Die chronisch obstruktive Bronchitis und das Emphysem (COPD) zählt zu den häufigsten
chronischen Erkrankungen in Deutschland (Prävalenz im Jahr 2000: ca. 2 - 5 %) [1 ]. Trotz innovativer medikamentöser Behandlungsstrategien, Physiotherapie, Sauerstoff-Langzeittherapie
und experimenteller Therapieansätze ist die Prognose bei Patienten mit mittelschwerer-
oder schwerer COPD bislang nur moderat gebessert worden [2 ].
Kernprobleme sind die chronische Inflammation und Obstruktion der kleinen Atemwege,
welche die Atemarbeit wesentlich erhöhen. Begleitend entsteht ein Lungenemphysem,
das infolge einer Reduktion der Gasaustauschfläche, einer Veränderung der Thoraxarchitektur
und einer Steigerung des Atemminutenvolumens die Atemarbeit ebenfalls erhöht. COPD-Patienten
entwickeln im fortgeschrittenen Stadium eine Atmungspumpeninsuffizienz. Die überlastete
Atempumpe manifestiert sich in einer Hyperkapnie und Hypoxämie. Beides tritt anfangs
unter Belastung und im Schlaf, später auch in Ruhe auf [3 ]. Nicht-invasive Beatmung stellt theoretisch eine Therapieoption für Patienten mit
fortgeschrittener COPD und Atmungspumpeninsuffizienz dar. Die maschinelle Beatmung
kann zumindest einen Teil der Atmungsarbeit übernehmen, die Atmungspumpe des Patienten
entlasten und den PCO2 verbessern [4 ].
Die Zahl aller Patienten mit häuslicher Beatmung liegt derzeit bei ca. 3600 [5 ]. COPD-Patienten stellen wahrscheinlich die größte Einzelfraktion in diesem Kollektiv
dar.
Trotz des zunehmenden Einsatzes von intermittierender Selbstbeatmung bei COPD existieren
nur sehr wenige international publizierte Studien mit suffizienten Qualitätskriterien
zur Bewertung dieser Therapieform [6 ]
[7 ]
[8 ]
[9 ]. Im Gegensatz zur akuten Exazerbation bei COPD, wo die NIV zur Standardtherapie
zählt [10 ], konnte in den genannten Studien ein Vorteil von langfristig eingesetzter, intermittierender
Selbstbeatmung bei Patienten mit COPD auf die Lebenserwartung nicht belegt werden
[11 ]. Alle Arbeiten weisen jedoch erhebliche methodischer Schwächen auf. Um die Compliance
der Patienten zu erhöhen, wurden niedrige inspiratorische und exspiratorische Druckvorgaben
gewählt, so dass es nicht zu einer signifikanten Reduktion des PCO2 kam. Letzteres ist jedoch einer der wesentlichen Parameter, die eine wirksame Entlastung
der Atemmuskelpumpe anzeigen.
Die „Arbeitsgemeinschaft Heimbeatmung und Respiratorentwöhnung e. V.” beabsichtigt,
in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und der Deutschen Lungenstiftung
e. V., den langfristigen Einsatz von nicht-invasiver Beatmung bei Patienten mit COPD
in einer multizentrischen klinischen Studie zu evaluieren. Mit dieser Studie soll
eine fundierte Beurteilung für den künftigen Einsatz dieser Methode möglich werden.
Die dauerhafte Therapie von COPD-Patienten mit nicht-invasiver Beatmung zieht einen
hohen Verbrauch an personellen und finanziellen Ressourcen nach sich. Deshalb wird
zurecht die Frage erhoben, ob NIV tatsächlich mit einem wesentlichen Benefit für die
Patienten verbunden ist.
Hypothese
Hypothese
Die multizentrische Studie „Nicht-invasive Beatmung bei Patienten mit schwerer chronisch
obstruktiver Bronchitis und Emphysem (COPD)” prüft die Hypothese, dass eine langfristige,
nicht-invasive Beatmung (>1 Jahr Behandlungszeit) bei Patienten mit mittelschwerer
oder schwerer COPD und Hyperkapnie zu einer Reduktion der Gesamtsterblichkeit führt.
Zielparameter
Zielparameter
Die Studie ist auf eine Reduktion der Mortalität um relativ 30 % durch NIV gepowert.
Nachrangige Ergebnisparameter sind der Krankheitsverlauf (gemessen an der Zahl der
Exazerbationen und der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen), die körperliche
Leistungsfähigkeit, die Lebensqualität, sowie Blutgase und Lungenfunktionsparameter.
Studienpopulation
Studienpopulation
In dieser Studie sollen Patienten mit gesicherter Diagnose COPD und Atmungspumpeninsuffizienz
(gemäss GOLD im Stadium IV [12 ]) in stabilem Krankheitszustand untersucht werden. Indikator für eine Atmungspumpeninsuffizienz
ist eine Hyperkapnie (arterieller oder aterialisierter PCO2 7kPa bzw. 51,8 mm Hg oder darüber) während einer stabilen Krankheitsphase. Eine Exazerbation
der COPD muss klinisch ausgeschlossen werden.
Die Stichprobengröße beträgt voraussichtlich 150 Patienten pro Arm.
Design
Design
Die Studie ist prospektiv, randomisiert, kontrolliert, multizentrisch und im PROBE-Design
[13 ] angelegt (vgl. Abb. [1 ]). Das PROBE Design erlaubt eine valide statistische Auswertung von klinischen Interventionen,
die nicht zu verblinden sind. Die Untersucher gehen in der Interventionsgruppe ( =
Patienten mit NIV) genauso vor, wie sie es bei NIV-Patienten im klinischen Routinebetrieb
täten. In jedem Studienzentrum werden die Daten aller Patienten dokumentiert, anonymisiert
und hinsichtlich der Zugehörigkeit zur Versuchs- oder Kontrollgruppe verschlüsselt.
Die Auswertung der Daten erfolgt in einem zweiten Schritt durch ein voll geblindetes,
zentrales Evaluations-Komitee.
Abb. 1 Studiendesign. Parallelgruppen-Design. Pro Gruppe sollen mindestens 150 Patienten
über mindestens 1 Jahr beobachtet werden.
Die eingeschlossenen Patienten werden mindestens ein Jahr beobachtet. Bei einer 1
- 2jährigen Rekrutierungsperiode wird eine mittlere Beobachtungszeit von 1 - 1,5 Jahren
vorausgesehen. Die Gesamtdauer der Studie wird auf drei Jahre geschätzt.
Bei Einschluss in die Studie erfolgt eine zentrale Randomisierung des Patienten in
die Kontrollgruppe (keine NIV) oder Interventionsgruppe (NIV). Nach 14 Tagen ist eine
erste Evaluierung der Patienten vorgesehen, dann finden follow-up Untersuchungen im
dreimonatigen Rhythmus statt. Alle Evaluationen erfolgen unter stationären Bedingungen.
Zusätzlich werden monatlich telefonische Interviews mit den Patienten geführt (vgl.
Abb. [2 ]).
Abb. 2 Studienverlauf.
Beatmung (Methode)
Beatmung (Methode)
Nicht invasive Beatmung soll nach den Grundsätzen der Arbeitsgemeinschaft durchgeführt
werden [14 ]. Es ist weitgehende bis vollständig entlastende Beatmung vorgesehen [15 ]. Während der Beatmungsphase soll die Eigenanstrengung des Patienten so weit wie
möglich reduziert werden. Dies kann durch assistierte, bevorzugt jedoch durch kontrollierte
Beatmung erreicht werden.
Beatmungsziel: Verringerung des Ausgangs PCO2 unter Spontanatmung um mindestens 20 % oder unter 6,5kPa (48,1 mm Hg), wenn möglich
in den oberen Normbereich. Unter dem Ausgangs-PCO2 ist eine als repräsentativ zu wertende Blutgasmessung in der stabilen Phase zu verstehen.
Realisierung
Realisierung
Deutschsprachige Pneumologische Zentren, die 15 Patienten oder mehr über mindestens
ein Jahr protokollkonform betreuen können, werden eingeladen, sich an diesem Projekt
zu beteiligen. Die Gesamtzahl von 300, über mindestens 1 Jahr protokollmäßig behandelter
Patienten setzt wahrscheinlich eine Zahl von über 600 einzuschließender Patienten
voraus. Aufgrund der langen Beobachtungszeit, der Anforderungen an die Patienten und
der hohen Mortalität ist mit vielen vorzeitigen Studienabbrechern zu rechnen.
Die Kostenträger werden in Zukunft die wissenschaftliche Basis für langfristige NIV
bei COPD-Patienten in ihre Entscheidung einer Kostenübernahme stärker einbeziehen.
Wie in anderen Ländern bereits eingetreten, könnte auch hierzulande die nicht-invasive
Beatmung zur Disposition stehen, wenn keine zuverlässige Datengrundlage geschaffen
werden kann. Dieses Protokoll wurde nach mehrmonatigen, intensiven Diskussionen zwischen
Pneumologen, Intensivmedizinern und Statistikern entwickelt. Die Gespräche mit potenziellen
Drittmittelgebern sind noch nicht abgeschlossen, zeigen bisher aber einen hoffnungsvollen
Verlauf. Mit dem Start der Studie wird im Herbst 2004 gerechnet.
Zentren, die Interesse an der Teilnahme an der Studie haben, werden gebeten, sich
mit einem der Autoren dieser Ankündigung in Verbindung zu setzen.
Das vollständige Protokoll kann bei Dr. Thomas Köhnlein, Medizinische Hochschule Hannover,
angefordert werden (thomas. koehnlein@web.de).