Rheumatismus: Gruppenbegriff (ohne diagnostische Wertigkeit) für „schmerzhafte und
funktionsbeeinträchtigende Zustände des Muskel-Skelettsystems unter Einschluss der
sie begleitenden oder auch isoliert auftretenden Vorgänge an anderen Organsystemen”
(Handlexikon der Medizin, Urban und Schwarzenberg, München - Wien - Baltimore).
Der Begriff der „rheumatischen Erkrankungen” deckt also nicht allein die klassisch
entzündlichen Krankheiten der Gelenke, sondern jedwede Krankheitsformen, die mit chronischen
Beschwerden der verschiedenen Gewebe des Bewegungsorgans verbunden sind.
Kasuistik anstelle einer Einleitung
Kasuistik anstelle einer Einleitung
Ein 52-jähriger Mann leidet unter zunehmenden chronischen Schmerzen, die zunächst
in den Bereich der Wirbelsäule und der rechten Schulter projiziert werden und im weiteren
Verlauf auch mehrere große und kleine Gelenke des Körpers befallen. Zunächst erfolgt
eine topische Applikation von Glukokortikoiden, die später auch als systemische Behandlung
oral und parenteral verabreicht werden.
Nach sechs Jahren, also im Alter von 58 Jahren, stürzt der Patient aus zwei Metern
Höhe von einer Leiter. Anschließend wird radiologisch die Diagnose von drei Wirbelbrüchen
gestellt. Ein halbes Jahr später kommt es im Rahmen einer Schreckreaktion nach Stolpern
zu akut neu auftretenden Rückenschmerzen. Radiologisch wird die Diagnose einer weiteren
Fraktur gestellt. Im Abschlussbericht nach unfallchirurgischer Betreuung findet sich
kein Hinweis auf die Möglichkeit, dass eine Osteoporose zur Teilursache des Bruches
geworden war.
Während des nachfolgenden Rehabilitationsverfahrens wird erstmals die Diagnose einer
Osteoporose genannt. Es wird eine Behandlung mit dem Bisphosphonat Fosamax® begonnen.
Zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginnes handelte es sich hierbei um eine so genannte
„off-label-Indikation”, weil Fosamax® zum damaligen Zeitpunkt für die Therapie der
Osteoporose des Mannes noch nicht zugelassen war und auch keine Zulassung für die
Therapie einer steroidabhängig entstandenen Osteoporose hatte. Seit Behandlungsbeginn
sind neue Frakturen nicht mehr aufgetreten. Die jedoch bereits stattgefundenen Frakturen
beeinträchtigten die Funktion des Achsenskelettes in einem derartigen Ausmaß, dass
der Patient in seinem Beruf als Straßenbauer langzeitig arbeitsunfähig wurde und nach
zwei weiteren Jahren erwerbsunfähig in Rente ging.
Kassen bremsen Umsetzung neuer Leitlinien
Kassen bremsen Umsetzung neuer Leitlinien
Inzwischen hat der Dachverband deutschsprachiger osteologischer Fachgesellschaften
Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der kortikoid-induzierten Osteoporose entwickelt.
Diese Leitlinien wurden Anfang des Jahres 2003 durch die Mitgliedsgesellschaften des
Dachverbandes aller in Deutschland relevanten Fachgesellschaften, die sich mit Krankheiten
des Skelettsystems beschäftigen, verabschiedet.
Die Umsetzung eines Teiles dieser Leitlinien, nämlich die Früherfassung eines Osteoporoserisikos
unter Glukokortikoidtherapie mittels Knochendichteanalytik unter Einsatz eines DEXA-Gerätes
(Dual-Energy-X-ray-Absorptiometry), ist immer noch von Hindernissen umlagert, unter
anderem weil die Bestimmung des Knochenmineralgehaltes vor Auftritt eines ersten Knochenbruches
als Kassenleistung durch Beschluss der Bundeskommission - der Gesetzeskraft erhalten
hat - nach wie vor unzulässig ist.
Es darf also nicht erstaunen, dass in Deutschland nach wie vor weiterhin viele der
Patienten, die im Zusammenhang mit der Behandlung einer rheumatischen Krankheit Glukokortikoide
erhalten, im Hinblick auf die Früherfassung eines Osteoporose-Risikos und auf eine
adäquate anti-osteoporotische Therapie bei Nachweis einer steroidabhängig entstehenden
Osteoporose unterversorgt sind. Es rächt sich jetzt, dass in der Vergangenheit die
im Zusammenhang mit einer Osteoporose auftretenden sozialmedizinischen und gesundheitsökonomischen
Folgen ignoriert wurden.
Epidemiologie der Osteoporose
Epidemiologie der Osteoporose
Während der vergangenen Jahre wurden umfangreiche epidemiologische Untersuchungen
in Europa und den USA durchgeführt, deren Ergebnisse die sozialmedizinische Bedeutung
der Krankheit eindrucksvoll belegen.
Den Ergebnissen der europaweit durchgeführten EPOS1-Studie zufolge leben in Deutschland
etwa zwei Millionen Frauen mit bereits eingetretenen Wirbelkörpereinbrüchen sowie
mehr als 800000 Männer mit derartigen Frakturen, die als klassische Spätkomplikation
einer Osteoporose anzusprechen sind [1]. Die Ergebnisse dieser Studie belegen, dass in Deutschland jährlich mehr als 200000
Männer und Frauen von neuen Wirbelkörpereinbrüchen geplagt werden.
Eine eigene Untersuchung, bei der eine Stichprobe von 2 % der deutschen Bevölkerung
mit Unterstützung von Betriebskrankenkassen untersucht wurde, zeigte, dass jährlich
130000 Frauen und Männer frische Oberschenkelhalsbrüche erleben [2]. Die Zahl der distalen Radiusfrakturen wird mit 60000-80000 pro Jahr geschätzt.
Präzise Zahlen zu der Häufigkeit der übrigen, ebenfalls im Zusammenhang mit Osteoporosen
auftretenden Brüche (proximale Humerusfraktur, Sprunggelenksfrakturen, Rippenbrüche,
u.a.m.) stehen nicht zur Verfügung.
Die Ergebnisse der in Deutschland und im europäischen Ausland durchgeführten Untersuchungen
zeigen, dass 20-25 % der an den Folgen einer Osteoporose leidenden Patienten männlichen
Geschlechtes sind. Schon vor Jahren haben die Ergebnisse japanischer Untersuchungen
gezeigt, dass mit zunehmender durchschnittlicher Lebenserwartung die Inzidenz osteoporotischer
Frakturen, besonders deutlich erkennbar beim männlichen Geschlecht, weiterhin zunehmen
wird.
Ursprünglich wurde angenommen, dass die Zahl der Oberschenkelhalsbrüche in Europa
sich bis zum Jahr 2050 verdoppeln würde. Eine Erhebung der „International Osteoporosis
Foundation” (IOF) zeigte jedoch, dass bereits während eines 3-jährigen Erhebungszeitraumes
bis zum Jahr 2002 die Zahl der Oberschenkelhalsbrüche um 25 % zugenommen hatte. Man
wird also den Zeitpunkt, zu dem sich die Zahl der Oberschenkelhalsbrüche verdoppelt
haben wird, um Jahrzehnte vorverlegen müssen.
Bezogen auf den Zusammenhang zwischen Osteoporose und rheumatischen Erkrankungen sind
folgende Daten wichtig: 80 % aller Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) sind
älter als 50 Jahre und 40 % der weiblichen Patienten mit RA weisen eine Osteopenie,
20 % eine Osteoporose auf. 15 bis 20 % aller Patienten mit RA erhalten eine Glukokortikoidtherapie
(siehe Leitlinien der DVO unter www.bergmannsheil/leitlinien-dvo).
Sozialmedizinische Folgen
Sozialmedizinische Folgen
Während der ersten einer klinischen Wirbelfraktur folgenden sechs Monate (klinische
Fraktur: Wirbelbruch, der wegen der akuten Beschwerden zum Arztbesuch führt) steigt
das Risiko vorzeitigen Sterbens im Vergleich zu Unbetroffenen um mehr als das Achtfache
an. Bei Patienten mit Oberschenkelhalsbrüchen findet sich ein ähnlicher Anstieg des
Risikos vorzeitigen Sterbens. Bei Oberschenkelhalsbruch-Patienten wird während der
ersten zwölf dem Ereignis folgenden Monate eine Exzessmortalität von mehr als 20 %
beobachtet [3]. Häufig tritt der Tod als Folge der Akzentuierung der Multimorbidität durch frakturbedingte
Schmerzen, Bettlägerigkeit, Pflegebedürftigkeit ein. So ließ sich unter anderem zeigen,
dass Patienten mit Wirbelkörpereinbrüchen Einbußen bei der Vitalkapazität und der
Sekundenkapazität hinzunehmen haben [Abb. 1] [4]. Die Größe der Dunkelziffer bei der Bewertung osteoporosebedingter Mortalität wird
anhand der Ergebnisse einer jüngst veröffentlichten skandinavischen Studie deutlich:
So war das Risiko des Sterbens an scheinbar ausschließlich kardiovaskulären Krankheiten
bei Patienten mit zwei und mehr Wirbelkörpereinbrüchen ein vielfaches höher als das
Risiko vorzeitigen Sterbens an scheinbar kardiovaskulären Ursachen bei Patienten ohne
Wirbelkörpereinbruch [5].
Wirbelfrakturen sind bei einem zurzeit noch nicht abschätzbaren Anteil der Patienten
mit den schlimmst vorstellbaren Schmerzen assoziiert und führen dann zur Pflegebedürftigkeit,
die sich über Wochen hinziehen kann. Auch hier findet sich eine sehr hohe Dunkelziffer,
da viele Patienten beim zweiten oder dritten Wirbelbruch medizinische Hilfe nicht
mehr suchen, weil sie bei der ersten Fraktur die Erfahrung machen mussten, dass ihnen
ihre Beschwerden nicht geglaubt wurden, dass ihnen Sozialschmarotzertum oder aber
eine pathologische Schmerzwahrnehmung eher psychosomatischen Ursprunges unterstellt
wurde [6].
Nach wie vor gilt, dass bei der Mehrzahl derartiger Frakturpatienten eine zugrunde
liegende Osteoporose nicht festgestellt wird und eine spezifische Osteoporosetherapie
unterbleibt, obwohl durch eine derartige Behandlung das Risiko zukünftiger Frakturen
vorhersagbar und sehr eindrucksvoll gesenkt werden kann.
Mit zunehmender Zahl der Wirbelkörpereinbrüche erlebt die überwiegende Mehrzahl der
Betroffenen einschneidende Einschränkungen der Leistungsfähigkeit im Rahmen der häuslichen
Selbstversorgung [Abb. 2], jedoch auch im Rahmen beruflicher Tätigkeit. Immer wieder werden einzelne Patienten
gesehen, die in eindrucksvoller Weise trotz multipler Wirbelkörpereinbrüche eine selbständige
Lebensführung bewahren können. Zum einen ist völlig unklar, welche Mechanismen diese
Menschen zu dieser Leistung befähigt, zum anderen muss herausgestellt werden, dass
es sich hierbei um nicht repräsentative Einzelfälle handelt. Durch gezielte Erhebungen
mit standardisierten Befragungssystemen kann deutlich gemacht werden, dass Patienten
mit fortgeschrittener Wirbelsäulenosteoporose oft behindert sind und hierdurch in
eine soziale Isolation geraten.
Hier nur einzelne Beispiele
-
Die Zeit, die zwischen der morgendlichen Erhebung und dem Niedersetzen zum Frühstück
vergeht, umfasst bis zu 1œ Stunden. Bis zum Erreichen dieses Zieles werden mehrere
Ruhepausen eingelegt, um der Entstehung zunehmender Schmerzen zu begegnen.
-
Scheinbar banale Hausarbeiten können selbständig nicht mehr erledigt werden, wie zum
Beispiel der Abwasch, das Aufräumen nach den Mahlzeiten, das Ziehen eines Staubsaugers
durch die Wohnung, Bügeln oder Bettenmachen.
-
Viele dieser Patienten sind zu wiederholten Ruhepausen während des Tages genötigt,
um neu auftretenden Schmerzen zu entgehen. Wenn derartige Ruhepausen nicht eingelegt
werden, entstehen Schmerzen und Beschwerden innerhalb von weniger als 5-10 Minuten
und nehmen auch innerhalb weniger
Minuten ein unerträgliches Ausmaß an.
-
Reisen über längere Zeit mit Auto, Bahn oder gar Flugzeug sind nicht mehr möglich.
Auch die Teilnahme an Veranstaltungen des täglichen Lebens (Kino, Theater, Konzert
u.ä.) ist nicht möglich. Viele der fortgeschritten Erkrankten ziehen sich durch ihre
Behinderung aus dem üblichen gesellschaftlichen Leben zurück.
-
Mehr als 50 % der Patienten, die an einem Oberschenkelhalsbruch leiden, erleben trotz
adäquater Therapie in Form von Operation und Rehabilitation keine Restitutio ad integrum
[3]. Der durchschnittliche lebensverkürzende Effekt eines Oberschenkelhalsbruchs beträgt
bei Patienten, die in der Mitte ihrer 70er Jahre betroffen werden, mehr als 7 Jahre
und bei Patienten, die jenseits des 80. Lebensjahres einen derartigen Bruch erleiden
mehr als 1 Jahr.
-
Scharf steigt der Anteil derer an und erreicht deutlich mehr als 50 %, die nach Oberschenkelhalsbruch
nicht mehr in der Lage sind, sich nach dem Aufstehen selbst zu versorgen (Bekleidung,
Körperhygiene), frei über mehrere hundert Meter zu gehen oder Treppen zu steigen.
-
Bei der Selbstversorgung wird mit zunehmender Krankheitsschwere ein zunehmender Anteil
der Betroffenen von Fremdhilfe abhängig, weil regelmäßiger Einkauf nicht mehr möglich
ist. Unbekannt ist die absolute Zahl der von Osteoporose betroffenen Patienten, die
durch ihre Verluste der Leistungsfähigkeit in Alters- oder Pflegeheimen landen. Es
wurde im Rahmen einer Fall-Kontroll-Studie gezeigt, dass 20 % der Patienten nach Oberschenkelhalsbruch
im Laufe der zwölf dem Ereignis folgenden Monate versorgungspflichtig invalide werden
[3].
Folgekosten einer Osteoporose
Folgekosten einer Osteoporose
Die prospektive Untersuchung einer Stichprobe in Deutschland ermittelte nach Oberschenkelhalsbruch
für die Versorgung der Patienten (Akutbehandlung, Rehabilitation, gegebenenfalls Pflege)
einen Finanzbedarf in der Größenordnung zwischen 15000 und 20000 Euro während der
ersten zwölf dem Ereignis folgenden Monate [2]. Diese Zahlen decken sich mit Zahlen aus Skandinavien, Großbritannien, den Beneluxländern
und der Schweiz, wobei eine prospektive gesundheitsökonomische Studie in Genf zu dem
Ergebnis kam, dass zumindest dort die Kosten deutlich oberhalb der hier angegebenen
Zahlen lagen [7].
Es muss also für die Betreuung der Patienten mit Oberschenkelhalsbrüchen in Deutschland
ein Betrag in der Größenordnung von 3 Milliarden Euro pro Jahr bereitgestellt werden.
Felsenberg in Berlin hat hochgerechnet, dass die wirtschaftliche Gesamtbelastung im
Rahmen aller Frakturen bei alt gewordenen Menschen im Bereich von 5 Milliarden Euro
pro Jahr liegt.
Pathophysiologie der Knochenbrüche
Pathophysiologie der Knochenbrüche
Das Frakturrisiko im Alter nimmt mit zunehmendem Lebensalter exponentiell zu. Frakturen
treten zum einen auf, weil durch Osteoporose die mechanische Kompetenz der Knochen
bei Belastungen beeinträchtigt ist. Frakturen treten auch auf, weil im Rahmen gehäuften
Stürzens Knochen, dies gilt insbesondere bei hilflosem Sturz, mechanisch überlastet
werden. In allen epidemiologischen Untersuchungen hat sich jedoch gezeigt, dass der
für die Osteoporose charakteristische Verlust des Knochenmineralgehaltes ein von allen
übrigen Risikofaktoren für Knochenbrüche unabhängiger Risikofaktor ist. Gleiches gilt
für das Altern schlechthin, das ebenfalls bei allen bisher durchgeführten epidemiologischen
Untersuchungen ein von allen anderen Faktoren unabhängiger Risikofaktor ist. Zu den
Risikofaktoren der glukokortikoid-induzierten Osteoporose siehe auch [Tabelle 1].
Dabei ist völlig unerheblich, ob der im Alter eintretende Verlust der Knochendichte
als Alterserscheinung schlechthin interpretiert wird (wie dies gelegentlich auch heute
noch geschieht), also als Alterserscheinung dem Erscheinen grauer Haare oder von Falten
im Gesicht gleichgesetzt wird. Der entscheidende Unterschied zwischen den üblichen
und hinzunehmenden Alterserscheinungen und der mit dem Alter gehäuft auftretenden
Osteoporose besteht darin, dass Haarausfall und Gesichtsfalten sozialmedizinisch und
gesundheitsökonomisch bedeutungsarm sind, während die angebliche Alterserscheinung
Knochensubstanzverlust von bedrängender sozialmedizinischer und gesundheitsökonomischer
Bedeutung ist.
Verschiedene Entitäten der Osteoporose
Verschiedene Entitäten der Osteoporose
Pathophysiologisch werden verschiedene Osteoporosen voneinander abgegrenzt. Mit zunehmender
Kenntnis zur Biologie des Knochenstoffwechsels spaltet sich die scheinbar uniforme
Krankheit in eine zunehmende Zahl verschiedener Entitäten auf.
Primäre Osteoporosen
Im Alter entsteht, möglicherweise teilverursacht durch die im Alter zwangsläufig sich
entwickelnde Sarkopenie (Verlust an Muskelmasse), eine Osteoporose. Einzelheiten zur
Entstehung dieser Krankheitsform sind nach wie vor unbekannt, insbesondere ist ungeklärt,
wieso nur ein Teil der alt werdenden Menschen hiervon betroffen ist. Es wird jedoch
zunehmend deutlich, dass offensichtlich genetische Faktoren das Skelettschicksal im
Alter vorherbestimmen. Hierfür spricht der Zusammenhang zwischen unterschiedlicher
Knochendichte mit verschiedenen Ausprägungsformen (Allele) bei den Rezeptoren von
Vitamin D, jedoch auch der Sexualhormone. Darüber hinausgehend scheint die Aktivität
der verschiedenen Östrogenrezeptoren im Organismus von Bedeutung zu sein. So hat sich
erst jüngst zeigen lassen, dass die durch mechanische Belastung beeinflussbare Ausformung
der Knochen selbst von der Funktion von bestimmten Östrogenrezeptoren abhängt.
Ganz sicher existieren Osteoporoseformen, bei denen Erkrankungen und Funktionsstörungen
der Osteoblasten zur Krankheitsursache werden. Ein klassisches Modell für diese Erkrankungsmöglichkeit
stellen die verschiedenen Formen der Osteogenesis imperfecta dar, bei denen als Folge
genetischer Störungen defekte Osteoblasten minderwertige und mechanisch instabile
Kollagene herstellen, die den Knochenbruch begünstigen [8].
Sekundäre Osteoporosen
Dem die Wechseljahre der Frau verursachenden Mangel ovarieller Hormone wurde zurecht
eine große Bedeutung bei der Entstehung der postmenopausalen Osteoporose zugewiesen,
weil sich zeigen lässt, dass ein derartiger Hormonmangel den Knochenumsatz mit den
Folgen gesteigerten Knochenabbaus anhebt. Wahrscheinlich ist auch beim Mann die Fähigkeit,
aus Androgenen Östrogene zu bilden von Bedeutung für die Entstehung von Osteoporosen
im Alter. Therapeutische Konsequenzen werden hieraus zum jetzigen Zeitpunkt jedoch
nicht mehr abgeleitet, weil sich zumindest beim Einsatz von Östrogen-/Gestagenpräparaten
bei postmenopausalen Frauen zeigen ließ, dass diese zwar einerseits das Frakturrisiko
senken, aber andererseits auch das Risiko für Herzinfarkt und Mammakarzinom erhöhen
können. Wahrscheinlich hängt es auch hierbei von genetischen Faktoren ab, ob eine
Frau durch Sexualhormonmangel in besonderem Maße durch Osteoporose bedroht wird. Wahrscheinlich
gilt gleiches auch für den Mann, der in hohem Alter von relativem Sexualhormonmangel
bedroht wird.
Von besonderer Bedeutung unter den sekundären Osteoporosen sind die im Rahmen einer
Glukokortikoidtherapie entstehenden Erkrankungen. Dabei ist ebenfalls unklar, wieso
bei einem Teil der steroidbehandelten Patienten auch nach jahrelanger Therapie mit
zum Teil eindrucksvoll hohen Dosierungen eine Osteoporose nicht entsteht, während
bei anderen innerhalb weniger Jahre nach Glukokortikoidbehandlung Osteoporosen zu
Frakturen führen. Als mögliche Ursachen kommen sowohl die chronische, über mehrere
Jahre andauernde Entzündung (Aktivierung der Osteoklasten durch Interleukine) als
auch die Immobilisation im Rahmen der Grunderkrankung in Frage [Abb. 3], [Abb. 4]. Der Anteil derer, die unter länger dauernder Glukokortikoidtherapie eine Osteoporose
mit Knochenbrüchen erleiden ist jedoch so hoch, dass in jedem Fall vor Beginn einer
derartigen Behandlung eine osteologische Abklärung obligat ist.
Auch die zur Steroidtherapie führenden chronisch entzündlichen Krankheiten können
selbst zur Osteoporoseursache werden. Dies gilt sowohl für chronisch entzündliche
Erkrankungen der Lunge und des Gastrointestinaltraktes, als auch für entzündliche
Krankheiten des Bewegungsapparates.
Sekundäre Osteoporosen können auch Folge einer als Ausdruck endokrinologischer Krankheit
angehobenen Glukokortikoidwirkung beim Morbus Cushing oder Cushingsyndrom sein. Der
Anteil derer, die im Zusammenhang mit einer langzeitig bestehenden und unentdeckten
und somit unbehandelten Hyperthyreose in der heutigen Zeit eine Osteoporose erleiden,
dürfte begrenzt sein.
Unter den hämatologischen Systemkrankheiten, die eine Osteoporose erzeugen können,
haben die systemischen Mastozytosen eine zunehmende Bedeutung gewonnen. Sie können
Knochendestruktionen verursachen, ohne dass sie durch Hautsymptome (Urticaria pigmentosa)
erkennbar wären. Auch ist das Ausmaß der weiteren möglichen Symptome (z.B. Flush-Syndrom,
gastroenterologische Beschwerden oder anfallsartige Kopfschmerzen mit Übelkeit) variabel
[8].
Selten, jedoch im Einzelfall von besonderer klinischer Bedeutung, sind schwangerschaftsassoziierte
Osteoporosen, die bei einzelnen Patientinnen bereits zum Zeitpunkt der Entbindung
oder kurze Zeit danach zu multiplen Wirbelkörpereinbrüchen führen.
Eine Reihe der als Risikofaktoren für Osteoporose angesprochenen Krankheiten erzeugen
so genannte Mischosteopathien, bei denen der reine Knochenschwund mit einer Osteomalazie
wechselnden Ausmaßes kombiniert ist (z.B. urämische Osteopathie, Osteopathie bei Pankreasinsuffizienz
oder Sprue).
Diagnostik der Osteoporose
Diagnostik der Osteoporose
Durch die Bestimmung des Knochenmineralgehaltes kann das Risiko zukünftiger Frakturen
bei Osteoporose bestimmt werden. Zwar ist die Knochendichteanalyse hierdurch nur ein
einzelner Mosaikstein bei der Abklärung einer Osteoporose, sie ist jedoch nach wie
vor das einzige Verfahren, mit dessen Hilfe bei Patienten mit Osteoporose vor dem
ersten Wirbelkörperbruch das Risiko zukünftiger Frakturen bestimmt werden kann. Das
Ergebnis derartiger Analysen kann somit dazu beitragen, die Dringlichkeit einer spezifischen
Therapie festzulegen.
Der Einsatz quantitativer Ultraschallverfahren ist nicht geeignet, die Indikation
zum Beginn einer Therapie zu bestimmen. Der Grund ist nicht etwa, dass diese Verfahren
im Hinblick auf ihre Vorhersagekraft von osteoporotischen Frakturen nicht ausreichend
validiert wären, sondern dass die Übereinstimmung der Ergebnisse von Ultraschalluntersuchungen
und von üblichen DEXA-Untersuchungen außerordentlich begrenzt ist. Sämtliche Therapiestudien
wurden jedoch bei Patienten durchgeführt, bei denen die Krankheit mittels DEXA-Methode
diagnostiziert wurde. Somit bleibt streng genommen unklar, ob Patienten, bei denen
die Diagnose mit Hilfe einer Ultraschalluntersuchung gestellt wurde, von einer derartigen
Therapie in gleicher Weise profitieren können [8]. Zum Einsatz der Knochendensitometrie siehe auch [Tabelle 2].
Am schlechtesten validiert sind im Hinblick auf ihre Wertigkeit die quantitativen
Computertomographieverfahren. Es ist zwar deutlich, dass eine feststellbare Reduktion
des Knochenmineralgehaltes im Bereich des trabekulären Knochens unter 80 mg/cm3 als
Hinweis auf ein deutlich angehobenes Frakturrisiko zu interpretieren ist. Weitere
Validierungen in Form prospektiver Studien erfolgten jedoch bisher nicht, und auch
keine Validierung im Rahmen von Therapiestudien.
Laborchemische Analysen dienen dem Ausschluss sekundärer Osteoporosen (siehe oben)
und werden nach üblichem Standard durchgeführt (Basislabor bei Osteoporose siehe [Tab. 3]). Bei bleibender Unklarheit sind auch histologische Untersuchungen adäquater Knochenbiopsien
im Rahmen der Differentialdiagnostik einzusetzen.
Laboruntersuchungen (Bestimmungen des Knochenumsatzes) und histologische Untersuchungen
sind dagegen unter Routinebedingungen nicht geeignet, die Auswahl von bei der Behandlung
einzusetzenden Therapeutika zu erleichtern. Es schien in der Vergangenheit durchaus
denkbar, dass der messbare Knochenumsatz Einfluss auf die Verordnung spezifischer
Therapeutika nehmen konnte (z.B. osteoanabol wirksame Fluoride bei sog. „low-turnover”
und antikatabol wirkende Bisphosphonate bei sog. „high-turnover” Stoffwechselsituation
der Knochen). Auch hat sich bei der Untersuchung von großen Patientengruppen durchaus
zeigen lassen, dass eine prätherapeutisch festgestellte „high-turnover”-Situation
ein Hinweis dafür sein kann, dass unter antikataboler Bisphosphonat-Therapie ein besonders
deutlicher Knochendichtezuwachs erzielt werden kann. Bei der laborchemisch bestimmten
Stoffwechselsituation ist jedoch die Streuung der Messwerte so groß, dass derartige
Analysen beim einzelnen Patienten unter Routinebedingungen keine Aussagekraft haben
[9]. Eine Übersicht über den Einsatz der Marker zur Bestimmung des Knochenumsatzes gibt
[Tabelle 4].
Auf der anderen Seite hat sich zeigen lassen, dass die heute zur Verfügung stehenden
höchst wirksamen Medikamente ihre Wirkung relativ unabhängig vom anzunehmenden Knochenumsatz
entfalten; darüber hinausgehend sind die Entscheidungsmöglichkeiten dadurch eingeschränkt,
dass sich unter den bestklassifizierbaren Medikamenten (A-Klassifikation) ausschließlich
antikatabol wirksame Medikamente befinden und damit ohnehin keine Wahlmöglichkeit
besteht. Dies wird sich allerdings möglicherweise bereits in naher Zukunft durch die
Einführung von Parathormon und von Strontiumranelat ändern, die beide als Osteoanabolika
zu bewerten sind [10].
Behandlungsoptionen
Behandlungsoptionen
Die Leitlinien des Dachverbandes deutschsprachiger osteologischer Fachgesellschaften
(DVO) enthalten auch verbindliche Aussagen zur Therapie der glukokortikoid-induzierten
Osteoporose sowie Aussagen zur Behandlung üblicher Osteoporoseformen, wie sie unabhängig
von Glukokortikoiden allein als Folge chronisch entzündlicher Prozesse entstehen können
(www.bergmannsheil/leitlinien-dvo).
-
Die Diagnose einer Osteoporose kann mit hinreichender Sicherheit unter Einsatz der
heutzutage verfügbaren Diagnostika gestellt werden, auch ohne dass eine Fraktur als
Spätkomplikation aufgetreten sein muss.
-
Die Therapie einer einmal festgestellten Osteoporose ist obligat, weil nur durch gezielte
Therapie das zunehmende Risiko teiltraumatischer und atraumatischer Frakturen vorhersagbar
gesenkt werden kann.
-
Es stehen Medikamente zur Verfügung, die in adäquater Weise im Rahmen prospektiver,
randomisierter, kontrollierter Doppelblindstudien auf ihre Wirksamkeit überprüft wurden
und deren Wirksamkeit durch diese Studien belegt wurde.
Die Existenz evidenzbasierter Leitlinien als Grundlage für Therapieentscheidungen
hat zur Folge, dass sich verordnende Ärzte darauf berufen können, dass die von ihnen
leitliniengerecht ausgewählte Behandlung medizinisch begründet ist, weil sie die Prinzipien
einer auf Evidenz basierenden Medizin berücksichtigt (Verfügbarkeit adäquat überprüfter
Medikamente; nachweisbarer Nutzen einer Therapie für die behandelten Patienten; gesundheitsökonomische
Sinnhaftigkeit einer derartigen Behandlung). Dies wiederum schließt aus, dass derartige
Verordnungen durch Budgetierungen verhindert werden. Schon jetzt ist in Deutschland
erkennbar, dass Regressansprüche an Ärzte erfolgreich abgewehrt werden können, wenn
diese wegen Verordnungen bei Patienten mit Osteoporose zustande kamen und wenn sich
zeigen lässt, dass diese Verordnungen medizinisch begründet sind.
Neu ist inzwischen, dass nicht nur die bei der Osteoporose eingesetzten Pharmaka im
Rahmen adäquater Studien auf ihre Wirksamkeit untersucht werden, sondern dass dieses
auch für Hilfsmittel gilt, die bei Patienten mit Osteoporose eingesetzt werden können
(z.B. Hüftprotektor „Safe-hip” oder Rückenorthese „Spinomed”).
Pharmakotherapie der Osteoporose
Im Rahmen adäquater Studien wurde bei Normalpersonen gezeigt, dass Supplementation
mit Calcium und Vitamin D das Risiko von Knochenbrüchen zu senken vermag. Diese Wirkung
kommt nicht allein durch den Einfluss des Vitamin D auf den Knochenstoffwechsel zustande,
sondern ist auch Folge der Vitamin D-bedingten Verbesserung der Muskelfunktion, die
das Risiko frakturerzeugender Stürze senkt [11]. Wenn also zusätzlich zur festgestellten Osteoporose keine Störung der Calciumhomöostase
vorliegt, die eine Hyperkalzämie verursacht, ist die Therapie mit Calcium und Vitamin
D als Behandlungsbasis einzustufen.
Für die Therapie postmenopausaler und seniler Osteoporosen verdienen die Bisphosphonate
Fosamax® (10 mg pro Tag) und Actonel® (5 mg pro Tag) beste Bewertung (A-Klassifikation).
Aufgrund von Äquivalenzüberlegungen und begründet durch Studien kann davon ausgegangen
werden, dass beide Präparate auch in abgewandelter Applikationsform (Fosamax®: 70
mg pro Woche und Actonel®: 35 mg pro Woche) gleich wirksam sind.
Der selektive Östrogen-Rezeptor-Modulator („Selective-Estrogen-Receptor-Modulator”
oder „SERM”) Raloxifen (Evista®) wird in seiner Dosis von 60 mg/Tag identisch bewertet,
ist aber für Männer nicht geeignet [12].
Während die Supplementation mit Calcium und Vitamin D lebenslang erfolgen sollte,
empfehlen wir, die hier genannten spezifischen Medikamente bei Patienten, die noch
keine Fraktur im Rahmen ihrer Osteoporose erlitten haben, über einen Zeitraum von
drei Jahren einzusetzen. Bei Patienten jedoch, die bereits Frakturen als Spätkomplikation
ihrer Osteoporose erlitten haben, sollte eine Behandlung über fünf Jahre durchgeführt
werden, da sich insbesondere für das Bisphosphonat Alendronat (Fosamax®) zeigen ließ,
dass auch nach mehr als drei Jahren Behandlung ein Zuwachs an Knochendichte einhergehend
mit einem verminderten Knochenbruchrisiko erreicht wird.
Für den Mann mit Osteoporose ist Fosamax® in einer Dosis von 10 mg pro Tag offiziell
als Therapeutikum zugelassen. Auch hier erlauben Äquivalenzüberlegungen jedoch die
Schlussfolgerung, dass Fosamax® auch bei einmaliger Gabe von 70 mg pro Woche wirksam
ist.
Zur Behandlung speziell der glukokortikoid-induzierten Osteoporose bei postmenopausalen
Frauen ist in Deutschland das Bisphosphonat Risedronat (Actonel®) offiziell zugelassen.
Aufgrund der vorliegenden Datenlage aus klinischen Studien kann allerdings davon ausgegangen
werden, dass auch das Bisphosphonat Alendronat (Fosamax®) in gleicher Weise wirksam
ist, wenngleich - formal betrachtet - die Gabe von Fosamax® bei Patienten mit glukokortikoid-induzierter
Osteoporose eine so genannte „off-label”-Indikation darstellt [12].
Ein mögliches Vorgehen, sowohl hinsichtlich der Prophylaxe als auch der Therapie der
glukokortikoid-induzierten Osteoporose, ist in den [Abbildungen 5] und [6] dargestellt.
Beim Vorliegen von Kontraindikationen gegen den Einsatz oraler Bisphosphonate (z.B.
Divertikel der Speiseröhre oder Ösophagusvarizen bei gleichzeitig bestehender Leberzirrhose)
können ersatzweise intravenöse Bisphosphonate eingesetzt werden. Für das Bisphosphonat
Ibandronat (Bondronat®) ist ein adäquater Wirkungsnachweis bei oraler Gabe erbracht
worden, wobei Äquivalenzüberlegungen die Annahme rechtfertigen, dass das Präparat
auch in seiner intravenösen Applikationsform wirksam ist. Gleichwohl lehnen Krankenkassen
aufgrund ihrer Beratung durch den Medizinischen Dienst gelegentlich die Kostenübernahme
für derartige Präparate ab. In solchen Fällen ist der durch eine Fehlbewertung der
Situation herbeigeführten Kassenentscheidung zu widersprechen und im Zweifelsfall
der Rechtsweg einzuschlagen, da durch ein kürzlich ergangenes Urteil des Bundessozialgerichtes
die Durchführung einer wirksamen Behandlung bei bedrohlichen Krankheiten auch außerhalb
der formalen Zulassung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen möglich ist.
Nur noch den Charakter von Reservepräparaten haben fluoridhaltige Medikamente sowie
Calcitonine, weil ihre Wirkung im Rahmen adäquater Studien bisher nicht überprüft
wurde beziehungsweise entsprechende Studien zu widersprüchlichen Ergebnissen geführt
hatten [12].
Durch eine sexualhormonersetzende Therapie kann bei der Frau das Risiko zukünftiger
Frakturen gesenkt werden. Der Einsatz einer kombinierten Östrogen-Gestagen-Substitutionstherapie
gilt jedoch inzwischen aufgrund der Ergebnisse der WHI1-Studie als obsolet, da die
beobachteten Nebenwirkungen (Anhebung des Risikos kardiovaskulärer Komplikationen
wie Lungenembolien und Schlaganfälle, sowie ein Anstieg des Risikos für das Mammakarzinom)
einen Einsatz nicht mehr rechtfertigen [12].
Nichtpharmakologische Maßnahmen
Bei Patienten mit Osteoporose bei denen eine Anhebung des Sturzrisikos dokumentierbar
ist (mehr als zwei Stürze während der vergangenen zwölf Monate), entspricht die Verordnung
eines „Aufprallschutzes” (Hüftprotektor „Safe-hip”) den Prinzipien einer „Evidenz-based-medicine”,
weil im Rahmen adäquater Studien gezeigt wurde, dass die Nutzung das Risiko von Oberschenkelhalsbrüchen
relevant zu senken vermag. Problematisch ist nach wie vor die begrenzte Compliance
der Patienten [13].
Ursprünglich wurden Orthesen bei Patienten mit Osteoporose nur zögerlich verordnet,
weil befürchtet werden musste, dass ihr Einsatz zu relativer Immobilisierung, Abschwächung
der Muskelkraft und Verstärkung der Osteoporose führen würde. Im Rahmen einer prospektiven,
randomisierten, „cross-over”-Studie zeigte sich jedoch, dass die Orthese „SpinomedTM”
durch einen zugrunde liegenden Biofeedback-Mechanismus entgegengesetzt der Erwartung
zu einem dauerhaften Training der Rumpfmuskulatur führt [14]. Die Muskelkraft nimmt sowohl im Bereich der Extensoren als auch der Flexoren relevant
zu. Dies senkt messbar die Schwankneigung des Körpers, wobei in diesem Zusammenhang
anzumerken ist, dass hohe Schwankneigung ein validierter Risikofaktor für zukünftige
Stürze und Frakturen ist. Darüber hinausgehend werden durch Nutzung der Orthese sowohl
messbare Schmerzen als auch abfragbare Aktivitäten des täglichen Lebens verbessert.
Diese Orthese muss „einschleichend” eingesetzt werden und darf anfangs nur stundenweise
getragen werden, weil das initiierte Muskeltraining sonst zu Überlastungserscheinungen
führt [Abb. 7] [14].
Rehabilitationsbehandlung
Rehabilitationsbehandlung
Die Paragraphen 1-4 des IX. Sozialgesetzbuches beschreiben eindeutig, dass ein gesetzlicher
Anspruch auf Rehabilitationsmaßnahmen besteht, wenn Personen krankheitsbedingt bedroht
sind, Behinderungen über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten zu erleiden. Die
Rehabilitation dient dabei nicht der Erzeugung optimaler Verhältnisse (soll also nicht
instand setzen, in Zukunft das Matterhorn zu besteigen), sondern dazu, den Patienten
in das übliche soziale Leben zu integrieren.
Die oben dargestellte Symptomatologie bei fortschreitender Osteoporose begründet dabei
einen Rehabilitationsanspruch zweifelsfrei. Auch hier kommt es immer wieder zur Ablehnung
von Kostenübernahmeerklärungen durch die Kostenträger aufgrund der Beratung durch
Medizinische Dienste. Auch in derartigen Fällen ist bei solchen fehlgeleiteten Entscheidungen
Widerspruch einzulegen, im Zweifel ist der Rechtsweg einzuschlagen.
Rehabilitationsziele [13]
-
Erlernen des adäquaten Umganges mit einer chronisch behindernden Krankheit durch entsprechende
Gesundheitserziehung und psychologische Betreuung.
-
Einfluss auf Beschwerdeausmaß und Schmerzen durch Einsatz physikalisch balneologischer
und krankengymnastischer Maßnahmen.
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Mobilisierung mit dem Ziel, Handlungsfähigkeiten zu verbessern und den Aktionsradius
auszudehnen.
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Ergotherapie mit dem Ziel, die Möglichkeiten einer von Fremdhilfe unabhängigen Selbstversorgung
zu verbessern.
Bei Einweisung in eine Rehabilitationsklinik ist darauf zu achten, dass die gewählte
Einrichtung in besonderem Maße für die Behandlung von Patienten mit Osteoporosen spezialisiert
ist.
Abb. 1 Mit zunehmender Zahl der Wirbelkörperfrakturen - vor allem im Bereich der Brustwirbelsäule
- nimmt die Lungenfunktion (hier gemessen als Vitalkapazität) kontinuierlich ab.
Abb. 2 Die Röntgenaufnahme der seitlichen Lendenwirbelsäule zeigt breitflächige Deckplatteneinbrüche
des 3. und 4. Lendenwirbelkörpers mit gleichzeitiger ventraler und dorsaler Höhenminderung
der Wirbelkörper. Die dorsokraniale Kante von L3 und L4 ist nach hinten ausgelenkt
und führt dadurch zu einer Einengung des Spinalkanals.
Abb. 3 Die seitliche Röntgenaufnahme der LWS zeigt eine höchstgradig vermehrte Strahlentransparenz
mit Ausbildung von Fischwirbeln. Die mattglasartige Auslöschung der Trabekelstruktur
ist ein typischer Befund der glukokortikoid-induzierten Osteoporose.
Abb. 4 a) Die seitliche Röntgenaufnahme der BWS vom Oktober 2001 dokumentiert eine vermehrte
Strahlentransparenz mit einem deutlichen Deckplatteneinbruch Th4 und einem Terminalplatteneinbruch
mit zusätzlicher, geringer ventraler Höhenminderung bei Th7 im Sinne einer Fraktur.
b) Nur 3 Monate später ergibt die Verlaufskontrolle im Januar 2002 eine deutliche
Frakturprogredienz mit nun einer Plattwirbelfraktur bei Th7 und einer neu hinzugekommenen
Plattwirbelfraktur bei Th10.
Abb. 5
Abb. 6
Abb. 7 Die auf dem so genannten „Rucksackprinzip” aufbauende Rückenorthese „SpinomedTM”
dient der Aufrichtung der Wirbelsäule vor allem nach Wirbelkörpersinterungen bei Osteoporose.
Sie besteht aus einer kalt verformbaren Rückenpelotte, die durch ein Gurtsystem mit
Klettverschlüssen der Form der Wirbelsäule individuell angepasst werden kann.
Tab. 1 Risikofaktoren für eine gluko-kortikoid-induzierte Osteoporose
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Frakturen ohne nennenswertes Trauma
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Abnahme der Körpergröße um > 4 cm seit der Jugend oder > 2 cm seit der letzten Messung
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„Body-Mass-Index” (BMI) < 20 kg/m2
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Hohes Sturzrisiko
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Alter > 70 Jahre
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Stark eingeschränkte Mobilität
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Verkürzte Zeit der Hormonexposition bei Frauen (Alter bei Menopause minus Alter bei
Menarche < 30 Jahre)
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Tab. 2 Knochendensitometrie
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Empfohlene Messtechnik: Dual-Energy-X-ray-Absorptiometrie (sog. DEXA-Geräte der Hersteller
Hologic, Lunar oder Norland)
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Indikation zur Messung vor Einleitung einer geplanten Glukokortikoidtherapie mit >
7,5 mg Prednisolonäquivalenten über voraussichtlich > 6 Monate
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Verlaufskontrollen unter o.g. Glukokortikoid-Behandlung alle 6-12 Monate
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Messort: Wirbelsäule bei Patienten < 75 Jahre und wenn möglich Hüfte; bei Patienten
> 75 Jahre sollte aufgrund von Messwertverfälschungen durch häufige degenerative Veränderungen
an der LWS primär an der Hüfte gemessen werden
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Tab. 3 Basislabor bei der glukokortikoid-induzierten Osteoporose
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Calcium
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Phosphat
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alkalische Phosphatase (aP)
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Gamma-glutamyl Transferase (GGT)
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Kreatinin (Crea)
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Immunfixationselektrophorese
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basales Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH); Cave: TSH kann unter Glukokortikoid-Einnahme
vermindert sein
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Tab. 4 Marker des Knochenumsatzes
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Aufgrund hoher Messvarianzen keine Indikation für die klinische Routine
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Mögliche Hinweisgebung zur differentialdiagnostischen Abklärung von Sekundärosteoporosen
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Verminderung der so genannten Abbaumarker unter Therapie mit Bisphosphonaten oder
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loxifen. Als Abbaumarker werden Eiweiße bezeichnet, die beim Knochenabbau aus dem
Kollagenstoffwechsel gebildet werden und renal ausgeschieden werden (z.B. Desoxy-Pyridinoline
oder N-terminales Telopeptid des Typ 1 Kollagens)
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