Einleitung
Das unilaterale nävoide Teleangiektasie-Syndrom ist ein selten beschriebenes Krankheitsbild,
das innerhalb der Gruppe der Teleangiektasien zu den primären oder idiopathischen
Formen gezählt wird. Klinisch entwickeln sich streng einseitig, häufig im Bereich
definierter Dermatome disseminiert stehende Teleangiektasien, die nebeneinander in
Form zahlloser Einzelherde in punktförmigen, linearen oder verzweigten Strukturen
angeordnet sein können. Gelegentlich finden sich in den betroffenen Arealen zusätzlich
auch einzelne Naevi aranei. Dabei sind das Gesicht, der Hals sowie die Thoraxregion
und die oberen Extremitäten am häufigsten betroffen [1]. Die Ätiopathogenese der Erkrankung ist nicht geklärt. Auffällig ist die gehäufte
Manifestation in der Schwangerschaft und bei alkoholtoxischen Hepatopathien, so dass
eine hormonelle, möglicherweise östrogenabhängige Auslösung diskutiert wird [2]
[3]. Das unilaterale nävoide Teleangiektasie-Syndrom ist eine Dermatose sui generis.
Viszerale Manifestationen oder systemische Komplikationen gehören nicht zum typischen
Krankheitsbild [1].
Kasuistik
Anamnese
In der 16. - 17. Woche ihrer ersten Schwangerschaft bemerkte die hier vorgestellte
31-jährige Patientin erstmals Hautveränderungen, die sich ausschließlich rechtsseitig
am Arm und thorakal manifestiert hatten. Die Vorstellung in der Klinik erfolgte in
der 25. SSW, wobei die Patientin zu diesem Zeitpunkt keine weitere Zunahme des Befundes
mehr bemerkt haben wollte.
Die übrige Anamnese war vollständig unauffällig.
Dermatologischer Befund
Rechtsseitig in den Dermatomen C5 - 8 und Th1 - 3 fanden sich am Ober- und Unterarm einschließlich des Handrückens und der Fingerstreckseiten
sowie am vorderen Dekolletee und über der Schulterblattregion disseminiert stehende
oder auch auf umschriebenen Arealen zu größeren Gruppen zusammentretende Teleangiektasien.
In die betroffenen Regionen vereinzelt eingestreut zeigten sich zusätzlich typische
Naevi aranei (Abb. [1], [2]).
Abb. 1 Unilaterales nävoides Teleangiektasie-Syndrom.
Abb. 2 Detailaufnahme vorderes Dekolletee.
Histopathologischer Befund
Bei unauffälliger Epidermis im oberen und mittleren Corium ektatische Gefäße. Vereinzelt
umschrieben sehr diskretes, überwiegend lymphozytäres perivaskuläres Infiltrat.
Laborbefunde
Unauffälliges Blut- und Differenzialblutbild. Bilirubin und Lebertransaminasen ohne
pathologische Befunde. Antinukleäre Antikörper nicht nachweisbar.
Verlauf
In der 29. SSW kam es zum intrauterinen Fruchttod, dessen Ursache nicht abgeklärt
wurde. Im Verlauf der nächsten 3 Monate entwickelten sich die Teleangiektasien fast
vollständig zurück.
Diskussion
Das unilaterale nävoide Teleangiektasie-Syndrom ist eine selten beobachtete, wenig
bekannte und doch unverwechselbare Dermatose. Innerhalb der von Raff und Bardach zusammengestellten
klinischen Kriterien ist die streng unilaterale Anordnung der Teleangiektasien für
die Diagnose entscheidend. Typischerweise erkranken junge Erwachsene, seltener hingegen
Kinder und Jugendliche. Neben zeitlich begrenzten oder chronisch-rezidivierenden Exazerbationen
wurden auch spontane Rückbildungen der Teleangiektasien beobachtet. Viszerale Manifestationen
gehören nach den Kriterien von Raff und Bardach nicht zum typischen Bild der Erkrankung
[1].
Die Ätiologie und die Pathogenese des unilateralen nävoiden Teleangiektasie-Syndroms
konnten bisher nicht geklärt werden. Das gehäufte Auftreten bei Frauen in der Schwangerschaft,
die postpartale Rückbildung der Teleangiektasien und Rezidive bei erneuten Schwangerschaften
sowie die Manifestation bei zumeist alkoholtoxischen Hepatopathien lassen an eine
hormonabhängige Auslösung denken, wobei insbesondere den Östrogenen eine pathogenetische
Bedeutung zugeschrieben wird [2]
[3]
[4]
[5]. Auch das vereinzelte Auftreten der Erkrankung bei Jugendlichen in der Pubertät
unterstreicht die mögliche Bedeutung der Sexualhormone [6]. Die Untersuchungen von Uhlin et al. unterstützen ebenfalls die Theorie der endokrinologischen
Induktion der Teleangiektasien. So konnten die Autoren eine deutliche Vermehrung der
Östrogen- und Progesteronrezeptoren in den betroffenen Hautarealen bei unauffälliger
Verteilung der Rezeptoren in normaler Haut nachweisen [2]. Allerdings konnten andere Autoren diese Befunde bei ihren Untersuchungen nicht
nachvollziehen [7]
[8]. Unbekannt ist ferner der pathogenetische Mechanismus, der erklären würde, auf welche
Weise Sexualhormone die Dilatation der Gefäße verursachen. Möglich erscheint dabei
eine von Wilkin postulierte genetisch bedingte Verteilungsstörung Östrogen-empfindlicher
Target-Zellen, die bei ansteigendem Östrogenspiegel für die Ausbildung der Teleangiektasien
verantwortlich sein könnten [3]. Raff und Bardach halten darüber hinaus auch eine Dysfunktion vegetativer Nerven
für möglich, da sie bei histologischen Untersuchungen weder cholinerge noch adrenerge
Nervenfasern in den betroffenen Arealen eines Patienten nachweisen konnten. Des Weiteren
diskutieren die Autoren die Bedeutung vasoaktiver Prostaglandine für die Pathogenese
des unilateralen nävoiden Teleangiektasie-Syndroms [1].
Innerhalb der Gruppe möglicher Differenzialdiagnosen ist an den Morbus Osler, an den
Naevus teleangiectaticus, an das Teleangiektasie-Ataxie-Syndrom sowie an essenzielle
Teleangiektasien zu denken. Das unterschiedliche Manifestationsalter, die Verteilung
der Morphen sowie das Auftreten assoziierter systemischer Erkrankungen erlauben im
Allgemeinen jedoch eine sichere Abgrenzung der genannten Differenzialdiagnosen [6].
Nachdem es bei der hier vorgestellten Patientin zu einem intrauterinen Fruchttod gekommen
war, wurde von Seiten der behandelnden Gynäkologen die Frage aufgeworfen, ob ein ursächlicher
Zusammenhang zwischen diesem Ereignis und dem unilateralen nävoiden Teleangiektasie-Syndrom
bestehen könnte. In der uns zugänglichen Literatur fand sich nur ein Bericht über
eine Patientin, deren Kind unmittelbar nach der Geburt an den Folgen kardialer Fehlbildungen
verstarb [9]. Da einerseits die möglichen Ursachen eines intrauterinen Fruchttodes außerordentlich
vielfältig sein können und andererseits systemische Beteiligungen bei Patienten mit
einem unilateralen nävoiden Teleangiektasie-Syndrom nicht beschrieben wurden, muss
letztendlich auch bei betroffenen schwangeren Frauen die Gefahr kindlicher Komplikationen
verneint werden.