Nach Rücksprache mit Krankenkassen ist zurzeit davon auszugehen, dass die Kassen sich
dieser Möglichkeit in vollem Umfang bedienen werden, so dass Kliniken und Kassenärztliche
Vereinigungen von einem 1 %igen Erlösausfall ausgehen sollten. Frage: Welche Handlungsmöglichkeiten
bestehen?
1. Einschlägige Veränderungen im Gesetz
1. Einschlägige Veränderungen im Gesetz
Integrierte Versorgung (IV) wird erheblich vereinfacht und mit einer Reihe von finanziellen
Anreizen ausgestattet, die sowohl die Krankenkassen als auch die jetzigen Leistungsanbieter
zur beschleunigten Vereinbarung von Verträgen zu IV anreizen. Zusätzlich wird der
Kreis der möglichen Vertragspartner auch auf Träger medizinischer Versorgungszentren
sowie klassische Kapitalgesellschaften (Managementgesellschaften) erweitert, so dass
in nächster Zeit auch mit dem Aufkommen neuer Anbieter zu rechnen ist.
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Einführung des zeitbegrenzten 1 %-Abschlags auf die Krankenhaus- und Kassenärztlichen
Vergütungen - als Anreiz zur beschleunigten Entwicklung von IV-Systemen
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Ermöglichung von Ausschreibungen zur pharmazeutischen Versorgung in IV-Verträgen mit
Variation von Struktur und Qualität und damit den Kosten und Distributionsbedingungen
der Arzneimittel
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Aufhebung der Notwendigkeit zu komplizierten Budgetbereinigungen und Rahmenvereinbarungen
sowie konkreter Wegfall der bisherigen Rahmenvereinbarungen / keine Bereinigung des
Budgets mehr für Krankenhäuser notwendig, d.h. für Krankenhäuser wird die Verhandlung
einfacher
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Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind nicht mehr mögliche Vertragspartner, da die
Politik ihnen Interessenkonflikte unterstellt, wenn sie gleichzeitig als Körperschaft
öffentlichen Rechts zur neutralen Beratung und Vertretung aller Kassenärzte berufen
sind und im Rahmen der IV Interessen von speziellen Gruppen von Ärzten gegenüber anderen
vertreten sollten
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Ermöglichung von Managementgesellschaften als Vertragspartner für Krankenkassen im
Rahmen der IV
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Der Gesetzgeber hat den Grundsatz der Beitragssatzstabilität für Verträge der IV,
die bis zum 31. Dezember 2006 abgeschlossen werden, aufgehoben. Dies bedeutet, dass
die Krankenkassen auch evtl. notwendige infrastrukturelle Investitionen aus den eingesparten
1 % finanzieren können
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Die Leistungserbringung innerhalb der IV ist zukünftig nicht mehr an den Zulassungs-,
Ermächtigungs- oder sonstigen Berechtigungsstatus der beteiligten Leistungserbringer
gebunden. D.h. Krankenhausärzte können innerhalb des dann vorhandenen Vergütungsdaches
auch ohne Zulassung ambulant und Niedergelassene auch stationär arbeiten
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Die Vertragspartner in IV-Verträgen können auch vereinbaren, dass die Versicherten
ohne Zuzahlung nur bestimmte Leistungserbringer in Anspruch nehmen dürfen. D.h. man
könnte ein integriertes Versorgungsmodell entwickeln, das eine begrenzte Zahl von
Leistungserbringern vorsieht
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Der Gesetzgeber ermöglicht Krankenhäusern die Etablierung so genannter „Medizinischer
Versorgungszentren” (§ 95 Abs.1) zur fachübergreifenden ambulanten Versorgung, in
denen Ärzte angestellt oder freiberuflich tätig sein können. Die Versorgungszentren
können Praxissitze kaufen bzw. sich für freie Praxissitze bewerben. Sie erhalten eine
institutionelle Zulassung für Ärzte, die ansonsten aber die erforderlichen Qualifikationen
nachzuweisen haben. Die Zentren rechnen für diese Ärzte mit der KV nach den jeweiligen
Vergütungsregelungen ab. Angestellte Klinikärzte mit entsprechenden Qualifikationen
können ebenfalls für solche Zentren arbeiten (und ein Krankenhaus kann für sie die
Zulassung erwerben), Präsenzpflichten für die ambulante Vertragstätigkeit sind nicht
vorgesehen, d.h. auch eine 10-stündige Öffnung einer spezialisierten Ambulanz wäre
möglich
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Krankenhäuser werden vom Gesetzgeber geöffnet für spezialisierte ambulante Leistungen
nach § 116 b Abs. 2-4 mit einem vom Gesetzgeber bereits vorgegebenen Katalog. Dieser
Katalog wurde in der MBZ bereits an anderer Stelle beschrieben, deshalb verzichten
wir hier auf eine detaillierte Darstellung. IV und Nutzung des §116 lassen sich gegenseitig
aber hervorragend kombinieren
2. Exkurs: Was versteht der Gesetzgeber unter integrierter Versorgung
2. Exkurs: Was versteht der Gesetzgeber unter integrierter Versorgung
In der Begründung des Gesetzentwurfs stellt der Gesetzgeber fest: ”Die Neufassung
verzichtet auf die beschreibende Darstellung der IV. Sie ist fokussiert auf den „Kern”
der IV: Krankenkassen und Leistungserbringer schließen autonom Verträge über die Versorgung
der Versicherten außerhalb des Sicherstellungsauftrags nach § 75 Abs. 1. Die Versorgung
wird auf einzelvertraglicher Grundlage und nicht im Rahmen eines kollektivvertraglich
vereinbarten Normensystems durchgeführt.”
Weise beschränkt sich der Gesetzgeber auch in der Formulierung der Rahmenbedingungen
und behauptet: „Auch erhalten damit die am Aufbau IV Beteiligten die Verhandlungs-
und Gestaltungsspielräume, die für die Ausgestaltung der die Integration konstituierenden
Verträge und für innovatives unternehmerisches Handeln notwendig sind. Der Wettbewerb
um eine sachangemessene und kluge Integration der verschiedenen Leistungsbereiche
setzt voraus, den Akteuren vor Ort Freiheit zur Gestaltung in Eigenverantwortung einzuräumen.
”
An anderer Stelle der Begründung (zu Punkt d in § 140c) lässt der Gesetzgeber ein
wenig mehr davon erkennen, was er unter IV versteht: „Sinn einer integrierten Versorgung
ist vor allem, die bisherige Abschottung der einzelnen Leistungsbereiche zu überwinden,
Substitutionsmöglichkeiten über verschiedene Leistungssektoren hinweg zu nutzen und
Schnittstellenprobleme so besser in den Griff zu bekommen. Die medizinische Orientierung
des Leistungsgeschehens hat Priorität. Anstrengungen zur Qualitätssicherung und zur
optimierten, die Leistungssektoren übergreifende Arbeitsteilung unter Wirtschaftlichkeits-
und Qualitätsgesichtspunkten sollen gefördert und nicht durch bestehende Zulassungsschranken
behindert werden. ”
Gleich zu Beginn des § 140 a Abs.1 macht eine kleine Veränderung im Wortlaut aber
deutlich, dass beide bisher in Deutschland diskutierten und umgesetzte Varianten von
IV unter dem § 140 subsumiert werden. Dort sieht der Gesetzgeber vor, dass die Krankenkassen
Verträge über „eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung" der Versicherten
oder „eine interdisziplinär-fachübergreifende Versorgung" abschließen können, und
beschreibt damit die beiden entwickelten Varianten:
1. Indikationenbezogene interdisziplinär-fachübergreifende IV etwa in der Form von
Komplexpauschalen oder zeitbegrenzten Budgetübernahmen für bestimmte Operationen,
wie Hüftendoprothesen, Prostataentfernungen etc. - hier als die „Light-Variante” bezeichnet.
(Beispiele sind etwa Verträge der AOK in Essen, Wiesbaden u.a., Verträge zwischen
LBK-Hamburg und DAK, LBK-Hamburg und TK sowie zwischen Kassenärztliche Vereinigung
Schleswig-Holstein und einem Belegkrankenhaus in Lübeck.)
In Erweiterung hierzu sind auch zeitbegrenzte Komplexpauschalen denkbar, etwa für
die Aufnahme eines Patienten in eine Klinik und die darauf aufbauende indikationsbezogene
Verantwortungsübernahme auch für eine Zeit nach dem Klinikaufenthalt mit Verhaltenstrainings
und Einhaltung bestimmter Blutwerte oder Wirksamkeitsspiegeln bis hin zur garantierten
Wiederaufnahme in die Klinik bei entsprechender Nichteinhaltung. So arbeiten wir zurzeit
beispielsweise an einem entsprechenden Modell für die Urologie und die Psychiatrie,
weitere Indikationen sind denkbar.
2. Vollumfängliche Verantwortungsübernahme für alle Versicherte einer Krankenkasse
einer definierten Region mit einem verschiedene Leistungssektoren übergreifend wirkenden
Gesamtbudget - hier als die „Full Size-Variante" bezeichnet. (Beispiele sind etwa
die Prosper-Modelle der Bundesknappschaft, die Planung der Integrierten Versorgungsgemeinschaft
Elbe-Jeetzel, der Vertrag zur Einrichtung von Integrierten medizinischen Diensten
von 4 Behinderteneinrichtungen in Niedersachsen gemeinsam mit vier Kassenverbänden.)
Diese Variante ist ökonomisch und medizinisch besonders viel versprechend, erlaubt
sie doch den maximalen Einsatz von allen zur Verfügung stehenden Hebeln zur Versorgungsoptimierung
und über alle Bereiche (Arzneimittel, Transporte, stationär, ambulant, Reha, Häusliche
Krankenpflege, Krankengeld etc), erfordert aber auch ein entsprechend verantwortungsbewusstes
Steuerungssystem über alle Indikationen hinweg.
Beide Varianten sind zu prüfen und können einzeln pur oder auch in unterschiedlichen
Mischformen angewandt werden. Zu beachten ist dabei, dass die zweite Variante voraussichtlich
langfristig für die Krankenkassen die attraktivere Variante ist (Näheres unter der
Homepage der Verfasser: www.gesundheitsconsult.de/Aktuel.htm).
3. Erste Reaktionen der Krankenkassen
3. Erste Reaktionen der Krankenkassen
Seitens der Krankenkassen werden die Neuregelungen mit Interesse verfolgt und als
ein positives Zeichen des Gesetzgebers gesehen, die IV wirklich mit Schubkraft zu
versehen. Die Integrationsexperten der Bundesverbände von AOK wie auch VdAK und BKK
heben dabei vor allem die Reduzierung der Rolle der Kassenärztlichen Vereinigungen
hervor, die sie in den letzten Jahren eher als Verhinderer denn als Förderer erfahren
haben. Insgesamt scheinen sich die Krankenkassen zurzeit darauf verständigt zu haben,
grundsätzlich die 1 % von den Krankenhausrechnungen in vollem Umfang einbehalten und
intensiv und kurzfristig Verträge abschließen zu wollen.
4. Was macht die integrierte Versorgung für die Politik so interessant? Gewinn durch
Minimalisierung statt durch Maximalisierung
4. Was macht die integrierte Versorgung für die Politik so interessant? Gewinn durch
Minimalisierung statt durch Maximalisierung
Der entscheidende Unterschied zwischen einer IV als Regelversorgung und der bisherigen
sektoral aufgeteilten Versorgung ist die Veränderung der Anreizwirkungen der Ökonomie.
In einer IV mit einem dynamisierten Gesamtbudget für eine definierte Zahl von Versicherten
- also der „Full-Size-Variante" nach der vorne vorgestellten Definition - hat der
Verantwortliche für die Leistungserbringung = der Träger der IV ein nicht nur medizinisches
und medizinethisches, sondern zusätzlich auch ein ökonomisches Interesse an der Gesunderhaltung
und Gesundheitsförderung seiner Versicherten. Er übernimmt in gewissem Sinne die Verantwortungsebene
einer Krankenkasse und erhält dazu gleichzeitig erheblich erweiterte Steuerungsmöglichkeiten
auf der lokalen Ebene für die jeweils lokal optimal erbrachte Gesundheitsversorgung
- und der Patient bzw. Versicherte kann wählen, ob er sich diesem Modell anschließen
will oder nicht.
Mit einem solchen Modell wird das Geschäftsmodell im Gesundheitswesen umgekehrt. Während
sich bisher die Leistungserbringer neben ethischen Überlegungen des medizinischen
Handelns auch kaufmännische orientiert auf eine Maximierung von Leistungen und Umsätzen
hin ausrichten mussten - wenn auch in Teilen begrenzt durch den Rahmen der vereinbarten
Budgets, so wird der Träger eines Integrierten Versorgungssystems seine medizinische
und kaufmännische Klugheit darauf ausrichten, durch Schnittstellenorganisation, ein
Reengineering des Versorgungsprozesses, durch geeignete Patientenbeteiligung und Gesundheitsförderung/Prävention
den Versicherten zu möglichst geringer Inanspruchnahme des (kostenintensiven) medizinischen
Versorgungssystems zu bewegen.
Angesichts der nach oben prinzipiell offenen Kosten des Medizinsystems, aber begrenzten
Ressourcen im solidarisch finanzierten Teil der GKV, hat die Politik im Sinne der
Gesellschaft gar keine andere Chance, als diese radikale Umorientierung der ökonomischen
Anreize mit Druck in das deutsche System hinein zu implantieren.
Internationale Beispiele und vielfältige Berichte aus der deutschen Fachliteratur
weisen auf, dass in der „Full Size-Variante” und der optimalen Kombination von Verantwortungsübernahme
und Reorganisations-Freiheitsräumen in einem Prozentsatz von bis zu 20 % Reserven
der jetzigen sektoral begrenzten Gesundheitsversorgung gehoben werden können. Auch
bei einer Gegenrechnung von Investitionsbedarfen und Aufwendungen für die Steuerungsleistungen
und das System-Know-how ist weiterhin mittelfristig auch bei konservativer Rechnung
und einer Marktdurchdringung von etwa 50 % mit einer mindestens mit 3 %, eher mit
5 % auf die Gesamtkosten der Gesundheitsversorgung anzusetzenden Einsparungsmöglichkeit
zu rechnen, d.h. ca. 5-7 Milliarden Euro, bei gleichzeitiger Qualitätsverbesserung
in etwa gleicher prozentualer Größenordnung. Die Erfahrungen der Bundesknappschaft
mit ihrem Prosper-Pilotversuch einer IV gelangen sogar zu noch höheren Einsparerfolgen.
Sogar bei Abzug ansehnlicher Unternehmensgewinne der Vertragspartner sind hier noch
erhebliche Reserven für die GKV bzw. zumindest für eine Verschiebung von Kostensteigerungen
durch Medizin- und Demografie-Effekte zu finden, mit 3-5 Milliarden Euro ist dabei
zu rechnen.
Nicht ganz in dieser Dimension, aber dennoch recht interessant für die Krankenkassen
sind auch die Ergebnisse von zeitbegrenzten Budgetübernahmen für bestimmte Hochkostensegmente
der Versorgung. Hierbei ist von MS- und HIV-Erkrankungen über Demenz und urologische
wie rheumatische und Erkrankun- gen im HKH wie im neurologischen Bereich an ein breites
Spektrum zu denken.
5. Wie können Krankenhausärzte reagieren?
5. Wie können Krankenhausärzte reagieren?
Angesichts der Umsatz- und Ertragsbedeutung des 1 %igen Abzugs müssen Krankenhäuser
und Ärztegruppen kurzfristig reagieren und sich auf den Abschluss eines Vertrags zur
IV vorbereiten. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Krankenkassen mit
allen Interessenten IV-Verträge vereinbaren werden. Es werden zwar alle Leistungsanbieter
die 1 %- Abgabe entrichten müssen, aber nur wenige werden im Rahmen der IV davon profitieren.
Die Zügigkeit der Vorbereitung wird hier zum Erfolgsfaktor im Wettbewerb der Interessenten
untereinander. Eine mögliche Vorgehensweise könnte folgendermaßen aussehen:
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Für Krankenhäuser bzw. Ärztegruppen: Berechnung der Umsatzeinbuße bei 1 % Rechnungsabzug
auf alle Leistungen.
-
Entscheidung über die Vorgehensweise - zu treffen in Abhängigkeit von den vorhandenen
freien Managementressourcen und Kompetenzen, von den Investmentmöglichkeiten sowie
von der Höhe der Umsatzeinbuße nach einer ersten Stärken-Schwächen-Analyse zur IV
für ihre Situation. Ziel: Noch in 2003
-
Entwicklung einer eigenen Strategie für einen Vertrag zur IV im Bereich der „Light-Variante”
- soweit klar definierte Behandlungsstränge zu Produktverträgen genutzt werden können,
die den 1 % -Abzug wieder zurückführen
-
Entwicklung einer eigenen Strategie für einen Vertrag zur IV nach dem „Full-Size-Modell”
- soweit eine Erweiterung des Geschäftsmodells auch aus anderen Gründen interessant
erscheint - immerhin geht es bei Full-Size-Verträgen um Größenordnungen von durchschnittlich
um die 1700-2000 Euro pro Versicherten, d.h. mit einem verantworteten Umsatzvolumen
von 20 Mio. Euro wäre zu rechnen. Neben der inhaltlichen Entscheidung für eine der
beiden Varianten (die parallele Verfolgung beider Strategien ist ebenfalls möglich)
ist eine Entscheidung erforderlich, ob die konkrete Ausarbeitung und Aushandlung
-
intern mit eigenen Managementressourcen erfolgen soll
-
in Zusammenarbeit mit externen Kooperationspartnern: als externe Berater oder als
externe Beteiligungspartner, die ihrerseits Know-how und Investment gegen eine Beteiligung
an einer gemeinsamen IV-Trägergesellschaft zur Verfügung stellen.
-
Ausarbeitung einer Konzeption für den Einstieg in Verhandlungsgespräche. Ziel: möglichst
früh in 2004.
-
Führung der Verhandlungen, Berechnung von Wirtschaftlichkeit und Sekundäreffekten,
Investitionsplanung, Risikokalkulationen, Berechnung von Vergütungssummen und Veränderungsindizes
etc., vorbereitende Entwicklungen von integrierten Behandlungsmustern, Qualitätsvereinbarungen
- je nach Vertragsmodell ist mit mind. 2-5 Monaten zu rechnen.
-
Frühest zu erwartender Start des Vertrags zur IV ist das 3. Quartal 2004.
6. Was könnte beispielhaft in der Urologie im Rahmen der IV umgesetzt werden?
6. Was könnte beispielhaft in der Urologie im Rahmen der IV umgesetzt werden?
In der Urologie liegen inzwischen erste Erfahrungen mit Einzelverträgen vor, die nach
den Vorgaben der alten Gesetzeslage zur integrierten Versorgung geschlossen wurden
und in gewissem Sinne als Komplexpauschalen fungieren (= „Light-Variante” in unserer
Typologie). U.a. liegen solche Einzelverträge für die transurethrale Resektion von
Blasentumoren im AK Barmbek, einem Krankenhaus des LBK Hamburg, vor und wurden u.a.
mit DAK und TK abgeschlossen (vgl. Veröffentlichungen u.a. in Klinik-Management-Aktuell
7/2003, S. 16).
Weitere denkbare Indikationen, an denen die Verfasser zurzeit konzeptionell arbeiten
sind die Urolithiasis sowie die benigne Prostatahyperplasie. Zu letzterer hier einige
erste Ansätze:
Die benigne Prostatahyperplasie ist eine geeignete Indikation, die im Rahmen einer
indikationsbezogenen, Sektoren übergreifenden Komplexpauschale bedient werden kann.
Zwischen Krankenhaus und niedergelassenen Kollegen werden diagnostische und therapeutische
Schritte mit Zuordnung zum jeweiligen Leistungserbringer (stationär/ambulant) und
unter Berücksichtigung der medizinischen Evidenz anhand einer gemeinsam erarbeiteten
Leitlinie festgelegt. Diese werden mit der/den Krankenkassen verhandelt und preislich
fixiert. Die Leitlinien beschreiben
-
die prästationäre Leistungserbringung
-
das Ziel, die Operation spätestens z.B. 2 Tage nach der Aufnahme durchzuführen
-
alle erforderliche Untersuchungen
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die Verweildauer (z.B. 6 Tage)
-
die unblutige Entlassung als Voraussetzung der Entlassung
-
die Organisation der ambulanten Nachsorge (inkl. Entfernung des Katheters)
-
die Nachuntersuchung
-
die Wiederaufnahme wegen der selben Erkrankung innerhalb eines definierten Zeitraumes
-
und nicht zuletzt Art und Inhalt der Information des Patienten.
Die Preise werden pauschaliert und können entsprechend der Fallzahlen bei Überschreitung
entsprechender vereinbarter Mengen rabattiert werden. Bei allen Modellen ist jeweils
zu berücksichtigen, dass nur Win-win-Lösungen für die interessierten Leistungsanbieter
und die Krankenkassen zu einem Vertragsabschluss führen werden. Je länger der Zeitraum
definiert ist, für die bei Wiederaufnahme wegen derselben Erkrankung (oder sogar noch
darüber hinaus für alle urologischen Erkrankungen) die Kostenübernahme durch den Vertragspartner
festgelegt ist, umso mehr verändert sich der Charakter von der Light- zur Full-Size-Variante.
Übrigens: Auch in einer echten Full-Size-Variante hat die Urologie natürlich ein interessantes
Know-how über mögliche kostensparende und qualitätsverbessernde Behandlungsformen
einzubringen.
7. Checkliste für Ärzte mit Ideen zur integrierten Versorgung
7. Checkliste für Ärzte mit Ideen zur integrierten Versorgung
Vorbemerkung: Diese Checkliste richtet sich primär an Krankenhausärzte. Niedergelassene
mögen diese Fragen analog auf ihre Situation übertragen bzw. sich gern an die unten
angegebenen Verfasser wenden.
-
Sind wir eher in der allgemeinen Grund- und Regelversorgung tätig oder in der hochspezialisierten
Versorgung?
-
Haben wir Mitarbeiter in unserer Klinik, die sich in jüngerer Zeit mit Krankenhausmanagementfragen,
Vernetzungsfragen, Sozialepidemiologie und Gesundheitssystemanalyse sowie Medical
Controlling, Managed Care und entsprechender IT intensiver beschäftigt haben?
-
Liegen bei uns im Haus Erfahrungen vor mit einer Zusammenarbeit mit Niedergelassenen?
Ist das für uns noch ein quasi jungfräuliches Gebiet?
-
Genießen wir ein hohes fachliches Ansehen und eine gute Reputation - oder beschränken
sich diese auf einzelne Bereiche?
-
Wie gut sind unsere internen Kooperationserfahrungen - sowohl innerhalb der ärztlichen
Disziplinen unseres Hauses, wie aber auch zwischen Pflege, Verwaltung, Ärzteschaft,
Apotheke und Geschäftsführung?
Angenommen, grundsätzlich sind die Ausgangsbedingungen ausreichend, um sich genauere
Überlegungen zu Art und Ausprägung eines Vertrags zur IV zu machen. Noch einmal zur
Erinnerung: Budgetübernahme lebt ökonomisch gesehen aus dem Delta zwischen den Kosten
der normalen Versorgung und denen einer klüger gesteuerten optimierten Versorgung.
Komplexpauschalen leben ökonomisch aus der möglichen Fallzahlsteigerung - allerdings
werden die Krankenkassen anklopfen bez. einer Preisdegression bei Mengensteigerung.
Beide Versionen sind nebeneinander für unterschiedliche Krankenkassen möglich.
A. Grund- und Regelversorgung: Modell einer Budgetverantwortungsübernahme für die
lokale Bevölkerung
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Wie groß ist unser Einzugsbereich und gibt es in unserem Einzugsbereich eine Krankenkasse
mit mindestens 10000 (besser 20000) Versicherte? Erst wenn diese Mindestzahlen erreicht
werden, lohnt sich in der Regel ein Engagement - je geringer die Versichertenzahlen
sind, um so stärker machen sich Zufälligkeiten bei Hochkosten unangenehm bemerkbar
(diese sind zwar im Prinzip durch Stopp-Loss-Vereinbarungen zu begrenzen, besser ist
allerdings eine interne Begrenzung durch eine ausreichend hohe Zahl).
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Wie setzt sich die Bevölkerung zusammen, werden die Versorgungskosten eher unter oder
über dem Durchschnitt in Deutschland liegen? Wie mobil ist die Bevölkerung? Diese
Fragen gehen schon ein wenig in die Kalkulation des Höhe des Gesamtbudgets, sie berühren
aber gleichzeitig auch noch die Frage der Machbarkeit, da ja immer mit bedacht werden
muss, wie die Versicherten, die Niedergelassenen, die Krankenkassen und auch die Klinikmitarbeiter
reagieren werden. Eine hohe Mobilität der umliegenden Bevölkerung ist übrigens eher
hinderlich für den möglichen Ertrag aus einer IV, da in einem solchen Fall die eingesetzten
Investments von Aufklärung, Patiententrainings im Management der Krankheiten und Complianceförderung
Gefahr laufen, wegen Wegzugs aus dem Einzugsbereich, verloren zu gehen.
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Weshalb sollen die Versicherten uns besonders vertrauen, dass wir mit einer IV tatsächlich
ihre Versorgung verbessern wollen? Vertrauen ist tatsächlich ein besonderes Gut im
Gesundheitswesen, und gerade einige amerikanische Managed-Care-Organisationen haben
gezeigt, wie schnell und (wahrscheinlich auch unwiderbringlich) man das zugunsten
eines kurzfristigen Profits verspielen kann. Konfessionelle - in den USA besonders
katholische - Träger - haben deshalb besondere Vorteile bez. der Akzeptanz von integrierten
Versorgungslösungen bewiesen. Aber auch andere Träger mit entsprechender Historie
von gemeinnützigem Engagement, der Unterstützung von Obdachlosen, von Bürgerkriegsopfern,
von Familienzentren und einem langen Engagement in der Gesundheitsförderung und Prävention
können hier Vorteile nutzen.
B: Hochspezialisierte Versorgung - Option: Komplexpauschalen oder indikations- spezifische
Budgetübernahmen
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In welchen Indikationsbereichen haben wir die größten Unterschiede zwischen den DRG-Kosten
einer stationären und einer evtl. preisgünstigeren ambulanten Erbringung von Leistungen
(wenn man frei wäre von komplizierten Zulassungsregeln und selber notfalls auch ambulante
Angebote neu aufbauen könnte)? Sind unsere Fallzahlen bzw. die Gesamtfallzahlen in
dieser Indikation (und das mögliche Delta) in einer Größenordnung, dass sich ein Engagement
von uns lohnen könnte? Provisorische Berechnung des möglichen Deltas aus den Kosten
der heutigen Art der Versorgung und den Kosten einer medizinisch und ökonomisch optimierten
Versorgung.
-
Müssen wir Sorgen haben, dass sich in Verbindung mit einem Vertragsschluss herausstellt,
dass heute eine Unterversorgung herrscht und dass wir mit Zusatzanforderungen von
Seiten der Versicherten konfrontiert werden?
Abb. 1 In Krankenhäusern können zukünftig spezialisierte ambulante Leistungen erbracht werden
(Bild: Archiv).
Abb. 2 Die Zusammenarbeit mit Niedergelassenen ist für Krankenhausärzte unter Umständen
ausbaufähig (Bild: Archiv).