Das Programm des 44. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie ist der
vorläufige Höhepunkt einer beeindruckenden Entwicklung, die Anfang 1993 durch eine
Neustrukturierung der Gesellschaft und der Kongressorganisation den Anfang genommen
hat. Durch die Gründung von 14 Sektionen mit demokratisch gewählten Sprechern wurde
ein Wettstreit um die besten Beiträge an Fort- und Weiterbildung einerseits wie auch
wissenschaftlicher Innovation andererseits erreicht. Das Ergebnis ist ein ausdifferenziertes
Kongressprogramm, das sich auf die kenntnisreiche Auswahl der jeweils besten Experten
der Sektionen mit den jeweils aktuellsten Themen stützt. Die Kehrseite dieses Wettstreites
ist, dass die Zahl der eingereichten Beiträge von Jahr zu Jahr anschwoll und kaum
noch überschaubar ist. Aufgabe des Kongresspräsidenten ist es zunehmend, die Zahl
der Beiträge zu reduzieren, thematisch zu bündeln und zu fokussieren. Dies wurde in
München mit Nachdruck versucht. Dennoch ist das Programm umfangreicher geworden als
je zuvor. Dem skeptischen Gegner einer möglichen Überfrachtung möchte ich entgegensetzen,
dass die Freude über die zunehmende Aktivität der Mitglieder der Gesellschaft überwiegt.
Die Realität zeigt aber auch: Die Programmgestaltung wird auch beeinflusst von sozioökonomischen
und fachspezifischen Entwicklungen, die neben den genannten Zielen vom „Zeitgeist”
bestimmt werden und von denen im Folgenden einige herausragende Beispiele genannt
werden sollen, die eine subjektive Auswahl des Autors darstellen.
Zellbiologie und klinische Pneumologie - Verstärkter Schulterschluss
Zellbiologie und klinische Pneumologie - Verstärkter Schulterschluss
Von den 365 angenommenen wissenschaftlichen Beiträgen stammen die meisten aus den
Sektionen Zellbiologie und Klinische Pneumologie. Herausforderung und Chance des Kongresses
ist es, zwischen diesen Fachgebieten Brücken zu schlagen und es klinisch tätigen Ärzten
zu erleichtern, die wichtigsten Zusammenhänge der Zellbiologie zu verstehen und im
klinischen Alltag sinnvoll umzusetzen. Der Wissenstransfer für den Spezialisten erfolgt
zunächst in interaktiven Seminaren und Workshops mit den Schwerpunkten Entzündungs-
und Abwehrmechanismen. Er muss aber auch in größerem Rahmen diskutiert werden. Ein
Beispiel in diese Richtung gibt das Symposium über fachübergreifende Grundlagen der
Endoskopie: „Blick über den Rand des Okulars: Endoskopie und Infektiologie, Molekularbiologie
und Genetik”.
Rehabilitationsmedizin - wissenschaftliche Evaluation contra politischen Druck!
Rehabilitationsmedizin - wissenschaftliche Evaluation contra politischen Druck!
Früher und intensiver als in anderen Fächern zeichnet sich in der Rehabilitationsmedizin
ab: Die politische und ökonomische Situation zwingt zum Handeln. Die Beiträge signalisieren
das Bemühen um wissenschaftliche Evaluation und die Bereitschaft, sich bei knapper
werdenden Ressourcen dem Wettbewerb zu stellen. Die Rehabilitationsmedizin ist dabei,
neue Strukturen ambulanter und stationärer Verzahnung mit bestmöglicher Kosten/Nutzenrelation
zu entwickeln. Zu nennen sind hier das Gründerseminar OACM (Optimales ambulantes Case-Management)
und das Symposium „Pneumologische Rehabilitation - Up-date 2003 - Was ist neu - Was
ist wirklich wichtig?”
Onkologie - Ausweg durch Früherkennung?
Onkologie - Ausweg durch Früherkennung?
Im Bereich der Pharmakotherapie führten die wissenschaftlichen Bemühungen der letzten
Jahre zu einer wesentlichen Verbesserung der Lebensqualität von Patienten mit Bronchialkarzinom.
Multimodale Konzepte sind in Entwicklung, unsicher bleibt jedoch, ob durch sie eine
signifikante Verlängerung der Überlebensraten erwartet werden kann. Der Mangel an
substanziellem Fortschritt verstärkt den Druck zur Früherkennung. Dieses Thema, obschon
30 Jahre alt, erfährt eine Renaissance durch neue Techniken: Low-Dose-CT, moderne
Sputumanalytik und Fluoreszenzbronchoskopie, die im Kontext mit modernen Verfahren
der interventionellen Endoskopie eine besondere Effizienz versprechen.
Pathophysiologie und Aerosolmedizin - Eine Jubiläumsfeier!
Pathophysiologie und Aerosolmedizin - Eine Jubiläumsfeier!
Im Rahmen des Kongresses findet die Jubiläumsveranstaltung zur 100. Arbeitstagung
(1962 - 2003) der Sektion Pathophysiologie und Aerosolmedizin statt. Diese Sektion
ist aus der früheren „Arbeitsgemeinschaft Pathopysiologie” hervorgegangen, deren Charakter
entscheidend von Dozent Dr. med. Johannes Vogel, Forschungsinstitut für Respiratorische
Diagnostik in Berlin-Buch geprägt wurde. Neue Erkenntnisse zur Rolle molekularer und
zellulärer Prozesse in der Pathogenese des Lungenemphysems eröffnen in Zukunft erweiterte
Möglichkeiten der Therapie und Prävention. Die Jubiläumsveranstaltung diskutiert daher
vor allem die Entwicklung neuer Methoden in der Emphysemdiagnostik und zukünftige
(kausale?) Therapieoptionen zur COPD.
Infektiologie - Lunge als Opfer oder Täter?
Infektiologie - Lunge als Opfer oder Täter?
Einen thematischen Schwerpunkt des Kongresses bildet die Rolle der Lunge bei Infektionen
- sei es als primärerkranktes Organ oder im Rahmen der Interaktion mit extrapulmonalen
Infektionen. Die Sektion „Infektiologie, Tuberkulose” der DGP übernimmt im Bereich
Infektiologie eine wichtige Aufgabe in Lehre und Forschung, da Infektiologie in Deutschland
nicht als eigenständiges Fach der Inneren Medizin existiert. In München werden sich
5 wissenschaftliche Vorträge mit der Rolle der Lunge bei extrapulmonalen Infektionen
befassen, bei denen die Lunge in Bezug auf andere Organe sowohl Opfer als auch Täter
sein kann. Aus den Bereichen Sepsis, Tuberkulose, Endokarditis und anderen Infektionen
werden neue Aspekte vorgetragen, die die Heilungschancen solcher Infektionen verbessern
können. „Erreger des Jahres” sind die Pneumokokken, die wichtigsten Erreger von Atemwegsinfektionen.
Dramatisch ist hier die weltweite Entwicklung von Resistenzen gegenüber bewährten
Antibiotika, so dass alte Therapiekonzepte überdacht und neue Strategien einschließlich
präventiver Maßnahmen entwickelt werden müssen.
Zum Thema ambulant erworbene Pneumonien werden die Ergebnisse des 1. Nationalen Kompetenznetzwerks
zur pneumologischen Infektiologie (CAP-Netz) vorgestellt. Beim CAP-Netz (Netz zur
Erforschung der ambulant erworbenen Pneumonie) handelt es sich um ein vom Bundesministerium
für Bildung und Forschung unterstütztes Netzwerk zur intensiven Erforschung dieser
wichtigsten potenziell zum Tode führenden Infektionserkrankungen. Ziel dieses Netzwerkes
ist vor allem die Reduzierung der hohen Sterblichkeitsrate bei ambulant erworbenen
Lungenentzündungen.
Schlafmedizin - ambulant oder stationär?
Schlafmedizin - ambulant oder stationär?
Die bevorstehende Einführung der DRGs könnte die Wirtschaftlichkeit der Schlafmedizin
im stationären Bereich schwächen. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass die geplante
Änderung der Gebührenordnung für Ärzte dazu führt, dass sich die Schlafmedizin zunehmend
in den ambulanten Bereich verlagert.
Dies hat Konsequenzen für den stationären Sektor. Bereits jetzt ist erkennbar, dass
sich das diagnostische und therapeutische Spektrum in den schlafmedizinischen Abteilungen
der Kliniken verändert. Die Patienten weisen zunehmend Schlaf- und Atmungsstörungen
in Kombination mit teilweise schweren pneumologischen, internistischen und neurologischen
Krankheitsbildern auf. Verdeutlicht wird dieser Prozess durch die große Zahl von Originalbeiträgen
aus dem schlafmedizinischen Bereich, die sich mit klinischen Studien zur Interaktion
von nächtlichen Atmungsregulationsstörungen und Hochdruck, Herzinsuffizienz, Apoplex
und Restless-legs-Syndromen beschäftigt.
Bei 170 Veranstaltungen, bestritten von knapp 350 Referenten, geben die genannten
Ausführungen zwangsläufig nur schlaglichtartige Tendenzen und Schwerpunkte. Sie sollen
neugierig machen auf den Wettstreit der 14 Sektionen vor Ort. Auf einen Kongress,
der die eingangs genannte Botschaft verdeutlichen wird: Die Pneumologie ist eine zentrale
Disziplin im Konzert der Fächer der Inneren Medizin. Dieser Anspruch wird einmal mehr
bekräftigt durch den 44. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie in München.
Hierzu lade ich Sie herzlich ein.