Schinden wird in der griechischen Mythologie und der christlichen Legendenbildung
ausschließlich als Strafe gehandhabt und in der Kunst als etwas Schreckliches dargestellt
[1].
Die Kulturen Mesoamerikas aber kannten auch Menschenhäutungen als Opfer an die Götter,
insbesondere dem Gott Xipe Totec (der sich häutet, unser Herr), welcher die abgezogene
Haut eines Opfers über seinem Körper trug [2]. Die ältesten Dokumentationen zum Schinden als Strafe stammen aber aus Mesopotamien
mit Ausstrahlung in den persischen Raum, wobei neben der individuellen Strafe auch
Abschreckung, Warnung und zudem rituelle Effekte zur Vernichtung gegnerischer Gruppen
und Ausmerzung deren Gedankengüter erstrebt werden.
Im ersten Jahrtausend v. Chr. hat sich in Mesopotamien die Verfahrensweise mit Gegnern
und Verrätern gegenüber den zwei dokumentierten Jahrtausenden zuvor deutlich verschärft.
Dies geschah offenbar durch die Assyrer im Laufe der immer wiederkehrenden Kriege
mit wechselndem Kriegsglück. Auf alle Fälle zeigt die betonte Dokumentation in Bild
und Text eine wesentliche Bedeutungszunahme [3]. Die Todesstrafe wird teilweise protrahiert, es werden Folterungen, Verstümmelungen
und Abhäuten durch Schinden vorangestellt und rituelle Zerstückelungen der Leichen
angeschlossen.
Besonders gut dokumentiert ist dies anhand des berühmten Reliefs der Schlacht am Ulai-Fluss 653 v. Chr., in welcher der Assyrische König Assurpanibal (661 - 631 v. Chr.) die
Elamiter schlug, deren König Te-umman gefangen nahm, enthaupten lies und den Kopf
im Triumph heim führte. Im Nord-Palast zu Ninive ist dies drastisch verewigt. Dem
Schlachtgetümmel sind diese Geschehen zugeordnet. Gegner werden abgeschlachtet, Frauen
und Kinder in Gefangenschaft abgeführt, Gefangene werden erschlagen, andere gepfählt.
Und es ist durch Inschrift verewigt: „Den Leuten, die sich schuldig gemacht haben
(Abtrünnige und Verräter sind gemeint), legte ich eine schwere Strafe auf. Ihre Gesichtszüge
verstümmelte ich, ihre Häute zog ich ab, ich zerstückelte ihr Fleisch” [4]. Und das Abhäuten ist im Flachrelief dargestellt (Abb. [1]): „Ich schnitt ihnen die Zunge heraus (unten rechts) und zog ihnen die Haut ab.”
Assyrische Soldaten haben zwei Elamiter an Händen und Füssen gefesselt, gestreckt
und sie lösen mit Messern die Haut ab. Der eine beginnt an den Beinen, wo die schon
gelöste Haut „wie aufgeschnittene Stiefel” abhängt, und der andere beginnt sein Werk
am Rumpf. Vorgegangen wird also ähnlich wie beim Abbalgen der Tiere.
Abb. 1 Assyrische Soldaten schinden zwei Elamiter und rechts unten wird einem solchen die
Zunge herausgeschnitten. Detail aus der Darstellung der Schlacht am Ulai-Fluss 653
v. Chr. im königlichen Nord-Palast zu Ninive, Aufnahme Nr. 152 aus [4].
Es gibt aber auch frühere Dokumente. Im Südwest-Palast zu Ninive werden Taten von
König Sanherib (704 - 681 v. Chr., auch Sennacherib), dem Großvater von Asurpanibal,
dargestellt, insbesondere die Belagerung und Eroberung der Stadt Lachisch. Auch hier
gepfählte Gefangene und Abgesandte des König Hiskia von Juda als Bittsteller und andere
gefesselt [4]. Auch hier sind sie an Händen und Füssen angebunden, gestreckt und assyrische Soldaten
beginnen mit der Abhäutung an den Unterschenkeln (Abb. [2]). Die Deutung des Geschehens als Auspeitschung ist weniger wahrscheinlich. Diese
Kriege finden sich auch in der Bibel dargestellt, wobei eine glückliche Kriegswendung
vor Jerusalem infolge Dezimierung der assyrischen Belagerungsarmee durch Engelshand
(wahrscheinlich eine Seuche) auf Fürbitte des Propheten Jesaia im Zentrum steht (2.
Chr, 32 : 20 - 22, 2. Kön. 18 : 13 - 20 und Jesaia 36 - 39). Ähnliche Formulierungen
erscheinen auch im Deuteronomium der Bibel in den Gesetzen über den Gottesdienst
und den Kriegsgesetzen (5. Mos. 12.2 f; 13.6 - 11; 20. 16 f).
Abb. 2 Assyrische Soldaten beginnen an den Unterschenkeln mit der Häutung von zwei gestreckt
gefesselten hebräischen Abgesandten. Detail aus der Darstellung im königlichen Südwest-Palast
zu Ninive, Aufnahme Nr. 81 aus [4].
Aber schon das Corpus der Inschriften von König Assurnasirpal II (883 - 859 v, Chr.)
enthält in beängstigender Häufung scheußliche Strafgerichte: Abschlagen von Gliedmaßen,
Ohren und Nasen, und auch Blenden. Gefangene werden gepfählt oder verbrannt. Dazu
kommt das Schinden der Gegner, deren Häute auf Pfählen oder über die Stadtmauer und
deren Tore gebreitet, zur Abschreckung und Warnung an Einwohner wie Besucher dienen.
Denn es steht geschrieben [5]
[6]: „Ich habe eine Säule errichtet gegenüber dem Stadttor und alle revoltierende Anführer
geschunden (kasu, abgehäutet, to flay), die Häute habe ich um die Säule gewunden und
auf Pfähle gespießt. Solche stellte ich in großer Zahl bis an die Grenzen meines Landes
auf. Den abtrünnigen königlichen Offizieren ließ ich die Gliedmaßen abtrennen, ich
ließ sie schinden und spannte die Häute an die Stadtmauer. Den Anführer fing ich lebend,
brachte ihn nach Ninive, ließ ihn dort schinden und seine Haut an unsere Stadtmauer
spannen. Die Anführer der eroberten Städte ließ ich schinden und ihre Häute an die
Mauern spannen, die Gefangenen wurden mit dem Schwert getötet und zu Haufen geschichtet,
die Knaben und Mädchen wurden verbrannt” [7]. Und so geht es weiter, immer weiter.
Komplexe Bedeutung
Der Vorgang des Schindens eines Menschen dauerte wahrscheinlich gut eine Stunde, er
ist äußerst schmerzhaft, sodass die Opfer wohl wiederholt in Ohnmacht fielen und auch,
gerade ob der Schmerzen, daraus wieder aufgeschreckt wurden. Sie sterben am Schock,
durch Blut- und Flüssigkeitsverluste, Unterkühlung und Infektionen in Stunden bis
Tagen. Schinden ist eine Todesstrafe mit protrahiertem Vollzug. Vorgeschaltet ist
eine äußerst qualvolle Folterung, welche das Opfer nicht nur erdulden, sondern gleichsam
„erleben” muss. Damit war es aber nicht genug, damals. Noch weiter vorgeschaltet erfolgten
Entstellungen des Gesichtes, Verstümmelungen durch Abtrennen von Gliedmaßen, Nase
oder Zunge oder auch Blendung. Dem Opfer wurde also seine Erscheinung verstümmelt
und dadurch seine Würde und auch die Organe differenzierter menschlicher Kontakte
genommen. Und er musste dies noch miterleben. Geschunden, mit oder ohne Verstümmelung
vorher, wurden vornehmlich die Anführer. Ihre abgetrennten Häute wurden öffentlich
ausgestellt, als Abschreckung und Warnung und zum eigenen Triumph des Siegers. Dies
erfolgte in der Hauptstadt, an den Grenzen des Landes und in eroberten Städten, ebenfalls
zur Warnung. Zudem wurde das Schinden der Abtrünnigen im Königspalast zu Ninive in
Schrift und im Reliefbild (Abb. [1]) dargestellt, zur Warnung aller Besucher und zu allen Zeiten.
Besonders gefährlichen Abtrünnigen oder Widersachern wurde durch Verstümmelung zunächst
Würde und Ansehen genommen, dann durch das tödliche Schinden der Haut, die Hülle,
die Form und damit die persönliche Erscheinung entfernt. Die abgetrennte Haut wird
als Warnung nach innen und außen öffentlich zur Schau gestellt. Zudem wurden die Sippen,
die Gefolgschaften, ja ganze Völker der so ausgemerzten Führer zu Tode gebracht, um
ein Wiederaufflammen der politischen, militärischen oder religiösen Opposition zu
verhindern. In besonderen Fällen wurden die Körper, nachdem sie geschunden wurden,
noch in Stücke zerteilt oder verbrannt. Dadurch, so ging damals und geht der Gedanke
zuweilen bis in unsere Zeit, können Wiederkehr, Wiedergeburt und Auferstehung der
verhassten Feinde und deren Gedankengut verhindert werden. Ein mehrschrittiges Unterfangen
mit komplexer Intention. Dabei kommt dem Schinden eine besondere, auch rituelle Bedeutung
zu.
Die Häufung solcher Schilderungen führen zur Annahme, dass die Assyrer nicht nur ein
auffallend kriegerisches Volk waren, sondern auch ein grausames und brutales. Nicht
von ungefähr wird der König Assurnasirpal II (883 - 859 v. Chr.) auch als Schlächter
oder Sadist [3] apostrophiert. Derartig grausame Verfahren zur Konfliktbewältigung sind nicht auf
Mesopotamien begrenzt geblieben. Beispiele sind aus dem benachbarten persischen Raum
dokumentiert.
So hat im 6. Jahrhundert v. Chr. der persische König Kambyses in Babylon am bestechlichen
Richter Sisamnes die Todesstrafe durch Abhäuten exekutiert [1]. Aus der Haut des Opfers wurde der neue Richterstuhl gefertigt, auf dem die nachfolgenden
Richter, als erster der Sohn von Sisamnes, gleichsam auf der Strafdrohung thronend,
ihr Amt redlich auszuführen hatten.
Und Jahrhunderte später erfuhr der babylonische Religionsstifter iranischer Herkunft
Mani (216 - 277 n. Chr.) aus Glaubensgründen in Gundischapur (Persien) das Schicksal
der Hinrichtung durch Schinden. Und auch seine Haut wurde zur Abschreckung an der
Stadtmauer öffentlich zur Schau gestellt [8]. Mani hatte, durch Offenbarung veranlasst, in Babylon die erst im 14. Jahrhundert
ausgestorbene Weltreligion des Manichäismus gegründet. An derartig grausame Verfahren
erinnern zudem Geschehnisse bei der Verfolgung von Ketzern und von Hexen, aber auch
bei Genoziden und im Holocaust.
Danksagung
Herzlicher Dank gebührt Herrn Prof. Dr. Stefan M. Maul, Ordentlicher Professor für
Assyriologie an der Universität Heidelberg.