Die primäre Osteoporose ist eine polygenetisch determinierte Erkrankung, deren Manifestation
in einem hohen Maße durch Umwelt, Lebensbedingungen und Begleiterkrankungen beeinflusst
wird. Sie manifestiert sich in unterschiedlichen Lebenssituationen mit jeweils anders
gearteten Problemen. Daher hat eine Unterteilung - zum Beispiel in die postmenopausale
Osteoporose und die Osteoporose im höheren Lebensalter - eine gewisse Berechtigung.
Einige Formen der „idiopathischen” Osteoporose (Osteoporose des Mannes und alle Formen
der jüngeren Lebensalter) und die sekundären Osteoporosen (mit Ausnahme der glukokortikoidinduzierten
Osteoporose, GIO) sind durch die nun verfügbaren Leitlinien des Dachverbands Osteologie
nicht oder nur teilweise abgedeckt.
Sekundäre Formen der Osteoporose haben eine dominante Ursache, die diagnostisch aufgearbeitet
werden muss und nach Möglichkeit kausal zu therapieren ist. Grundsätzlich sind die
sekundären Formen der Osteoporose wahrscheinlich auf dem Hintergrund des individuellen
Risikoprofils für die Entstehung einer primären Osteoporose zu sehen, welches die
Suszeptibilität für eine sekundäre Ursache maßgeblich beeinflusst. Naturgemäß entstehen
hierdurch Grauzonen, in denen die Anteile einer primären Disposition und einer sekundären
Begleiterkrankung an der Pathogenese nur unscharf voneinander zu trennen sind.
Die folgende Übersicht kann sicher keine evidenzbasierte Aufarbeitung der verfügbaren
Literatur zur Diagnostik und Therapie zur Verfügung bereit stellen. Sie soll vielmehr
einen Überblick über die vorhandenen Daten bei den wichtigsten Formen der sekundären
Osteoporosen bieten, diese in Relation zu den DVO-Leitlinien stellen und Vorschläge
zum vernünftigen Vorgehen angeben. Für viele Situationen gibt es nur wenige Daten
in der Literatur, sodass evidenzbasierte Leitlinien ohnehin schwer zu erstellen sind.
Es ist wünschenswert, dass möglichst viele Patienten und Patientinnen in Studien eingebracht
werden, um die notwendige Datenbasis zu erarbeiten.
Häufigkeit und Bedeutung sekundärer Osteoporosen
Häufigkeit und Bedeutung sekundärer Osteoporosen
Zur Häufigkeit sekundärer Osteoporosen findet man sehr unterschiedliche Zahlen, die
von den untersuchten Populationen und den Kriterien für das Vorliegen einer sekundären
Osteoporose abhängen. Insgesamt ist bei Frauen im Durchschnitt bei etwa 20 % mit einer
sekundären Genese der Osteoporose zu rechnen, bei Männern sind dies sogar bis zu mehr
als 60 % [13]
[16]
[21]. Dies unterstreicht die Wichtigkeit der Empfehlungen aller Leitlinien des Dachverbands
Osteologie, welche in den diagnostischen Algorithmen den Untersuchungen zum Ausschluss
einer sekundären Osteoporose einen hohen Stellenwert einräumen.
Erkrankungen, die eine sekundäre Osteoporose verursachen können, sind generell starke
Risikofaktoren, welche die Durchführung einer Knochendichtemessung zur Erhärtung der
Risikoabschätzung nach sich ziehen sollten. Sofern andere starke Risikofaktoren (Definition
nach den Leitlinien) vorliegen, gilt diese Aussage umso mehr. Evidenzbasierte Daten
liegen hierfür allerdings nicht vor.
Harte Kosten-Nutzen-Analysen führen zu dem Schluss, dass dies in der asymptomatischen
Situation erst ab 50 Jahren zutrifft, bei eindeutigen klinischen Symptomen aber in
jedem Lebensalter [7]. Ganz sicher muss jedoch bedacht werden, dass die Dauer und Intensität der Einwirkung
einer Erkrankung wie eines Cushing-Syndroms auch in jungem Alter bei einem solchen
Statement in Betracht gezogen werden sollte. Es sei betont, dass praktisch alle sekundären
Osteoporosen, ganz besonders natürlich die seltenen Formen, von einem Fachspezialisten
mitbetreut werden sollten.
Die Osteoporose des Mannes
Die Osteoporose des Mannes
Die Häufigkeit sekundärer Formen bei der Osteoporose des Mannes erfordert oft eine
erweiterte Diagnostik und nach Sicherung der Diagnose eine bestmögliche kausale Therapie.
Der Algorithmus für die postmenopausale Osteoporose kann mit den geschlechtsspezifischen
Einschränkungen durchaus auch als Hilfestellung für die Therapie der Osteoporose bei
männlichen Patienten dienen - zumindest so lange, bis spezifische Daten für Männer
vorliegen. So gibt es zum Beispiel Daten zur Frakturreduktion für die Therapie mit
Alendronat aus einer kontrollierten Studie mit großen Patientenzahlen (21). Die kanadischen
Leitlinien haben die Therapie mit Alendronat bereits mit dem Empfehlungsgrad A versehen
[5].
Allerdings bestehen bezüglich der Diagnostik und der Therapie der Osteoporose des
Mannes noch große Unsicherheiten, beispielsweise zur Frage der Definition eines Hypogonadismus
und der Indikationsstellung zur Sexualhormon-Ersatz-Therapie (Testosteron, Östradiol
oder Vorstufen wie das Dehydroepiandrosteron = DHEA), zur Höhe der mit einer negativen
Knochenbilanz assoziierten Testosteronspiegel und zur Frakturschwelle bei Männern
[27]. Weitere Studien sind daher dringend erforderlich.
Primäre Osteoporose in der Prämenopause
Primäre Osteoporose in der Prämenopause
Eine Osteoporose, die im jüngeren Lebensalter (als grobe Richtlinie vor dem 50. Lebensjahr
für den Mann bzw. in der Prämenopause der Frau) auftritt, erfordert ebenfalls den
sorgfältigen Ausschluss sekundärer Osteoporosen. Aufgrund der ungenügenden Datenlage
ist zu fordern, dass solche Fälle von Spezialisten betreut werden sollten. Nach der
Sicherung der Diagnose kann man die jüngeren Männer prinzipiell ebenso behandeln wie
ihre älteren Geschlechtsgenossen. Bei der prämenopausalen Frau kann die Erkrankung
im Grunde nach dem Schema der postmenopausalen Osteoporose leitliniengerecht diagnostiziert
und (mit Einschränkungen) therapiert werden. Verstärkt zu nutzen sind im jüngeren
Lebensalter allerdings die Möglichkeiten der nichtmedikamentösen Maßnahmen, wie zum
Beispiel die körperliche Betätigung.
Für fertile Frauen, deren Familienplanung noch nicht abgeschlossen ist, sind aber
einige Besonderheiten zu beachten: So sollten diese bezüglich der Anwendung von Bisphosphonaten
aufgeklärt werden - inklusive einer sorgfältigen Nutzen/Risiko-Analyse. Das Wissen
darüber, dass die Halbwertszeit der Bisphosphonate im Knochen bis zu zehn Jahre beträgt
(dies gilt für Alendronat, bei Risedronat ist die Halbwertszeit wahrscheinlich deutlich
kürzer), wird auch bei Kindern und Adoleszenten sehr intensiv diskutiert und geht
in die verantwortungsbewusste Indikationsstellung mit ein [12]
[18]
[20]
[29].
Generell wird die Diskussion über die Verabreichung dieser Substanzen vor und während
der reproduktiven Lebenszeit des Mädchens respektive der jungen Frau vernachlässigt.
Bislang ergaben sich keine Hinweise auf Auswirkungen auf die fetale Entwicklung durch
die Freisetzung der Bisphosphonate aus dem Skelett der Mutter im Rahmen der Knochenresorption
während der Schwangerschaft (Kasuistiken). Solide Daten hierüber existieren nicht.
Frühe tierexperimentelle Ergebnisse über verschiedene Bisphosphonate zeigen jedoch
teilweise erhebliche Auswirkungen auf Mütter und Feten - sowohl pränatal als auch
peripartal (z.B. [14]
[19]
[23]).
Da die Wirkung moderner Amino-Bisphosphonate über die Hemmung der Farnesylsynthase
in der Induktion von Apoptose besteht, bliebe eine fehlende klinische Auswirkung derselben
in der fetalen Phase zu belegen. Bis entsprechende Daten vorliegen, sollte somit die
Anwendung von Bisphosphonaten in dieser Situation sehr kritisch erfolgen - und möglichst
im Rahmen klinischer Studien in Zentren dokumentiert werden.
Während der Therapiephase sollte eine wirksame Kontrazeption betrieben und für eine
geplante Schwangerschaft ein therapiefreies Intervall eingehalten werden. Für die
Dauer dieser Zeitspanne gibt es jedoch keine rationale Grundlage. Im Zweifel wäre
in solchen Ausnahmesituationen der Einsatz von Sexualhormonen in Kombination mit Zweitlinien-Medikamenten
mit kurzer Halbwertszeit (wie z.B. Calcitonin) zu erwägen. Der Einsatz von Raloxifen
erscheint in der Prämenopause aufgrund der zu erwartenden Nebenwirkungen im Sinne
von Menopausenbeschwerden dagegen nicht sinnvoll. Die Episode der Perimenopause ist
in Absprache mit dem Frauenarzt durch eine individuelle Hormon(ersatz)therapie zu
überbrücken [26].
Juvenile Osteoporosen
Juvenile Osteoporosen
In der pädiatrischen Literatur wird dieser Terminus für das Krankheitsbild „Osteoporose
unerklärter Ursache”, somit bona fide primäre Osteoporose, verwendet. Aber auch eine
Reihe von sekundären Osteoporosen auf dem Boden von chronisch entzündlichen Erkrankungen
- wie zum Beispiel bei M. Cushing, nach Transplantation oder bei hoch dosierter Kortikoidtherapie
- werden zu den juvenilen Formen gezählt, was eigentlich nicht korrekt ist [29]. Eine Sonderstellung nimmt dabei sicher die Osteogenesis imperfecta ein, gegen die
eine juvenile idiopathische Osteoporose immer abzugrenzen ist.
Die exakte Definition der idiopathischen Form der juvenilen Osteoporose ist diejenige
nach Ausschluss aller sekundären Formen. Nach solchen strikten Kriterien ist die Erkrankung
weltweit sehr selten. Sie manifestiert sich am häufigsten zwischen 8 und 14 Jahren
und zeigt eine ausgeprägte Tendenz zur Spontanremission mit dem Eintritt der Pubertät.
Zur Diagnostik und Therapie liegen naturgemäß wenig Daten vor. Bei den kasuistischen
Fällen schwerer Osteoporose im Kindesalter fielen die Betroffenen stets durch Frakturen
auf. Die meisten Autoren raten zu Entlastung, physikalischer Therapie und Optimierung
der Versorgung mit Vitamin D3 und Kalzium [12]
[29].
Sofern eine Ursache für die Osteoporose zu finden ist, steht selbstverständlich die
spezifische Therapie der Grunderkrankung im Fokus. Kasuistische Berichte und offene
Therapiestudien berichten eine positive Wirkung von Bisphosphonaten in Bezug auf Frakturhäufigkeit
und Schmerzen - sowohl bei idiopathischen als auch bei sekundären Formen (insbesondere
bei der glukokortikoidinduzierten Osteoporose). Die meisten Erfahrungen bestehen mit
der intermittierenden Anwendung intravenöser Pamidronsäure, besonders bei schwer erkrankten
Kindern mit Osteogenesis imperfecta [12]
[34].
Kinder mit Osteoporose sollten einem Spezialisten vorgestellt und in kontrollierte
Studien eingebracht werden. Nur so sind Daten zu sammeln, die ein evidenzbasiertes
Vorgehen erlauben.
Genetische Erkrankungen mit Bezug zur Osteoporose
Genetische Erkrankungen mit Bezug zur Osteoporose
Rachitis
Seltene monogenetische rachitische Erkrankungen (1-alpha-Hydroxylase-Defizienz und
die Vitamin-D-resistente Rachitis, erbliche Formen des Phosphat-Diabetes, Nierensteine
und Osteopenie bei Polymorphismen des Phosphattransporters NPT2) [15]
[24]
[25] bedingen in ihrer reinsten Form ein von der Osteoporose völlig verschiedenes Bild:
die Osteomalazie. Vor dem Hintergrund eines hohen Risikos für die primäre Osteoporose
können sie die Manifestation einer Osteoporose deutlich beschleunigen oder anstoßen.
Erstes und ranghöchstes Ziel muss es damit sein, die Primärerkrankung optimal zu behandeln
- und zwar abhängig von der jeweiligen Grunderkrankung mit dem Ersatz des Vitamin-D-Hormons,
der pharmakologischen Therapie mit Vitamin-D-Hormon oder der kombinierten Therapie
mit Phosphat und Vitamin-D-Hormon [8]
[15]. Der Behandlungserfolg ist gegebenenfalls durch eine Knochenbiopsie zu überprüfen.
Unter der Voraussetzung der bestmöglichen Therapie des Grundleidens ist ansonsten
der Einsatz von A1-Medikamenten nach den vorhandenen Leitlinien zur Behandlung der
Osteoporose denkbar.
Osteogenesis imperfecta
Die milde verlaufenden Formen der Osteogenesis imperfecta können im Laufe des Lebens
eine schwere Osteoporose bedingen oder begünstigen. Liegt eine solche Erkrankung vor,
besteht auch ein hohes Risikoprofil. Damit ist ein Monitoring der Knochendichte erforderlich,
um den Zeitpunkt eines notwendigen Therapiebeginns nicht zu versäumen. Wenn die Messung
der Knochenmineraldichte (BMD = „bone mineral density”) das Frakturrisiko nicht reflektiert,
sollte - bei gesicherter Diagnose - die Frakturinzidenz bei der Indikation eine wichtige
Rolle spielen.
Aufgrund der positiven Erfahrungen mit der Bisphosphonattherapie im Kindesalter wird
man diese Substanzen bevorzugt auswählen. Höchstwahrscheinlich können die Ergebnisse
der Behandlung mit Pamidronsäure bei Kindern auf die anderen Amino-Bisphosphonate
und auf Erwachsene extrapoliert werden. Erste Hinweise dafür sind Daten mit dem bei
uns nicht gebräuchlichen Neridronat bei Erwachsenen mit Osteogenesis imperfecta [1]. Die Optimierung der Zufuhr von Kalzium und Vitamin D3 sollte nach der Vorgabe der
Leitlinien für die primäre Osteoporose erfolgen.
Metabolische Azidose
Hereditäre Formen der metabolischen Azidose erfordern ebenfalls eine stringente und
möglichst optimale Behandlung der zugrunde liegenden Stoffwechselstörung [6]. Ein entscheidender Mechanismus für die Entstehung einer Osteoporose bei einer Azidose
besteht darin, dass eine hohe Kalziurie vorliegt. Daher sollte man diesem Phänomen
bei der Wahl der Therapieoption erhöhte Aufmerksamkeit schenken.
Eine Behandlung mit Thiaziddiuretika kann die Kalziurie verbessern. Gleichzeitig ist
aber auch auf die Optimierung der Zufuhr von Kalzium und Vitamin D besonderer Wert
zu legen. Das Monitoring der Knochenmineraldichte ist sicher indiziert. Auf der Grundlage
dieser therapeutischen und diagnostischen Situation kann die Diagnostik und Therapie
in die Algorithmen der Leitlinien münden. Möglicherweise weist eine Subpopulation
aller Osteoporosepatientinnen und -patienten eine milde Form der metabolischen Azidose
auf [33].
Endokrinologische Erkrankungen
Endokrinologische Erkrankungen
Erworbener Vitamin-D-Mangel
Auch bei den erworbenen Formen der Vitamin-D-Mangel-Erkrankungen gilt, dass sie in
ihrem Vollbild eigentlich eine Osteomalazie und nicht eine Osteoporose verursachen.
Auch sie können vor dem Hintergrund des individuellen Risikos eine Osteoporose begünstigen
oder auslösen. Häufigste Ursache ist eine Hypovitaminosis D (ausgelöst zum Beispiel
durch geringe Besonnung aufgrund der Lebensweise oder wenn der Betroffene weit nördlich
des 40. Breitengrades wohnt). Außerdem kommen gastroenterologische Syndrome der Malabsorption
oder Malassimilation infrage. Die effektive Therapie des Grundleidens und die leitliniengerechte
Optimierung der Zufuhr von Kalzium und Vitamin D3 stehen dabei an erster Stelle [15]
[17].
Der erworbene Phosphatdiabetes beruht in der Regel auf einem (meist gutartigen) Tumor
[28] oder auf einer ausgeprägten fibrösen Dysplasie im Rahmen eines McCune-Albright-Syndroms
[8]. Treten diese ausgeprägt und isoliert auf, verursachen auch sie ein charakteristisches
osteomalazisches Krankheitsbild. Zudem sind sie ein hoher Risikofaktor für die Entstehung
einer Osteoporose. Als erste Therapiemaßnahme ist der Ersatz von Phosphat oder die
Operation des zugrunde liegenden Tumors zu nennen. Das Vorliegen einer Osteomalazie
ist histologisch abzuklären und diese vor Einsatz von Antiresorptiva bestmöglich zu
therapieren.
Hypogonadismus
Bei allen Formen des Hypogonadismus steht der Ersatz der Sexualhormone therapeutisch
im Vordergrund. Kommt es dennoch zu einer relevanten Osteopenie oder zu Frakturen,
sollten individuell die Prinzipien der Therapie der Osteoporose des Mannes oder der
leitliniengerechten Diagnostik und Therapie der postmenopausalen Osteoporose zum Tragen
kommen.
Hypo- oder Hyperthyreose
Neue Daten sprechen dafür, dass besonders eine - auch „subklinische” - Hypothyreose
das Frakturrisiko deutlich erhöht [32]. Dies gilt auch für lang dauernde und chronische Fälle. Diesen Daten sollte Rechnung
getragen werden durch eine erhöhte Aufmerksamkeit bezüglich des Risikos, der Optimierung
der Kalzium- sowie Vitamin-D-Zufuhr und der Knochendichtemessung zur Substanziierung
des Risikos. Tritt trotz optimaler Behandlung der Schilddrüsenerkrankung eine Osteoporose
auf, sollte die Diagnostik und Therapie je nach Lebenssituation in die Anwendung der
Leitlinien münden.
Hyperparathyreoidismus
Durch eine chronische Erhöhung der Parathormon-Sekretion bewirkt der Hyperparathyreoidismus
eine negative Kalziumbilanz und eine erhöhte Knochenresorption, was zum Knochenverlust
und zur Osteoporose führt. Die ursächliche Therapie besteht in der Entfernung des
adenomatösen (selten auch karzinomatösen) Nebenschilddrüsengewebes. Auch hier ist
eine Restitution des Knochens nach Heilung der Grunderkrankung zwar denkbar, jedoch
wird sie in der Regel bei lang dauernder unerkannter Erkrankung nicht erreicht. Frakturen
treten zudem häufig bereits in der aktiven Krankheitsphase auf.
Pathophysiologisch sinnvoll ist der Einsatz von Bisphosphonaten bei der unbehandelten
oder nicht mehr operativ behandelbaren Erkrankung, jedoch kann diese Therapieoption
die Kalziumspiegel im Serum nur beschränkt beeinflussen. Es gibt wenige kleine Studien
über die Wirksamkeit von Bisphosphonaten (z.B. Alendronat, [22]) auf die Osteoporose bei einem primären Hyperparathyreoidismus. Dabei zeigt sich
eine Zunahme der Knochenmineraldichte an der Wirbelsäule, jedoch nicht an anderen
Messorten. Daten zur Frakturreduktion liegen nicht vor.
Cushing-Erkrankung
Der Hyperkortisolismus aufgrund des Vorliegens von Hypophysenadenomen oder Nebennierenadenomen
und -hyperplasien ist in Teilen analog zu sehen zur iatrogen steroidinduzierten Osteoporose.
Der Hauptunterschied zur Situation bei chronisch entzündlichen Erkrankungen besteht
darin, dass hier die zusätzlichen Mechanismen inflammatorisch bedingten Knochenmasseverlusts
nicht zum Tragen kommen.
Die effektive Behandlung des Grundleidens bewirkt theoretisch eine Restitutio ad integrum,
sofern die Dauer der Erkrankung und das Alter zum Zeitpunkt der Manifestation das
Ausmaß des Knochenverlusts noch nicht irreparabel fortschreiten ließen. Nicht selten
liegen allerdings zum Zeitpunkt der Diagnose bereits Frakturen vor, die dann ein leitliniengerechtes
Vorgehen wie bei der glukokortikoidinduzierten Osteoporose nach sich ziehen sollten.
Osteoporose bei Anorexia nervosa
Besonderen Gesetzen gehorcht die Osteoporose bei der Anorexia nervosa. Laut den Ergebnissen
guter metabolischer Studien ist hier - pathophysiologisch gesehen - der ausschlaggebende
Faktor eine „Anergie” des gesamten Knochenmetabolismus. Wichtig sind vor allem der
Mangel an IGF-1 („insulin-like growth factor 1”) und an Sexualsteroiden [3]
[18]
[20]. Unter einem Body-Mass-Index (BMI) von 15 kg/m2 hat die Substitution mit Sexualhormonen in der schweren Phase der Erkrankung jedoch
keinen signifikanten Effekt. Erst die Therapie der Grunderkrankung mit konsekutiver
Anhebung des BMI über diesen kritischen Wert führt dazu, dass die anabolen Parameter
des Knochens wieder ansteigen.
Zur Behandlung dieser Art der Osteoporose gibt es wenige Daten. Unzweifelhaft ist
die Anorexie ein wichtiger Risikofaktor bei der Entstehung der Osteoporose. Insbesondere
diejenigen Patientinnen, die eine schwer traktable und chronifizierte Form der Anorexie
aufweisen, haben auch im späteren Leben ein erhöhtes Frakturrisiko. Tritt bereits
in sehr jungen Jahren eine Osteoporose mit manifesten Frakturen im Rahmen der Erkrankung
auf, erscheint die Substitution mit Sexualhormonen - sofern sie toleriert wird - und
die Therapie mit Bisphosphonaten (cave: Diskussion um deren Einsatz bei fertilen Frauen)
nach dem Vorbild der postmenopausalen Osteoporose sinnvoll. Einschränkungen ergeben
sich gemäß den Unwägbarkeiten der Anwendung von Bisphosphonaten bei der fertilen Frau.
Hauptanliegen muss die Normalisierung oder zumindest die Anhebung des BMI sein.
Gastroenterologische Erkrankungen
Das Frakturrisiko bei entzündlichen Darmerkrankungen und bei Zöliakie untersuchten
verschiedenste Studien. Dabei ergaben sich sehr variable Frakturinzidenzen - möglicherweise
aufgrund unterschiedlicher Kollektive mit verschieden hoher Aktivität der Grunderkrankung
und unterschiedlicher kumulativer Steroiddosis. In einer großen Populations-Studie
aus Dänemark mit über 16000 Patienten [31] war die Frakturinzidenz nur leicht erhöht bei allen Patienten mit M. Crohn (Incidence
Ratio 1,15 respektive 1,19), nicht erhöht bei Zöliakie und Colitis ulcerosa. Hingegen
wurden in einer größeren Studie an Patienten mit M. Crohn bei Steroidfreien und bei
Steroidbehandelten gleichermaßen etwa 14 % asymptomatische Wirbelfrakturen gefunden.
Dies entspricht den Zahlen aus den eben veröffentlichten Leitlinien der „American
Gastroenterological Association” für Osteoporose bei gastrointestinalen Erkrankungen
[2]
[4].
Die Korrelation der gemessenen Knochenmineraldichte mit der Häufigkeit asymptomatischer
Frakturen ist in diesen Fällen schlechter als bei der primären Osteoporose. Dies hat
Konsequenzen für die Einschätzung des Risikos mittels BMD-Messung. Das Alter (über
60 Jahre) ist auch bei diesen Patienten ein sehr starker zusätzlicher Risikofaktor.
Somit gewinnt die konventionelle Radiologie und Morphometrie der Wirbelkörper bei
diesem Patientenkollektiv an Bedeutung und sollte bei klinischem Verdacht und/oder
hohem Risiko zum Einsatz kommen.
Es gibt kleine Studien, die eine Wirksamkeit von Alendronat auf die Knochenmineraldichte
zeigen, Frakturdaten existieren nicht. Patienten, die chronische Prednisonmedikation
benötigen, sollten nach den Leitlinien für die glukokortikoidinduzierte Osteoporose
diagnostiziert und therapiert werden. Wichtig ist, die Zufuhr an Kalzium und Vitamin
D zu optimieren, obwohl die Inzidenz des Vitamin-D-Mangels bei jungen Patienten erstaunlich
niedrig ist. Weitere Studien sind dringend erforderlich.
Die Frakturinzidenz bei unbehandelter Zöliakie ist ebenfalls erhöht, sie beträgt 40
% im Alter über 70 Jahren [4]. Der häufig niedrige Body-Mass-Index ist als weiterer Risikofaktor relevant. Erhebliche
Anstiege der Knochenmineraldichte werden durch die konsequente diätetische Behandlung
erzielt.
Ebenfalls mit einem erhöhten Risiko für Osteomalazie und Osteoporose sind Postgastrektomie-Syndrome
behaftet. Ein Unterschied zwischen der partiellen und der totalen Gastrektomie besteht
jedoch nicht. Eine Hochrisikokonstellation ist die Situation über zehn Jahre nach
der Operation, wenn betroffene Frauen postmenopausal und Männer über 50 Jahre alt
sind. Hier wird die Messung der Knochenmineraldichte empfohlen [4]. Evidenzbasierte Daten zur Therapie sind nicht vorhanden.
Sehr häufig ist in unseren Breiten die Laktoseintoleranz. Sie ist mit einer niedrigen
Knochenmineraldichte und einem erhöhten Frakturrisiko verknüpft [9]. Hier muss die Substitution mit Kalzium aus milchfreien Quellen und die Optimierung
der Vitamin-D-Aufnahme bei der Behandlung im Fokus stehen. Die Diagnostik und Therapie
der Osteoporose sollte ansonsten analog zu den Leitlinien der primären Osteoporose
erfolgen.
Renale Osteodystrophie
Für die komplexe Situation bei der chronischen Niereninsuffizienz in der Phase der
Prädialyse und der Dialyse gelten eigene Bedingungen. Hier ist der Forschungsbedarf
zur Wertigkeit der Therapie der Knochenprobleme mit Medikamenten der A1-Klasse besonders
groß. Die Faktoren, welche auf den Knochen einwirken, sind vielfältig, am wichtigsten
sind:
Die Therapie mit hormonell wirksamen 1-alpha-hydroxylierten Vitamin-D-Metaboliten
und phosphatsenkende Maßnahmen stehen an erster Stelle, um den sekundären Hyperparathyreoidismus
zu beherrschen. Häufig ist in der Phase der Dialyse eine bioptische Klärung der histologischen
Situation erforderlich, um nicht eine adyname Form der renalen Osteopathie mit einem
Antiresorptivum inadäquat zu therapieren. Möglich scheint der Einsatz einer Hormonersatztherapie
oder Raloxifen bei der Frau. Für die Hormonersatztherapie ist gezeigt worden, dass
sie die Knochenmineraldichte erhält. Bisphosphonate sind nützlich zur Therapie des
hohen Knochenumsatzes bei therapeutisch nicht zu beeinflussendem sekundären und/oder
nicht operablem tertiären Hyperparathyroidismus. Aber auch hier gilt: Weitere Studien
sind dringend erforderlich [11].
Transplantationsassoziierte Osteoporose
Auch Organtransplantationen sind in der späten Post-Transplantations-Phase mit einem
hohen Risiko des Knochenverlusts und des Auftretens von Frakturen (7-21 %) verbunden.
Besonders in den ersten sechs Monaten nach der Transplantation ist ein hoher Knochenverlust
zu verzeichnen (30). Nach einer Nieren- oder Lebertransplantation sind die größten
Risikofaktoren für den Langzeitknochenverlust die Dauer und (weniger) die kumulative
Dosis der Glukokortikoidtherapie, ein gestörter Vitamin-D-Haushalt und die zusätzliche
immunsuppressive Therapie mit Cyclosporin (z.B. im Vergleich mit Tacrolimus).
So weit vertretbar, wird daher die schnelle Reduktion der Glukokortikoide und die
Umsetzung auf ein „knochenfreundlicheres” Regime von Immunsuppressiva als frakturverhütende
Maßnahme empfohlen. Sowohl eine präventive als auch eine späte Intervention mit Bisphosphonaten
(Alendronat, Pamidronat und Clodronat) verhindern den weiteren Knochenabbau und führen
zu einem signifikanten Anstieg der Knochenmineraldichte). Eine andere Studie mit immerhin
99 lebertransplantierten Patienten konnte hingegen keinen Effekt von Pamidronat auf
die Frakturinzidenz dokumentieren: Auch in der Kontrollgruppe trat kein wesentlicher
Knochenmasseverlust auf.
Ähnliches gilt für die Therapie mit aktivem Vitamin-D-Hormon und Kalzium bei Nierentransplantation.
In einigen Studien konnte so der Knochenverlust signifikant reduziert werden, andere
Untersuchungen zeigen dies nicht. Insgesamt sind die untersuchten Gruppen häufig klein
(20-50 Patienten pro Gruppe) und die Ergebnisse inkonsistent. Studien zur Frage der
präventiven oder der gezielten Intervention beim Hochrisikopatienten sind daher unbedingt
erforderlich.
Als Hilfestellung für die präoperative Risikoeinschätzung kann - bis andere Daten
zur Verfügung stehen - die Leitlinie für die glukokortikoidinduzierte Osteoporose
herangezogen werden, da sie den Problemen des schnellen Knochenverlusts beim Hochrisikopatienten
am ehesten gerecht werden kann. Dazu gehört dann auch die präoperative Diagnostik
und Risikoabschätzung nach dem Algorithmus.
Maligne Erkrankungen
Maligne Erkrankungen bedienen sich grundsätzlich der physiologischen Endstrecke der
Knochenresorption: der Stimulation osteoklastärer Knochenresorption. Denn damit stehen
den Tumorzellen Wachstumsfaktoren aus der resorbierten Knochenmatrix und aus der zellulären
Interaktion zur Verfügung. Dabei spielen humorale und lokale Phänomene eine Rolle.
Das klassische Bild einer Osteoporose wird bei den humoralen Mechanismen und bei den
generalisierten knochenmarksassoziierten malignen Erkrankungen manifest. Ein herausragendes
Beispiel für die Letzteren ist das multiple Myelom. Im Unterschied zur primären Osteoporose
muss bei diesen Erkrankungen bei Wirbelkörperfrakturen mit neurologischen Problemen
gerechnet werden.
Bei malignen Grunderkrankungen ist die Therapie der Osteoporose mit Bisphosphonaten
in großen Studien abgesichert, welche den Erfordernissen der evidenzbasierten Therapie
genügen. Lediglich der Zeitpunkt des Therapiebeginns und die Rolle der Knochendichtemessung
bei Vorliegen eines Plasmozytoms sind nicht ausreichend charakterisiert. Den Studien
ist eine Dosis-Wirkungsbeziehung zu entnehmen, die zeigt, dass eine vierwöchentliche
Gabe von 90 mg Pamidronat effektiv ist - geringere Dosierungen senken das relative
Risiko des Auftretens skelettbezogener Komplikationen nicht eindeutig. Für die Äquivalenz-Dosierung
mit Zoledronat liegen ebenfalls bereits große Studien vor.
Andere Medikamente der A1-Klasse für die Osteoporose sind in dieser Indikation nicht
belegt. Die Substitution mit Kalzium und Vitamin D3 ist in einer solchen Situation
eher mit Komplikationen behaftet (bezüglich des Auftretens der Hyperkalziämie), sodass
diese Intervention nicht generell zu empfehlen ist - es sei denn unter engmaschiger
Kontrolle und bei beherrschter Grunderkrankung [10]. Andere maligne Erkrankungen verursachen durch ihre Manifestation im Knochen zum
Beispiel Osteolysen und konsekutive Tumorhyperkalziämien. Auf diese Probleme kann
hier nicht detailliert eingegangen werden. Bisphosphonate sind in solchen Situationen
etablierte Supportiva, bei der Hyperkalziämie heute Therapeutika erster Wahl.
Tab. 1 Wichtige Ursachen einer sekundären Osteoporose
|
|
-
entzündliche Darmerkrankungen
-
Zöliakie
-
Laktoseintoleranz
-
Gastrektomie
-
exokrine Pankreasinsuffizienz
-
chronische Lebererkrankungen
|
-
systemische Mastozytose
-
andere Erkrankungen mit Knochenmarksmanifestationen (z.B. Sarkoidose, Lymphome, Leukämien
-
multiples Myelom
-
Malignome mit paraneoplastischer Sekretion (z.B. PTHrP, RANKL)
|
|
|
|
|
|
|
|
nach [13]
Alle angeführten Diagnosen sind auch nach suffizienter Behandlung lebenslang als potenzielle
Risikofaktoren für die Entwicklung einer idiopathischen Osteoporose im höheren Lebensalter
zu betrachten
|
Tab. 2 Therapie sekundärer Osteoporosen
|
Indikation
|
Etidronat
|
Risedronat
|
Alendronat
|
Raloxifen
|
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400 mg (zyklisch)
|
5 mg/Tag
|
35 mg/Wo
|
10 mg/Tag
|
70 mg/Wo
|
60 mg/Tag
|
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postmenopausale Osteoporose
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+
|
+
|
+
|
+
|
+
|
+
|
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Osteoporose des Mannes
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-
|
-
|
-
|
+
|
-
|
-
|
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glukokortikoidinduzierte Osteoporose
|
+[*]
|
+[*]
|
-
|
-
|
-
|
-
|
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senile Osteoporose
|
nicht spezifiziert
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sekundäre Osteoporoseformen
|
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-
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-
|
-
|
-
|
-
|
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nach [13]
Zulassungssituation der A1-Medikamente zu Beginn 2003. Hieraus wird deutlich, dass
für die Therapie der sekundären und seltenen Osteoporoseformen keine Zulassung besteht.
Damit ist eine Aufklärung der Patienten über die Durchführung einer „Off-label”-Behandlung
notwendig
|
1 *nur postmenopausale Frauen