Einleitung
Einleitung
Die chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COPD) ist durch eine langsam progrediente,
nur teilweise reversible Atemwegsobstruktion gekennzeichnet. Der klinischen Symptomatik
- Husten, Auswurf, Belastungsdyspnoe - und den pulmonalen Funktionsstörungen liegen
eine neutrophile Bronchitis mit Einengung vorwiegend der peripheren Atemwege, eine
Hyperplasie der Schleimdrüsen und ein mehr oder weniger ausgeprägtes Lungenemphysem
zugrunde. Der wichtigste Risikofaktor für die Entwicklung einer COPD und für 80 -
90 % der Fälle verantwortlich ist langjähriges Zigarettenrauchen [1]. In der Altersgruppe der über 50-Jährigen wird die Prävalenz auf 4 - 6 % der Weltbevölkerung
geschätzt [2]. Trotz internationaler Bemühungen zur Bekämpfung des Zigarettenrauchens ist bei
Frauen und generell in den Entwicklungsländern ein ansteigender Zigarettenkonsum zu
beobachten [3]. Hochrechnungen auf das Jahr 2020 sagen voraus, dass die COPD weltweit zur dritthäufigsten
Todesursache wird [4]. Die Belastung der Volkswirtschaften durch Morbidität und Mortalität infolge der
COPD ist bereits jetzt erheblich. Die Gesamtkosten werden in Deutschland auf rund
6 Mrd. €/Jahr geschätzt [5]. In den USA sind die Ausgaben des Gesundheitswesens für COPD doppelt so hoch wie
für Asthma [6].
Die eminente sozio-ökonomische Bedeutung hat in der Fachwelt zu einer verstärkten
Wahrnehmung der COPD und zu einem neuen Verständnis als einer nicht schicksalhaft
fortschreitenden Verschlechterung der Lungenfunktion, sondern als einer behandelbaren
Systemerkrankung beigetragen. Verschiedene Aspekte der Intervention wie Pharmakotherapie,
apparative und operative Behandlungsformen, Patientenschulung und Verhaltenstherapie
wurden in den letzten Jahren weiterentwickelt. Die inhalative Therapie der COPD wurde
um die Indikation für lang wirksame Betaadrenergika („LABA”) und um das lang wirksame
Anticholinergikum Tiotropium bereichert. Neueste Studienergebnisse sprechen dafür,
dass auch inhalative Glukokortikoide (ICS) in Kombination mit lang wirksamen Betaadrenergika
(„LABACS”) einen Platz in der Langzeitbehandlung der COPD haben [7]
[8]
[9]. Damit stellt sich die Frage nach dem Stellenwert altbewährter Substanzen wie Theophyllin.
Wird ein Wirkstoff, der nicht inhalativ verabreicht werden kann, als vergleichsweise
schwacher Bronchodilatator gilt, jedoch einige weitere positive Effekte aufweist,
heute und in nächster Zukunft noch gebraucht? Kann man Theophyllin - allein oder in
Kombination mit anderen Bronchodilatatoren - guten Gewissens weiter verordnen? Es
ist das Ziel der vorliegenden Übersicht, anhand einer Auswertung der relevanten Publikationen
zur klinischen Wirksamkeit des Theophyllins eine Antwort auf diese Fragen zu geben.
Nachweis von Wirkungen des Theophyllins
Nachweis von Wirkungen des Theophyllins
Die Wirkung einer oralen Behandlung mit Theophyllin bei stabiler COPD im Vergleich
mit Plazebo ist in einem aktuellen Cochrane-Review analysiert worden [10]. Aus 86 Publikationen wurden 20 randomisierte kontrollierte Studien (Randomised
Controlled Trials, RCTs)ausgewählt. Die Teilnehmer waren Erwachsene mit schwerer,
weitgehend fixierter Atemwegsobstruktion (FEV1 0,96 - 1,15 l, FEV1-Anstieg nach Inhalation eines betaadrenergen Dosieraerosols < = 15 %). Allen Studien
lag ein Cross-over-Design zugrunde. Die Auswertung der gepoolten Daten ergab im Mittel
folgende signifikante Verbesserungen:
-
FEV1 13 Studien, 244 Patienten: + 100 ml
-
FVC 11 Studien, 196 Patienten: + 210 ml
-
VO2max 2 Studien, 32 Patienten + 195 ml/min
-
PaO2
6 Studien, 156 Patienten + 3,18 mm Hg
-
PaCO2
6 Studien, 156 Patienten - 2,36 mm Hg.
-
Patientenpräferenz: Faktor 2,27 zugunsten von Theophyllin im Vergleich mit Plazebo
(2 Studien, 50 Patienten).
-
Nebenwirkungen: Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Übelkeit unter Theophyllintherapie
gegenüber Plazebo um mehr als das Siebenfache erhöht.
Für folgende Parameter wurden in dieser Metaanalyse keine signifikanten Veränderungen
ermittelt:
-
6- bzw. 12-min-Gehstrecke (4 Studien, 80 Patienten, mittlere Differenz + 32 m)
-
Dyspnoe (2 Studien, 32 Patienten)
-
Giemen (2 Studien, 21 Patienten)
-
Anzahl der Exazerbationen (2 Studien, 45 Patienten)
-
Studienabbrüche: ein Vergleich zwischen Theophyllin- und Plazeboarm ergab keinen Unterschied.
Das Fazit der Autoren lautet: Theophyllin bewirkt eine geringe, dem Effekt der LABA
vergleichbare Bronchodilatation und eine leichte Besserung der arteriellen Blutgase.
Die Daten über eine Besserung der Symptome und der Belastbarkeit sind weniger konsistent.
Obgleich Übelkeit im Vergleich mit Plazebo häufiger auftritt, bevorzugen die Patienten
Theophyllin. Ein günstiger Effekt ist bei solchen Kranken zu erwarten, bei denen das
Behandlungsergebnis mit inhalativen Bronchodilatatoren unbefriedigend bleibt.
Den „Implikationen für die Forschung” ist zu entnehmen, dass mit dieser Bewertung
nicht das letzte Wort über eine Substanz gesprochen sein soll, die über ein Jahrhundert
immer wieder neue Facetten eines interessanten Wirkprofils hat erkennen lassen. Die
Autoren räumen vielmehr ein, dass die bisher überwiegend verwendeten Parameter wenig
sensitiv sind und dass es an der Zeit wäre, die Wirkungen von Theophyllin mit anderen
Kriterien wie Gesundheitsstatus, Häufigkeit von Exazerbationen, Häufigkeit und Dauer
von Krankenhausaufenthalten und Kosteneffizienz zu evaluieren. Die Datenlage erlaube
keine Aussage über einen Einfluss des Theophyllins auf die Mortalität.
Untersuchungen zu einem direkten Vergleich zwischen Theophyllin und ICS liegen nicht
vor. Die Meta-Analyse von Theophyllinstudien [10] und eine Langzeitstudie mit ICS [7] ergeben für beide Stoffklassen eine Verbesserung der FEV1 um ca. 100 ml.
Theophyllin versus langwirksame β2-Sympathomimetika
Theophyllin versus langwirksame β2-Sympathomimetika
In einer Studie mit 943 Patienten wurde die Hypothese geprüft, dass die Kombination
von Salmeterol mit Theophyllin die Symptome der COPD und die Lungenfunktion besser
beeinflusst als eine Monotherapie [11].
Design: randomisiert , doppel-blind, doppel-dummy, drei parallele Gruppen, Studiendauer 12
Wochen. Medikation: Theophyllin 2-mal täglich plus Salmeterol 2-mal 50 mcg via Dosieraerosol;
Theophyllin bzw. Salmeterol. Haupt-Zielparameter: Fläche unter der FEV1-Kurve über 12 Stunden nach Applikation der Prüfmedikation. Weitere Parameter: Dyspnoe-Score,
Angaben zu Gesundheitsstatus und Zufriedenheit mit der Behandlung nach einer 7-Punkte-Skala.
Der Randomisierung war eine Titrationsphase vorgeschaltet, Theophyllin-Zielkonzentration
10 - 20 mg/l. Verlaufskontrollen erfolgten nach 4, 8 und 12 Wochen.
Es zeigten sich deutliche Vorteile der Kombination: Signifikant günstigere FEV1-Verläufe (Abb. [1]); weiterhin signifikante Abnahme der Dyspnoe, der zusätzlichen Salbutamol-Inhalationen
und der Exazerbationsrate; Zunahme der Tage ohne Symptome und ohne Bedarfsmedikation;
klinisch relevante Besserung des Gesundheitsstatus.
Abb. 1 Mittlere Änderung von FEV1 gegenüber dem Ausgangswert nach 12-wöchiger Behandlung. Die morgendliche Dosis der
Prüfmedikation wurde unmittelbar nach der ersten Messung (Null) appliziert (Ref. 11).
Interessant ist die Beobachtung, dass auch solche Patienten, die beim Reversibilitätstest
kaum reagiert hatten („Non-Responder”), ebenfalls von der Kombination profitierten
(Abb. [2]). Die Frequenz unerwünschter Wirkungen, insbesondere im Bereich des Gastrointestinaltraktes,
war unter Behandlung mit Theophyllin größer als mit Salmeterol. Dies führte jedoch
nicht zu häufigeren Studienabbrüchen (in allen Gruppen 6 - 8 %).
Abb. 2 Mittlere Änderung der AUC-Werte für FEV1 gegenüber dem Ausgangswert nach 12-wöchiger Behandlung für alle Patienten (linke
Säulen) sowie für die Patienten mit reversibler bzw. nicht-reversibler Obstruktion.
Ordinate: Mittlere Änderung der AUC FEV1 gegenüber Ausgangswert (Ref. 11).
Eine weitere große Parallelgruppenstudie an 854 Patienten mit mittelgradiger COPD
vergleicht Formoterol und Theophyllin [12]. Leider wurde die Kombination von Formoterol mit Theophyllin nicht untersucht.
Design: randomisiert, doppel-blind für Formoterol und Plazebo, offen für Theophyllin; Dauer
12 Monate. 4 parallele Gruppen: Formoterol 2-mal 6 mcg/d; Formoterol 2-mal 12 mcg/d;
Theophyllin (individuelle Dosistitration) und Plazebo. Primärer Zielparameter: Fläche
unter der FEV1-Kurve bei seriellen Messungen über 12 Stunden nach Gabe der Prüfmedikation.
Formoterol zeigt keine Dosis-Wirkungs-Beziehung (Abb. [3]). Im Vergleich mit Plazebo ist Formoterol bereits 5 Minuten nach der Applikation
über 12 Stunden signifikant wirksamer (Differenz > 120 ml). Gegenüber Theophyllin
ergibt sich nach 12-monatiger Studiendauer eine signifikante Differenz nur in den
ersten vier Stunden nach der Applikation, entsprechend der langsamen Resorption des
Wirkstoffs aus einer Retardformulierung. Sekundäre Parameter - Symptome, Exazerbationsrate,
Lebensqualität - zeigen für beide Prüfpräparate signifikante Unterschiede gegenüber
Plazebo, nicht jedoch im direkten Vergleich. Formoterol verursacht weniger Nebenwirkungen
und weniger Studienabbrüche als Theophyllin.
Abb. 3 Mittlere FEV1-Werte vor Medikation (Zeitpunkt Null) und über 12 Stunden nach der Morgendosis der
Studienmedikation nach 12-monatiger Behandlung (Ref. 12).
Beide Studien ergeben somit für LABA und Theophyllin vergleichbare Effekte, die bei
Kombination - nachgewiesen für Salmeterol - verbesserungsfähig sind. Offenbar kann
die Kombination differenter Wirkprinzipien zu additiven Effekten führen.
Das Hauptproblem bei der Verordnung von Theophyllin ist nicht die orale Applikation,
denn insbesondere ältere Patienten bevorzugen Tabletten, sondern es sind die dosisabhängigen
Nebenwirkungen. Deshalb stellt sich die praktisch sehr wichtige Frage nach dem optimalen
therapeutischen Bereich. Wallack u. Mitarb. teilen mit, dass der Theophyllinspiegel
bei mehr als einem Drittel der Patienten ihrer Studie nicht im Zielbereich, sondern
lediglich bei 8 - 10 mg/l gelegen hat [11]. Ist es sinnvoll, von vornherein diesen Bereich anzusteuern? Welcher Verlust an
potenzieller Wirkung wäre dabei in Kauf zu nehmen?
Dosis-Wirkungs-Beziehungen bei schwerer COPD
Dosis-Wirkungs-Beziehungen bei schwerer COPD
Dosis-Wirkungs-Beziehungen für Theophyllin sind bei COPD wenig untersucht. Soweit
uns bekannt ist, existiert nur eine einzige relevante Studie [13].
Design: randomisiert, plazebokontrolliert, einfach blind, cross-over, vier Therapiephasen
über jeweils 2 Monate mit Einstellung auf niedrige (5 - 10 mg/l), mittlere (10 - 15
mg/l) und hohe (15 - 20 mg/l) Theophyllin-Serumkonzentrationen bzw. Gabe von Plazebo.
33 Patienten, mittlere FEV1 1 l.
Für FEV1, PEF, FVC und IVC zeigte sich eine signifikante Dosis-Wirkungsbeziehung (Abb. [4]). Eine signifikante Änderung der sensitivsten Parameter (IVC, „trapped air”) war
bereits bei mittleren Theophyllin-Serumkonzentrationen von 4,9 bzw. 8,7 mg/l nachweisbar.
Abb. 4 Dosis-Wirkungs-Beziehung für FEV1, PEF, FVC und IVC (Ref. 13).
Die zur Beurteilung der Theophyllinwirkung am häufigsten herangezogenen Parameter
zeigen über den gesamten Bereich der geprüften Serumkonzentrationen nur eine geringe
Amplitude der Messwertänderungen. Die Autoren kommentieren: „Es versteht sich deshalb
von selbst, dass Patienten nicht als unbehandelbar beurteilt werden sollten, nur weil
sie nicht die willkürlich festgelegte Reaktion in einem dieser unbefriedigenden Tests
zeigen. Vielleicht wäre es vernünftiger, stärker auf eine sorgfältige klinische Beobachtung
und auf die Angaben unserer Patienten über eine subjektive Besserung zu vertrauen.”
Ein praktikabler Wirksamkeitsnachweis: der Auslassversuch
Ein praktikabler Wirksamkeitsnachweis: der Auslassversuch
Der Auslassversuch eignet sich vorzüglich zur Beantwortung der Frage, ob Patienten
mit schwerer COPD von Theophyllin profitieren. Kirsten u. Mitarb. haben diesen methodischen
Ansatz bei einer Gruppe von Patienten mit schwerer COPD systematisch geprüft [14].
Design: randomisiert, doppel-blind, plazebokontrolliert. Basistherapie mit inhalativen Bronchodilatatoren
(Salbutamol 4 × 100 mcg, Ipratropiumbromid 4 × 200 mcg) plus Theophyllin (mittlere
Serumkonzentration 11,1 mg/l). In der Theophyllingruppe wurde das Präparat kontinuierlich
weitergegeben, in der Kontrollgruppe durch Plazebo ersetzt. Zielparameter: Lungenfunktion,
Belastungstests, Lebensqualität, Dyspnoe-Score, klinische Befunde.
Bei mehr als der Hälfte der Patienten kam es nach Absetzen des Theophyllins zur Verschlechterung
einiger Parameter, so dass sie als Responder zu klassifizieren waren. Allerdings zeigte
sich dabei kein bestimmtes Muster, und die individuellen Veränderungen der Messwerte
und der Symptome korrelierten nicht.
Theophyllin plus Betaadrenergika/Anticholinergika: additive Effekte?
Theophyllin plus Betaadrenergika/Anticholinergika: additive Effekte?
Der Therapieplan sollte überschaubar sein und möglichst wenige Medikamente enthalten.
Bei ungenügendem Effekt kann jedoch die Verordnung mehrerer Bronchodilatatoren sinnvoll
sein. Die Rationale für eine Kombination mit Theophyllin liefern akute und subakute
Studien.
Akutversuch: Design einfach blind, randomisiert, an zwei konsekutiven Tagen Salbutamol 2-mal 400
mcg via DA, dann Theophyllin (Einstellung auf eine Serumkonzentration um 24 mg/l)
bzw. umgekehrte Reihenfolge [15]. In einem Vortest waren jeweils 8 Patienten als Responder bzw. Non-Responder auf
Salbutamol identifiziert worden. In der Gruppe der Responder zeigte sich sowohl nach
primärer Gabe von Salbutamol (Tag A) als auch von Theophyllin (Tag B) ein weiterer
signifikanter FEV1-Anstieg (Abb. [5]).
Abb. 5 FEV1-Verläufe von je 8 Patienten mit Anstieg um >20 % nach Inhalation von 200 mcg Salbutamol
(Responder) bzw. mit „fixierter” Obstruktion (Non-Responder).
Tag A: FEV1-Werte nach Inhalation von 800 mcg Salbutamol via Dosieraerosol und nachfolgender
Gabe von Theophyllin. Tag B: umgekehrte Reihenfolge (Ref. 15).
In dieser Studie reagierten Non-Responder auf Salbutamol auch nicht auf Theophyllin.
Die Autoren vertreten deshalb die Meinung, dass bei einem negativen Bronchospamolysetest
auch die Verordnung von Theophyllin nicht indiziert sei. Allerdings konnte in mehreren
Publikationen ein prädiktiver Wert der Reaktion auf ein β2-Sympathomimeticum für die Reaktion auf Theophyllin nicht bestätigt werden [14]
[15]
[16]
[17].
Subakutversuch: Design doppel-blind, randomisiert, cross-over, 4 Phasen über je 2 Wochen: Salbutamol
plus Theophyllin; Salbutamol; Theophyllin; Plazebo. Signifikant beste Beeinflussung
der FEV1 (Abb. [6]), weiterer Lungenfunktionsparameter und der Symptome durch die Kombination. Präferenz
zugunsten der Kombination [18]. Die Reaktion auf Salbutamol und Theophyllin war im Einzelfall variabel, insgesamt
aber nicht different.
Abb. 6 Vergleich der individuellen FEV1-Werte von 12 Patienten mit COPD nach 14-tägiger Behandlung mit Plazebo (P), Theophyllin
(A), Salbutamol (S) und der Kombination beider Substanzen (C). (Ref. 18).
Bronchodilatatoren werden oft in der Absicht kombiniert, durch geringere Dosierung
der einzelnen Substanzen die unerwünschten Wirkungen zu reduzieren. Nishimura u. Mitarb.
sind der Frage nachgegangen, ob sich die zusätzliche Verordnung eines Theophyllinpräparates
auch dann noch lohnt, wenn inhalative Bronchodilatatoren bereits in maximaler Dosierung
verabreicht werden [19].
Design: randomisiert, doppel-blind, plazebokontrolliert, cross-over nach jeweils 4 Wochen.
24 Patienten, mittleres Alter 65 J., mittlere FEV1 0,96 l. Basistherapie: Salbutamol 4-mal 400 mcg, Ipratropium 4-mal 80 mcg/d. In der
Theophyllinphase subjektive Besserung und signifikanter FEV1-Anstieg bei einem Drittel der Patienten.
Offensichtlich existiert eine Untergruppe von Patienten, bei denen selbst unter den
o. a. Bedingungen noch Spielraum für eine nicht nur marginale weitere Verbesserung
besteht. Im Einzelfall ist der potenzielle Vorteil gegen eventuelle unerwünschte Wirkungen
abzuwägen.
Verbessert Theophyllin die Belastbarkeit?
Verbessert Theophyllin die Belastbarkeit?
Der Einfluss von Theophyllin auf die Belastbarkeit bei stabiler COPD ist in mehreren
RCTs nach Gabe einer Einzeldosis [20]
[21]
[22] bzw. nach regelmäßiger Theophyllingabe über 3 Tage bis 4 Wochen [16]
[23]
[24]
[25]
[26] untersucht worden. Die beiden folgenden Beispiele sollen das Spektrum der erheblich
divergierenden Befunde illustrieren.
Beispiel 1
Design rand., doppelblind, cross-over, Theophyllin bzw. Plazebo über 4 Wochen, 22
Patienten mit schwerer COPD. Ergebnisse: Flussparameter unverändert; signifikante
Zunahme der Leistung, der VO2max und des Atemgrenzwerts um jeweils 12 - 15 %.
Die größere Leistungsfähigkeit nach Theophyllin bei nur unwesentlicher Bronchodilatation
könnte mit einem positiv inotropen Effekt auf die Atemmuskulatur, einer Stimulation
des Atemzentrums oder einer Kombination dieser beiden Mechanismen zu erklären sein
[23].
Beispiel 2
Design rand., doppel-blind, Theophyllin bzw. Plazebo über je 4 Wochen. 12 Patienten
mit schwerer fixierter Obstruktion; differenzierte Erfassung der Dyspnoe mit 5-Punkte-Skala
zu Beginn und 7-Punkte-Bewertung im Verlauf. Lungenfunktion, Blutgase und Leistungsparameter
unverändert; Dyspnoe insgesamt und speziell die Qualitäten „funktionelle Kapazität”
und „Einschätzung der möglichen Belastung” dagegen signifikant günstiger.
Die Autoren folgern, dass Theophyllin die Wahrnehmung der bei Alltagsaktivitäten auftretenden
Belastung der Atemmuskulatur vermindert. Die günstige Beeinflussung der Dyspnoe -
des Symptoms, das die Patienten am häufigsten zum Arzt führt - entspreche der klinischen
Erfahrung und rechtfertige die Verordnung von Theophyllin auch bei Patienten mit fixierter
Atemwegsobstruktion [24]. Allerdings wird die Reduzierung von Dyspnoe von anderen Untersuchern nicht bestätigt
[25]).
Beim direkten Vergleich von Theophyllin mit Anticholinergika [26] und Beta-2-Sympathomimetika [16]
[20] wurden nennenswerte Unterschiede nicht festgestellt. Auch die Kombination von Theophyllin
mit Vertretern dieser Stoffklassen erwies sich nicht als überlegen [16]
[20]
[22]
[26]. Restriktive Auswahlkriterien bezüglich Reversibilität der Atemwegsobstruktion,
extrapulmonale Ursachen der eingeschränkten Belastbarkeit sowie methodische Differenzen
bei der Auswahl und Handhabung der Messmethoden dürften für die geringen Effekte von
Bronchodilatatoren bei COPD und für diskrepante Untersuchungsergebnisse verantwortlich
sein [27].
Weitere erwünschte Theophyllinwirkungen
Weitere erwünschte Theophyllinwirkungen
Mukoziliäre Clearance
Der mukoziliäre Transport ist bei COPD durch Zerstörung des Flimmerepithels und Plattenepithelmetaplasie,
verminderte Aktivität der Flimmerhärchen und exzessive Schleimproduktion von erhöhter
Viskosität beeinträchtigt. In-vitro-Studien haben gezeigt, dass Theophyllin die Zilienfrequenz
und den Einstrom von Flüssigkeit in das Bronchiallumen steigert [28]
[29]. Klinische Studien mit radioaktiv markierten Aerosolen bei Patienten mit Asthma
und COPD scheinen positive Effekte des Theophyllins zu bestätigen. In einigen Untersuchungen
konnte eine Verbesserung der Clearance nachgewiesen werden [30]
[31]. Allerdings liegen bisher keine Daten über die klinische Relevanz dieser Beobachtungen
(z. B. Beeinflussung der Hustenfrequenz und der Expektoration) vor.
Verbesserte Funktion der Atemmuskulatur
Ein ungünstiger Wirkungsgrad der Atemmuskulatur durch Überblähung und die Ermüdung
infolge erhöhter Dauerbelastung führen zur Ateminsuffizienz. Tierversuche ließen erkennen,
dass Theophyllin dosisabhängig die Kontraktilität des Zwerchfells verbessert [32]
[33]. Die Befunde bei gesunden Probanden sind widersprüchlich. In einer Studie konnte
gezeigt werden, dass die Kontraktilität des Zwerchfells durch Theophyllin zunimmt.
Überdies wurde ein Schutz gegen Ermüdung, herbeigeführt durch niedrigfrequente Reizung,
beobachtet [34].
Atemmechanik und Gasaustausch
Theophyllinwirkungen auf die Atemmechanik und den Gasaustausch bei COPD sind in mehreren
kontrollierten Studien untersucht worden [35]
[36]
[37]
[38]. Aus verschiedenen Gründen - strenge Selektionskriterien, große Patientenzahl, breites
Methodenspektrum - halten wir die Publikation von Murciano u. Mitarb. [36] für besonders aussagefähig:
Design rand., doppel-blind, Theophyllin bzw. Plazebo über 2 Monate. 60 Patienten,
FEV1 ca. 30 % des Sollwerts. Signifikante Besserung der Lungenfunktion, des Gasaustauschs
und der Atemmechanik: FEV1-Anstieg um 13 %, PaO2
-Anstieg und PaCO2
-Abfall um jeweils 9 %; Zunahme des Atemminutenvolumens durch größeres Atemzugvolumen;
Anstieg des maximalen Pleuradrucks und signifikante Verminderung des Dyspnoe-Score.
Die Zunahme des maximalen Pleuradrucks lässt unter den Bedingungen dieser Studie (Überblähung
nicht rückläufig!) auf eine vermehrte Kraft der Atemmuskulatur schließen. Die günstigere
Relation von Pleuradruck bei Ruheatmung zum maximalen Pleuradruck spricht für eine
erhöhte Atemmuskelreserve.
Die im Schrifttum mitgeteilten Befunde zur Beeinflussung des Gasaustauschs durch Theophyllin
sind nicht einheitlich. Überwiegend wird ein leichter PaO2
-Anstieg beobachtet, der mit einem proportionalen PaCO2
-Abfall einhergeht [36]
[39], wahrscheinlich infolge einer zentralen Atemstimulation.
Herzfunktion und Lungenkreislauf
Insbesondere der „blue bloater” ist zur Entwicklung eines Cor pulmonale disponiert.
Alveoläre Hypoventilation, hypoxische Vasokonstriktion, Mediahyperplasie in den Arteriolen
und erhöhter präkapillärer Gefäßwiderstand sind Faktoren, die zur Rechtsherzhypertrophie
und schließlich zur Dekompensation beitragen. In klinischen Studien sind positive
Effekte des Theophyllins auf die zentrale Hämodynamik-Abnahme des pulmonal-arteriellen
Mitteldrucks und des Gefäßwiderstands sowie des rechts- und linksventrikulären enddiastolischen
Drucks nachgewiesen worden [39]
[40].
Schlafqualität und Schlafapnoe
Obgleich manche Patienten unter Theophyllintherapie über Schlafstörungen klagen, scheinen
zumindest niedrige und mittlere Serumkonzentrationen die Schlafqualität nicht zu beeinträchtigen.
Im Vergleich mit Plazebo [41] bzw. mit Salbutamol-Dosieraerosol [42] waren für zahlreiche Parameter (Einschlaflatenz, Schlafdauer, Schlafeffizienz, Schlafstadien)
keine Unterschiede festzustellen. Da bei Patienten mit OSAS und Tagesschläfrigkeit
eine Reduktion fehlerhafter Fahrleistungen im Fahrsimulator nachgewiesen werden konnte,
wird in derartigen Fällen Theophyllin als Ergänzung einer nur partiell effektiven
n-CPAP-Therapie diskutiert [43].
Antiinflammatorische Wirkungen
Theophyllin reduziert bei Patienten mit COPD die Anzahl der Neutrophilen im induzierten
Sputum und deren Reaktion auf chemotaktische Reize. Die Konzentration von Interleukin-8
ist vermindert [44]. Der molekulare Wirkungsmechanismus antiinflammatorischer Prozesse ist komplex und
nur teilweise aufgeklärt. Diskutiert werden u. a. eine Hemmung von Phosphodiesterasen
(PDE3, PDE4, PDE 5), ein Adenosin-Rezeptor-Antagonismus, die Hemmung proinflammatorischer
Transkriptionsfaktoren und die Apoptose von Neutrophilen mit entsprechend verlängerter
Überlebensdauer, ferner die Aktivierung einer Histon-Deacetylase mit der Konsequenz,
dass die Expression proinflammatorischer Gene unterdrückt wird [45].
Unerwünschte Theophyllinwirkungen
Unerwünschte Theophyllinwirkungen
Die Akzeptanz von Theophyllin wird durch eine Reihe von Nebenwirkungen eingeschränkt.
In einer Studie mit Bronchodilatatoren bei COPD wurden Theophyllin-Serumkonzentrationen
über 12 mg/l von 6,4 % der rekrutierten Patienten nicht toleriert [46]. Am häufigsten werden Übelkeit, Druckgefühl im Oberbauch, Schwindel, Kopfschmerzen,
Schlafstörungen, innere Unruhe, Tremor und Sodbrennen angegeben [47]. Auftreten und Schweregrad unerwünschter Wirkungen korrelieren mit dem Blutspiegel.
Bei Werten > 30 mg/l kann es zu Herzrhythmusstörungen, > 50 mg/l zu Krampfanfällen
kommen [48]. Kognitive Funktionen - Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Konzentrationsfähigkeit - waren
in neuropsychologischen Tests nicht beeinträchtigt [49].
Theophyllin wird in der Leber metabolisiert. Die Biotransformation unterliegt erheblichen
individuellen Schwankungen und wird durch Faktoren wie Alter, Herzinsuffizienz mit
Leberstauung, aktive Leberzirrhose sowie durch Medikamente (z. B. Cimetidin, Erythromycin,
Allopurinol) gehemmt, so dass bereits bei durchschnittlichen Tagesdosen toxische Effekte
auftreten können.
Nach einer Dauertherapie über mindestens ein Jahr fanden sich keine Hinweise auf eine
Tachyphylaxie bezüglich Bronchodilatation [50].
Fazit
Fazit
In der Langzeitbehandlung der stabilen COPD gelten β2-Sympathomimetika und Anticholinergika als Mittel der Wahl [51]
[52]. Theophyllin ist indiziert, wenn damit kein zufriedenstellendes Behandlungsergebnis
erreicht wird. Bei mehr als der Hälfte dieser Patienten ist von der Verordnung eines
geeigneten oralen Retardpräparates ein zusätzlicher positiver Effekt zu erwarten.
Die Reaktion sollte individuell anhand der Symptome und der Lungenfunktion überprüft
werden. Eine gute Möglichkeit, Responder zu identifizieren, bietet der Auslassversuch.
Die Verträglichkeit und Akzeptanz einer Theophyllintherapie lässt sich durch langsame
Dosissteigerung und durch die Einstellung niedriger Serumkonzentrationen im Bereich
von 5 - 10 mg/l verbessern. Da erhebliche individuelle Unterschiede des Theophyllinmetabolismus
bestehen, sollte in der Einstellungsphase die Serumkonzentration bestimmt werden.