Die aktuelle Rolle der Informationstechnologie (IT) im Krankenhaus ist durch Licht
und Schatten gleichermaßen geprägt: einerseits sind Datenverarbeitungssysteme bahnbrechende
Werkzeuge zur Unterstützung klinischer und institutionsübergreifender Prozessketten,
andererseits lediglich Hilfsinstrumente für eine ausufernde administrativ geprägte
Dokumentationspflicht.
Es gibt Stimmen, welche die Informationstechnologie im Krankenhaus insgesamt kritisch
beurteilen. So meinte das amerikanische „Institute of Medicine” im Jahr 2001, dass
die Revolution der Informationstechnologie, die in Industrie und Wirtschaft zu dramatischen
Veränderungen geführt hat, an der Medizin nahezu spurlos vorübergegangen ist. Erfahrungsberichte
bestätigen, dass IT-Lösungen im Krankenhaus personalaufwändig sind und dass klinische
IT-Projekte unter verschiedensten Schwachstellen leiden, zu denen insbesondere zeitliche
Verzögerungen und enttäuschte Erwartungen zählen. Die bereits seit den 80er Jahren
thematisierte Software-Krise ist noch nicht überwunden. Auch die angesichts der Umwälzungen
durch die DRG-Einführung häufig geforderte IT-Unterstützung klinischer Arbeitsprozesse
ist heute noch wenig ausgeprägt - dies gilt abteilungsintern und umso mehr abteilungs-
oder gar institutionsübergreifend. Das erklärte Ziel, Wissen und Information am Punkt
der Krankenversorgung umfassend und zeitnah zur Verfügung zu stellen, ist nur in Ansätzen
erreicht.
Das Potenzial der Informationstechnologie zur Unterstützung des Klinikers wird dagegen
immer besser verstanden. Eine geeignete Arbeitsumgebung, die dem Arzt und dem Pflegepersonal
relevante und angemessen aufbereitete Information über den Patienten und den Behandlungsprozess
zur Verfügung stellt, könnte die hohe kognitive Belastung reduzieren. IT-basierte
Erinnerungshinweise können helfen, Unterlassungsfehler zu vermeiden, und Warnhinweise
können Fehler verhindern, die aus Übersehen oder Vergessen (etwa von Nebenwirkungen
oder Kontraindikationen) oder auch aus der Unterlassung notwendiger Kontrollmaßnahmen
resultieren. Darüber hinaus hat die Telematik ihre Kinderschuhe verlassen und könnte
dazu beitragen, die Kommunikation zwischen Krankenhaus und Niedergelassenen zu unterstützen.
In der Realität ist die Entlastung durch die Informationstechnologie bisher kaum wahrzunehmen.
Während der Druck auf Krankenhausärzte wächst, wird IT vielfach vorrangig eingesetzt,
um gesetzliche Dokumentationsanforderungen umzusetzen. Der jüngst vom Deutschen Krankenhausinstitut
ermittelte Zeitaufwand für die Dokumentation im Krankenhaus lag bei über zwei Stunden
für patientenbezogene und bei rund 40 Minuten für administrative Tätigkeiten, zum
Beispiel das Erfassen von ICD- und OPS-Codes. IT imponiert somit häufig primär als
Werkzeug zur Bewältigung eines wachsenden Dokumentationsaufwands, der zeitlich mit
der primären Patientenversorgung konkurriert. Erschwerend kommt hinzu, dass der Mitteleinsatz
für die klinische Informationsverarbeitung in Deutschland eher gering ist und bei
maximal 1-2 % des Budgets im Vergleich zu mindestens 2-3 % in den USA liegen dürfte.
Begrenzte Mittel müssen also gezielt zur IT-Unterstützung des Behandlungsprozesses
eingesetzt werden. Neben einem Ausbau der IT-Infrastruktur im Krankenhaus bedeutet
dies Maßnahmen zur Unterstützung der Kooperation und der zeitnahen Information. Zur
Verbesserung der Koordination gewinnen Terminplanung und elektronische Auftragsübermittlung
an Bedeutung, die in immer breiteren Fassetten auch abteilungsübergreifend eingesetzt
werden. Von herausragender Bedeutung ist eine Fokussierung auf die Durchgängigkeit
der Prozessketten. Hersteller wie auch Anwender werden ihr Augenmerk zunehmend hierauf
richten müssen.
In diesem Kontext geht die Wissensvermittlung neue Wege. Fakten und Wissensbanken
im Internet und im Intranet sind bereits heute dabei, einen erheblichen Einfluss auf
die klinische Routine zu gewinnen. Darüber hinaus beginnen sich Rolle und Erscheinungsbild
der IT-unterstützten Entscheidungsunterstützung zu wandeln. Klinische Pfade, die sowohl
klinische als auch ökonomische Gesichtspunkte berücksichtigen, können nicht nur im
Intranet präsentiert und aus dem Informationssystem aufgerufen werden, sie werden
auch zunehmend in klinische Informationssysteme abgebildet werden. Hier zeichnet sich
eine problemorientierte Dokumentation mit Fokussierung auf Entscheidungsschritte von
klinischer und ökonomischer Relevanz ab. Auch im Bereich der Bild- und Biosignalverarbeitung
nimmt die Bedeutung der Informationstechnologie stetig zu.
Insgesamt ist zu hoffen und zu fordern, dass sich die Informationstechnologie von
einem momentan stark administrativ geprägten Fokus wieder dem klinischen Prozess und
der Entlastung des Klinikers zuwendet.