Medizingeschichte ist spannend und lehrreich und es verwundert immer wieder, wie gering
doch das Wissen um unsere medizinischen Mütter und Väter und ihre mitunter genialen
Entdeckungen und Ideen ist. Die folgende Arbeit macht es sich zur Aufgabe, dem Leser
einen Überblick über die Geschichte der beiden ältesten schalldiagnostischen Verfahren
zu vermitteln.
Aufbruch der Medizin in die Moderne
Aufbruch der Medizin in die Moderne
Die Perkussion und Auskultation wurden in der Frühphase der klinischen Medizin an
der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in die klinische Diagnostik eingeführt. Sie
waren Ausdruck der Physikalisierung der klinischen Untersuchungsmethoden und konnten,
nach initialen Widerständen, in den großen klinischen Schulen des frühen 19. Jahrhunderts
(Paris, Wien, London, Dublin und Edinburgh) erfolgreich etabliert werden.
Die Entwicklung physikalischer Diagnostik repräsentiert zweifellos ein glanzvolles
Stück europäischer Medizingeschichte, in dem österreichische, französische, deutsche
und englische Ärzte eifrig um die Enträtselung von Herz- und Lungenerkrankungen gerungen
haben. Vielleicht noch bedeutungsvoller als das endlich erlangte diagnostische Wissen
um diese Erkrankungen ist es, dass mit der Möglichkeit physikalischer Diagnostik erstmals
ein neuer Weg beschritten werden konnte. Es ist der Weg, der sich auf objektivierbare
naturwissenschaftliche Tatsachen gründet. In den Jahrhunderten zuvor beschränkte sich
das klinische Repertoire des Arztes auf das Erkennen und Wahrnehmen von äußeren Zeichen
des Kranken: Veränderungen der Haut, der Atmung und des Herzschlags.
Mittels physikalischer Untersuchungsmethoden war es nun erstmals möglich geworden,
am lebenden Menschen Rückschlüsse über Veränderungen im Körperinneren zu ziehen. Wir
betrachten Perkussion und Auskultation heute als etwas Selbstverständliches, machen
uns dabei aber viel zu wenig klar, dass erst mit diesen Methoden der Weg ins Körperinnere
gefunden wurde.
Auenbrugger und die Perkussion
Auenbrugger und die Perkussion
Leopold Auenbrugger ist im eigentlichen Sinne der Pionier der physikalischen Diagnostik
gewesen. Er wurde am 19. November 1722 in Graz als Sohn eines Gastwirtes geboren.
Man geht davon aus, dass Auenbrugger bei der Entwicklung des Verfahrens der Perkussion
am Menschen ein Analogieschluss zu Hilfe kam. In seiner Jugend hatte er vom Vater
gelernt, dass man Weinfässer beklopfen musste, um die Höhe des Flüssigkeitsspiegels
zu bestimmen. Mit den gerade ausgestreckten und dabei adduzierten Fingerspitzen hat
Auenbrugger dann den Brustkorb der Gesunden und Kranken (direkt) beklopft und die
verschiedenen Schallphänomene beurteilt.
Aber war die Methode der Perkussion wirklich so neu? Eigentlich nicht, denn bereits
seit Hippokrates gibt es die „Succussio Hippocratis”. Durch Schütteln des Patienten
an den Schultern konnte man bei einer Flüssigkeitsansammlung im Brustkorb ein Fluktuationsgeräusch
erzeugen und feststellen, wo sich diese befand.
1761 hat Auenbrugger Methode und Ergebnisse seiner Erfindung in einer Schrift festgehalten:
„Inventum novum ex percussione thoracis humani ut signo abstrusos interni pectoris
morbos detegendi”. In dieser 95-seitigen Abhandlung, die einen Beobachtungszeitraum
von 7 Jahren umfasst, beschreibt Auenbrugger zum einen die Art und Weise, wie er die
Perkussion ausführte, zum anderen die Schallverhältnisse, welche er beim Anschlagen
der Finger an die Brust gesunder und kranker Menschen wahrgenommen hatte (Abb. [1] und Abb. [2]).
Abb. 1 Auenbrugger mit seiner Gattin. In der linken Hand hält er das „Inventum novum”
Abb. 2 Titelblatt von Leopold Auenbruggers „Inventum novum”.
Wie aber hat Auenbrugger sein diagnostisches Verfahren absichern können? Wie konnte
er überprüfen, welchem krankhaftem Organbefund das Gehörte entsprach? Was bedeuteten
die einzelnen Schallqualitäten?
Ubi est morbus? Das war die entscheidende Frage der damaligen Zeit. Es ist sicherlich
auch kein Zufall gewesen, dass das Auenbruggersche Werk im selben Jahr erschien, in
dem der italienische Arzt und Anatom Giovanni Battista Morgagni (1682 - 1771) seine
Bücher zur pathologischen Anatomie „De sedibus et causis morborum per anatomen indagatis”
veröffentlicht hat. Morgagni hat der organmorphologischen Strukturveränderung als
Ort von Krankheit erstmals dadurch Rechnung getragen, dass er bestimmte Krankheitssymptome
mit pathologischen Obduktionsbefunden verglichen hat. Im weitesten Sinne stellt die
Pathologie der „Solida”, im Gegensatz zu den „Fluida”, den Versuch dar, alles Krankheitsgeschehen
aus einer Veränderung oder Störung der festen Bestandteile des Körpers zu erklären.
Während sich Morgagni in Padua die Frage „ubi est morbus?” am toten Körper gestellt
hat, indem er Symptome mit Organpathologika verglich, hat Auenbrugger in Wien die
Frage primär am lebenden Körper gestellt und seine Befunde dann, insofern der Patient
starb, anhand der Organpathologie überprüft. Auenbrugger analysierte am toten Körper
das, was er am lebenden „erhorcht” hatte. Auf experimentellem Wege hat Auenbrugger
seine Theorien zu beweisen versucht. Er hat Brusthöhlen von Leichen mit Flüssigkeit
gefüllt und gezeigt, dass die Klopfschalldämpfung abhängig ist von der Höhe des Flüssigkeitsspiegels.
„Sonus altior, sonus obscurior, sonus prope suffocatus und percussae carnis” waren
die Schallqualitäten, die Auenbrugger beschrieben hat. Sie geben letztlich nichts
anderes wider als das, was wir heute mit tympanitischem, gedämpftem und Schenkelschall
bezeichnen.
Interessant ist, dass heute wie damals Befremdlichkeit und Widerstand gegenüber Neuem
existiert haben. So ist Leopold Auenbrugger die Anerkennung für die „Entdeckung” der
Perkussion erst zum Lebensende vergönnt gewesen. Es muss eine große Enttäuschung für
ihn gewesen sein, dass vor allem sein hochgeschätzter Lehrer Gerard van Swieten, der
Leibarzt der Kaiserin Maria Theresia, seine Arbeit verschmäht hat. Auenbrugger hat
seine Arbeitsstätte am Spanischen Spital in Wien, an der er 1758 Primarius geworden
war, 1762 enttäuscht verlassen und sich in eine Privatpraxis zurückgezogen. Es soll
nicht verschwiegen werden, dass neben Missgunst, Neid und Verleumdung auch andere
Gründe zur Ablehnung der Perkussion geführt haben: Mangelndes Verständnis seitens
der Praktizierenden oder auch Widerstand seitens der Patienten, die diese neumodische
und mitunter lästige Methode nicht an sich praktizieren lassen wollten.
Erst wieder in den 80er Jahren wurde die Perkussion durch Maximilian Stoll (1742 -
1787) am Wiener Allgemeinen Krankenhaus praktiziert. Das Krankenhaus der Ärmsten erwies
sich als diagnostisches Exerzierfeld für den Arzt. Stoll hat die Ergebnisse seiner
perkutorischen Untersuchungen veröffentlicht und die Auenbruggersche Untersuchungsmethode
als brauchbar zur Erkennung von Pneumonien, Brustwassersucht und Empyemen empfohlen.
Die endgültige Anerkennung der Perkussion erfolgte durch Jean Nicolas Corvisart (1755
- 1821), den Leibarzt Napoleons, fast ein halbes Jahrhundert später. Corvisart war
in den Werken Stolls auf Auenbruggers Methode aufmerksam geworden und hatte, nachdem
er sich anhand eigens durchgeführter Untersuchungen von der Sinnhaftigkeit des Verfahrens
überzeugen konnte, 1808 eine mit Kommentaren und Ergänzungen versehene französische
Übersetzung der Auenbruggerschen Schrift herausgegeben. Der Professor an der Charité
in Paris hatte bei der aktualisierten Version jedoch so viel Neues mitzuteilen, dass
aus den 95 Seiten Auenbruggers immerhin ein umfangreiches Werk mit 440 Seiten entstand.
In der Klinik von Corvisart wurde das pathologisch-anatomische Denken zu damaliger
Zeit sehr gepflegt, eine sorgsame Anamnese erhoben und eingehende klinische Untersuchungen
durchgeführt. War ein Patient verstorben, so wurden die durch die Perkussion erhobenen
Befunde mit dem Sektionsbefund verglichen. Durch Corvisarts Pionierarbeit wurde die
Auenbruggersche Perkussion in Frankreich etabliert und in die medizinische Ausbildung
übernommen. Nicht zuletzt hat ein weiteres Faktum wesentlich geholfen die Auenbruggersche
Perkussion salonfähig zu machen: Corvisart hat sie auch an seinem kaiserlichen Patienten
praktiziert. Auenbrugger, der am 18.05.1809 an Entkräftung starb, hat wenigstens diesen
Triumph noch miterleben dürfen.
Laennec und die Auskultation
Laennec und die Auskultation
Noch heute tragen die Ärztinnen und Ärzte die „Erfindung” eines der berühmtesten Ärzte
der Pariser Schule in ihrer Kitteltasche: das Stethoskop. Ein Instrument, das seit
dieser Zeit zum Attribut des praktizierenden Arztes geworden ist. Schon bei Hippokrates
hatte René Théophile-Hyacinthe Laennec (1781 - 1826), der Schüler des Jean Nicolas
Corvisart, erste Hinweise über das Beklopfen und „Behorchen” des menschlichen Körpers
sowie die direkte Form der Auskultation des Brustkorbs - durch Ohrauflegen - gefunden
(Abb. [3]).
Abb. 3 René Théophile Hyacinthe Laennec (1781 - 1826).
Aufmerksam auf die Methode der Perkussion war Laennec vor allem durch Corvisart's
Übersetzung des „Inventum Novum” von Auenbrugger geworden. Die mitunter unschickliche
körperliche Nähe des Untersuchers zum Patienten bei der direkten Auskultation hatte
Laennec nach einer Alternative der akustischen Exploration der Brustorgane suchen
lassen. 1816 hat er die klassische, uns heute bekannte Form der indirekten Auskultation
entdeckt und beschrieben.
Laennec war es, der erstmals mit Hilfe einer Papierrolle die Geräusche im Brustinneren
einer Patientin „erhorchte”. Ausgerechnet die Fettleibigkeit einer jungen Frau hatte
den Arzt dazu veranlasst, ihrem Brustkorb akustische Phänomene auf indirektem Wege
zu entlocken. Und siehe da: Zu seinem Erstaunen hatte Laennec bemerkt, dass er mit
Hilfe einer zu einem Zylinder gedrehten Papierrolle weit mehr hören konnte als bei
der direkten Auskultation. Das war die Geburtsstunde der mittelbaren Auskultation
(„auscultation médiate”)!
Die Papierrolle war verständlicherweise nur ein Provisorium. Es galt das Medium der
Schallübertragung zu optimieren. Metall und Glas erwiesen sich wegen des Gewichtes
und des Kälteeffektes als nicht praktikabel. Laennec nahm ein Stück Holz von 33 cm
Länge und 3,5 cm Durchmesser, durchbohrte es in der Mitte und erweiterte seinen Kanal
am Brustende zu einem trichterförmigen Ansatz. Dass das Stethoskop (aus dem Griechischen:
stethos - Brust; scopein - inspizieren), wie es von Laennec fortan genannt wurde,
zu einem Symbol eines ganzen Standes werden sollte, hat er sicherlich nicht ahnen
können (Abb. [4] und Abb. [5]).
Abb. 4 Titelblatt der ersten Ausgabe von Laennecs epochalem Werk über die Auskultation. Laennec
hat die Ausgabe seinem Onkel (optimo patruo, altero patri) gewidmet. Der Onkel war
derjenige gewesen, der ihn wesentlich gefördert hat.
Abb. 5 Die verschiedenen Teile des Laennec’schen Stethoskops (1819); Fig. 1: Zylinder; Fig.
2 und 3: Längsschnitte; Fig. 4: Obturator; Fig. 5: oberer Körper und Fig. 6: Querschnitt.
Zunächst war es von großer Bedeutung die verwirrende Vielfalt akustischer Zeichen
zu benennen und zu ordnen. Ähnlich wie bei Auenbrugger, kam es auch Laennec zugute,
dass er über viele Jahre pathologische Anatomie betrieben hat. Die Verknüpfung des
am Lebenden „Erhorchten” mit dem Befund der Pathologie des Organs hat es Laennec ermöglicht,
exakte Analogien herzustellen. Seziermesser und Zylinder waren diejenigen Instrumente,
mit denen er klassische Krankheitsbilder erkundet hat: Das vesikuläre Emphysem, die
Pleuritis, die Pneumonie, Bronchiektasien und viele andere mehr. Laennec hat die Erkenntnisse
seiner Arbeit in dem Lehrbuch „De l'auscultation médiate ou traité du diagnostic des
maladies des poumons et du coeur” zusammengetragen. Das zweibändige etwa 1500 Seiten
umfassende Werk ist neben der Darstellung der Auskultationsphänomene vor allem den
pathologisch-anatomischen Studien der Herz- und Lungenerkrankungen gewidmet. So hat
Laennec bereits damals das Lungenemphysem als Endzustand einer chronisch-obstruktiven
Bronchitis erkannt. Klassische Beschreibungen gab er vom Keuchhusten, vom Lungenödem
und vom Lungeninfarkt, bei dem er die Trias „plötzlich auftretender Seitenschmerz,
Atemnot und blutigen Husten” als wegweisend definierte. Vesikuläres, bronchiales,
pueriles sowie amphorisches Atmen und Lederknarren sind nur einige Beispiele für die
von Laennec geprägten Begrifflichkeiten der pulmonalen Auskultation (Abb. [6]).
Abb. 6 Zwei Stethoskope, wie sie von Laennec entworfen wurden: Oben die ursprüngliche, unten
eine spätere Variante.
Laennec stieg aus ärmlichen Verhältnissen zu einem der führenden Kliniker der Pariser
Schule auf. Er war 14 Jahre alt, als er seine medizinische Ausbildung begann. 18-jährig
legte er das medizinische Examen an der Fakultät von Nantes ab. 1801 wechselte er
nach Paris an die École de Medicine, deren Leiter Jean Nicolas Corvisart war. Die
praktische Arbeit am Krankenbett und im Sektionssaal hat die Lehrjahre Laennecs entscheidend
geprägt. Laennecs Hauptinteresse galt der normalen und pathologischen Anatomie. Angeregt
durch seinen Freund und Kollegen Gaspar Laurent Bayle (1774 - 1816), hat sich Laennec
vor allem mit dem pathologisch-anatomischen Substrat der Tuberkulose auseinandergesetzt.
In über 1000 Biopsien konnten die beiden Forscher nachweisen, dass Tuberkel auch extrapulmonal
in anderen Organen auftreten können (Abb. [7]).
Abb. 7 Laennec bei der direkten Auskultation eines Patienten am Necker Hospital.
Laennec war sowohl in eigener Praxis als auch in verschiedenen Krankenhäusern von
Paris aktiv und erfolgreich, 1816 wurde er Chefarzt des Necker Hospitals. Auf der
Höhe des beruflichen Erfolgs hat sich sein bereits eingeschränkter Gesundheitszustand
weiter verschlechtert. Nach einer 2-jährigen Erholungszeit in seiner Heimat, der Bretagne,
kehrte Laennec 1822 zurück nach Paris, nunmehr mit der Nachfolge seines Lehrers Corvisart
an der Charité betraut. Laennec hat die Anfälle von Luftnot, Husten und allgemeiner
Schwäche anfangs als „Asthma” aufgefasst, die wahre Ursache der Symptome hat er wohl
erst sehr spät erkannt. Es ist fraglich, ob Laennec sich eine Infektion bei einer
der vielen Sektionen zugezogen oder aber ob seine früh verstorbene Mutter ihn infiziert
hat. Nur 54 Jahre alt geworden, verstarb er, der Begründer der Auskultationslehre,
in seiner bretonischen Heimat wahrscheinlich an der Erkrankung, mit der er sich im
klinischen Alltag so intensiv beschäftigt hatte.
Obwohl es auch Laennec nicht an zahlreichen Neidern und Gegnern gefehlt hat, ist ihm
das Auenbrugger'sche Schicksal erspart geblieben. 1825, 1 Jahr vor seinem Tode, wurde
die mittelbare Auskultation bereits eifrig in den Pariser Krankenhäusern praktiziert.
Zur Verbreitung des neuen Verfahrens hatten zum einen die vielen in Paris abgehaltenen
Privatkurse, die von jungen Ärzten aus aller Welt besucht wurden, beigetragen, zum
anderen die Übersetzung der „De l’auscultation médiate” ins Englische durch John Forbes
(1787 - 1861) im Jahre 1821. Das Stethoskop als akustisches Medium, das nun zum wissenschaftlichen
Prestige eines Arztes gehörte, hatte endgültig seinen Siegeszug angetreten.
Dass man das Laennec'sche Wunderinstrument auch in der Geburtshilfe benutzen konnte,
hat Jean Alexandre Lejumeau de Kergaradec (1787 - 1877) 1822 festgestellt, der bei
der Untersuchung einer Schwangeren die kindlichen Herztöne mit dem Zylinder hören
konnte.
Bei den Ärzten im deutschen Sprachraum hat es längere Zeit gebraucht, bis die Auskultation
als diagnostische Methode anerkannt war. Das hat insbesondere daran gelegen, dass
größere Krankenhäuser sowie klinischer Unterricht am Krankenbett damals noch Raritäten
waren. Orte wie Halle, Würzburg, Heidelberg und Berlin waren die Keimzentren der Verbreitung
dieser neuartigen diagnostischen Verfahren. Ab 1850 waren Kurse für Perkussion und
Auskultation an allen deutschen Universitäten üblich.
1826 versuchte Pierre Adolphe Piorry (1794 - 1879) die Auenbruggersche Perkussionsmethode
dadurch zu verbessern, dass er ein Plättchen aus Elfenbein (Elfenbeinplessimeter)
zur mittelbaren Perkussion von Thorax und Abdomen benutzte. Aus der Praktikabilität
dieser Technik erwuchs dann die Erkenntnis, dass man auch den eigenen Finger als Plessimeter
in Form der Finger-Finger-Perkussion anwenden konnte. Andere Formen der Perkussion
wie beispielsweise diejenige, die mittels Perkussionshammer durchgeführt wurde, konnten
sich langfristig nicht durchsetzen.
Die neue Wiener Schule zu Beginn des 19. Jahrhunderts war ebenso wie die Pariser Schule
streng klinisch-symptomatologisch und pathologisch-anatomisch orientiert. Physikalische
Diagnostik und anatomisch-pathologische Nachbeurteilung waren ihre Charakteristika.
Zu den bekanntesten Ärzten dieser Epoche, die auch die Zweite Wiener Schule genannt
wurde, gehörten der Kliniker Joseph Skoda (1805 - 1881), der Pathologe Carl von Rokitansky
(1804 - 1878) sowie der Dermatologe Ferdinand von Hebra (1816 - 1880). Skoda hat sich
als Autodidakt eingehend mit den Methoden der Perkussion und Auskultation beschäftigt
und versucht, die verschiedenen Geräuschqualitäten weiter zu differenzieren und physikalisch
zu analysieren. Die enge Zusammenarbeit mit seinem Kollegen und Freund Rokitansky
hat es auch Skoda ermöglicht, klinisch-physikalisch erhobene Befunde mit pathologisch-anatomischen
zu korrelieren. In seiner 1839 erschienenen Schrift „Abhandlung über Perkussion und
Auskultation” hat Skoda ein grundlegendes physikalisches System der Schallphänomene
entwickelt, das noch heute Gültigkeit hat. Skoda hat die signes physiques nicht, wie
seine Vorgänger, ausschließlich organspezifisch erklärt, sondern sie physikalisch
auf die Gesetzmäßigkeiten der Akustik zurückgeführt. Das hervorragende diagnostische
Können der Wiener Kliniker um Skoda hat vor allem auf einer geschulten Wahrnehmung
und einer großen akustischen Sensibilität der Untersucher beruht. Die „Blitzdiagnosen”
der Wiener Ärzte waren weit über die Grenzen Österreichs bekannt.
Entwicklungen in der neueren Zeit
Entwicklungen in der neueren Zeit
Mit der Anwendung physikalischer und chemischer Untersuchungsmethoden wurde der Patient
in zunehmendem Maße „messbar”. Krankheitssymptome waren besser zu erkennen, zu beschreiben
und im klinischen Verlauf zu beobachten.
Früh setzten Bemühungen ein, um vor allem die Auskultation zu verbessern: Der Weg
vom Zylinder über das Hörrohr zum mono- und binauralem Stethoskop war gebahnt. Ohr-
und Bruststücke haben vielfältige Änderungen im Laufe der Zeit erfahren. Während im
19. Jahrhundert noch die starren uniauralen Stethoskope auf dem Kontinent vorherrschend
waren, haben sich die biegsamen binauralen frühzeitig in den angelsächsischen Ländern
durchgesetzt.
Die klinische Interpretation der akustischen Befunde, wie sie mit Hilfe von Perkussion
und Auskultation erfolgte, konnte jedoch zwangsläufig nur so gut sein wie die akustische
Sensibilität des Untersuchers. Es gab keine Möglichkeit das Gehörte aufzuzeichnen
und objektiv zu vergleichen. Schon Ende des 19. Jahrhunderts begannen die ersten Versuche,
Geräuschphänomene festzuhalten, um sie besser analysieren zu können. Ähnlich einem
Grammophon wurden damals die Atem- und Herzgeräusche auf Wachswalzen übertragen. Sie
konnten somit erstmals von verschiedenen Untersuchern wiederholt angehört und bewertet
werden.
1895 führte Cartex Experimente durch, in denen die akustischen Wellen auch optisch
dargestellt werden konnten. Eine Membran wurde durch Druckänderungen der Schallwellen
zum Schwingen gebracht. Diese Schwingungen beeinflussten die Gaszufuhr einer Flamme.
Anhand der Höhe der Flamme wiederum konnten die Schwingungen visualisiert werden.
Es bestand so auch die Möglichkeit, das optische Geschehen auf einem Fotofilm festzuhalten.
Am Anfang des 20. Jahrhunderts wurde es mit Hilfe von Mikrophonen möglich, Atem- und
Herzgeräusche in elektrische Impulse umzuwandeln, zu verstärken und die Schwingungen
mit einer Elektronenstrahlröhre „sichtbar” zu machen. Erste elektromagnetische Datenspeicher
konnten die analogen Signale aufzeichnen. Bass benutzte 1924 erstmals Kondensatormikrophone
und ein Oszilloskop, um normale und pathologische Atemgeräusche darzustellen. Cabot
und Dodge konnten 1925 mit ihrer Apparatur Geräuschsignale verstärken und bestimmte
Bereiche herausfiltern und bewerten. Damit war der Grundstein gelegt für die Phonopneumographie.
Die Entwicklung der Computertechnik läutete ein neues Zeitalter der Speicherung und
Auswertung von akustischen Biosignalen ein. Die Studien von Forgacs u. Mitarb. symbolisieren
diesen Beginn der digitalen Auskultation. Die computergestützte Auskultation ermöglicht
es auch, solche Geräuschphänomene zu beurteilen, die entweder nur schlecht durch das
Stethoskop zu übertragen sind oder aber außerhalb des menschlichen Hörbereichs liegen.
Mit der Entwicklung der Computertechnik sowie der breiten Verfügbarkeit von digitalem
Speicher und immer größer werdender Rechenleistung ist auch die Analyse in der Bioakustik
fortgeschritten. Seit den 80er Jahren wurde die elektronische Auskultation in Zusammenarbeit
verschiedener Disziplinen wie klinisch tätiger Ärzte, Physiologen, Ingenieure und
Physiker kontinuierlich weiter entwickelt. In dem Verfahren liegt zweifellos ein großes
Potential für die nicht-invasive Diagnostik von Herz- und Lungenerkrankungen [1]
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