Der Alpha 1-Antitrypsin (AAT) Mangel wird durch Mutationen im Gen des AATs verursacht
und kann sich klinisch (in erster Linie) durch eine Schädigung von Leber und/oder
Lunge manifestieren [1]. In der Lunge kann der Mangel der Antiprotease zu einem proteolytischen Abbau von
Strukturproteinen führen, was die Entwicklung eines Lungenemphysems nach sich zieht.
Auf diesem Zusammenhang basiert die Proteasen-Antiproteasen-Hypothese zur Beschreibung
der Pathogenese der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Damit ist der
AAT-Mangel eine wichtige Modellerkrankung zum Verständnis der COPD. In diesem Artikel
sollen kurz Grundlagen der klinischen Versorgung von Patienten mit AAT-Mangel dargestellt
werden. Dabei werden die Tätigkeiten des kürzlich eröffneten AAT-Labors und des im
Aufbau befindlichen deutschen AAT-Registers am Klinikum der Philipps-Universität beschrieben.
Bei ungefähr 0,005 % der deutschen Bevölkerung und 2 % der Patienten mit einer COPD
liegt ein schwerer Mangel an AAT vor. Es gibt verschiedene Mutationen des AAT-Gens,
die zu einem Mangel an der Antiprotease führen können. Die häufigsten Mutationen sind
die S- und die Z-Mutation, die normale Form des Gens wird M genannt. Klassischerweise
besitzen Patienten mit schwerem Mangel an AAT die Konstellation PiZZ (Pi steht für
Proteinaseinhibitor). Es existieren allerdings eine Reihe weiterer seltener Mutationen,
die zu einem AAT-Mangel führen können [2]. Ein AAT-Mangel führt typischerweise zur Schädigung von Leber und/oder Lunge. Es
ist allerdings nicht bekannt, welcher Anteil von Patienten mit dem Genotyp PiZZ eine
solche Schädigung entwickelt. Tab. [1] fasst die klinischen Folgen eines AAT-Mangels kurz zusammen [3].
Tab. 1 Krankheiten und Syndrome des Kindes- und Erwachsenenalters, die mit dem Mangel an
AAT verbunden sind
|
Säuglings-/Kinderalter |
Erwachsenenalter |
Leberschäden
|
Neugeborenenikterus Cholestase |
Leberzirrhose Primäres Leberkarzinom |
Lungenschäden
|
- |
COPD |
Sonstiges
|
- |
Panniculitis M. Wegener |
Am Beginn der Diagnostik steht die Bestimmung der AAT-Serumkonzentration. Nach den
gerade erschienenen Empfehlungen der American Thoracic Society und der European Respiratory
Society [3] sollte bei allen Patienten eine quantitative Bestimmung des AAT-Spiegels und eine
Genotypisierung erfolgen, bei denen im relativ frühen Lebensalter ein Lungenemphysem
diagnostiziert wird - und zwar unabhängig von der Raucheranamnese. Weiter sollten
Geschwister und Kinder von Patienten mit AAT-Mangel und Personen getestet werden,
bei denen eine familiäre Häufung einer COPD-Erkrankung festgestellt wird. Schließlich
wird die Testung auch empfohlen für Patienten mit einem Verdacht auf ein Asthma bronchiale,
deren Bronchialobstruktion nur partiell reversibel ist. Alle relevanten Indikationen
für die Testung finden Sie in Tab. [2] [3]. Die Bestimmung der Serumkonzentration sollte durchgeführt werden, wenn Patienten
entzündungsfrei sind (negatives CRP), da AAT ein Akut-Phase-Protein ist. Bei erniedrigtem
AAT-Spiegel empfiehlt sich eine weiterführende Diagnostik mittels Phänotypisierung
(isoelektrische Fokussierung) und Genotypisierung (z. B. mittels Polymerase-Kettenreaktion).
Diese Untersuchungen können von verschiedenen Laboratorien durchgeführt werden. Wir
sind gegenwärtig in der glücklichen Lage diese Untersuchung als kostenlosen Service
anzubieten. Auf ein spezielles Filterpapier werden einige Tropfen Blut aufgebracht
und versandt. Wir führen eine isoelektrische Fokussierung und einen genetischen Test
auf das Vorliegen der S- oder Z-Mutation durch. In seltenen Fällen fordern wir weiteres
Material (EDTA-Blut, Serum) für weitergehende Untersuchungen an. Das Ergebnis wird
an den einsendenden Arzt zurückgesandt, der das Ergebnis mit seinem Patienten besprechen
kann. Die Adresse zur Anforderung eines Test-Kits ist unten angegeben.
Tab. 2 Indikationen zur Bestimmung der AAT-Konzentration im Serum als erster Schritt zum
Nachweis eines AAT-Mangels. Die Reihenfolge gibt die Wahrscheinlichkeit wieder, einen
erniedrigten AAT-Spiegel zu finden. Nach [3]
Nummer |
Empfehlung |
1 |
Fehlen der Alpha-1-Zacke in der Serumelektrophorese |
2 |
Emphysem bei jungen Patienten (unabhängig von der Raucheranamnese) |
3 |
Verwandte mit AAT-Mangel |
4 |
Dyspnoe und Husten bei mehreren Familienmitgliedern |
5 |
Lebererkrankung unklarer Ursache |
6 |
Alle Patienten mit COPD |
7 |
Erwachsene mit Bronchiektasen unklarer Genese |
8 |
Patienten mit Asthma mit unvollständiger Reversibilität unter Therapie |
9 |
Pannikulitis und -anti-Protease-3-Vaskulitis unklarer Genese |
Ein weiterer Focus unserer Bemühungen gilt dem Aufbau eines deutschen Registers für
Betroffene mit AAT-Mangel. Ursprünglich war an der Ruhrland-Klinik ein derartiges
Register eingerichtet worden. Dieses Register wird jetzt in Marburg weiterentwickelt
und mit dem europäischen Register vernetzt. Der wichtigste Grund ein Register für
eine seltene Erkrankung aufzubauen, ist mehr über die klinischen Manifestationen und
den Verlauf der Erkrankung zu lernen. Nur auf der Basis derartiger Daten können Verbesserungen
für die Diagnostik und Therapie erarbeitet werden. Außerdem besteht damit die Möglichkeit,
die Qualität der Versorgung zu analysieren und so Schwachstellen zu beheben. Mitte
Mai wurden die ersten Fragebogen an Betroffene verschickt. Das Ziel ist, innerhalb
der nächsten ein bis zwei Jahre 1000 Patienten in das Register aufzunehmen. Wir wenden
uns direkt an die Betroffenen, die in aller Regel sehr motiviert sind, am Register
mitzumachen. Der Fragebogen kann in ungefähr 20 Minuten beantwortet werden. Zur Beantwortung
von einigen Fragen ist die Mithilfe des behandelnden Arztes notwendig. Der Fragebogen
ist so gestaltet, dass die gewonnenen Daten mit dem internationalen Register der AIR
(Alpha 1-Antitrypsin Registry) kompatibel sind. Alle Eintragungen in das Register
sind komplett anonymisiert. Die Adressen werden separat gespeichert und nur dazu verwendet,
jährlich einen Follow-up-Fragebogen zu senden. Ein unabhängiger Beirat berät und kontrolliert
das Register. Diesem Beirat gehören Pneumologen, Gastroenterologen, Statistiker und
Vertreter von Patientengruppen an. Ein Ziel ist es, die Ergebnisse aus dem Register
in internationalen und nationalen Fachzeitschriften zu publizieren. Insbesondere streben
wir auch einen intensiven Informationsaustausch mit den Betroffenen an, von deren
Seite bereits viele Anregungen gekommen sind.
Weitere Informationen sind auf der Website unseres Klinikums zu finden: www.med.uni-marburg.de/d-einrichtungen/pneumologie/patienten.
Kits zur weiterführenden Diagnostik bei Verdacht auf Alpha-1-Antitrypsin-Mangel oder
Unterlagen zum Alpha-1-Antitrypsin-Register können angefordert werden:
PD Dr. Dr. Robert Bals
Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie
Baldingerstr. 1
35043 Marburg
Tel.: 06421/286 4994
Fax: 06421/286 8987
E-mail: alpha1@med.uni-marburg.de