Einleitung
Einleitung
Die atopische Dermatitis (Neurodermitis) ist eine chronisch-rezidivierende Entzündung
der Haut. Ihre Häufigkeit hat in den letzten 30 Jahren um das Zwei- bis Dreifache
zugenommen. 10 - 15 % aller Kinder in den Industrieländern leiden darunter. Wenngleich
von den Betroffenen ca. 50 - 60 % bis zur Pubertät beschwerdefrei sind, hält bei den
übrigen Patienten die Krankheit ein Leben lang an. Ein Teil von ihnen entwickelt zusätzlich
eine andere Erkrankung des atopischen Formenkreises, zu denen u. a. auch das allergische
Asthma, die allergische Konjunktivitis und Rhinitis zu zählen sind.
Die Patienten leiden in der Regel erheblich unter dieser Hauterkrankung. Zwar variieren
die Symptome nach dem Alter und sind relativ starken jahreszeitlichen Schwankungen
unterworfen (im Winter schlechter, im Sommer besser), jedoch findet sich in der Regel
immer ein starker Juckreiz, der von den Betroffenen als äußerst quälend empfunden
wird, sowie trockene Haut und Haare. Durch Kratzen, das den Juckreiz stillen soll,
verschlimmert sich das Krankheitsbild in der Regel. Man spricht vom so genannten „Juck-Kratz-Zirkel”.
Hierdurch entwickeln sich Rötungen, Bläschen und Papeln zu entzündlich-nässenden oder
-krustösen Hauterscheinungen.
Aufgrund fehlender Erkenntnisse über die Ätiologie der atopischen Dermatitis - auszugehen
ist von einer multifaktoriellen Genese mit starkem Gewicht auf einer genetischen Prädisposition
der Betroffenen - kann derzeit noch keine ursächliche Therapie zur Behandlung angegeben
werden. Vielmehr erfolgt die Behandlung symptomorientiert. Typischerweise werden hierfür
in der Regel, neben präventiven Maßnahmen (adäquate Hautreinigung, Verwendung von
rückfettenden Hautpflegemitteln, Aufenthalte im Gebirgsklima) medikamentöse Behandlungen
durchgeführt (topische Kortikosteroide und Immunmodulatoren sowie Antihistaminika).
Gerade jedoch die medikamentöse Langzeittherapie ist aufgrund der Nebenwirkungen der
eingesetzten Präparate relativ problematisch.
So wird die atopische Dermatitis mittlerweile, in der Regel supportiv, auch psychotherapeutisch
behandelt. Neben der Anwendung kognitiv-behavioraler Verfahren, gibt es mittlerweile
hinreichend empirische Evidenz dafür, dass Stress-Management bzw. Entspannungsverfahren
zur Behandlung sinnvoll eingesetzt werden können [1]. Grundlage für den Einsatz dieser Entspannungsmethoden sind Untersuchungen, die
zeigen konnten, dass Neurodermitis-Patienten im Vergleich zu gesunden Personen über
ein höheres Angstniveau verfügen [2], dass stärkere Neurodermitis-Schübe häufig infolge stressreicher Ereignisse der
Patienten auftreten [3] und dass sich entspannte Neurodermitis-Patienten im Vergleich zu gestressten weniger
kratzen [4].
Die Effektivität hypnotherapeutischer Verfahren ist bei unterschiedlichen, vor allem
auch psychosomatischen Störungsbildern mittlerweile hinlänglich bekannt und empirisch
gesichert. So konnten beispielsweise Bongartz et al. [5] in ihrer Metaanalyse anhand von 43 randomisierten klinischen Studien, in denen eine
ausschließlich mit Hypnose behandelte Klientengruppe mit einer unbehandelten Gruppe
verglichen wurde, eine gewichtete post-treatment Effektstärke von d = 0,60 ermitteln.
Revenstorf und Prudlo [6] fanden unter 77 Studien (in 17 Anwendungsbereichen) 67 Studien, bei denen sich das
Störungsbild nach Behandlung mit Hypnotherapie gegenüber einer Kontroll- oder Vergleichsgruppe
signifikant verbesserte. Bei mehreren Hautkrankheiten konnte die Hypnotherapie bislang
wirkungsvoll eingesetzt werden, z. B. zur Behandlung der Acne vulgaris [7] oder der chronischen Urtikaria [8] wie zur Behandlung von anderen Erkrankungen des selben Formenkreises. So gibt es
beispielsweise Belege für die Wirksamkeit der Hypnotherapie bei der Behandlung von
Asthma bronchiale [9]
[10].
Die Anzahl der Untersuchungen zur hypnotherapeutischen Behandlung der atopischen Dermatitis
ist bisher relativ gering. Grundsätzlich geht man davon aus, dass die Methode auch
bei dieser Hautkrankheit indiziert ist [11]
[12] und verschiedene Studien haben gezeigt, dass sie hier durchaus Erfolg versprechend
angewendet werden kann [13]
[14]
[15]. Allerdings hat ein Großteil der Studien zur Thematik methodische Mängel: Entweder
war, vor allem bei älteren Studien, die Diagnosestellung nicht eindeutig oder es wurden
Einzelfalluntersuchungen bzw. Untersuchungen ohne unbehandelte Kontrollgruppe oder
ohne Randomisierung durchgeführt. Die Einbeziehung einer unbehandelten Kontrollgruppe
ist jedoch gerade bei Neurodermitis-Studien wegen der jahreszeitlichen Schwankungen
von Bedeutung, da beobachtete Veränderungen in der Symptomatik ohne den Vergleich
mit einer unbehandelten Kontrollgruppe nicht eindeutig auf die Behandlung zurückzuführen
bzw. schwer zu interpretieren sind. Zum Teil blieben auch valide Erhebungsmethoden,
die auf objektiven Fremdeinschätzungen der Symptomatik basieren, unberücksichtigt.
Die vorliegende Untersuchung sollte daher in einem randomisierten Kontrollgruppendesign
klären, wie effektiv Hypnotherapie bei Personen mit atopischer Dermatitis ist. Die
Annahme, dass sich das Krankheitsbild der behandelten Patienten im Vergleich zu einer
unbehandelten Kontrollgruppe signifikant verbessern wird, sollte in erster Linie anhand
des objektiv und subjektiv eingeschätzten Hautzustandes der Patienten, dem Juckreiz,
der Kratzintensität sowie der Probleme im Zuge der Krankheitsbewältigung und den krankheitsbedingten
Einschränkungen der Lebensqualität ermittelt werden.
Methode
Methode
Insgesamt nahmen 33 an Neurodermitis leidende Personen im Alter zwischen 18 und 60
Jahren an der Untersuchung teil. Aufgenommen in die Studie wurden lediglich Personen,
denen die Erkrankung von einem Hautarzt diagnostiziert wurde. Die Rekrutierung erfolgte
über die freiwillige Meldung der späteren Teilnehmer auf verschiedene Zeitungsinserate.
18 Personen wurden einer Warteliste-Kontrollgruppe zugeteilt, während bei 15 Personen
Hypnotherapie angewendet wurde. Die Zuweisung auf die beiden Gruppen erfolgte randomisiert,
also u. a. auch unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung und der Hypnotisierbarkeit
der Patienten. Es wurde über die gesamte Studiendauer hinweg kein einziger Drop-out
verzeichnet.
Während der Warteliste-Kontrollgruppe ein auf die Hauterkrankung zugeschnittenes (Selbst-)
Hypnoseprogramm in Aussicht gestellt wurde, durchliefen die Personen der Experimentalgruppe
ein 12-stündiges (drei Monate dauerndes) hypnotherapeutisches Behandlungsprogramm
im Einzelsetting. Dieses bestand aus zwei Abschnitten: Der erste Teil der Behandlung
(acht Stunden) hob vorrangig auf die Symptomatik der Neurodermitis ab (symptomorientiertes
Vorgehen). Neben einer reinen Entspannungshypnose wurden allgemeine Heilungssuggestionen
verwendet sowie Suggestionen, die auf den Juckreiz abzielten, wie Kühle- und Taubheitssuggestionen
und solche zur Modifikation der Wahrnehmung des Juckreizes (z. B. Umfokussierung der
Aufmerksamkeit). Auch wurden direkte Suggestionen zur Modifikation des Kratzverhaltens
angewendet.
Im zweiten Teil (vier Stunden) des Behandlungsprogramms stand die Bearbeitung solcher
Probleme im Vordergrund, die im jeweiligen Einzelfall mit dem verstärkten Auftreten
der atopischen Dermatitis zusammenhingen (problemorientiertes Vorgehen). Hier wurden
Methoden der modernen Hypnotherapie angewandt - in erster Linie die Arbeit mit Teilpsychen
(hierzu gehört auch die Dissoziation der Symptomatik) auf Grundlage des Modells von
Renartz [16] und des systemischen Ansatzes von Schwartz [17]. Zum anderen wurden Methapern verwendet, die es dem Patienten ermöglichen sollen,
selbstorganisatorische Prozesse zur Entwicklung eigenständiger Lösungen seiner Probleme
zu entwickeln.
Der objektive Schweregrad der neurodermitischen Symptome wurde anhand der „Severity
Scoring of Atopic Dermatitis; SCORAD” [18] erhoben. Das standardisierte Fremdbeurteilungsinstrument bestimmt den Hautzustand
anhand der Ausdehnung der von den Hautausschlägen betroffenen Körperoberfläche sowie
anhand der Intensität von sechs prominenten neurodermitischen Symptomen wie z. B.
Erytheme, Papeln oder nässende Hautstellen. Erfasst wurden auch subjektiv empfundene
Veränderungen des Hautzustandes, da nicht notwendiger Weise zu erwarten ist, dass
sich Veränderungen des objektiven Hautzustands mit den subjektiv wahrgenommenen decken.
Hierzu wurden den Teilnehmern drei so genannte visuelle Analogskalen [18] vorgelegt zur Erfassung der subjektiven Einschätzung des Hautzustandes, der Juckreizstärke
und der Kratzintensität. Diese bildeten die Grundlage für ein Tagebuch, das den Personen
der Behandlungsgruppe zur Verlaufsmessung ausgehändigt wurde. Überdies erfasste der
„Marburger Neurodermitis-Fragebogen, MNF” [19] Probleme der Patienten im Zuge der Krankheitsbewältigung über die Dimensionen Leidensdruck,
Stigmatisierung, allgemeine emotionale Belastung und Lebensqualität (ohne konkreten
Zeitbezug). Weiter wurde über den „Dermatology Life Quality Index, DLQI” [20] die krankheitsbedingten Einschränkungen der Lebensqualität der Patienten (handlungsorientiert
und mit explizitem Zeitfenster) anhand deren Zufriedenheit mit unterschiedlichen Lebensbereichen
erhoben.
Die Voruntersuchungen der Personen der Kontroll- und Experimentalgruppe fanden eine
Woche vor der ersten und die Nachuntersuchungen eine Woche nach der letzten Behandlungsstunde
statt. Beide wurden von geschulten Personen durchgeführt, die in Bezug auf die Gruppenzugehörigkeit
der Patienten blind waren. Ein kurzes Erst- bzw. Abschlussgespräch mit den Therapeuten
bildeten den Rahmen des Treatments. Die Behandlungsstunden fanden in Einzelsitzungen
in wöchentlichem Abstand statt. Der Behandlungszeitraum erstreckte sich jahreszeitlich
von Anfang September bis Anfang Dezember.
Ergebnisse
Ergebnisse
Der Vergleich von Kontroll- und Experimentalgruppe eingangs der Untersuchung ergab,
dass sich beide Gruppen vor der Therapie weder in soziodemografischen noch bezüglich
der untersuchten abhängigen Variablen signifikant voneinander unterschieden, was aufgrund
der randomisierten Zuweisung auf die Gruppen auch zu erwarten war (Tab. [1]). Der Ausprägungsgrad der Symptome lag in beiden Gruppen im mittleren Bereich. Es
fanden sich in beiden Gruppen mehr Frauen als Männer, hauptsächlich im Alter zwischen
18 und 40 Jahren.
Tab. 1 Vergleich von Kontroll- und Experimentalgruppe zum Prä-Zeitpunkt
| abhängige Variablen |
Kontrollgruppe (n = 18) |
Experimentalgruppe (n = 15) |
Prüfgröße |
| SCORAD |
28,6 (+/- 9,2) |
32,5 (+/- 8,7) |
t = 1,24; df = 31; p = 0,2 |
| DLQI |
10,3 (+/- 5,3) |
8,0 (+/- 4,1) |
t = 1,36; df = 31; p = 0,2 |
| MNF |
99,9 (+/- 19,7) |
91,7 (+/- 20,3) |
t = 1,17; df = 31; p = 0,3 |
| Juckreiz |
4,8 (+/- 2,5) |
4,8 (+/- 1,9) |
t = 0,06; df = 31; p = 0,9 |
| Kratzintensität |
4,9 (+/- 2,1) |
4,3 (+/- 2,1) |
t = 0,72; df = 31; p = 0,5 |
| subjektiver Hautzustand |
3,9 (+/- 2,1) |
4,4 (+/- 2,1) |
t = 0,76; df = 31; p = 0,5 |
Die Veränderung des objektiven Hautzustands
Die Veränderung des objektiven Hautzustands
Prozentual gesehen verschlechterten sich die SCORAD-Werte von der Prä- zur Postmessung
in der Kontrollgruppe im Durchschnitt um 32 %, während sie sich in der Behandlungsgruppe
nach dem dreimonatigen Treatment um durchschnittlich 40 % verbesserten. Entsprechend
ergab die varianzanalytische Auswertung einen hoch signifikanten Effekt für die Wechselwirkung
der Faktoren Versuchsgruppen und Zeit (F = 74,29; df = 1; p = 0,00). Post-hoc durchgeführte
Einzelvergleiche konnten zeigen, dass sowohl die Verschlechterung der Hautwerte in
der Kontrollgruppe (t = - 4,98; df = 17; p = 0,00) als auch die Verbesserungen in
der Experimentalgruppe (t = 7,51; df = 14; p = 0,00) von Prä nach Post hoch signifikant
waren. Während sich die beiden Versuchsgruppen zu Beginn der Untersuchung hinsichtlich
ihres objektiven Hautzustandes nicht unterschieden, war die entsprechende Differenz
zum Ende des Erhebungszeitraumes hoch signifikant (t = - 5,21; df = 31; p = 0,00).
Abb. [1] veranschaulicht dieses Ergebnis grafisch.
Abb. 1 Mittlere Veränderung des SCORAD-Index (objektiver Hautzustand) der Teilnehmer vor
und nach dem Treatment (nach 3 Monaten). Je geringer der Score desto besser der Hautzustand.
Die Veränderung der subjektiv eingeschätzten Symptomatik
Die Veränderung der subjektiv eingeschätzten Symptomatik
Veränderungen der von den Patienten subjektiv eingeschätzten Symptomatik wurden über
Tagebücher der Teilnehmer erfasst. Grundlage bildeten hier die erwähnten visuellen
Analogskalen die Juckreiz, Kratzintensität und Hautzustand (subjektiv) als typische
Symptome der Neurodermitis fokussierten. Es ergab sich ein ähnliches Ergebnis wie
bei den Veränderungen des objektiven Hautzustandes der Patienten. Sowohl der Juckreiz
als auch die Kratzintensität und der subjektiv eingeschätzte Hautzustand der Patienten
verbesserte sich in der Experimentalgruppe nach der Therapie entscheidend, während
sich die Werte in der Kontrollgruppe extrem verschlechterten. Tab. [2] zeigt die Veränderungen von Prä nach Post sowie das Ergebnis der varianzanalytischen
Auswertung.
Tab. 2 Vergleich von Kontroll- und Experimentalgruppe: Juckreiz, Kratzintensität und Hautzustand
(subjektiv). Ein niederer Score gibt einen besseren Hautzustand wieder
| Variable |
Score A Kontrollgruppe (Prä/Post) B Hypnosegruppe (Prä/Post) |
Veränderung (%) A Kontrollgruppe (Prä/Post) B Hypnosegruppe (Prä/Post) |
Wechselwirkung |
| Juckreiz |
A 4,82/6,47; B 4,77/2,44 |
A - 35 %; B + 50 % |
F = 24,28; df = 1; p = 0,000 |
| Kratzintensität |
A 4,85/6,37; B 4,32/2,24 |
A - 31 %; B + 48 % |
F = 26,99; df = 1; p = 0,000 |
| Hautzustand |
A 3,86/5,57; B 4,41/2,51 |
A - 44 %; B + 45 % |
F = 16,88; df = 1; p = 0,000 |
Sämtliche Veränderungen über die Zeit (Verbesserungen der Werte in der Experimentalgruppe
und Verschlechterungen in der Kontrollgruppe von Prä nach Post) waren statistisch
hoch signifikant (p < 0,05), wie (post-hoc durchgeführte) Einzelvergleiche zeigen
konnten. Am Ende des Erhebungszeitraums unterschieden sich der subjektiv eingeschätzte
Hautzustand, Juckreiz und Kratzintensität in den beiden Versuchsgruppen hoch signifikant
voneinander (p = 0,000).
Veränderung in der Krankheitsbewältigung und der Lebensqualität
Veränderung in der Krankheitsbewältigung und der Lebensqualität
Über den MNF wurden Veränderungen der Krankheitsbewältigung durch die Patienten erhoben.
Diese verbesserte sich analog zur Veränderung des subjektiven und objektiven Hautzustandes
in der Gruppe, die mit Hypnose behandelt wurde, hoch signifikant (um 26 %) von Prä
nach Post (t = 5,25; df = 14; p = 0,000). Während sich die Werte der Kontrollgruppe
über die Zeit nicht wesentlich veränderten (t = - 0,03; df = 17; p = 0,97). Obwohl
sich die beiden Versuchsgruppen zum ersten Messzeitpunkt hinsichtlich ihrer MNF-Werte
nicht unterschieden, war zum Zeitpunkt der Post-Messung diese Differenz hoch signifikant
(t = - 2,98; df = 31; p = 0,006).
Im Hinblick auf die einzelnen Subskalen des MNF zeigte sich nach eingehender Analyse,
dass die signifikante Verbesserung des Gesamtwertes der Behandlungsgruppe auf entsprechende
Veränderungen der Dimensionen „Leidensdruck” und „allgemeine emotionale Belastung”
basierte, während sich in den anderen Skalen keine nennenswerten Veränderungen zeigten.
Auch erhöhte sich nach Behandlung die über den DLQI erhobene Lebensqualität der Patienten
in der Hypnosegruppe, während diese in der Kontrollgruppe über den Erhebungszeitraum
hinweg absank. Es ergaben sich dieselben Ergebnisse, wie sie auch bezüglich der anderen
abhängigen Variablen berichtet werden konnten: Eine hoch signifikante Wechselwirkung
der Faktoren Versuchsgruppe und Zeit nach varianzanalytischer Auswertung (F = 11,70;
df = 1; 0,002), sowie, nach entsprechenden post-hoc durchgeführten Einzelvergleichen,
eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität bei den Personen der Experimentalgruppe
über die Zeit (t = 2,98; df = 14; p = 0,01) bei gleichzeitiger (signifikanter) Verschlechterung
der Lebensqualität innerhalb der Kontrollgruppe (t = - 2,17; df = 17; p = 0,04).
Tab. [3] fasst sämtliche Ergebnisse anhand der berechneten Kontrollgruppen-Effektstärken
des Therapieprogramms zusammen.
Tab. 3 Berechnete Effektstärken des Therapieprogramms in Bezug auf die verwendeten Messinstrumente
| Messinstrumente |
Kontrollgruppen-Effektstärke |
| SCORAD |
1,98 |
| DLQI |
1,43 |
| MNF |
1,14 |
| Juckreiz |
1,64 |
| Kratzintensität |
1,96 |
| subjektiver Hautzustand |
1,48 |
Diskussion
Diskussion
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen eine eindeutige Verbesserung der neurodermitischen
Symptomatik sowie der krankheitsbedingten psychosozialen Belastungen der Personen,
die mit Hypnotherapie behandelt wurden. Hinsichtlich sämtlicher untersuchter Variablen
erwies sich die mit Hypnotherapie behandelte Experimentalgruppe der Warteliste-Kontrollgruppe
als überlegen.
Die vorliegenden Ergebnisse wurden im Gegensatz zu vielen anderen Untersuchungen zur
selben Thematik anhand einer Studie gewonnen, die den meisten Kriterien zur Bewertung
von Therapiestudien [21] genügen: Ein Kontrollgruppendesign, die Randomisierung der Personen auf die Versuchsgruppen,
ein relativ standardisiertes Therapiemanual sowie valide und reliable Messinstrumente
bzw. Eingangskriterien. Einzig die Stichprobengröße und die relativ kurze Katamnesedauer
erfüllen nicht die Forderungen von Chambless & Hollon. Eine weitere Beschränkung der
vorliegenden Studie besteht darin, dass aus pragmatischen Überlegungen heraus, alle
teilnehmenden Patienten für die Dauer des Therapieprogramms ihre bisherigen (gewohnten)
dermatologischen (Begleit-) Maßnahmen weiterführen konnten. In diesem Zusammenhang
ist davon auszugehen, dass die Wahrscheinlichkeit, trotz dieser Absprache zusätzliche
Therapieangebote wahrzunehmen (z. B. eine vermehrte Einnahme von Kortison), in der
unbehandelten Kontrollgruppe höher sein dürfte, was wiederum einen potenziellen Einfluss
auf das Ergebnis der Studie nehmen könnte. Diese Bedenken scheinen allerdings aufgrund
der vorliegenden Befunde nicht angebracht. Zum einen wurde dieses Thema mit den teilnehmenden
Patienten thematisiert bzw. klar vereinbart, solche Begleitmaßnahmen bis zum Studienende
konstant zu halten, zum anderen müssten sich „Verletzungen” dieser Absprache niederschlagen
im Sinne eines (zumindest tendenziellen) Angleichs der Ergebnisse der Experimental-
und Kontrollgruppe. Wie dargestellt, war das Gegenteil der Fall, so dass dem Faktor
„medizinische Begleitmaßnahmen” in dieser Untersuchung kaum die Rolle eines verzerrenden
Faktors zuzuschreiben ist.
Weiter bleiben typische Probleme nahezu aller derartigen Psychotherapiestudien bestehen,
wie beispielsweise der Einfluss nehmende Faktor der Selbstselektion der (später teilnehmenden)
Patienten. Diese können und sollen auch nicht behoben werden.
Insgesamt kann jedoch festgehalten werden, dass die Abstriche, die im Rahmen der vorliegenden
Studie hinsichtlich der methodischen Durchführung gemacht werden mussten nicht so
gravierend sind, als dass sie die Interpretierbarkeit der gewonnenen Ergebnisse einschränken
würden.
Dennoch muss kritisch die Frage gestellt werden, ob eindeutig scheinende und statistisch
abgesicherte Ergebnisse als klinisch bedeutsam betrachtet werden können. Von einer
„Heilung” im engeren Sinne eines völligen Verschwindens der neurodermitischen Symptomatik
kann hier natürlich nicht gesprochen werden. Allerdings scheint es aus Sicht der Autoren
nicht sinnvoll einen solchen Zustand als Zielkriterium einer psychotherapeutischen
Neurodermitis-Behandlung auszuweisen, da psychische Faktoren eben nur einen Teil des
komplexen Wirkungsgefüges dieser Krankheit darstellen. Die dargestellten Mittelwertsverläufe
zeigen jedoch auf, dass durch den Einsatz des hypnotherapeutischen Behandlungsprogramms
die Probleme der Patienten durch die Hauterkrankung (objektiv gemessen und subjektiv
eingeschätzt) auf eine Weise reduziert werden konnten, die mit einer spürbaren Entlastung
für den Einzelnen verbunden war. Der Ausprägegrad der atopischen Dermatitis bzw. deren
sie begleitende Einschränkungen war in der Treatment-Gruppe (über alle abhängigen
Variablen hinweg) nach Behandlungsende weniger als halb so hoch als in der unbehandelten
Kontrollgruppe, obwohl sich beide Gruppen zu Beginn der Untersuchung dahingehend nicht
unterschieden. Diese gegenläufige Entwicklung war hierbei so markant, dass die vorliegenden
Ergebnisse nicht nur im statistischen Sinne als signifikant bezeichnet werden können,
sondern auch als klinisch bedeutsam.
Die Tatsache, dass die Syptomatik in der Kontrollgruppe nicht nur konstant blieb,
sondern sich sogar hinsichtlich nahezu jeder untersuchten Variable signifikant verschlechterte,
ist dabei mit hoher Sicherheit auf die zu den Messzeitpunkten vorherrschende Jahreszeit
zurückzuführen. Es ist bekannt, dass sich die Symptomatik der atopischen Dermatitis
im Herbst/Winter (dem Zeitraum dieser Erhebung) z. T. erheblich verschlechtert. Das
Ergebnis, dass das Ausmaß der Verschlechterung in der Kontrollgruppe fast so groß
war, wie das der Verbesserung der Behandlungsgruppe, spricht in diesem Zusammenhang
für die gute Wirksamkeit des angewendeten hypnotherapeutischen Programms.
Im Studienvergleich fällt auf, dass sich das in vorliegender Studie durchgeführte
hypnotherapeutische Behandlungsprogramm wirksamer zeigte als in vergleichbaren Studien
(vgl. Latham 2001; Ehlers et al. 1995). Hierbei ist nicht auszuschließen, dass vor
allem im Vergleich mit der Studie von Latham (2001) die größere Anzahl der durchgeführten
Behandlungen (12 Sitzungen) im Rahmen vorliegender Untersuchung Einfluss auf das Ergebnis
gehabt haben könnte. Auch hat sich die Durchführung der Therapie in Einzelsitzungen
bewährt. Ein eindeutig größeres Gewicht scheint allerdings der angewendeten therapeutischen
Strategie bzw. der Art des durchgeführten Behandlungsprogramms zuzukommen. Beispielsweise
wurden in dem hier durchgeführten Therapieprogramm verstärkt problemorientierte Ansätze
integriert. Wirksamkeitsunterschiede zu anderen Studien, in denen fast ausschließlich
symptomorientiert behandelt wurde, scheinen vor allem diesem Umstand geschuldet zu
sein. In diesem Sinne könnte eine noch stärkere Betonung des problemorientierten Vorgehens
eine Modifikation der Behandlungsstrategie darstellen, die auch die Wirkpotenz des
vorliegenden Therapieprogramms noch steigern könnte. Ein solches Vorgehen ginge zwar
zu Lasten eines standardisierten bzw. symptomorientierten Vorgehens, dürfte jedoch
das hypnotherapeutische Wirkpotenzial wesentlich besser ausschöpfen.
Zusammenfassend scheint das vorliegende hypnotherapeutische Behandlungsprogramm eine
wirkungsvolle Alternative zur konventionellen somatischen Therapie der atopischen
Dermatitis zu sein.