Eine Ex-vivo-Studie des St. Johannsspitals in Salzburg belegt nach Auffassung
der beteiligten Wissenschaftler, dass eine 10-Core-Biopsie der üblichen Sextantenbiopsie
in der Detektion des Prostatakarzinoms überlegen ist. Hintergrund: 10-Core-Biopsien
entdeckten 16% mehr Tumoren als zwei konsekutive Sextantenbiopsien.
Prostatakarzinom. Morphologisch markig-gelblicher, meist homogener Tumor (Bild: Taschenatlas der Allgemeinen Pathologie, Thieme, 1998).
Bei der 10-Core-Biopsie werden zusätzlich zur herkömmlichen Sextantenbiopsie 4 Zylinder,
je 2 pro Lappen, aus der lateralen Zone der Prostata entnommen. K.G. Fink et al.
führten in ihrer experimentellen Arbeit bei 81 radikal entfernten Prostatae eine
10-Core-Biopsie und zwei konsekutive Sextantenbiopsien durch. Zur Simulation eines
transrektalen Vorgehens erfolgten alle Biopsien unter Ultraschallkontrolle. Für
beide Biopsietechniken wurden die Tumordetektionsraten ermittelt und verglichen (BJU 2003; 92: 385-388).
Anhand der ersten Sextantenbiopsien wurden 44 Prostatakarzinome (54%) detektiert,
51 (63%) anhand der zweiten. Im Vergleich zur ersten Serie entdeckte die zweite
13 zusätzliche Tumoren (29%). Beide Serien zusammen erfassten insgesamt 57 Karinome
(70%). Die 10-Core-Biopsie entdeckte 66 Prostatakarzinome, also 9 mehr als beide
Sextantenbiopsien, und erreichte damit eine Gesamtdetektionsrate von 82%. Wollte
man mittels Sextantenbiopsie ein vergleichbares Ergebnis erzielen, müssten sich
13 Patienten (14%) einer zweiten und 9 (11%) sogar einer dritten Sextantenbiopsie
unterziehen.
Fazit
Fazit
Die 10-Core-Biopsie ist der Sextantenbiopsie eindeutig überlegen: Sie detektiert
mehr Karzinome, erspart dem Patienten unnötige Zweitbiopsien und ist damit kosteneffektiver.
Nach Ansicht der Autoren sollte daher die Sextantenbiopsie nicht länger empfohlen
werden.
Erster Kommentar
Erster Kommentar
”Viel hilft viel“ - unter dieser Prämisse wurden viele Prostatabiopsiestrategien
in letzter Zeit propagiert. Die vorliegende Studie zeigt aber - in Einklang mit
aktuellen Publikationen, dass nicht die Steigerung der Anzahl der Stanzzylinder,
sondern die gezielte Lokalisation der Stanzzylinder entscheidend ist, um mit wenig
Aufwand, geringer Morbidität und kosteneffektiv die Detektionsrate des Prostatakarzinoms
zu steigern.
Prof. Rudolf Hartung, PD Roger Hartung, München
Prof. Rudolf Hartung, PD Roger Hartung, München
Zweiter Kommentar
Zweiter Kommentar
Auch wenn es sich bei dieser Studie von Fink et al. um einen In-vitro-Versuchsaufbau
handelt, zeigen die Ergebnisse, dass sich die Sextantenbiopsie als Standardmethode
zur Diagnose des Prostatakarzinoms nicht mehr halten lässt. Dafür gibt es mehrere
Gründe.
Zum einen wird bei immer mehr Patienten der Verdacht auf ein Prostatakarzinom durch
die Bestimmung des Prostata Spezifischen Antigens (PSA) im Serum begründet und nicht
mehr durch einen suspekten Tastbefund oder andere klinische Befunde eines dann meist
fortgeschrittenen Prostatakarzinoms. Zurzeit der Einführung der Sextantenbiopsie
waren die gefunden Tumoren zu einem großen Anteil in einem fortgeschrittenen Stadium
(klinisch T2-T3) und somit reichte diese Methode zum Nachweis der meist großen Tumoren.
Heute geht aber die Tendenz zum Nachweis von Tumoren im Frühstadium (klinisch T1c),
welche kleiner sind und sich somit auch schwieriger nachweisen lassen. Zum anderen
fehlt in diesem frühen Stadium eine sichere Methode zur Lokalisation und Identifizierung
eines Karzinoms in der Prostata. Aus den oben genannten Gründen lässt sich der Tumor
somit nicht gezielt biopsieren, sondern vielmehr beruht die histologische Sicherung
des Prostatakarzinoms auf der Zufallsmethode. Man sticht ”blind“ für das zu suchende
Karzinom in die Prostata und hofft einen Treffer zu erzielen. Allein durch die Erhöhung
der Stanzenanzahl wächst somit die Wahrscheinlichkeit, ein Prostatakarzinom in einer
Biopsieserie nachzuweisen. Dies allein rechtfertigt bereits die Erhöhung der Stanzenanzahl
pro Serie von 6 auf 10.
Ein weiterer Punkt, der für eine Abkehr von der Sextantenbiopsie spricht ist, dass
das Prostatakarzinom zum größten Anteil in der peripheren Zone der Prostata entsteht.
Wenn man diese am häufigsten befallende Zone intensiver biopsiert, kann man ebenfalls
eine Zunahme der Trefferwahrscheinlichkeit erwarten. Die klassische Sextantenbiopsie
wird in der Mitte zwischen Harnröhre und lateralen Rand der Prostata entnommen.
Sie trifft so meist einen Teil der peripheren Zone und einen Teil der Transitionalzone
und lässt einen großen Bereich der peripheren Zone lateral ohne Beurteilung. Die
Transitionalzone ist jedoch nur für einen sehr geringen Anteil der Karzinome verantwortlich.
Ist sie befallen, so ist meist auch die periphere Zone involviert. Es ist somit
sinnvoll, diese Zone auszusparen und mit einer einzelnen Stanze soviel Gewebe aus
der peripheren Zone zu entnehmen wie möglich. Eine Konsequenz daraus ist, nicht
eine Sextantenbiopsie mit zwei zusätzlichen lateral-äußeren Biopsien pro Seite zu
kombinieren, sondern pro Seite drei lateral-äußere Biopsien mit zwei zusätzlichen
medio-lateralen Biopsien zu kombinieren. Die drei lateral-äußeren Stanzen entnehmen
Proben, welche nur aus der peripheren Zone stammen, und somit ein Maximum von dem
Gewebe, welches am häufigsten befallen ist. Somit ist der von Fink et al. gemachte
Ansatz, zusätzliche Biopsien aus der lateral-äußern Zone zu entnehmen, richtig und
sinnvoll, stellt aber unserer Meinung nach nicht die optimale Biopsietechnik dar.
Prostatakarzinom, histologische Aufnahme 100x (Bild: Taschenatlas der Allgemeinen Pathologie, Thieme, 1998).
Weiterhin zeigt der Artikel, dass bei einer Wiederholungsbiopsie versucht werden
sollte, die Stanzen etwas anders zu positionieren, als man es routinemäßig in der
Erstbiopsie macht. Dies erlaubt den Teil zu untersuchen, der noch nicht mithilfe
der ersten Biopsieserie untersucht worden ist und erhöht somit die Wahrscheinlichkeit,
ein Karzinom zu finden. Dies gilt sowohl für die Sextantenbiopsie als auch für die
10-Core-Biopsie.
Aus unserer Erfahrung lässt sich sagen, dass sich die 10-Core-Biopsie mit der gleichen,
niedrigen Komplikationsrate und dem gleichen Grad an Verträglichkeit für den Patienten
durchführen lässt wie die Sextantenbiopsie. Sie senkt dabei durch die höhere Detektionsrate
die Anzahl der Patienten, bei denen ein Karzinom nicht mit der ersten Biopsie gesichert
werden kann und bei denen dann eine zweite Biopsieserie entnommen werden muss.
Die gezeigten Ergebnisse von Fink et al. werden auch von anderen Studien mit direktem
Patientenbezug bestätigt. Somit lässt sich abschließend zusammenfassen, dass die
Sextantenbiopsie zur Diagnostik des Prostatakarzinoms nicht mehr als Standardmethode
angesehen werden kann. Unserer Meinung nach sollte pro Biopsieserie als Standard
eine 10-Core-Biopsie mit drei Stanzen pro Seite aus der lateral-äußeren Zone und
2 Stanzen aus der medio-lateralen Zone entnommen werden.
Jochen Walz, Markus Graefen, Hamburg
Dritter Kommentar
Dritter Kommentar
Die von Hodge 1994 vorgestellte Sextantenbiopsie hat sich in den vergangenen 10
Jahren als Standardtechnik zur Karzinomdiagnostik etabliert. Trotzdem mehren sich
Publikationen, die die zusätzliche Entnahme von lateralen Biopsien als vorteilhaft
erachten. Bei diesen Arbeiten wurden zur Sextantenbiopsie zusätzliche Stanzen entnommen
und die entsprechende Detektion von Karzinomen ausgewertet. Naturgemäß können die
jeweiligen Autoren nach dieser Art der Untersuchung feststellen, dass die Detektion
verbessert ist, eine Aussage über die tatsächliche Sensitivität der verwendeten
Biopsietechnik ist jedoch nicht möglich, da die vorhandene Zahl an Karzinomen im
untersuchten Patientengut nicht bekannt ist.
Dies ist bei der zitierten Arbeit anders. Unsere Arbeitsgruppe etablierte erfolgreich
eine sonographisch gezielte Prostatabiopsie ex vivo an Präparaten, welche im Zuge
einer radikalen Prostatektomie gewonnen wurden. Hierbei ist die Prostata am Monitor
des Ultraschallgerätes genau so zu sehen, wie dies bei einer Untersuchung am Patienten
der Fall ist. Daher kann die Biopsienadel präzise in die angedachte Stelle der Prostata
geführt werden, wie dies auch am letzten Kongress der DGU 2003 in Hamburg als Videoclip
gezeigt wurde. Mit diesem Vorgehen ist es möglich, die Sensitivität - das ist die
Karzinomentdeckung in Prozent der vorhandenen Karzinome - für jede untersuchte Biopsietechnik
exakt zu bestimmen.
Nachdem üblicherweise beim Patienten mit einer negativen Biopsie eine weitere Biopsie
mit derselben Technik durchgeführt wird, untersuchten die Autoren nicht nur die
Karzinomentdeckung bei einer Sextantenbiopsie sowie bei der Entnahme zusätzlicher
Stanzen aus den lateralen Arealen, sondern auch bei der Wiederholung einer Sextantenbiopsie.
Hierbei zeigten sich die beschriebenen verblüffenden Resultate. Man bedenke: Eine
Sextantenbiopsie detektiert nur knapp mehr als die Hälfte der vorhandenen Karzinome.
Mit einer weiteren Sextantenbiospie lässt sich weniger als ein Drittel der ausständigen
Tumoren finden. Eine Biopsie mit neuerer Technik ist 2 Biopsien mit Standardtechnik
überlegen.
Man kann das Ergebnis auch anders beschreiben. Eine Biopsie mit 10 Stanzen ist besser
als die Entnahme von 12 Stanzen, sofern alle 10 Stanzen gezielt aus verschiedenen
Bezirken der Prostata entnommen werden. Es ist nicht sinnvoll, 6 Stanzen aus Gebieten
zu entnehmen, in denen schon einmal 6 Stanzen entnommen wurden.
Die Autoren beschreiben nicht nur die bessere Detektionsrate der 10-Stanzen-Biopsie.
Sie weisen auch auf die Tragweite für den Patienten durch eine verzögerte Diagnostik
und für das Gesundheitssystem durch den höheren Kostenaufwand bei Anwendung einer
Sextantenbiopsie hin.
Durch den vermehrten Einsatz von PSA hat die damit verbundene Früherkennung des
Prostatakarzinoms einen Wandel im Erscheinungsbild mit sich gebracht. Vor diesem
Hintergrund ist die Sextantenbiopsie ein unbestrittener historischer Markstein.
Diese Technik ist nun um die Entnahme von 2 Biopsien je Seite aus den lateralen
Anteilen der Prostata zu erweitern.
Auch mit der als vorteilhafter beschriebenen 10-Stanzen-Biopsie lassen sich nicht
alle Karzinome finden. 18% der Karzinome bleiben nach der ersten Biopsie unentdeckt.
Hier ist weitere Forschung angezeigt, um die verbliebenen Karzinome gezielt der
Diagnostik und adäquaten Therapie zuführen zu können.
Klaus G. Fink, Salzburg/Österreich
Literatur beim Autor