L-Arginin ist die Vorstufe von Stickstoffmonoxid (NO), das vasodilatorisch wirkt und
die Endothelfunktion der Gefäße verbessert. Theoretisch müsste die Gabe von L-Arginin
für Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz, deren NO-Produktion vermindert ist,
günstig sein, berichten Hylton Miller und seine Kollegen vom Tel-Aviv Medical Center
in Israel. Im Tierversuch wurden bereits nephroprotektive Wirkungen der Aminosäure
wie eine Erhöhung der glomerulären Filtrationsrate nachgewiesen; bei Menschen sind
die Ergebnisse allerdings bisher widersprüchlich.
Bei 42 Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz (Kreatinin > 1,7 mg/dl), bei denen
eine Koronarangiographie geplant war, haben die israelischen Wissenschaftler den möglichen
Nutzen einer L-Arginin-Gabe geprüft. Die bei der Katheteruntersuchung verwendeten
Kontrastmittel können akute hämodynamische Veränderungen hervorrufen, bedingt durch
einen Anstieg des renalen Gefäßwiderstandes und einen Abfall der glomerulären Filtrationsrate.
Vor der Angiographie wurde der Hälfte der Patienten mit 300 mg L-Arginin/kg infundiert,
die übrigen erhielten Plazebo (Am J Nephrol 2003; 23: 91-95).
In beiden Gruppe war die Kreatinin-Clearance 48 Stunden nach dem Eingriff signifikant
niedriger als die Ausgangswerte. Die Kreatinin-Spiegel hatten sich signifikant nur
bei den Patienten der Arginin-Gruppe erhöht (von im Mittel 2,58 auf 2,81 mg/ml); in
der Plazebogruppe gab es keine Veränderungen. Die Blutdruckwerte und der Gefäßwiderstand
bleiben in beiden Gruppen unverändert.
Die Studie hat gezeigt, dass eine Angiographie mit Kontrastmitteln bei Patienten mit
KHK und milder bis mittelgradiger Niereninsuffizienz die Nierenfunktion weiter verschlechtert,
schreiben die Autoren. Die Anwendung von L-Arginin kurz vor dem Eingriff kann weder
die Nephrotoxizität des Kontrastmittels verringern noch die Endothelfunktion verbessern.
Kommentar zur Studie
Kommentar zur Studie
Trotz der theoretischen und tierexperimentellen Plausibilität scheint die Substitution
von L-Arginin und somit die Anhebung des Plasma-NO-Spiegels nicht nephroprotektiv
zu wirken.
Bei der Applikation von intravenösem Kontrastmittel kann es zur Verschlechterung der
Nierenfunktion bis zum akuten Nierenversagen kommen, wobei das Risiko für Patienten
mit vorbestehender Niereninsuffizienz deutlich erhöht ist. Die Pathogenese dieses
Nierenversagens ist unklar und wahrscheinlich multikausal. Durch die renale Elimination
des Kontrastmittels und der daraus folgenden höheren Konzentration in der Niere kommt
es zu einer Vasokonstriktion der Nierengefäße mit Perfusionsminderung und medullärer
Hypoxie (1). Eine Reihe weiterer Mechanismen wird diskutiert. So konnten zytotoxische
und proapoptotische Effekte durch das Kontrastmittel in der Niere nachgewiesen werden
(2). Bei vorgeschädigten Nieren scheint die Bildung von freien Radikalen einen weiteren
wichtigen Pathomechanismus darzustellen. Die Prognose des kontrastmittelinduzierten
Nierenversagens ist in der Regel gut und die Nierenfunktionseinschränkung vollständig
reversibel (3).
In der vorliegenden Studie von Hylton Miller und seinen Kollegen aus Israel wurde
der Einfluss der prophylaktischen intravenösen Gabe der Aminosäure L-Arginin auf die
Nierenfunktion bei chronisch Niereninsuffizienten untersucht.
Die theoretischen Grundlagen gingen auf tierexperimentelle Studien zurück, in denen
eine Steigerung der glomerulären Filtration und eine nephroprotektive Wirkung beim
kontrastmittelinduzierten Nierenversagen durch L-Arginin gezeigt werden konnte (4).
L-Arginin ist das Substrat der NO-Synthase (5), wobei NO bei Patienten mit chronischer
Niereninsuffizienz erniedrigt ist. Die Vorstellung, dass die Applikation von L-Arginin
die Nierenfunktion nach intravenöser Kontrastmittelgabe (KM) verbessern könnte, konnte
in dieser Untersuchung nicht bestätigt werden. Die Kreatininclearance ging sowohl
in der behandelten als auch in der Kontrollgruppe nach KM-Gabe zurück. Trotz der theoretischen
und tierexperimentellen Plausibilität scheint die Substitution von L-Arginin und somit
die Anhebung des Plasma-NO-Spiegels keinen nephroprotektiven Effekt zu haben.
Ausreichende Hydratation als einzige prophylaktische Maßnahme
Die einzige prophylaktische und therapeutische Maßnahme beim KM-induzierten Nierenversagen
auf höchstem Evidenzniveau ist eine ausreichende Hydratation (6). In mehreren randomisierten
Studien konnte ebenfalls eine gute prophylaktische Wirksamkeit von Acetylcystein (ACC)
per os (1200 mg/Tag) gezeigt werden (7, 8). Für alle anderen vermeintlich wirksamen
Substanzen, einschließlich L-Arginin, liegen unsichere oder widersprüchliche Daten
vor. Sollte nach der KM-Gabe trotz Hydratation und ACC ein akutes Nierenversagen auftreten
muss anschließend eine Hämodialyse durchgeführt werden. Auf urologischem Gebiet kann
statt einem i.v. Urogramm in jedem Fall eine retrograde Ureteropyelographie erwogen
werden, um den oberen Harntrakt darzustellen. Ein weiteres bildgebendes Diagnostikum,
das zunehmend an Bedeutung gewinnt und nicht nephrotoxisch ist, ist die Kernspintomographie
mit der Möglichkeit einer MR-Urographie oder einer MR-Angiographie. Dieses Verfahren
ist jedoch nicht zuletzt aus Kostengründen auch an großen Zentren vom täglichen Routineeinsatz
noch weit entfernt.
Dr. Tobias Engel, Frankfurt
Kommentar zur Studie
Kommentar zur Studie
Unter Berücksichtigung der in den letzten Jahren publizierten Studien gilt eine sehr
einfache, kostengünstige Empfehlung für die Nephroprotektion vor Kontrastmittelbelastung:
NaCL 0,9 % 1 ml/kg KG über 24 h, beginnend 12 h vor Kontrastmittelapplikation.
Für Patienten mit präterminaler Niereninsuffizienz besteht ein deutlich erhöhtes Risiko
für eine Nierenfunktionsverschlechterung unter Kontrastmittelexposition. Dies gilt
auch für Patienten mit noch normalen Retentionswerten und Erkrankungen, die eine Nierenfunktionsverschlechterung
bewirken können, wie Diabetes mellitus oder arterielle Hypertonie. Verschiedene prophylaktische
Maßnahmen wurden bisher in einer Vielzahl von Studien geprüft. Interessant ist der
in der israelischen Studie beschriebene Ansatz, L-Arginin anzuwenden. Von dieser Aminosäure
wird, als Vorstufe von Stickstoffmonooxid ein nephroprotektiver Effekt erwartet. Dieser
konnte bisher jedoch nicht bestätigt werden. Es verwundert, dass bei der Studienlage
eine ausreichende Hydrierung im Rahmen der referierten Studie nicht vorgenommen wurde.
Selbstverständlich sollte primär die Indikation zur kontrastmittelgestützten Diagnostik
geprüft, Alternativmethoden (z.B. MRT) überdacht und eine möglichst geringe Kontrastmittelmenge
verwendet werden. Nicht eindeutig ist die Studienlage bei Patienten, die nur eingeschränkt
hydrierbar sind, etwa bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz. Hier ist sicherlich
die periinterventionelle Gabe von N-Acethylcystein und/oder Theophyllin gerechtfertigt.
Dr. E. Wandel, Dr. Amelie Elze, Mainz
Abb. 1 Angiographie. Eine ausreichende Hydratation ist die einzige prophylaktische Maßnahme,
mit der ein Kontrastmittel-induziertes Nierenversagen vermieden werden kann (Bild:
Thiemes Innere Medizin, Thieme 1999).
Abb. 2 Glomerulärer Kapillarknäuel. Eine Gabe von L-Arginin verhindert nicht, dass sich
bei Patienten mit KHK und milder bis mittelgradiger Niereninsuffizienz durch eine
Angiographie mit Kontrastmitteln die Nierenfunktion weiter verschlechtert (1: Gefäßpol,
2: Arteriola glomerularis afferens, 3: Arteriola glomerularis efferens) (Bild: Taschenatlas
der Zytologie, Thieme 1999).