Einleitung
Die Sarkoidose zählt zu den granulomatösen Erkrankungen unbekannter Ursache. Die erste
Erwähnung einer Hautsarkoidose erfolgte wahrscheinlich 1877 durch Hutchinson. Besnier
nannte 1889 Sarkoidoseherde im Gesicht „Lupus pernio”, weil sie an Pernionen erinnern.
Der Haut, in 10-50 % der Fälle involviert, kommt bei der Erkrankung häufig eine Signalfunktion
zu, ihr Befall lässt nicht selten auf systemische, gelegentlich auch klinisch noch
inapparente Manifestationen schließen.
Der Ausschluss einer Berylliose ist bei entsprechender Anamnese bedeutsam.
Kasuistik
Anamnese
Wir berichten über eine 43-jährige Patientin.
1998 rötlich-livide, polsterartige Infiltration an der Nasenspitze. In der Folge Ausdehnung
des Befundes auf den rechten Nasenflügel mit Schwellung. Seit Dezember 2000 konstanter
Lokalbefund. Nasenatmung gering eingeschränkt, häufig Schwindel und Tremor. 1976,
im Alter von 18 Jahren, Amenorrhö und Verlust der Scham- und Axillarbehaarung nach
Geburt des einzigen Kindes.
Seit mehreren Jahren Hypothyreose und Eisenmangelanämie mit entsprechender Substitutionsbehandlung.
Patientin hat seit 1986 beruflichen Kontakt mit Glasstaub, Puder und Trennmitteln.
Aufnahmebefund
Klinische Untersuchung
Auffällig: Struma 1. Grades, fehlende Behaarung axillär und genital, sonst unauffälliger
Organbefund, depressive Stimmungslage.
Hautbefund
Ca. 3 × 2,5 cm messende, rötlich-livide, polsterartige Infiltration des rechten Nasenflügels,
der Nasenspitze und des Naseneinganges rechts (Abb. 1 u. 2 ).
Abb. 1 Polsterartige, rötliche Infiltration an der Nasenspitze, auf den rechten Nasenflügel
und -eingang übergehend, Übersicht.
Abb. 2 Polsterartige, rötliche Infiltration an der Nasenspitze, auf den rechten Nasenflügel
und -eingang übergehend, Detail.
Befunde diagnostischer Untersuchungen
Labordiagnostik
BSG: 30/60, unter Therapie 18/38
Hb 7,0; Hk 34 %; Ery 4,13
TSH < 0,005; fT3 2,6 (erniedrigt); fT4 (normwertig), TSH-Rezeptor-AK 10,9 (grenzwertig
erhöht)
Kortison früh 178,2 (normwertig), abends 47,4 (erniedrigt), ACTH normwertig
Somatomedin C 53,8 (erniedrigt)
LH und FSH < 0,1 (erniedrigt), Östriol 17 (erniedrigt)
Biochemische Marker bei Sarkoidose:ACE mit 32 U/l erhöht (NW 8-28)Neopterin i. S.
mit 12 nmol/l grenzwertig erhöht (NW < 12)IL-2-Rezeptor mit 1612 kU/l deutlich erhöht
(NW 220-710)
Immunologische Befunde:ANF positiv mit 1 : 640 (Substrat: Hep2-Zellen),ENA-Screen,
ds-DNS-AK, AMAK, M2-AK negativ.
Histologie
Im Corium finden sich nicht verkäsende granulomatöse Infiltrate aus Epitheloidzellen
mit einem lymphozytären Randwall, Beimengung von Riesenzellen vom Langerhanstyp (Abb.
3 u. 4 ). PCR negativ, Ziehl-Neelsen-Färbung negativ, PAS-Färbung negativ, Diagnose: mit
Sarkoidose vereinbar.
Abb. 3 Histologie, HE, 40 ×, Übersicht: Corium: nicht verkäsende granulomatöse Infiltrate
aus Epitheloidzellen mit lymphozytärem Randwall. Riesenzellen vom Langerhanstyp.
Abb. 4 Histologie, HE, 100 ×, Detail. Diagnose: mit Sarkoidose vereinbar.
Ausschluss einer Berylliose: LTT mit Recall-Ag und Berylliumsulfat (Leerwert: 5 % TR): erhöhte TR mit Berylliumsulfat
(13 %), Candidin (31 %), Tuberkulin (12 %).
Intrakutane Testung mit Berylliumsulfat: negativ.
Multitest immignost (Alttuberkulin, Tetanus-Toxoid, Diphtherie-Toxoid, Streptokokken-Antigen,
Trichophyton-Antigen, Candida-Antigen, Proteus-Antigen) : keine Reaktion.
Tuberkulintest mit 10 TE: 5/7 mm nach 72 h.
Apparative Diagnostik
Röntgen-Thorax: 5/01: Hili mehrbogig vergrößert (Abb. 5 ). 10/01: Hiluslymphome größenregredient, vereinbar mit St. IIa einer Lungensarkoidose.
Abb. 5 Röntgen-Thorax. Hili mehrbogig vergrößert.
CT-Thorax und HR-CT: ausgedehnte mediastinale und perihiläre Lymphome, milchglasartige
Lungenverschattung bds. (Abb. 6 ), Konturunregelmäßigkeiten der Bronchien.
Abb. 6 CT (high resolution)-Thorax. Milchglasartige Lungenverschattung bds.
Bronchoskopie und BAL: Schleimhaut im Bereich des Hauptbronchus rechts medial und
des Abganges des Oberlappenbronchus höckrig und unruhig.
BAL: CD4/CD8-Quotient erniedrigt, Gesamtzellzahl erhöht, Lymphozytenzahl und aktivierte
Lymphozyten erhöht, Histologie: leichte chronisch-rezid. Bronchitis, keine Mykobakterien.
Bodyplethysmographie/Spirometrie: 5/01: geringe Diffusionseinschränkung, diskrete
periphere Obstruktion, 10/01: Normalbefund.
Normalbefunde: Sonographie Abdomen und Nieren, MRT-Abdomen, MRT-Schädel, Röntgen-Hände,
24-Stunden-EKG, Echokardiographie.
Gynäkologisches Konsil: unauffälliger Organbefund, Verdacht auf Vorliegen eines Nebennierenrindentumors oder
Hypophysentumors bzw. Sheehan-Syndroms bei Amenorrhö und fehlender Behaarung axillär
und genital.
Pulmologisches Konsil: Sarkoidose der Lunge, interne Steroidtherapie.
Ophthalmologisches Konsil: 5/01: Optikusatrophie bds. (Abb. 7 ) mit Gesichtsfeldausfällen, 10/01: keine Progredienz des Befundes.
Neurologisches Konsil: 5/01: kein Hinweis auf zentrales oder peripheres neurologisches Geschehen, 10/01:
unverändert unauffällig. Lumbalpunktion: unauffällige Befunde.
Endokrinologisches Konsil: „großer” Hypophysentest erbrachte die Diagnose eines Sheehan-Syndroms (= Hypophysenvorderlappeninsuffizenz).
Therapie: Substitution mit Hydrokortison und L-Thyroxin eingeleitet, Substitution
mit Östrogen/Gestagen ambulant angeraten.
Abb. 7 Augenhintergrund. Optikusatrophie: weiß-blasse, scharf begrenzte Papille.
Therapie und Verlauf
Erste stationäre Aufnahme im Mai 2001 zur Diagnosestellung und Organdiagnostik. Interne
Steroidtherapie, initial 40 mg Prednisolon, Dosisreduktion um 5 mg alle 5 Tage, L-Thyroxin
75 1-0-0 und ferro sanol-Drg. 1-0-1, extern: Fluocinolonacetonid epifokal auf Lupus
pernio bis 08/2001.
Im Oktober 2001 subjektiv Sehverschlechterung, Abgeschlagenheit und stärkere Depressionen.
Befund an der Nase nahezu unverändert zum Mai 2001 trotz konsequenter externer Steroidanwendung.
Daraufhin 5-malige intraläsionale Instillationen eines 1 : 1-Gemisches von Triamcinolonacetat
1 % und Procain 0,5 % ohne Adrenalin, Wiederholung einmal nach 4 Wochen, darunter
deutliches Abblassen des Nasenbefundes (Abb. 8 ).
Abb. 8 Klin. Bild nach Therapie. Deutliche Befundregredienz, Aufhellung.
Ophthalmologischer Befund unverändert. Lungenbefunde regredient. Therapie des Sheehan-Syndroms
mit Hydrokortison 7,5-5-5 mg mit Besserung des Befindens und der Depressionen.
Diskussion
Der Lupus pernio ist eine Form der großknotigen Sarkoidose der Haut, die vorwiegend
im Gesicht, besonders an Nase, Wangen und Ohrläppchen, lokalisiert ist.
Unsere Patientin wies das klassische Bild eines Lupus pernio auf. Differenzialdiagnostisch
sind besonders Lymphome und Pseudolymphome sowie der Lupus vulgaris und das Granuloma
eosinophilicum faciei in Erwägung zu ziehen und durch die Histologie auszuschließen.
Patienten mit einem Lupus pernio weisen häufig auch interne Sarkoidosemanifestationen
auf und zeigen einen hochchronischen Verlauf [1 ]
[2 ].
Das erste klinische Zeichen einer Sarkoidose bei unserer Patientin war der Lupus pernio.
Die Durchuntersuchung konnte eine pulmonale Beteiligung im Stadium II a sichern. Weiterhin
wurden eine Optikusatrophie mit ausgeprägten Gesichtsfeldausfällen und eine Hypophysenvorderlappeninsuffizienz
festgestellt. Bialasiewicz et al. beschreiben Optikusatrophien mit Gesichtsfeldausfällen
und sogar Erblindung bei Sarkoidosepatienten als Spätfolgen von Entzündungen am Auge
[3 ]
[4 ]
[5 ]. Sie gehen davon aus, dass bis 40 % aller Patienten mit Sarkoidose im Augenbereich
eine Optikusatrophie und entsprechende Sehstörungen entwickeln. Frühere Augenerkrankungen
waren bei unserer Patientin nicht eruierbar. Optikusaffektionen und Gesichtsfeldausfälle
sind auch bei einer Neurosarkoidose im Bereich des ZNS möglich [4 ]
[6 ]. Bei der Optikusatrophie sind außer der Sarkoidose andere Krankheiten differenzialdiagnostisch
in Betracht zu ziehen (Tab. 1 ).
Tab.1 Differenzialdiagnostik der Optikusatrophie
Stauungspapille
Glaukom
Trauma/Tumor
Phthisis bulbi
Lues/Tabes dorsalis
Multiple Sklerose
DEVIC-Krankheit (Neuromyelitis optica)
Retinitis pigmentosa
Hereditär (Leber-Optikusatrophie, Behr-Syndrom)
Sarkoidose
Eine Beteiligung der Hypophysen-/Hypothalamusregion im Rahmen der Neurosarkoidose
ist beschrieben worden [6 ]. In unserem Fall ist ein Zusammenhang zwischen der Sarkoidose und der HVL-Insuffizienz
eher unwahrscheinlich, weil erste Zeichen dieser Insuffizienz in Form der Amenorrhö
und dem Verlust der sekundären Geschlechtsbehaarung über 20 Jahre vor Entdeckung der
Sarkoidose aufgefallen waren. Eine Neurosarkoidose ist nur durch histologischen Nachweis
oder MRT zu sichern [6 ]. Im Fall unserer Patientin war ein MRT der Kopfregion zweimal unauffällig. Eine
Lumbalpunktion ergab ebenfalls keinen Anhalt für das Vorliegen einer Neurosarkoidose,
allerdings haben 30 % der Patienten normale Liquorbefunde [6 ]. Schließlich können aber auch früher bestandene ZNS-Affektionen bei unserer Patientin
ausgeheilt sein. Die Hautsarkoidose tritt vorwiegend im subakuten und chronischen
Stadium der systemischen Sarkoidose auf [2 ]. Lungen- und Augenbeteiligung können bei unserer Patientin daher schon länger unerkannt
bestanden haben.
Aufgrund der Arbeitsanamnese mit jahrelanger kontinuierlicher Glas- und Staubexposition
gingen wir bei unserer Patientin der Frage nach, ob eine Berylliose vorliegen könnte.
Eine Berylliose ist weder klinisch noch laborchemisch oder histologisch von der Sarkoidose
zu unterscheiden [2 ]
[7 ]. Hautveränderungen gehören zu den häufigsten extrapulmonalen Manifestationen der
Berylliose [7 ]. Die Berylliose tritt v. a. nach Kontakt mit berylliumhaltigen Stäuben auf. Auch
in der Nachbarschaft berylliumverarbeitender Industrie treten Berylliosen auf [7 ]
[8 ]. Für die Diagnose einer Berylliose wurden 1994 von Jones Williams folgende Kriterien
vorgeschlagen:
Symptome und radiologische Befunde einer Sarkoidose,
Nachweis einer Berylliumexposition,
histologischer Nachweis epitheloidzelliger Granulome,
Nachweis einer Berylliumsensibilisierung im LTT und positiver Hauttest mit Berylliumsulfat,
der Nachweis von Beryllium im Gewebe oder Urin [7 ].
Aus versicherungsrechtlichen Gründen und zur Einleitung der nötigen Karenzmaßnahmen
ist es wichtig, eine Sarkoidose von einer Berylliose abzugrenzen. Mit Hilfe des negativ
verlaufenen Hauttests mit Berylliumsulfat schlossen wir bei unserer Patientin eine
Berylliose aus.
Die Therapie der Sarkoidose erfolgt in Abhängigkeit vom klinischen Bild und dem Verlauf.
Spontanrückbildungen sind zu beachten.
In unserem Fall führten steroidhaltige Cremes und kurzfristig auch intern eingesetzte
Steroide nicht zum gewünschten Erfolg. Erst nach Instillation von Triamcinolonacetat
intraläsional kam es zu einem kosmetisch zufriedenstellenden deutlichen Abblassen
der Rötungen im Nasenbereich. Die Restbefunde werden von der Patientin mittels Camouflage
abgedeckt.