidenzgrad B). Aufgrund der vorliegenden Daten kann die nichtinvasive Beatmung
für den Einsatz bei Patienten mit chronischer ventilatorischer Insuffizienz infolge
COPD noch nicht generell empfohlen werden. Bei Subgruppen von Patienten, insbesondere
bei Patienten mit ausgeprägter Hyperkapnie am Tage, sollte sie zum Einsatz kommen
[218 ].
Operative Therapieverfahren
Bullektomie
Bei großen Bullae, die mehr als ⅓ eines Lungenflügels einnehmen und das benachbarte
Gewebe komprimieren, kann die Bullektomie zu einer Besserung der Lungenfunktion und
Abnahme der Dyspnoe führen [219 ] (Evidenzgrad B). Gelegentlich kann die Indikation auch bei Hämoptysen oder rezidivierenden
Infektionen gestellt werden.
Vor der Entscheidung zur Bullektomie sollten eine Bronchoskopie, ein Computertomogramm
des Thorax (HR-CT), Lungenfunktionstests unter Einschluss der arteriellen Blutgase,
die Messung der CO-Diffusionskapazität, die Bestimmung der funktionellen Residualkapazität
mittels Helium-Methode und ein Perfusionsszintigramm der Lunge durchgeführt werden.
Gute Ergebnisse des chirurgischen Eingriffs sind bei normaler oder nur gering reduzierter
Diffusionskapazität und dem Fehlen einer signifikanten Hypoxämie zu erwarten [220 ].
Die Bullektomie kann, im Rahmen einer videoassistierten oder offenen Thorakotomie,
bei beidseitigen Bullae mittels Sternotomie erfolgen. Bei schwerem, generalisiertem
Lungenemphysem ist dieser Eingriff nicht indiziert.
Lungenvolumenreduktion
Das auf Brantigan [221 ] zurückgehende, von Cooper [222 ] weiterentwickelte Konzept der operativen Lungenvolumenreduktion (LVR) beim fortgeschrittenen
Lungenemphysem beinhaltet die Resektion von 20 - 30 % des Lungengewebes in stark emphysematös
veränderten Lungenarealen mit dem Ziel, die Lungenüberblähung zu reduzieren, die Dyspnoe
zu lindern und die Lungenfunktion zu bessern [223 ]. Vor Abschluss laufender Studien zur Prüfung von Effektivität, Prognose und Kosten-Nutzen-Relation
ist die LVR gegenwärtig noch als experimentelle palliative chirurgische Maßnahme zu
betrachten [224 ]. Der Erfolg der LVR hängt insbesondere von der Anwendung strikter Ein- und Ausschlusskriterien,
der Einhaltung eines optimierten prä- und postoperativen Rehabilitationsprogramms
und der Auswahl des geeigneten Operationsverfahrens ab.
Wichtigste Einschlusskriterien [223 ]
[224 ] sind:
schweres Lungenemphysem ohne Hinweise auf eitrige Bronchitis oder Bronchiektasen
heterogene Destruktion des Lungengewebes mit Zielzonen möglichst in den Oberlappen
und weitgehend normalem Gewebe in der Umgebung
schwere Lungenüberblähung mit Zwerchfelltiefstand und reduziertem Wirkungsgrad der
Atempumpe.
Ein Verzicht auf Tabakrauchen seit mindestens 3 Monaten und ein FEV1 -Wert < 1,2 l bzw. zwischen 20 und 40 % des Sollwertes sind zu fordern.
Ausschlusskriterien sind:
CO-Diffusionskapazität < 20 % des Sollwertes ([225 ], Evidenzgrad A)
FEV1 < 20 % des Sollwertes
persistierende respiratorische Globalinsuffizienz (PaCO2 > 50 mm Hg)
pulmonale Hypertonie mit Mitteldruckwerten > 35 mm Hg unter Ruhebedingungen
homogene Verteilung des Emphysems im HR-CT
homozygoter Alpha-1-PI-Mangel [226 ]
schwere Schädigung durch die Einnahme von Glukokortikoiden
bedeutsame Komorbidität, z. B. koronare Herzkrankheit bzw. schwere linksventrikuläre
Funktionsstörung, Krebsleiden
Eine Ausnahme von dieser Regel bildet lediglich das periphere Bronchialkarzinom in
einer ausgedehnten Zielzone.
Perfusionsszintigramm und HR-CT sind zur Zeit die aussagekräftigsten Methoden, um
den Schweregrad und die Verteilung des Lungenemphysems sowie die Zielzonen der LVR
präoperativ verlässlich zu beurteilen [227 ].
Ziel der präoperativen Rehabilitation ist die Ausschöpfung aller medikamentösen und
nicht medikamentösen Therapieoptionen, um nur diejenigen Patienten zu operieren, die
nach Therapieoptimierung nicht ausreichend gebessert (z. B. 6-Minuten-Gehstrecke <
500 m) oder zu stark limitiert (z. B. 6-Minuten-Gehstrecke < 150 m, Atemfrequenz in
Ruhe > 20/min) sind [223 ].
Die besten funktionellen Ergebnisse werden mit der bilateralen Lungenvolumenreduktion
über eine Sternotomie oder bilaterale Thorakotomie bzw. mittels beidseitiger videoassistierter
Thorakotomie (VATC) erzielt [222 ]
[223 ]
[228 ]
[229 ]
[230 ]
[231 ].
Im Vergleich zu einer optimierten konservativen Therapie führt die LVR bei geeigneter
Indikationsstellung zu einer Besserung der FEV1 , der Gehstrecke und der Lebensqualität (Evidenzgrad B) [223 ]. Die funktionellen Ergebnisse in der Frühphase nach einseitiger LVR sind deutlich
ungünstiger als bei den bilateralen Verfahren. Eine einseitige LVR kann dann indiziert
sein, wenn das Lungenemphysem im Wesentlichen einen Lungenflügel betrifft, falls dieser
ausgedehnte Zielzonen aufweist und exspiratorisch eine Mediastinalverlagerung zur
Gegenseite stattfindet, wobei der kontralaterale Lungenflügel weitgehend intakt ist.
Gründe für ungünstige Verläufe sind insbesondere das diffuse Emphysem, überwiegend
basale Zielzonen, beispielsweise beim Alpha-1-PI-Mangelemphysem [226 ], postoperative Komplikation wie Pneumonie und Pneumothorax, ferner rezidivierende
Atemwegsinfekte und fortgesetztes Zigarettenrauchen. Nach erfolgter LVR ist bei progredienter
Verschlechterung der Lungenfunktion eine Lungentransplantation möglich (Evidenzgrad
B) [232 ].
Lungentransplantation
Für Patienten mit schwerem Lungenemphysem steht als Ultima Ratio die Lungentransplantation
(LTx) zur Verfügung. Dabei muss zwischen der einseitigen (SLT = single lung transplantation)
und beidseitigen LTx (BLT: bilateral lung transplantation) unterschieden werden.
Die einseitige Transplantation kommt nur für Patienten mit COPD infrage, bei denen
sich keine Bronchiektasen finden [233 ]. Bei geeigneter Auswahl der Patienten können primär die Lebensqualität und Belastbarkeit,
nicht jedoch die statistische Lebenserwartung der Patienten verbessert werden [234 ]
[235 ]
[236 ]
[237 ]. Die mittlere 3-Jahres-Überlebensrate liegt bei etwa 60 % [235 ]
[236 ]
[237 ].
Funktionsanalytische Einschlusskriterien [238 ] für eine Lungentransplantation sind eine FEV1 < 20 - 25 % des Sollwertes, ein arterieller Sauerstoffpartialdruck in Ruhe bei Raumluftatmung
< 55 mm Hg, eine persistierende Hyperkapnie mit PaCO2 -Werten > 55 mm Hg, eine rasche Verschlechterung der FEV1 und eine Häufung schwerer Exazerbationen sowie von Hospitalisationen mit rascher
Verschlechterung der Lebensqualität.
Ausschlusskriterien [238 ] sind ein Alter von mehr als 65 Jahren, schwere Funktionsstörungen anderer Organe,
eine stark eingeschränkte Kreatinin-Clearance von < 50 mg/ml/min, HIV-Infektion, maligne
Tumoren, der Nachweis von Hbs-Antigen bzw. einer Hepatitis-C mit histologisch nachgewiesener
Lebererkrankung.
Zu den relativen Kontraindikationen gehören ein schlechter Ernährungszustand mit einem
BMI < 18 kg/m2 , Systemerkrankungen, etwa Kollagenosen, eine symptomatische Osteoporose, schwere
Kyphoskoliosen, Suchterkrankungen, erhebliche psychosoziale Probleme bzw. die Beatmungspflichtigkeit
des Patienten.
Beim Lungenemphysem wird die Entscheidung zur ein- oder beidseitigen LTx meist anhand
der Verfügbarkeit von Donorlungen und individueller Kriterien des transplantierenden
Zentrums getroffen. Die einseitige LTx ist schneller und generell einfacher durchführbar
und mit einer geringeren perioperativen Komplikationsrate verbunden und daher für
ältere Patienten oder Hochrisikopatienten von Vorteil.
Andererseits kann die fortschreitende Überblähung der verbliebenen Emphysemlunge die
Funktion des Transplantates hochgradig beeinträchtigen, insbesondere wenn Transplantatkomplikationen
auftreten.
Die beidseitige LTx kommt daher vor allem bei ausgedehnten bullösen Lungenveränderungen
oder gleichzeitig nachzuweisenden Bronchiektasen oder chronischer Besiedlung der Atemwege
mit Problemkeimen in Betracht [239 ].
Limitiert wird die Lungentransplantation durch die geringe Zahl infrage kommender
Spender. Eine immunsuppressive Therapie ist während oder direkt nach dem chirurgischen
Eingriff einzuleiten und lebenslang fortzusetzen.
Die LVR kann bei Patienten mit schwerem Lungenemphysem als lebensrettende therapeutische
Intervention während der Wartezeit auf die LTx (Bridging) genutzt werden [230 ] oder den Funktionszustand von schwer eingeschränkten Patienten verbessern, bei denen
es nach einseitiger LTx zu einer fortschreitenden Überblähung der nativen Lunge gekommen
ist [241 ]
[243 ].
Management akuter Exazerbationen
Management akuter Exazerbationen
Leitsätze
Akute Verschlechterungen des Befindens mit Zunahme von Husten, Auswurf und/oder Atemnot
im Rahmen einer Exazerbation bedürfen einer zusätzlichen medikamentösen Therapie.
Hauptursachen sind Bronchialinfekte (Evidenzgrad B).
Medikamente der Wahl (Evidenzgrad A) sind inhalative Bronchodilatatoren, insbesondere
Beta-2-Agonisten und/oder Anticholinergika und systemisch applizierte Glukokortikoide,
ferner Theophyllin.
COPD-Patienten mit Exazerbationen und den klinischen Zeichen eines bakteriellen Atemwegsinfektes
können von einer Behandlung mit Antibiotika profitieren ([244 ], Evidenzgrad B).
Bei Patienten mit akuter respiratorischer Partialinsuffizienz ist die Sauerstoffgabe
indiziert, bei respiratorischer Insuffizienz mit Hyperkapnie im Rahmen der akuten
Exazerbation der Einsatz der nichtinvasiven Beatmung mit positivem Druck (NIPPV) (Evidenzgrad
A).
Akute Verschlechterungen treten bei COPD-Patienten häufig auf [245 ]
[246 ]
[247 ]. Über die Prognose akuter Exazerbationen in Abhängigkeit vom Schweregrad liegen
unterschiedliche Daten vor. Während ca. 50 % der meist leichten Exazerbationen ohne
ärztlichen Kontakt von den betroffenen Patienten selbst bewältigt werden [37 ], liegt die Krankenhaussterblichkeit von COPD-Patienten mit schweren Exazerbationen
zwischen 3 % und 10 % [248 ]
[249 ]
[250 ]
[251 ]
[252 ]. Noch schlechter ist die Prognose bei Aufnahme auf die Intensivstation. Die Sterblichkeit
erreicht etwa 40 % innerhalb eines Jahres [249 ]
[250 ]
[251 ]
[252 ] und bei Patienten mit einem Alter von mehr als 65 Jahren sogar bis zu 59 % [252 ].
Die Exazerbation kann als akute Verschlechterung der COPD definiert werden, die eine
Änderung des Managements notwendig macht. Häufigste Ursachen der Exazerbationen sind
virale und/oder bakterielle Atemwegsinfektionen [253 ]
[254 ]
[255 ].
Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind Pneumonien, Herzinsuffizienz, Pneumothorax,
Pleuraergüsse, Lungenembolie, Arrhythmien oder ein Thoraxtrauma.
Diagnostik
Leitsymptom der akuten Exazerbation ist zunehmende Atemnot, häufig vergesellschaftet
mit vermehrtem Husten, Zunahme von Menge und Viskosität des Sputums und/oder gelb-grüner
Verfärbung des Auswurfs, Engegefühl im Brustraum und gelegentlich Fieber. Unspezifische
Zeichen wie Bewusstseinstrübung bis hin zum Koma, Schlafstörungen, leichtere Ermüdbarkeit
und Depressionen können hinzutreten.
Für eine schwere akute Exazerbation sprechen eine neu aufgetretene oder progrediente
zentrale Zyanose, periphere Ödeme, der Einsatz der sogenannten „Atemhilfsmuskulatur”
bei der Inspiration sowie eine hämodynamische Instabilität. Für die Einschätzung der
Gefährdung des Patienten durch die Exazerbation wesentlich sind Kenntnisse über den
Zustand des Patienten vor der Exazerbation, über Häufigkeit und Schweregrad früher
durchgemachter Exazerbationen, über die bisherige Therapie und die Komorbidität. Wichtigstes
diagnostisches Verfahren ist die arterielle Blutgasanalyse, die eine Einschätzung
des Schweregrades und der Dauer der respiratorischen Insuffizienz sowie anhand des
zusätzlich bestimmten Säure-Basen-Haushaltes auch der Gefährdung des Patienten erlaubt.
Eine respiratorische Insuffizienz liegt bei einem arteriellen Sauerstoffpartialdruck
von weniger als 60 mm Hg bzw. einer O2 -Sättigung von weniger als 90 % bei Atmung von Raumluft vor. Im Falle einer respiratorischen
Globalinsuffizienz bei Sauerstoffpartialdrücken von < 50 mm Hg, CO2 -Partialdrücken > 70 mm Hg und pH-Werten < 7,30 muss von einer lebensbedrohlichen
Situation mit der Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Behandlung ausgegangen
werden [256 ].
Kenngrößen der ventilatorischen Lungenfunktion sind im Rahmen einer akuten Exazerbation
insbesondere bei älteren Patienten häufig nicht korrekt zu bestimmen.
Anhaltspunkte für eine schwere Exazerbation bieten Peak-Flow-Werte unter 100 l/min
und eine FEV1 < 1 l [257 ]
[258 ]
[259 ]. Wichtiger als die Absolutwerte sind akute Verschlechterungen wesentlicher Kenngrößen
der Atemwegsobstruktion.
Zur Labordiagnostik gehören: BSG, BB, CRP, Elektrolyte, Kreatinin und Blutzucker.
Eine Gramfärbung des Sputums sowie eine Kultur können insbesondere der Identifizierung
des relevanten Erregers dienen und eine gezielte antibiotische Therapie ermöglichen.
In unkomplizierten Fällen mit leichter Obstruktion, kurzer Anamnese und < 3 Exazerbationen
pro Jahr ist eine mikrobiologische Sputumdiagnostik entbehrlich. Häufigste bakterielle
Erreger von Exazerbationen sind S. pneumoniae, H. influenzae und B. catarrhalis.
Zur differenzialdiagnostischen Abklärung akuter Atemnot sind eine Röntgenaufnahme
der Thoraxorgane, möglichst in 2 Ebenen, sowie ein EKG sinnvoll. Bei Verdacht auf
eine Lungenarterienembolie können je nach Schweregrad und den lokalen Möglichkeiten
das Spiral-CT, die Ventilations-Perfusions-Szintigraphie, die Echokardiographie, eine
Angiographie bzw. der D-Dimer-Test herangezogen werden.
Lässt sich bei einer Exazerbation der Verdacht auf eine Lungenembolie nicht ausräumen,
sollte der Patient sowohl bezüglich seiner Exazerbation als auch der vermuteten Lungenembolie
behandelt werden.
In Abhängigkeit vom Schweregrad der Grunderkrankung, den Folgen der akuten Exazerbation
und der Komorbidität kommen sowohl eine ambulante als auch eine stationäre Behandlung
in Betracht. Kriterien für die Krankenhauseinweisung sowie für die Aufnahme auf die
Intensivstation sind Tab. [9 ] zu entnehmen. Respiratorische Azidose, eine notwendige Beatmung und eine bedeutsame
Komorbidität sind Prädiktoren einer ungünstigen Prognose [248 ].
Tab. 9 Kriterien zur stationären und intensivmedizinischen Behandlung bei COPD-Exazerbationen
stationäre Behandlung
Aufnahme auf die Intensivstation
schwere Atemnot
- schwere Atemnot mit fehlendem Ansprechen auf die initiale Notfalltherapie
schlechter Allgemeinzustand
- komatöser Zustand
rasche Progression der Symptomatik
- persistierende arterielle Hypoxämie (PaO2 < 50 mm Hg) trotz O2 -Gabe und/oder schwere oder progrediente Hyperkapnie (paCO2 > 70 mm Hg) und/oder schwere/zunehmende respiratorische Azidose (pH < 7,30) trotz
nichtinvasiver Beatmung mit positivem Druck (NIPPV)
Bewusstseinstrübung
Auftreten/Zunahme von Ödemen und/oder einer zentralen Zyanose
Schweregrad III
fehlendes Ansprechen auf die initiale Therapie
unklare Diagnose
neu aufgetretene Arrhythmien
bedeutsame Komorbidität
höheres Lebensalter
unzureichende häusliche Betreuung
Therapie der Exazerbation
Das Management der akuten Exazerbationen (Abb. [4 ]) sollte in Abhängigkeit vom Schweregrad der Exazerbation und der Beeinträchtigung
des Patienten ambulant oder stationär durchgeführt werden. Tab. [10 ] enthält eine Zuordnung der medikamentösen und apparativen Therapieoptionen zu drei
anhand klinischer Kriterien festgelegter Schweregrade der Exazerbation.
Tab. 10 Schweregradorientierte Behandlung der Exazerbation der COPD
Schweregrad
Kennzeichen
Therapie
schwergradig
Bewusstseinstrübung Tachykardie/-pnoe Zyanose (neu/progredient) Ödeme
± Ther.: Komplikationen ± NIV ± O2 ± Theophyllin
mittelgradig
Atemnot ↑/Husten ↑ + Verschlechterung der Lungenfunktion
evtl. + Theophyllin + system. Steroide
leichtgradig
leichte subj. Verschlechterung ± Verschlechterung der Lungenfunktion
Anticholinergika u/o Beta-2-Sympathomimetika
alle Schweregrade
Nikotinverzicht Antibiotika bei purulentem Sputum Therapie der Komorbidität
Die leichtgradige Exazerbation ist durch eine leichte subjektive Beeinträchtigung
mit oder ohne leichte Verschlechterung der Lungenfunktion mit einer Abnahme der FEV1 von maximal 20 % des Ausgangswertes vor Beginn der Exazerbation gekennzeichnet. Patienten
mit leichtgradiger Exazerbation können ambulant behandelt werden. Als medikamentöse
Therapieoptionen stehen in erster Linie Beta-2-Sympathomimetika und/oder Anticholinergika
zur Verfügung, wobei für die langwirksamen Substanzen beider Medikamentengruppen noch
keine Evidenz für den Therapieeinsatz zur Bewältigung der Exazerbation vorliegt.
Die mittelgradige Exazerbation ist durch eine stärkere Verschlechterung des Befindens
mit zunehmender Atemnot und/oder Husten gekennzeichnet sowie durch eine messbare Einschränkung
der Lungenfunktion.
Zusätzlich zu Anticholinergika und/oder Beta-2-Sympathomimetika können systemische
Steroide (Evidenzgrad A) und bei fehlender Besserung auch Theophyllin eingesetzt werden.
Auch die mittelgradige Exazerbation kann überwiegend ambulant behandelt werden.
Kennzeichen der schweren Exazerbation sind das Auftreten von Ödemen, eine neu aufgetretene
oder progrediente Zyanose, Bewusstseinstrübungen bis zu komatösen Zuständen sowie
das Auftreten von Tachykardien, Arrhythmien und Tachypnoe. Die schwere Exazerbation
sollte stationär behandelt werden. Als Therapieoptionen stehen neben Anticholinergika,
Beta-2-Sympathomimetika, systemischen Steroiden und Theophyllin die Behandlung mit
Sauerstoff, die nichtinvasive Beatmung sowie die Therapie der Komplikationen zur Verfügung.
Die Therapie aller Schweregrade sollte den Verzicht auf Tabakkonsum, den Einsatz von
Antibiotika bei purulentem Sputum und die Behandlung der Komorbidität einschließen.
Abb. 4 Ambulantes Management der Exazerbation der COPD.
Medikamentöse Therapie
Bronchodilatatoren
Kurzwirksame Beta-2-Sympathomimetika (initial 100 - 200 µg eines Dosier-Aerosols bzw.
Pulverinhalators) sind die bevorzugten Bronchodilatatoren in der Therapie der akuten
Exazerbation der COPD [2 ]
[3 ]
[5 ] (Evidenzgrad A). Bei unzureichender Besserung können zusätzlich Anticholinergika
höher dosiert verabreicht werden mit initial 250 - 500 µg, z. B. über Vernebler, schließlich
Theophyllin i. v. mit einer Initialdosis von 200 mg oder einer kontinuierlichen Infusion
mit 0,5 mg/kg/Stunde. Der Stellenwert der Theophyllintherapie ist umstritten [260 ]
[261 ]
[262 ]
[263 ]
[264 ]. Einige Studien zeigen eine Verschlechterung des Gasaustausches und der arteriellen
Hypoxämie bei Besserung von Obstruktion und Lungenüberblähung [261 ]
[262 ]. Um unerwünschte Effekte des Theophyllins zu vermeiden, sind die Theophyllin-Serumspiegel
engmaschig zu kontrollieren [263 ]
[264 ].
Antibiotika
Antibiotika sind nur bei Exazerbationen infolge eines bakteriellen Atemwegsinfektes
wirksam. Bakterielle Exazerbationen sind neben einer Zunahme von Dyspnoe, Husten und
Sputummenge durch das Auftreten eines purulenten Sputums [244 ]
[253 ] charakterisiert. Für die kalkulierte Antibiose eines purulenten Schubs der Bronchitis
kommen in Abhängigkeit von der lokalen Resistenzlage in erster Linie Aminopenicilline
(ggf. plus Betalactamase-Inhibitoren), Oralcephalosporine oder Makrolide in Betracht
[58 ]. In unkomplizierten Fällen können auch Tetrazykline eingesetzt werden [58 ]. Bei fehlendem Ansprechen kann auch der Einsatz von Fluorchinolonen der Gruppe IV
oder von Ketoliden erwogen werden.
Der Effekt der Therapie kann anhand der Entfärbung des Sputums kontrolliert werden.
Die Dauer der Antibiotikatherapie einer akuten bakteriellen Exazerbation liegt in
der Regel bei 5 - 10 Tagen. Bei Misserfolg der Behandlung ist die Medikation abzusetzen
und nach einer Behandlungspause von 2 - 3 Tagen eine mikrobiologische Diagnostik durchzuführen.
Bei jährlich mehrfach rezidivierenden Exazerbationen ist insbesondere bei Patienten
mit Schweregrad III häufiger mit Problemkeimen - Pseudomonas und gramnegative Enterobakterien
- zu rechnen. Die kalkulierte antibiotische Therapie sollte diese Keime primär berücksichtigen
[265 ], in schweren Fällen intravenös eingeleitet und ggf. als Sequenztherapie oral über
insgesamt etwa 10 Tage fortgesetzt werden.
Zur Wahl stehen Cephalosporine der Gruppen 3 A oder 3 B, Acylaminopenicillin/Betalactamasehemmer,
Fluorchinolone der Gruppen 2 oder 3 oder Carbapeneme [266 ].
Glukokortikoide
Glukokortikoide können oral oder intravenös zusätzlich zur Gabe von Bronchodilatatoren
eingesetzt werden, insbesondere bei einer Einschränkung der FEV1 < 50 % des Sollwertes im Rahmen einer Exazerbation. Sie verkürzen die Genesungszeit
und führen zu einer rascheren Besserung der Lungenfunktion [267 ]
[268 ]
[269 ], (Evidenzgrad A). Eine Dosis von 20 - 40 mg Prednisolonäquivalent über 10 - 14 Tage
wird empfohlen (Evidenzgrad C [267 ]
[268 ]). Eine längere Behandlungsdauer führt nicht zu einer höheren Effizienz, erhöht aber
das Risiko von unerwünschten Effekten [269 ].
Falls im Rahmen der ambulanten Therapie eine Wiederherstellung des Ausgangszustandes
vor der Exazerbation nicht gelingt bzw. die Exazerbation progredient verläuft oder
weitere Maßnahmen wie O2 -Gabe bzw. eine nicht invasive Beatmung erforderlich werden, ist eine stationäre Einweisung
notwendig, die primär dann erfolgen sollte, wenn die Kriterien in Tab. [9 ] erfüllt sind.
Zusätzliche Maßnahmen bei der Behandlung akuter Exazerbationen im Krankenhaus
Im Krankenhaus wird der Schweregrad der Exazerbation anhand der Symptome, der arteriellen
Blutgase und des Röntgenbildes der Thoraxorgane bestimmt. Zusätzlich müssen die Suche
nach den Ursachen der Exazerbation und die Diagnostik etwaiger Begleitkrankheiten
unter Einschluss von EKG-Registrierung und Laborstatus rasch erfolgen.
Bei respiratorischer Insuffizienz ist die Sauerstoffgabe über eine Nasensonde bzw.
Atemmaske sofort einzuleiten (Abb.5 ). Falls die in Tab. [9 ] genannten Kriterien zutreffen, sollte der Patient auf die Intensivstation verlegt
werden.
Abb. 5 Stationäre Therapie der Exazerbation der COPD.
Ziel der Sauerstofftherapie ist eine adäquate Oxygenierung mit arteriellen pO2 -Werten von mehr als 60 mm Hg bzw. einer O2 -Sättigung von mehr als 90 %. Eine Kontrolle zur Beurteilung des Erfolges und zur
Überprüfung einer unter O2 -Gabe auftretenden CO2 -Retention kann bereits nach 20 Minuten durchgeführt werden und sollte im Verlauf
überprüft werden.
Unter stationären Bedingungen mit Kontrolle der Herzfrequenz können kurzwirksame Beta-2-Sympathomimetika
höher dosiert und auch intravenös appliziert werden, bei fehlender Besserung mit Anticholinergika
und ggf. auch mit Theophyllin kombiniert werden.
Diuretika sind bei peripheren Ödemen und erhöhtem Jugularvenendruck indiziert. Für
die Initialtherapie ist die Gabe von 40 mg Furosemid i. v. empfehlenswert. Die Flüssigkeitsbilanz
ist sorgfältig zu überwachen. Eine leicht zu trinkende orale Zusatzernährung oder
gegebenenfalls auch eine intravenöse Kalorienzufuhr können notwendig werden, wenn
der Patient infolge ausgeprägter Atemnot keine Nahrung zu sich nimmt. Eine Alternative
bietet die Ernährung über eine Magensonde. Bei immobilisierten Patienten, bei Patienten
mit Polyglobulie, Dehydratation, bei Zeichen der chronisch venösen Insuffizienz und/oder
thromboembolischen Erkrankungen sollte eine Heparinisierung erfolgen, wobei niedermolekulare
wie Standardheparine einsetzbar sind.
Die Bedeutung der Physiotherapie bei Patienten mit akuter Exazerbation unter Krankenhausbedingungen
ist nicht eindeutig geklärt [270 ]. Bei großen Sputummengen und lobären Atelektasen sind Lagerungsdrainagen empfehlenswert.
Die Sekretelimination kann durch Wärmeapplikation sowie den Einsatz von Hilfsmitteln
mit und ohne Oszillationen und nachfolgendem Huffing, ggf. Absaugen, unterstützt werden.
Beatmung
Mit Hilfe einer nichtinvasiven oder invasiven Beatmung können die im Rahmen schwerer
Exazerbation häufig überlastete und daher krafterschöpfende Atemmuskulatur [271 ]
[272 ] bis zur Beseitigung der Ursache der Exazerbation entlastet und hierdurch Morbidität
und Mortalität reduziert werden. Bei akuten Exazerbationen der COPD kann die Beatmung
invasiv über eine orotracheale Intubation im Sinne einer konventionellen invasiven
Beatmung erfolgen oder nichtinvasiv über eine Gesichts- oder Nasenmaske.
Nichtinvasive Beatmung mit positivem Druck (NIPPV)
Die nichtinvasive Beatmung mit positivem Druck wurde bei akuter respiratorischer Insuffizienz
von COPD-Patienten in den letzten Jahren in zahlreichen unkontrollierten und 5 randomisierten
kontrollierten Untersuchungen geprüft [273 ]
[274 ]
[275 ]
[276 ]
[277 ]. Die NIPPV führte zu einer Reduktion der respiratorischen Azidose, einem Abfall
des PaCO2 sowie einer Abnahme der Atemnot in den ersten 2 - 4 Stunden nach Beginn der Therapie
sowie auch zu einer Senkung der Mortalität [273 ]
[274 ]
[275 ]. Eine Intubation mit invasiver Beatmung konnte häufig verhindert werden und wurde
in nur 15 - 20 % der Fälle notwendig [276 ]
[277 ]
[278 ].
Die Ein- und Ausschlusskriterien für die NIPPV sind in Tab. [11 ] dargestellt.
Tab. 11 Ein- und Ausschlusskriterien für die nichtinvasive Beatmung (NIPPV) bei COPD-Patienten
mit respiratorischer Insuffizienz
Einschlusskriterien
Ausschlusskriterien
- schwere Atemnot mit Einsatz der „Atemhilfs-Muskulatur” und paradoxer abdominaler Atmung
- Atemstillstand
- Azidose (pH < 7,35) und Hyperkapnie (mit PaCO2 > 50 mm Hg)
- Herz-Kreislauf-Instabilität (Herzinfarkt, kardiogener Schock, Hypotonie, schwere
Arrhythmie)
- Atemfrequenz > 25/min
- Bewusstseinstrübung (Somnolenz → Koma)
- fehlende Kooperation des Patienten
- erhöhte Gefahr von Regurgitation und Aspiration (Schluckstörung, Ileus, GI-Blutung,
kürzliche OP im Bereich von Gesicht, Speiseröhre und Oberbauch, Gesichtstrauma, Fehlbildungen
im Nasopharynx)
- visköses Sekret, große Sputummenge
Wenn die in Tab. [11 ] genannten Ausschlusskriterien zutreffen, sollte die Indikation zu einer invasiven
Beatmung gestellt werden (Tab. [12 ]).
Tab. 12 Kriterien zur Intubation und invasiven Beatmung bei ventilatorischer Insuffizienz
infolge exazerbierter COPD
Hauptkriterien
Nebenkriterien
- Atemstillstand
- Atemfrequenz > 35/min, höher als bei der Aufnahme
- Atempausen mit Bewusstseinsverlust oder Schnappatmung
- pH < 7,30 und Abfall während der Überwachung
- psychomotorische Agitation mit der Notwendigkeit zur Sedierung
- PaO2 < 40 mm Hg trotz O2 -Gabe und NIPPV
- Herzfrequenz < 50/min
- progrediente Bewusstseinstrübung
- hämodynamische Instabilität mit RR-syst. < 70 mm Hg
→ Intubation bei Vorliegen eines Hauptkriteriums
→ nach 1-stündiger Therapie unter Einschluss der NIPPV: Intubation bei Vorliegen von
2 Nebenkriterien. Treten Nebenkriterien beim Aussetzen der NIPPV auf, kann diese weitergeführt
werden.
Invasive Beatmung
Der Nutzen der invasiven Beatmung bei COPD-Patienten im Endstadium ist Gegenstand
zahlreicher Diskussionen. Patienten ohne wesentliche Komorbidität, mit potenzieller
Reversibilität der Ursache der akuten Exazerbation (Infektion) sowie relativ mobile
Patienten profitieren am häufigsten von einer derartigen Therapie. An Komplikationen
sind die ventilatorassoziierte Pneumonie, ein Barotrauma und Entwöhnungsprobleme zu
nennen. Bei COPD-Patienten mit invasiver Beatmung ist mit einer deutlichen Verlängerung
des Aufenthaltes auf der Intensivstation zu rechnen. Die Hospitalsterblichkeit der
maschinell beatmeten Patienten liegt etwa bei 17 - 30 %.
Bei der Entscheidung zur invasiven Beatmung ist der häufig zuvor festgelegte Wille
des Patienten über eine derartige Therapiemaßnahme zu berücksichtigen.
Im Vergleich zur invasiven pressure support ventilation verkürzt die nichtinvasive
Beatmung mit positivem Druck (NIPPV) die Entwöhnungszeit, reduziert den Aufenthalt
auf der Intensivstation, führt zu einer Reduktion der Häufigkeit nosokomialer Pneumonien
und verbessert die Prognose während eines Beobachtungszeitraums von 60 Tagen ([278 ], Evidenzgrad A).
Management nach der akuten Exazerbation im Krankenhaus
Die Krankenhausverweildauer für eine Exazerbation von COPD-Patienten muss individuell
festgelegt werden. Mögliche Entlassungskriterien sind:
die Fähigkeit des Patienten, auf ebener Strecke zu gehen, wenn dies vor der Exazerbation
möglich war; ferner zu essen und zu schlafen ohne häufige Unterbrechungen infolge
Dyspnoe.
Stabilität der Symptomatik und der arteriellen Blutgase über mindestens 24 Stunden.
die Reduktion der bedarfsorientiert eingesetzten inhalativen kurzwirksamen Beta-2-Sympathomimetika
auf weniger als 6 × am Tage.
Vor der Entlassung sollten der Patient und/oder seine Angehörigen den Einsatz der
für die Erkrankung notwendigen Medikation kennen, die Inhalationstechniken beherrschen
und gegebenenfalls über die weitere Durchführung der Langzeit-Sauerstofftherapie und/oder
NIPPV-Therapie informiert sein. Außerdem ist zu prüfen, ob der Patient einer Frührehabilitation
im Krankenhaus oder einer stationär durchgeführten Anschlussrehabilitation zuzuleiten
ist, um erneuten Exazerbationen mit kostspieligen Krankenhausaufenthalten vorzubeugen.
Die weitere Versorgung muss in Zusammenarbeit mit dem Patienten, seinen Angehörigen,
dem Hausarzt und dem Pneumologen gesichert sein. 4 - 6 Wochen nach der Entlassung
sollte eine Überprüfung des Gesundheitszustandes mit Messung der Lungenfunktion, Kontrolle
der Inhalationstechnik und der Kenntnisse über die notwendige Behandlung erfolgen.
Außerdem sollte die Meidung von Risikofaktoren, insbesondere der Verzicht des Nikotinkonsums,
die Notwendigkeit einer Langzeit-Sauerstofftherapie und/oder einer Heimbeatmung überprüft
werden.
Der Patient muss eine korrekte Inhalationstechnik beherrschen sowie die Fähigkeit
zur Erkennung einer Exazerbation [279 ]
[280 ] und zur Einleitung von Selbsthilfemaßnahmen (Patientenschulung, Rehabilitation)
erwerben.
Exazerbationsprophylaxe
Exazerbationen treten bevorzugt im Winter auf. Der Häufigkeitsgipfel liegt in den
ersten 2 - 3 Monaten eines Jahres. In dieser Zeit sind Krankenhauseinweisungen wegen
einer akuten Exazerbation bis zu 6-mal häufiger als in den Sommermonaten. Mit fortschreitendem
Schweregrad der COPD nehmen das Exazerbationsrisiko und die Häufigkeit der stationären
Behandlungen zu. Prädiktoren für ein erhöhtes Hospitalisierungsrisiko sind die chronische
Mukushypersekretion, die chronische respiratorische Globalinsuffizienz, das chronische
Cor pulmonale sowie ein hohes Lebensalter in Verbindung mit Multimorbidität [248 ]. Angesichts der gesteigerten Morbidität, der geminderten Lebensqualität und des
erhöhten Mortalitätsrisikos ist - auch aus ökonomischen Gründen - die Prävention der
akuten Exazerbation ein wichtiges medizinisches Ziel.
Empfohlene Maßnahmen zur Exazerbationsprophylaxe sind:
Raucherentwöhnung (Evidenzgrad A)
Meidung von inhalativen Noxen (Arbeitsplatz, Hobby) und Kälte
Schutzimpfungen (Influenza, Evidenzgrad A; Pneumokokken, Evidenzgrad D)
Inhalative Anticholinergika ([110 ]
[111 ]
[281 ], Evidenzgrad A)
Mukopharmaka/Antioxidantien (N-Acetylcystein, Ambroxol, Evidenzgrad B)
Inhalative Glukokortikoide ([91 ], Evidenzgrad B)
Langwirksame Beta-2-Sympathomimetika ([282 ], Evidenzgrad B)
Patientenschulung (Evidenzgrad B)
Von dem Rückgang der Bronchitisexazerbationen profitierten vor allem Patienten mit
hoher Exazerbationsrate (2 bis 4 und mehr Exazerbationen während des Winterhalbjahres).
Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Leitlinie im Vergleich zu den Empfehlungen der
GOLD-Initiative
Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Leitlinie im Vergleich zu den Empfehlungen der
GOLD-Initiative
Die vorliegende Leitlinie betont in Übereinstimmung mit der GOLD-Publikation [2 ] den evidenzbasierten hohen Stellenwert der Spirometrie in der Diagnostik der COPD.
Da in Deutschland bei den niedergelassenen Pneumologen sowie in den pneumologisch
orientierten Fachabteilungen und Kliniken die Ganzkörperplethysmographie, die Bestimmung
der CO-Diffusionskapazität und die arterielle Blutgasanalyse in Ruhe und unter Belastung
verfügbar sind, wurden diese Verfahren in die Diagnostik der COPD integriert (Abb.
[2 ]). Mittels der ganzkörperplethysmographisch ermittelten Kenngrößen des Atemwegswiderstandes
(Raw) und der FRC bzw. des ITGV, die weitgehend mitarbeitsunabhängig ermittelt werden
können, ist eine weiterführende Differenzierung von Obstruktion und Überblähung möglich,
die zur Abklärung der Atemnot wie auch zur Differenzierung zwischen COPD und Asthma
hilfreich ist.
Der für die Therapie bedeutsamen Differenzierung von Patienten mit überwiegendem Lungenemphysem
bzw. überwiegender chronisch obstruktiver Bronchitis innerhalb der Diagnose COPD dient
die zusätzliche Bestimmung der CO-Diffusionskapazität (Abb. [2 ]). Für die wichtige Differenzierung zwischen Asthma und COPD werden in der vorliegenden
Leitlinie nicht nur Reversibilitätstests mit Bronchodilatatoren, sondern bei Unklarheiten
auch mit Glukokortikoiden empfohlen.
In der nationalen Leitlinie werden die Medikamente zur Therapie der stabilen COPD
ähnlich bewertet wie in der GOLD-Publikation. Im Unterschied zur GOLD-Publikation
werden sowohl die kurz- und langwirksamen Beta-2-Sympathomimetika als auch die kurz-
und langwirksamen Anticholinergika bez. ihres Indikationsbereiches gleichrangig eingestuft.
Eine Unterteilung des Schweregrades II erfolgt nicht, da zum einen die Schweregradeinteilung
hierdurch kompliziert und schwerer umsetzbar wird und zum anderen eine fundierte Begründung
hierfür fehlt. Die Unterteilung des Schweregrades II in IIA und IIB bei der GOLD-Publikation
[2 ] wird ausschließlich mit der Prophylaxe von Exazerbationen im Stadium IIB begründet.
Es ist jedoch nicht möglich, die Steroidwirkung auf die Exazerbationsrate bei einer
Therapiedauer von nur 3 - 6 Monaten abzuschätzen, da erhebliche saisonale Schwankungen
der Häufigkeit bestehen. In der nationalen Leitlinie wird der Therapieerfolg mit inhalativen
Glukokortikoiden nicht auf die Reduktion von Exazerbationen bezogen. Daher kann eine
3-monatige Probetherapie empfohlen werden. Ausführlicher als bei der GOLD-Initiative
wurden nicht medikamentöse Therapieverfahren wie körperliches Training, Physiotherapie,
Hilfsmittel zur Sekretelimination, Patientenschulung, die Ernährungstherapie, die
Behandlung der Osteoporose und die pulmonale Rehabilitation dargestellt. Größeren
Raum als in der GOLD-Leitlinie nimmt auch die kritische Darstellung der Möglichkeiten
in der Emphysemchirurgie wegen der jetzt vorliegenden Langzeitstudien ein.
Diagnostische Maßnahmen und therapeutische Optionen für die Langzeittherapie und für
das Management von Exazerbationen werden in beiden Leitlinien ähnlich bewertet. In
die nationale Leitlinie wurden eine Definition und eine Schweregradeinteilung der
Exazerbation, ferner eine Schweregradeinteilung der Exazerbation anhand leicht fassbarer
Merkmale aufgenommen und diesen Therapieoptionen zugeordnet. Außerdem wurden Algorithmen
für das Management akuter Exazerbationen im ambulanten wie auch im stationären Bereich
entwickelt. Schließlich werden Maßnahmen zur Prophylaxe von Exazerbationen dargestellt.
Appendix A
Appendix A
Berufsbedingte Bronchitis
Im angloamerikanischen Sprachraum ist die „berufsbedingte Bronchitis” (occupational
bronchitis) ein feststehender Begriff und wird als Folge einer Exposition gegenüber
irritativ wirkenden Stäuben und Gasen am Arbeitsplatz angesehen.
Als gefährdend werden unter anderem Bergbautätigkeiten, Arbeiten mit Rohbaumwolle
und in der Getreideverladung, Schweiß-, Koksofen-, Isolier- und Feuerlöscharbeiten
genannt, als Noxen quarzhaltige Stäube, Baumwollstäube, Getreidestäube, Schweißrauche,
Mineralfasern und irritativ wirksame Gase wie Ozon, Stickstoffdioxid und Chlorgas
[283 ]. Die beruflich verursachte Bronchitis wird in der Regel als warnender Hinweis auf
eine vermehrte Exposition gegenüber Irritantien des Atemtraktes anzusehen sein.
Bronchitis im Unfall- und Berufskrankheitenrecht
Die alleinige Bronchitis ohne obstruktive Lungenfunktionseinschränkung erfüllt in
Deutschland nicht die unfallversicherungsrechtlichen Voraussetzungen zur Anerkennung
einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 oder 2 des SGB 7. Dies liegt im Wesentlichen
darin begründet, dass es für die nicht obstruktive Form der Bronchitis in arbeitsmedizinisch-epidemiologischen
Studien bislang nicht ausreichend gelungen ist, ein Verdoppelungsrisiko zu belegen.
Die Anerkennung einer obstruktiven Atemwegserkrankung als Berufskrankheit ist im Wesentlichen
unter den BK-Nummern 4301, 4302, 1315 und 4111 möglich, wobei unter den erstgenannten
drei Nummern die asthmatischen gegenüber den bronchitischen Erkrankungen im Vordergrund
stehen [284 ]. Nach epidemiologischen Studien werden bei Beschäftigungen mit langjähriger Untertage-Tätigkeit
im Steinkohlenbergbau Erkrankungen an chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem
signifikant gehäuft angetroffen. Dies trifft auch zu, wenn radiologische Zeichen einer
eindeutigen Silikose nicht vorliegen. Es gelang bei dieser Personengruppe, eindeutige
Dosis-Wirkung-Beziehung zwischen Einatmen der Staubmenge und der Häufigkeit des Auftretens
von chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem nachzuweisen [285 ].
Zur Prüfung des Vorliegens der entsprechenden Berufskrankheit 4111 [285 ]
[286 ] bedarf es der Errechnung der kumulativen Feinstaubdosis.
Die Dokumentation der Staubexposition im deutschen Steinkohlenbergbau ist seit den
60er-Jahren praktisch lückenlos, so dass im Einzelfall nachvollziehbare Abschätzungen
der kumulativen Feinstaubdosis möglich sind.
Die kumulative Feinstaubdosis ergibt sich aus der Feinstaubkonzentration in der Luft
am Arbeitsplatz in mg/m3 multipliziert mit der Anzahl der Expositionsjahre, bezogen auf jährlich 220 gefahrene
Schichten zu je 8 Stunden Dauer.
Weiterhin kann eine Bronchitis Begleiterkrankung einer Pneumokoniose sein, also einer
Lungenveränderung durch eingeatmeten (quarzhaltigen) Staub. Sofern die entsprechenden
unfallversichungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind, sind die funktionsanalytisch
nachweisbaren obstruktiven Folgezustände unter der jeweils für die Substanz zutreffenden
BK-Nummer zu entschädigen. Tab. [13 ] enthält die obstruktiven Atemwegserkrankungen in der Fassung der Berufskrankheiten-Verordnung
vom 31. 10. 1997, Tab. [14 ] mögliche Auslöser von Erkrankungen der Atemwege und Lunge, bei denen obstruktive
Ventilationsstörungen vorkommen können.
Tab. 13 Obstruktive Atemwegserkrankungen nach der Liste der Berufskrankheiten in der Fassung
der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31. 10. 1997
BK-Nr. 4301 „Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen
(einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben,
die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit
ursächlich waren oder sein können.”
BK-Nr. 4302 „Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive
Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die
für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich
waren oder sein können.”
BK-Nr. 1315 „Erkrankungen durch Isocyanate, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten
gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben
der Krankheit ursächlich waren oder sein können.”
BK-Nr. 4111 „Chronische obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter
Tage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von
in der Regel 100 Feinstaubjahren [(mg/m3 )] × Jahre]”
Tab. 14 Mögliche Auslöser von Erkrankungen der Atemwege und Lunge, bei denen im weiteren Sinne
obstruktive Ventilationsstörungen vorkommen können
Auslöser
BK-Nummer
Chrom
1103
Vanadium
1107
Fluor
1308
Quarz
4101, 4102
Asbest
4103
Aluminium
4106
Nickel
4109
Steinkohlengrubenstäube unter Tage
4111
verschimmeltes Heu, Stroh, Pilze
4201
Rohbaumwolle, -Flachs, -Hanf
4202
Eine Bronchitis kann Folge eines Arbeitsunfalles sein, z. B. nach lokalisierten Entzündungen,
Kontusion, Verletzung der großen Atemwege, Inhalationsintoxikation oder nach unfallbedingten
neurologischen Erkrankungen.
Sofern haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität aus unfallversicherungsrechtlicher
und gutachterlicher Sicht bejaht werden und ggf. die gefährdende Tätigkeit aufgegeben
ist (BK 4302, 1315), ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vom Gutachter einzuschätzen.
Diese richtet sich nach anamnestischen, klinischen und funktionsanalytischen Kenngrößen.
Von wesentlicher Bedeutung ist die Längsschnittbeurteilung der Erkrankung, d. h. es
ist in aller Regel erforderlich, auf früher erstellte Originalbefunde zurückzugreifen.
Ein Vorschlag zur gutachterlichen Wertung findet sich bei Kroidl u. Mitarb. [287 ].
Bronchitis im sozialen Entschädigungsrecht und im Schwerbehindertenrecht
Hinsichtlich des gutachterlichen Vorgehens im sozialen Entschädigungsrecht und im
Schwerbehindertenrecht sei auf die Anhaltspunkte des Bundesministeriums für Arbeit-
und Sozialordnung verwiesen [288 ].
Prävention am Arbeitsplatz
Als allgemeinen Staubgrenzwert hat die Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher
Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft eine Konzentration des alveolengängigen
Anteils (bisher „Feinstaub”) von 1,5 mg/m3 und eine Konzentration des einatembaren Anteils (bisher „Gesamtstaub”) von 4 mg/m3 festgesetzt. Überschreitungen sind zulässig, wobei die Höhe der zulässigen Überschreitungen
das Zweifache des genannten allgemeinen Staubgrenzwertes nicht übertreffen sollte.
Nach gegenwärtigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand ist bei dauerhafter Einhaltung
des allgemeinen Staubgrenzwertes nicht mit einer Gesundheitsgefährdung im Sinne einer
chronischen Bronchitis zu rechnen. Der vorgesehene allgemeine Staubgrenzwert gilt
nur, wenn sichergestellt ist, dass eine genotoxische, fibrogene, allergisierende oder
sonstige toxische Wirkung des Staubes nicht zu erwarten ist.
Appendix B
Appendix B
Teilnehmerliste der Konsensuskonferenz zur COPD-Leitlinie am 26./27. 10. 2001 in Kassel
Name
Funktion
Dr. K. Bestehorn
Vertreter der Pharmaindustrie
Prof. Dr. R. Buhl
Koautor, Leiter der Abteilung Pneumologie an der Universität Mainz
Prof. Dr. U. Cegla
Koautor, niedergelassener Pneumologe
Prof. Dr. C. P. Criée
Koautor, Chefarzt der Abt. für Beatmungsmedizin/Schlafmedizin des Ev. Krankenhauses
Göttingen
Herr H. Dirmeir
Vorsitzender der Deutschen Selbsthilfegruppe für Langzeitsauerstofftherapie
Prof. Dr. G. Goeckenjan
Vorsitzender der Leitlinienkommission der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie,
Chefarzt der Lungenfachklinik Immenhausen
Herr H. G. Hartinger
Bundesverband für Medizintechnologie
Frau Dr. E. Herz
Verband der Angestelltenkrankenkassen
Prof. Dr. U. Hüttemann
Vertreter des Bundesverbandes der Pneumologen, niedergelassener Pneumologe
Dr. P. Kardos
Koautor, niedergelassener Pneumologe
Prof. Dr. D. Köhler
Koautor, Vorsitzender des Arbeitskreises pneumologischer Kliniken, Chefarzt des Fachkrankenhauses
Kloster Grafschaft, Schmallenberg
Dr. M. Köhler
Vertreter der Pharmaindustrie
Dr. S. Kupsch
Med. Dienst der Krankenversicherung Schleswig-Holstein
Herr W. Leonhard
Vertreter der Patientenliga Atemwegserkrankungen
Prof. Dr. H. Magnussen
Koautor, Stellv. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, Direktor
des Krankenhauses Großhansdorf
Prof. Dr. R. Meister
Koautor, Chefarzt der Karl-Hansen-Klinik, Bad Lippspringe
Frau D. Pfeiffer-Kascha
Deutscher Verband für Physiotherapeuten/Krankengymnastik
Prof. Dr. K. Rabe
Koautor, Leiter der Abteilung Pneumologie der Universität Leiden, Koautor der GOLD-Leitlinie
Dr. M. Schmitz
Sprecher der Sektion Prävention und Rehabilitation der Deutschen Gesellschaft für
Pneumologie, Chefarzt an der Hochgebirgsklinik in Davos
Prof. Dr. G. Schultze-Werninghaus
Koautor, Leiter der Abteilung Pneumologie der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken
Bergmannsheil, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum
Dr. H. Sitter
Vertreter der AWMF und Moderator der Konferenz., Institut für theoretische Chirurgie,
Zentrum für operative Medizin, Kliniken der Philips-Universität Marburg
Herr D. Thias
Bundesverband für Medizintechnologie
Prof. Dr. R. Wettengel
Koautor, Chefarzt der Karl-Hansen-Klinik, Bad Lippspringe
Prof. Dr. H. Worth
Federführender Autor, Chefarzt der Medizinischen Klinik I des Klinikums Fürth