Das Lebenszeitrisiko, an einem kolorektalen Karzinom (KRK) zu erkranken, beträgt 4-6
% und hängt vom Alter der Patienten ab. In Deutschland versterben jährlich fast 30000
Menschen an den Folgen eines kolorektalen Karzinoms; pro Jahr sind 52000 Neuerkrankungen
zu verzeichnen. Wird der Tumor rechtzeitig erkannt, lässt sich jedoch die Überlebensrate
erwiesenermaßen signifikant verbessern. Doch nur 35 % aller kolorektalen Karzinome
werden in primär kurablen Stadien (Stadium I und II) diagnostiziert. Fast 38 % aller
Tumore werden im Stadium III und insgesamt 22 % erst im metastasierten Stadium IV
erkannt.
Die Auswirkungen auf das Überleben hängen jedoch signifikant vom Tumorstadium bei
Diagnose ab. So beträgt die Fünf-Jahres-Überlebensrate im lokalisierten Stadium (Stadium
I und II) über 90 %. Auch wenn bereits Lymphknotenmetastasen vorliegen (Stadium III)
überleben immerhin noch 69 % der Patienten über fünf Jahre. Bei Patienten mit Fernmetastasierung
(Stadium IV) sinkt die Fünf-Jahres-Überlebensrate auf nur noch 6 %, damit hat dieses
fortgeschrittene Tumorstadium fast immer eine infauste Prognose. Im Mittel versterben
Patienten mit Kolonkarzinom 13 Jahre vor ihrer statistisch errechneten Lebenserwartung.
Therapieoptionen
Therapieoptionen
Die Prognose hängt entscheidend von der primären Ausdehnung des Tumors bei der Diagnose
und der biologischen Aggressivität der Tumorzellen ab. Die heute zur Verfügung stehenden
therapeutischen Möglichkeiten umfassen exakte chirurgische Maßnahmen inklusive Lymphknotenstaging
und Metastasenresektion sowie eine adäquate systemische Chemotherapie (adjuvant oder
palliativ). Das Auftreten von Lokalrezidiven und Fernmetastasen bestimmt die postoperative
Prognose der Patienten: Insbesondere in den ersten beiden Jahren nach der Operation
entwickeln etwa 75 % aller Patienten nach R0-Resektion lokale, regionale oder Fernmetastasen.
Als Ursache hierfür gelten bereits bei der Operation vorhandene, jedoch mit der derzeitigen
Technik nicht diagnostizierbare Mikrometastasen (z.B. im Knochenmark).
Andererseits konnten Fortschritte in der chirurgischen Technik und vor allem in der
systemischen Chemotherapie in den letzten 20 Jahren die Überlebenszeit signifikant
verlängern und gleichzeitig die Prognose verbessern. Dies gilt beispielsweise für
den Einsatz einer Chemotherapie nach einer R0-Resektion (adjuvant) oder im fortgeschrittenen
Stadium (palliativ). Doch nicht nur hinsichtlich der chemotherapeutischen Optionen
hat sich das Spektrum der Behandlungsoptionen, die momentan zur Verfügung stehen,
enorm erweitert. Zur so genannten „multimodalen” Therapie zählen inzwischen Immuntherapeutika
(so genannte „new age drugs”), lokal-interventionelle Ablationsverfahren von Metastasen
sowie verschiedene chirurgische Therapieoptionen.
Adjuvante Situation
Eine adjuvante Chemotherapie soll Mikrometastasen, die bereits zum Zeitpunkt der Operation
vorhanden sind, behandeln und so potenzielle Rezidive verhindern. Voraussetzung ist
natürlich eine chirurgische R0-Resektion. Nach den Richtlinien der Fachgesellschaften
ist die adjuvante Chemotherapie nach R0-Resektion ab dem Stadium UICC III („Union
Internationale Contre le Cancer”) über sechs Monate indiziert. Mehrere randomisierte
Studien demonstrierten eine signifikante Prognoseverbesserung um 16 % durch diesen
Ansatz. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate erhöhte sich signifikant von 55 auf 71 %.
In mehreren prospektiven Studien konnte durch die Kombination von 5-Fluorouracil (5-FU)
und Leucovorin (LV) im Vergleich zu 5-FU/Levamisol ein deutlich besseres Tumoransprechen
erzielt werden, sodass die Kombination 5-FU/LV derzeit als Standardtherapie für die
adjuvante Therapie beim Kolonkarzinom gilt. Wahlweise sollte das Roswell-Park-Protokoll
(einmal wöchentlich 500 mg/m2 5-FU + 500 mg/m2 Leucovorin über sechs Wochen) oder das Mayo-Klinik-Protokoll (425 mg/m2 5-FU + 20 mg/m2 Leucovorin als Bolus über fünf Tage alle vier bis fünf Wochen) zum Einsatz kommen.
Als optimaler Zeitpunkt für den Beginn der adjuvanten Therapie gelten die ersten acht
Wochen nach der Operation. Ein späterer Beginn ist mit einer deutlich schlechteren
Effektivität behaftet. Auch ältere Patienten im Stadium III (über 70 Jahre) profitieren
von einer adjuvanten Therapie nach R0-Resektion. Sechs randomisierte Studien zu dieser
Fragestellung belegen eine 24 %ige Reduktion der Mortalität, die Rezidivrate sank
um immerhin 32 % im weiteren Verlauf.
Inwieweit eine adjuvante Therapie auch im Stadium UICC II sinnvoll ist, untersuchen
zurzeit mehrere große prospektive Studien. Bislang haben die Daten verschiedener Studien
und Metaanalysen jedoch keinen Vorteil der adjuvanten Chemotherapie in diesem Tumorstadium
nachweisen können. Daher sollten diese Patienten nur im Rahmen von kontrollierten
Studien behandelt werden.
Ähnlich wie in der palliativen Situation können die Patienten im adjuvanten Setting
mit einem 5-FU/LV-Bolusregime (Mayo-Klinik-Protokoll), einer 5-FU/LV-Dauerinfusion
oder einer einmalig wöchentlichen 24-Stunden-Infusion behandelt werden. Im metastasierten
Stadium scheint die 5-FU-Dauerinfusion einen geringfügigen, jedoch statistisch signifikanten
Vorteil bezüglich des Überlebens gegenüber der Bolustherapie zu bieten. In der adjuvanten
Behandlung gelang dies jedoch nicht - obwohl verschiedene Studien zu dieser Fragestellung
existieren. Daher kann in dieser Situation wahlweise ein 5-FU-Bolusregime oder die
5-FU/LV-Dauerinfusion eingesetzt werden. Als mögliche Alternative können zukünftig
die oralen Fluoropyrimidine infrage kommen. Diese Substanzen gleichen in ihrer Wirkungsweise
und ihrem Nebenwirkungsspektrum der 5-FU-Dauerinfusion und versprechen zumindest in
palliativer Intention vergleichbare Ansprechraten.
Analog zur Therapie im metastasierten Stadium stellt sich zudem die Frage, ob durch
eine frühe aggressive Therapie mit Medikamenten wie Oxaliplatin oder Irinotecan im
adjuvanten Setting das tumorfreie Überleben verlängert und die Rezidivrate gesenkt
werden kann. Hierzu gibt es jedoch bislang noch keine eindeutigen Ergebnisse aus kontrollierten
Studien. Erste Ergebnisse einer Phase-III-Studie zum Einsatz von Oxaliplatin in der
adjuvanten Therapie wurden auf dem ASCO[1]-Kongress 2003 vorgestellt. In der so genannten MOSAIC[2]-Studie wurden insgesamt 2248 Patienten im Stadium II oder III nach R0-Resektion
entweder mit 5-FU/LV (de-Gramont-Schema) oder dem FOLFOX[3]-4-Schema für sechs Monate behandelt. Im FOLFOX[3]-Arm traten 23 % weniger Rezidive oder Todesfälle auf, nach drei Jahren war die Wahrscheinlichkeit
des krankheitsfreien Überlebens um etwa 5 % höher (77,8 versus 72,9 %). Besonders
groß war dieser Unterschied bei Patienten im Stadium III. Daten zum Gesamtüberleben
wurden noch nicht vorgestellt, vermutlich wird jedoch der Unterschied im krankheitsfreien
Überleben auch zu einer Verbesserung des Gesamtüberlebens führen [5]. Auf der Basis der heute zur Verfügung stehenden Daten scheint jedoch eine Kombination
aus 5-FU/LV und Oxaliplatin oder Irinotecan im Vergleich zur konventionellen Therapie
mit einer deutlich höheren Nebenwirkungsrate verbunden zu sein. Aus diesen Gründen
sollten Patienten nur im Rahmen von Studien mit solchen Protokollen behandelt werden.
Trotz einiger zunächst ermutigender Ergebnisse spielt die Immuntherapie im adjuvanten
Setting aufgrund fehlender kontrollierter Daten aus größeren Studien gegenwärtig noch
keine Rolle. In Zukunft sollte es jedoch möglich sein, durch die Risikostratifizierung
mithilfe bestimmter tumorassoziierter Kriterien und molekularbiologischer Konstellationen
bereits im Vorfeld einer Therapie zu klären, welcher Patient einer aggressiven Therapie,
einer Therapie im Stadium UICC II oder keiner systemischen Chemotherapie bedarf.
Palliative Situation
Patienten im metastasierten Stadium UICC IV überleben ohne spezifische systemische
Chemotherapie im Mittel nur 5-7,5 Monate. Insbesondere in dieser palliativen Situation
konnten innerhalb der letzten 20 Jahre erhebliche Therapiefortschritte beim Kolonkarzinom
erzielt werden. So lassen sich mit den heute verfügbaren modernen Kombinationschemotherapien
mittlere Überlebenszeiten von bis zu 18 Monaten erreichen. Alle Patienten im Stadium
UICC IV sollten - falls Alter und klinischer Zustand dies zulassen - bereits vor dem
Auftreten von Symptomen einer palliativen Chemotherapie zugeführt werden. Durch diese
Therapie wird nicht nur das Überleben signifikant verlängert, sondern auch die Lebensqualität
entscheidend verbessert [11].
Wesentlicher Bestandteil der Chemotherapie ist auch hier das 5-Fluorouracil, das bereits
seit über 30 Jahren beim Kolonkarzinom eingesetzt wird. Zur Biomodulation dieser Substanz
bieten sich Leucovorin und Levamisol an. Im Vergleich zur 5-FU-Monotherapie zeigen
die Kombinationen deutlich höhere Ansprechraten (23 versus 11 %). Die Kombination
von 5-FU/LV zählt dabei zur effektivsten Kombinationsform und gilt deshalb als Standardtherapie
in der Erstlinienbehandlung des metastasierten Kolonkarzinoms.
In den letzten Jahren wurden verschiedene Konzepte der Applikation ausführlich untersucht.
Dabei ist zwischen einer 5-FU-Bolusapplikation und der 5-FU-Dauerinfusion zu differenzieren,
denn damit sind pathogenetische Unterschiede bezüglich der molekularen Wirkungsweise
von 5-Fluorouracil verbunden. Mehrere kontrollierte Studien konnten eine gering signifikante
Verbesserung des Ansprechens (22 versus 14 %) und der Überlebenszeit (12,1 versus
11,3 Monate) durch eine 5-FU-Dauerinfusion im Vergleich zur Bolusapplikation dokumentieren.
Daher wird für Patienten im metastasierten Stadium UICC IV die 5-FU-Dauerinfusion/Leucovorin
als Erstlinienbehandlung favorisiert. Vor allem in Europa wird heute alternativ ein
modifiziertes Therapieschema gewählt, nämlich eine 5-FU-Dauerinfusion mit einer wöchentlichen
Applikation von Leucovorin über 24-48 Stunden. Dieses Protokoll zeigt ebenfalls im
Vergleich zur Bolusgabe eine signifikant bessere Ansprechrate mit Verlängerung des
progressionsfreien Überlebens bei gleichzeitig deutlich reduzierter Toxizität.
Seit einigen Jahren stehen mehrere oral verfügbare Substanzen („Fluoropyrimidine”)
zur Verfügung. Diese „Prodrugs” werden nach enteraler Resorption über mehrere Zwischenstufen
zu 5-Fluorouracil metabolisiert. Capeticabin (Xeloda®) ist inzwischen zur Therapie
des metastasierten kolorektalen Karzinoms in Deutschland zugelassen, nachdem zwei
kontrollierte Studien eine vergleichbare Effektivität und Wirksamkeit gegenüber der
5-FU-Bolusgabe mit Leucovorin demonstrieren konnten. Ein Vergleich der oralen 5-FU-Prodrugs
und den 5-FU-Dauerinfusionsprotokollen liegt derzeit noch nicht vor. Auch die Ergebnisse
prospektiver kontrollierter Studien zur Kombination der oralen 5-FU-Prodrugs mit Oxaliplatin
oder Irinotecan stehen bislang noch aus, sodass ihre Wirksamkeit noch nicht abschließend
zu beurteilen ist. Gleichwohl bieten die oralen Prodrugs einen deutlichen Zugewinn
an Therapiekomfort und Lebensqualität für die Patienten [10].
Stellenwert von Oxaliplatin
Stellenwert von Oxaliplatin
Oxaliplatin zählt zu den Platinanaloga der dritten Generation, die über eine Quervernetzung
der DNA vermehrt Apoptose induzieren. In der Primärtherapie erzielte die Kombination
aus 5-Fluorouracil mit Leucovorin und Oxaliplatin signifikant bessere Ansprechraten
(etwa 50 versus 20 %) und progressionsfreie Überlebenszeiten (neun versus sechs Monate)
als die bisherige Standardtherapie mit 5-FU/LV (Bolus- oder Dauerinfusion). Inzwischen
existieren für die Primärtherapie mehrere Kombinationsprotokolle, die Oxaliplatin
und 5-FU/LV in unterschiedlichen Dosierungen einsetzen.
Alle bisher vorhandenen Daten, die zu diesen so genannten FOLFOX[3]-Regimen zur Verfügung stehen, kommen zu dem Schluss, dass diese Dreifachkombination
eine sehr effektive und gut verträgliche Primärtherapie ist - auch wenn in den großen
randomisierten Studien bisher keine signifikant verlängerte Überlebenszeit nachzuweisen
war ([Tab. 1]; [4]). Damit bleibt bislang die Frage offen, ob eine Kombination aus 5-FU/LV/Oxaliplatin
bei allen Patienten als Erstlinientherapie oder erst bei Versagen der primären 5-FU/LV-Therapie
als Salvage-Therapie zum Einsatz kommen sollte. Konsens besteht darüber, dass die
FOLFOX-Kombination bei allen jungen Patienten in gutem Allgemeinzustand sowie bei
Patienten mit rasch progredientem Tumorwachstum zur schnellen Remissionsinduktion
eingesetzt werden sollte.
In der Sekundärtherapie kann diese Kombination Ansprechraten von bis zu 46 % erreichen,
in bis zu 40 % der Fälle kann die Tumorerkrankung stabilisiert werden. Zusammenfassend
kann konstatiert werden, dass die Kombination aus 5-FU/LV/Oxaliplatin als Salvage-Therapie
nach Versagen der Primärtherapie eine Option mit sehr guter Verträglichkeit und Ansprechrate
ist.
Stellenwert von Irinotecan
Stellenwert von Irinotecan
Gut wirksam ist auch der Topoisomerasehemmer Irinotecan. Hierbei handelt es sich um
ein Camptothecinanalogon, das die Topoisomerase I hemmt und dadurch die DNA-Replikation
blockiert. In der Primärtherapie konnten zwei große randomisierte Studien eine signifikante
Verlängerung der Überlebenszeit um zwei bis drei Monate sowie ein signifikant besseres
Ansprechen durch die Kombination aus 5-FU-Bolus/Leucovorin/Irinotecan gegenüber der
konventionellen 5-FU/LV-Therapie aufzeigen ([Tab. 1]; [9]). Die amerikanische FDA („Food and Drug Administration”) hat daher im Jahr 2000
auf der Basis dieser Daten die Kombination aus 5-FU/LV/Irinotecan zur Standardtherapie
in der Erstlinienbehandlung des metastasierten Kolonkarzinoms erklärt. Unklar ist
jedoch, ob eine sequenzielle Therapie mit 5-Fluorouracil und Leucovorin gefolgt von
einer Monotherapie mit Irinotecan nicht eine vergleichbare Effektivität besitzt.
Zwei Folgestudien untersuchten die Kombination von Irinotecan und einem 5-FU-Bolus/LV-Protokoll
und berichteten übereinstimmend eine deutlich erhöhte Toxizität und Rate an therapieassoziierten
Todesfällen (2,5 und 3,5 %) aufgrund dieser Kombination. Anders war dies in einer
europäischen Studie mit einem 5-FU-Infusionsprotokoll: Hier wurden keine vermehrten
therapieassoziierten Todesfälle festgestellt. Die aktuelle EORTC[4]-Studie zum Vergleich des so genannten AIO[5]-Protokolls mit einer wöchentlichen Kombination des dosisreduzierten AIO-Protokolls
(5-FU; 2000 mg/m2) und Irinotecan (FUFIRI[6]) zeigte für die Kombination eine signifikante Verbesserung der objektiven Ansprechrate
(54,2 versus 31,5 %) und des progressionsfreien Überlebens (8,5 versus 6,4 Monate)
[7]. Momentan wird die Kombination von Oxaliplatin und Irinotecan als Erstlinienbehandlung
gegenüber der konventionellen Standardtherapie untersucht. Die endgültigen Daten aus
diesen Studien stehen zurzeit noch aus.
Ähnlich wie bei der Therapie mit Oxaliplatin ist zurzeit noch nicht klar, ob eine
Kombination von 5-FU/LV/Irinotecan (so genanntes FOLFIRI[7]-Protokoll) allen Patienten - unabhängig vom Alter, vom Allgemeinzustand oder von
der Tumoraggressivität - in der Erstlinienbehandlung gegeben werden sollte. Als aktuelle
Richtlinie kann jedoch gelten, dass die FOLFIRI-Kombination insbesondere bei jungen
Patienten in gutem Allgemeinzustand oder bei hoher Tumorlast zur Induktion einer schnellen
Remission indiziert ist.
Daten zur Gabe von Irinotecan in der Sekundärtherapie bei Versagen der Erstlinienbehandlung
gibt es bereits seit einigen Jahren. Insgesamt kann die Gabe von Irinotecan in der
Sekundärtherapie 5-Fluorouracil-resistenter Kolonkarzinome die Überlebenszeit der
Patienten im Vergleich zu einer rein supportiven Therapie, insbesondere aber auch
gegenüber einer 5-FU-Infusionstherapie, signifikant verlängern. Die Ein-Jahres-Überlebensrate
der Patienten erhöhte sich nach Versagen der Erstlinienbehandlung mit 5-Fluorouracil
und Leucovorin in mehreren Studien signifikant um 26 % (versus supportive Therapie)
und 12 % (versus 5-FU-Dauerinfusion) [Tab. 2].
Bietet sich ein neuer Ansatz?
Da jedoch abschließende Daten noch fehlen, kann bislang keine „optimale” Chemotherapiesequenz
zur Behandlung metastasierter Kolonkarzinome angegeben werden. So besteht weder für
FOLFIRI noch für FOLFOX in der Primärtherapie - gefolgt von einem Cross-over bei Therapieversagen
- ein signifikanter Unterschied hinsichtlich Effektivität und Überleben. Mehrere Phase-II-Studien
untersuchen zurzeit das Konzept einer frühen und aggressiven Primärtherapie („hit
hard and early”). Verwendet werden aggressive Protokolle einer Dreifachkombination
mit Oxaliplatin/Irinotecan/5-FU/LV (Bolus- und Infusionstherapie). Erste Daten zeigten
ein Ansprechen von über 50 % - bei allerdings deutlich erhöhter therapieassoziierter
Toxizität. Es erscheint somit heute fraglich, das Konzept der sequenziellen Therapie
zu verlassen und bereits in der Primärtherapie alle zur Verfügung stehenden hoch aktiven
Substanzen einzusetzen.
Molekulare Therapieansätze
Molekulare Therapieansätze
Die enormen Fortschritte auf dem Gebiet der Grundlagenforschung, die wesentliche pathogenetische
Zusammenhänge von intrazellulärer Wachstumsregulation und -differenzierung, Transformation
von Tumorzellen und Apoptose aufzeigen, münden heute in einer Vielzahl breit gefächerter
und viel versprechender Therapieansätze. So stehen gegenwärtig zum einen Substanzen,
die wachstumsfaktorvermittelte zelluläre Proliferations- und Differenzierungsprozesse
inhibieren, aber auch Konzepte zur Inhibition der Tumor-Angiogenese zur Verfügung.
Zum Antikörper IMC-C225 (Cetuximab®), der spezifisch gegen den „Epidermal-growth-faktor”(EGF)-Rezeptor
wirkt, liegen bereits erste Studienergebnisse vor. Diese Therapieoption konnte bei
Versagen einer auf Irinotecan basierten Behandlung immerhin in 23 % der Fälle eine
Tumorremission hervorrufen. Weitere experimentelle Ansätze basieren auf der spezifischen
Hemmung der EGF-Rezeptor-assoziierten Signaltransduktion mit der Inhibition der EGFR-Tyrosinkinase
oder auf der Blockade des „Vascular-endothelial-growth-factor”(VEGF)-Rezeptors mit
dem Angiogenese-Inhibitor Bevacizumab®. Auf dem letztjährigen ASCO-Meeting hat Hurwitz
eine Phase-III-Studie mit 815 Patienten vorgestellt, die erstmals die Effektivität
des Angiogeneseinhibitors Bevacizumab dokumentierte. Der Bevacizumab-Arm zeigte sich
sowohl bezogen auf das Ansprechen, das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben
gegenüber der Standardtherapie eindeutig überlegen [8]. Andere Konzepte schließen Metalloproteinasen, Farnesyltransferasen oder die Cyclooxygenase
2 (COX 2) ein. Letztlich ist der Stellenwert dieser neuen molekularen Therapieansätze
und der molekularen Prädiktion des Therapieansprechens jedoch noch unklar, und es
müssen weitere klinische Studien abgewartet werden [11].
Kasuistik
Kasuistik
Im März 2000 diagnostizierten wir bei einem 56-jährigen Patienten ein C.-descendens-Adenokarzinom.
Das präoperative Staging erbrachte keinen Hinweis auf Fernmetastasierung, sodass bei
dem Patienten eine Linkshemikolektomie durchgeführt wurde. Postoperativ konnte ein
Stadium pT3, N1, M0, G2, R0 evaluiert werden.
Der Patient erhielt deshalb von April bis Oktober 2000 eine adjuvante Chemotherapie
mit 5-Fluorouracil und Leucovorin und wurde danach in die Nachsorge qentlassen. Wegen
eines CEA-Anstiegs („carcinoembryonic antigen”) und eines Gewichtverlusts stellte
sich der Patient im März 2002 erneut in unserer Klinik vor.
In der Computertomografie des Abdomens konnte eine große Lebermetastase diagnostiziert
werden, im Röntgen-Thorax zeigten sich diffuse Lungenmetastasen. Daher wurden in palliativer
Intention insgesamt drei Zyklen einer Chemotherapie nach dem „AIO-Schema” (2600 mg/m2 5-FU-Dauerinfusion, 500 mg/m2 Leucovorin) appliziert. Unter dieser Therapie kam es jedoch zur Progression der Lebermetastase
mit Verschlechterung des klinischen Allgemeinzustandes.
Als Zweitlinienbehandung erhielt der Patient daher ab Oktober 2002 eine auf Oxaliplatin
basierende Therapie nach dem FOLFOX-Protokoll. Nach sechs FOLFOX-Zyklen zeigte sich
eine deutliche Regression der Lebermetastase und der multiplen Lungenmetastasen. Bei
deutlicher Verbesserung des klinischen Zustands kann der Patient zumindest halbtags
wieder seinen Beruf ausüben, und bis Mai 2003 zeigte sich kein erneuter Tumorprogress.
Glossar
Glossar
Irinotecan
Irinotecan oder CPT-11 ist ein Camptothecinanalogon, das die DNA-Topoisomerase I hemmt.
Dieses nukleare Enzym bindet kovalent am 3'-Ende der DNA-Doppelhelix und spaltet den
DNA-Strang passager, um die Replikation zu ermöglichen. Bindet der Inhibitor an die
Topoisomerase werden jedoch irreversible Strangabbrüche induziert und so die DNA-Replikation
und die Bildung von mRNA gestört.
Oxaliplatin
Oxaliplatin ist ein Platinderivat, das seit August 1999 in Deutschland zugelassen
ist. Ähnlich wie Cisplatin bindet es vor allem an guaninhaltige Nukleotide der DNA
und induziert auf diesem Wege Quervernetzungen der DNA und Apoptose.
Biologicals / „new age drugs”
Hierzu zählen Substanzen aus der Gruppe der so genannten zielgerichteten Krebstherapeutika.
Angriffspunkte dieser Substanzen sind spezifische Zielmoleküle, die für wesentliche
Mechanismen der intrazellulären Regulation von Wachstum, Differenzierung, Transformation
und Apoptose von Tumorzellen verantwortlich sind.
Tab. 1 Kombination von 5-FU/LV + Oxaliplatin oder Irinotecan in der Primärtherapie (Phase-III-Studien)
Protokoll
|
Patienten (n)
|
Ansprechen
|
progressionsfreies Überleben
|
Überleben (Monate)
|
Quelle
|
5-FU/LV + Oxaliplatin |
210 |
51 % (*) |
9,0 (*) |
16,2 |
(4) |
versus 5-FU/LV |
210 |
22 % |
6,2 |
14,7 |
5-FU/LV + Oxaliplatin |
53 |
53 (*) |
8,7 (*) |
19,4 |
(3) |
versus 5-FU/LV |
16 |
16 |
6,1 |
19,9 |
5-FU/LV + Irinotecan |
231 |
39 (*) |
7,0 (*) |
14,8 (*) |
(9) |
versus 5-FU/LV |
226 |
21 |
4,3 |
12,8 |
versus Irinotecan |
226 |
18 |
4,2 |
12,0 |
5-FU/LV + Irinotecan |
198 |
41(*) |
6,7 (*) |
17,4 (*) |
(2) |
versus 5-FU/LV |
188 |
23 |
4,4 |
14,1 |
Tab. 2 Irinotecan in der Sekundärtherapie 5-FU-resistenter Kolon-karzinome (Phase-III-Studien)
Protokoll
|
Patienten (n)
|
Überleben (Monate)
|
Quelle
|
Irinotecan |
189 |
9,2 (*) |
(2) |
versus supportive Therapie |
90 |
6,5 |
Irinotecan |
127 |
10,8 (*) |
(5) |
versus 5-FU-Infusion |
129 |
8,5 |