Inhalt
Seite
Zusammenfassung
Einleitung
37
Ziele, Organisation des Projektes und Zeitplan
37
Zusammenfassung der wichtigsten Empfehlungen der Arbeitsgruppe zur Diagnose und Behandlung
des Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
38
Klinische Erkennung des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels
38
Genetische Testung auf Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
38
Lebererkrankungen
39
Andere Erkrankungen
40
Wirksamkeit der Substitutionstherapie
40
Allgemeines Management bei obstruktiver Atemwegserkrankung
40
Literatur
41
Lungenerkrankung
Erstellung dieses Dokuments
41
Einleitung
41
Epidemiologie
42
Pathophysiologie des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels
42
Labortests
44
Erkennung von Individuen mit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
45
Pathologie
46
Symptome
46
Klinische Befunde
47
Lungenfunktionsuntersuchungen
47
Bildgebende Verfahren (einschließlich Computertomographie und Ventilations-Perfusionstherapie)
48
Verlaufsparameter: FEV1 , Desmosine Computertomographie
49
Risikofaktoren
50
Krankheitsverlauf
51
Risiken der MZ- und SZ-Phenotypen für die Entwicklung von Lungenemphysem und COPD
53
Prognose
55
Prävention von Lungenerkrankung
55
Allgemeine medizinische Behandlung
56
Substitutionstherapie
56
Operative Maßnahmen
58
Spezielle Situationen
59
Zukünftige Richtung in der Forschung bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
59
Spezieller Forschungsbedarf bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
61
Literatur
62
Zur Zusammensetzung der Arbeitsgruppe siehe Tabelle am Ende der Arbeit. Dieses Statement wurde gemeinsam von einer Arbeitsgruppe der ATS/ERS entwickelt. Die
Veröffentlichung dieses Statements wurde zum Teil unterstützt durch die Alpha-1-Foundation
und durch Aventis Behring, LLC. Weitere Unterstützung erfolgte durch die American
Thoracic Society, die European Respiratory Socienty, das American College of Chest
Physicians und die American Association for Respiratory Care. Mitglieder des ad hoc Statement Komitees haben jegliche direkte kommerziellen Verbindungen
(finanzielle Verbindungen oder gesetzliche Verpflichtungen) offengelegt, die mit der
Vorbereitung dieses Statements verbunden sind. Die Information kann am ATS Headquarter
eingesehen werden. Darüber hinaus wurde ähnlich wie bei Lungenkrankheiten eine Arbeitsgruppe eingesetzt
zum Thema „Leber und andere Erkrankungen” und eine Arbeitsgruppe zum Thema „Genetische
Testung auf Alpha-1-Antitrypsin-Mangel: ethische, legale, psychologische, soziale
und ökonomische Aspekte”. Beide wurden nicht für die Übersetzung ins Deutsche vorgesehen.
Der interessierte Leser sei aber auf die beiden profunden Publikationen hingewiesen.
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Einleitung
Einleitung
Seit dem ersten Statement der American Thoracic Society zur Diagnose und Therapie
des schweren Alpha-1-Antitrypsin-Mangels im Jahre 1989 [1] und den ursprünglichen
Standards der Canadian Thoracic Society aus dem Jahre 1992 [2], (welche 2001 neu überarbeitet
wurden), [3], konnten wichtige Fortschritte im Verständnis der zellulären und molekularen
Biologie des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels und bei Diagnose, Verlauf und Behandlung
von Patienten mit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel erzielt werden. Diese neuen Erkenntnisse
zusammen mit der Fertigstellung zweier großer europäischer und nordamerikanischer
Longitudinal-Studien und einer kleinen randomisierten, kontrollierten Studie zur Substitution
mit Alpha-1-Antitrypsin haben uns wichtige, neue Einsichten vermittelt, die für die
klinische Behandlung von Individuen mit schwerem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel bedeutsam
sind.
Im Zusammenhang mit diesen neuen Entwicklungen wurde die Notwendigkeit gesehen, die
Empfehlungen zur optimalen Behandlung des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels zu überarbeiten;
dabei sollte unser derzeitiges Wissen von Diagnose und Behandlung für den praktizierenden
Kliniker zusammengefasst und die entscheidenden offenen Fragen zur weiteren Erforschung
der Erkrankung herausgearbeitet werden. Mit dieser Intention erfolgte 1998 die Gründung
einer Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines neuen Standarddokumentes zur Diagnose und
Behandlung von Individuen mit schwerem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel unter Führung der
American Thoracic Society und der European Respiratory Society und zusätzlicher Unterstützung
der Alpha-1-Foundation, des American College of Chest Physicians und der American
Association for Respiratory Care. Aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung wurden
vom „Office of Patient Care Services” des „Veterans Administration Technology Assessment
Program” alle Unterlagen zur Vorbereitung eines Evidenz basierten Dokumentes herausgesucht
und die Autoren bei der Literatursuche unterstützt.
Um mit den laufenden Standards zur Entwicklung einer Evidenz basierten Empfehlung
zur optimalen Behandlung Schritt zu halten, unternahm die Arbeitsgruppe eine systematische
Suche der laufenden Literatur zum Thema „Alpha-1-Antitrypsin-Mangel”. Es wurde große
Mühe darauf verwendet, die wissenschaftliche Evidenz für die jeweilige Stellungnahme
darzulegen, aber auch Bereiche aufzuzeigen, bei denen es keine oder wenig Evidenz
gab. Bei Fehlen jeglicher Evidenz wurden unter den Mitgliedern der Arbeitsgruppe die
Empfehlungen im Konsens erstellt.
Die vorliegende Zusammenfassung beschreibt in Kürze die Organisation der Arbeitsgruppe,
die Vorbereitung des Berichts und die wichtigsten klinischen Empfehlungen. In den
drei folgenden Abschnitten werden die kompletten, systematischen Berichte der drei
Autorengruppen zu den Themen „Lungenerkrankungen”, „Leber und andere Erkrankungen”
und „Genetische Testung auf Alpha-1-Antitrypsin-Mangel: ethische, legale, psychologische,
soziale und ökonomische Aspekte” widergegeben. Für die vorliegende Übersetzung ins
Deutsche wurde nur das Thema „Lungenkrankheiten” ausgewählt.
Ziele, Organisation des Projektes und Zeitplan
Ziele, Organisation des Projektes und Zeitplan
Ziel der Arbeitsgruppe Alpha-1-Antitrypsin-Mangel war es, für Ärzte und interessierte
Laien die gegenwärtige, wohl durchdachte Ansicht einer großen internationalen Expertengruppe
zur aktuellen Diagnostik und Behandlung von Personen mit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
vorzubereiten und darzustellen. Dabei wurde in Form eines systematischen Überblicks
ein Evidenz basierter Ansatz angewendet. Die Arbeitsgruppe berücksichtigte bei der
Evaluation alle klinischen Aspekte dieser Multiorganerkrankung unter Einschluss der
Manifestationen von Lunge, Leber und anderer Organe. Des weiteren wurden die Implikationen
ethischer, legaler, sozialer, psychologischer und ökonomischer Art im Zusammenhang
mit der genetischen Testung des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels thematisiert.
Eine Planungsgruppe wurde im Herbst 1997 zusammengerufen, nachdem die Unterstützung
und Finanzierung durch größere Sponsoren - die American Thoracic Society, die European
Respiratory Society und die Alpha-1-Foundation - feststand. Zusätzliche Unterstützung
kam von der Alpha-1-Foundation, dem American College of Chest Physicians und der American
Association for Respiratory Care. Mit ihrer Hilfe konnte das Planungskomitee die Mitglieder
der Arbeitsgruppe auswählen und das Projekt weiterführen.
Wie in Abb. [1 ] dargestellt, bestand die Arbeitsgruppe Alpha-1-Antitrypsin-Mangel aus einem Exekutive
Kommitee, drei unterschiedlichen Autorengruppen mit internationalen Experten und einem
Lenkungsausschuss, der zusammengesetzt war aus dem Exekutive Kommitee und den Vorsitzenden
der jeweiligen Autorengruppen. Die Vorbereitung der systematischen Literatursuche
wurde unterstützt von Mitgliedern des „Health Care Technology Assessment Program”
des „Department of Veterans Affairs”, die laufend die Literatur ergänzten und die
bei dem Projekt die Federführung auch in Sachen Literatursuche und bei der Methodik
der „evidence-based medicine” die Federführung übernahmen. Die American Thoracic Society
leistete administrative Hilfe.
Abb. 1 Struktur der „Alpha-1-Antitrypsin Deficiency Task Group”.
Abb. 2 Schematische Darstellung des Mechanismus, der zur Hemmung von neutrophiler Elastase
durch Alpha-1-Antitrypsin-(AAT)-Inhibitor führt. Die Rolle des AAT-Moleküls ist in
diesem Modell vergleichbar einer Mausefalle, in welche die Elastase (= Maus) zunächst
gelockt („Taking the bait”) und dann gefangen und zerstört wird („Entrapment and destruction”).
Biochemisch gesprochen greift dabei die Elastase zunächst das reaktive Zentrum der
Schleife des AAT (gelb) mit ihrem aktiven Serin (kleine rote Seitenkette) an und stellt
eine Verbindung zur Aminosäure an der Basis des reaktiven Zentrums des AAT (kleine
grüne Seitenkette) her. Die resultierende Spaltung der reaktiven Schleife ermöglicht
dem Molekül, in die Haupt-β-Hülle des AAT (rote Streifen mit Pfeilen) zurückzuschnellen.
Diese Bewegung - vergleichbar dem Zurückschlagen der gespannten Feder einer Mausefalle
- schleudert die anhaftende Elastase ans gegenüberliegende Ende des AAT-Moleküls,
verdreht dabei die aktive Stelle und ändert so die Struktur des Moleküls, so kann
es zerstört werden. Das aktive Zentrum des AAT-Moleküls ist MET358 . Wenn MET358 zu Methioninsulfoxid oder Sulfon oxidiert wird, ist die Hemmung der neutrophilen
Elastase durch AAT infolge der verminderten Assoziationskonstranten deutlich reduziert.
Die Oxidanzien im unteren Atemtrakt können dem Zigarettenrauchen entstammen, aber
auch der Umwelt, neutrophilen Granulozyten oder Makrophagen. Modifiziert mit der Erlaubnis
von Carrell und Lomas [295 ].
Die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe wurde im September 1998 festgelegt, zu diesem
Zeitpunkt begannen die Autorengruppen auch die Literatursuche und die Erstellung der
Dokumente, die dann anschließend vom Lenkungsausschuss durchgesehen wurden. Der Lenkungsausschuss
organisierte mehrere Telefonkonferenzen und fünf „face-to-face”-Treffen zwischen Herbst
1998 und Herbst 2001, zur Überprüfung der erarbeiteten Dokumente.
Die Dokumente der einzelnen Autorengruppen waren im Herbst 2001 abgeschlossen, wurden
zur endgültigen Stellungnahme dem Exekutivkomitee vorgelegt und anschließend an die
fördernden Organisation weitergegeben.
Die Gutachten waren im Juni 2002 abgeschlossen und die revidierten Dokumente wurden
im Herbst 2002 zur endgültigen Genehmigung eingereicht. Diese Genehmigung wurde durch
das American Thoracic Society im Dezember 2002 erteilt, zu diesem Zeitpunkt wurde
eine zusätzliche Literatursuche erstellt und eine letzte Aktualisierung des Dokumentes
erreicht.
Während das Exekutivkommitee bemüht war, Überlappungen zwischen den drei Dokumenten
zu vermeiden, führte das erklärte Ziel der Arbeitsgruppen, jedes der drei Dokumente
in sich abgeschlossen mit eigenem Schwerpunkt, eigenem Literaturverzeichnis und zusätzlichen
Tabellen und Abbildungen zu erstellen, unweigerlich zu einigen Überschneidungen.
Schließlich war der Arbeitsgruppe klar, dass angesichts weiterer Fortschritte in der
Forschung und damit auch der Weiterentwicklung unseres derzeitigen Wissensstands zum
Thema Alpha-1-Antitrypsin-Mangel und seiner optimalen Behandlung eine regelmäßige
Überarbeitung und Aktualisierung der Empfehlungen unumgänglich sind.
Zusammenfassung der wichtigsten Empfehlungen der Arbeitsgruppe zur Diagnostik und
Behandlung des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels
Zusammenfassung der wichtigsten Empfehlungen der Arbeitsgruppe zur Diagnostik und
Behandlung des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels
Klinische Erkennung des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels
Klinische Erkennung des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels
Nach den vorliegenden Erkenntnissen muss man annehmen, dass der PI*ZZ AAT-Mangel häufig
durch Kliniker in ungenügendem Ausmaß erkannt oder fehldiagnostiziert wird. Die folgenden
Hinweise sollten beim Arzt den Verdacht erwecken, dass sein Patient einen Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
haben könnte:
Früh-Manifestation eines Emphysems (Alter von 45 Jahren oder jünger)
Lungenemphysem in Abwesenheit von bekannten Risikofaktoren (Rauchen, berufliche Staubexposition,
etc.)
Emphysem mit vorwiegend basaler Lungenüberblähung
Anderweitig nicht erklärbare Lebererkrankung
Nekrotisierende Panniculitis
Anti-proteinase 3-positive Vaskulitis (C-ANCA = anti-neutrophile zytoplasmatische
Antikörper-positive Vaskulitis)
Familienanamnese mit einer der folgenden Erkrankungen: Lungenemphysem, Bronchiektasen,
Lebererkrankung oder Panniculitis
Bronchiektasen ohne erkennbare Ursache (siehe unten).
Es sei bemerkt, dass die Arbeitsgruppe sich der widersprüchlichen Aussagen von Studien
über den Zusammenhang von Bronchiektasen und Alpha-1-Antitrypsin-Mangel wohl bewusst
war und dass deswegen die Empfehlung, bei Patienten mit Bronchiektasen ohne erkennbare
Ursache auf Alpha-1-Antitrypsin-Mangel zu testen, ebenso akzeptiert wie abgelehnt
werden kann.
Genetische Testung auf Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
Genetische Testung auf Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
Wohl wissend, dass die Diagnose eines Alpha-1-Antitrypsin-Mangels bei der betroffenen
Person nicht unproblematisch ist (z. B. die psychologische Belastung oder die genetische
Diskriminierung bei Versicherungen), empfiehlt die Arbeitsgruppe dem Kliniker, die
Risiken abzuwägen und sie mit den zu testenden Personen zu besprechen (Serumspiegel
oder Phenotyp). Bei der Beurteilung der Nachdrücklichkeit ihrer Empfehlungen zur Testung
auf Alpha-1-Antitrypsin-Mangel kam die Arbeitsgruppe zu der Erkenntnis, dass die Testung
auf Alpha-1-Antitrypsin-Mangel zu vier verschiedenen klinischen Zwecken durchgeführt
werden kann: (1) zur diagnostischen Testung (z. B. um symptomatische oder anderweitig
betroffene Individuen zu herauszufinden), (2) zur prädispositionellen Testung (z.
B. um asymptomatische Personen, die ein erhöhtes Risiko eines Alpha-1-Antitrypsin-Mangels
haben, zu identifizieren), (3) die Feststellung des Trägerstatus zu eugenischen Zwecken
bei Kinderwunsch und (4) allgemeines Screening.
Die Empfehlungen zur genetischen Testung in speziellen Situationen wurden mit Typ
A bis Typ D gewichtet (siehe Tab. [1 ]). Jeder dieser Empfehlungstypen basierte auf dem Grad der Evidenz für die betreffenden
Umstände der Testung (z. B. die Genpenetranz beim Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, die
Prävalenz des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels in einer Population, die klinische Bedeutung
der Früherkennung, die Genauigkeit genetischer Tests, die Wirksamkeit der Behandlung,
die psychologischen und sozialen Auswirkungen und die ökonomische Kosten) und der
Gewichtung der Für und Wider-Argumente durch die Arbeitsgruppe. Nach dieser Graduierung
lauten die Empfehlungen für die vier Arten der genetischen Testung wie folgt:
Tab. 1 Klassifikation der Empfehlungen zum genetischen Testen
Typ
Empfehlung
A
genetische Testung wird empfohlen.
B
genetische Testung sollte erörtert werden und kann mit guten Gründen akzeptiert oder
abgelehnt werden.
C
genetische Testung wird nicht empfohlen (d. h. es sollte nicht zur Testung geraten
werden).
D
es wird empfohlen, die genetische Testung nicht durchzuführen (d. h. es sollte von
der Testung abgeraten werden).
Die Art der Empfehlung wurde von der Arbeitsgruppe nach subjektiver Wichtung aller
Gesichtspunkte, die für oder gegen eine genetische Testung sprechen, erstellt. Das
Gewicht, welches jedem Punkt zugewiesen wird, hängt ab vom Evidenz-Grad jedes einzelnen
Punktes. Dementsprechend basiert die Empfehlung zur genetischen Testung sowohl auf
dem Evidenz-Grad jedes Punktes als auch auf dem Konsens der Experten darüber, wie
stark jeder Punkt für oder gegen eine genetische Testung spricht. Die Klassifizierung der Empfehlungen sollte nicht verwechselt werden mit den Schemata
zur Graduierung der Evidenz-Qualität, welche, wie in anderen, hier nicht aufgeführten
Dokumenten ebenfalls die Buchstaben-Bezeichnung benutzt (Tab. [1a ]).
Tab. 1a Evidenz-Grade
Grad
Beschreibung
I
Evidenz, die aus wenigstens einer richtig angelegten, randomisierten und kontrollierten
Studie stammt.
II-1
Evidenz, die aus gut angelegten und kontrollierten Studien ohne Randomisierung stammt.
II-2
Evidenz, die aus gut angelegten Kohorten- oder Fallkontrollstudien stammt, vorzugsweise
aus mehreren Zentren oder mehreren Forschergruppen.
II-3
Evidenz, die aus Studien aus verschiedenen Zeitabschnitten mit oder ohne Intervention
stammt. Eindeutige Ergebnisse bei unkontrollierten Versuchen (so wie beispielsweise
die Einführung der Penicillin-Behandlung in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts)
könnten zur gleichen Evidenz führen.
III
Meinungen angesehener Autoritäten, auf klinischer Erfahrung basierend, beschreibende
Studien und Fallberichte.
Nach der U.S. Preventive Service Task Force [1 ]. Bekanntlich gibt es auch andere Wichtungen, um Evidenz-Grade festzulegen (z. B. WHO/NHLBI
GOLD Reports; siehe http://www.goldcopd.com/workshop/intro.html).
1. Diagnostische Testung
Eine Typ A-Empfehlung zur diagnostischen Testung wurde unter folgenden Voraussetzungen
ausgesprochen:
Symptomatische Erwachsene mit Lungenemphysem, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung
(COPD) oder Asthma mit - trotz intensiver Therapie mit Bronchodilatantien - ungenügend
reversibler Atemwegsobstruktion. (Bei einer Bevölkerung mit deutlich niedrigerer Prävalenz
des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels als in Nordamerika oder Nordeuropa ist eine Typ B-Empfehlung
zur diagnostischen Testung auszusprechen).
Personen mit Lebererkrankungen unklarer Genese, einschließlich Neugeborener, Kinder
und Erwachsener, besonderes älterer Erwachsener.
Asymptomatische Personen mit persistierender Atemwegsobstruktion in der Lungenfunktion
und identifizierbaren Risikofaktoren (z. B. Zigarettenrauchen, berufliche Exposition).
Erwachsene mit nekrotisierender Panniculitis.
Eine Typ B-Empfehlung zur diagnostischen Testung wurde in der folgenden Situation
empfohlen:
Erwachsene mit Bronchiektasen ohne eindeutige Ursache.
Heranwachsende mit persistierender Atemwegsobstruktion.
Asymptomatische Personen mit persistierender Atemwegsobstruktion, aber ohne Risikofaktoren.
Erwachsene mit C-ANCA-positiver (anti-proteinase 3-positive) Vasculitis.
Eine Typ C-Empfehlung zur diagnostischen Testung wurde ausgesprochen bei:
2. Prädispositionale Testung
Eine Typ A-Empfehlung wurde ausgesprochen für:
Eine Typ B-Empfehlung wurde ausgesprochen für:
Personen mit einer Häufung von COPD oder Lebererkrankung in der Familienanamnese,
bei der nicht bekannt ist, ob sie mit einem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel in Zusammenhang
steht.
Entfernte Verwandte einer Person mit einem homozygoten Alpha-1-Antitrypsin-Mangel.
Nachkommen oder Eltern eines Betroffenen mit homozygoten Alpha-1-Antitrypsin-Mangel.
Zwillinge, Nachkommen, Eltern oder entfernte Verwandte einer Person mit einem heterozygoten
Alpha-1-Antitrypsin-Mangel.
Eine Typ D-Empfehlung wurde ausgesprochen für:
3. Bestimmung des Trägerstatus bei eugenischer Beratung und Kinderwunsch
Eine Typ B-Empfehlung wurde vorgeschlagen für:
Personen mit einem hohen Risiko einer Erkrankung auf dem Boden eines Alpha-1-Antitrypsin-Mangels
Partner von Personen mit homozygoten oder heterozygoten Alpha-1-Antitrypsin-Mangelträgern,
auch wenn sie selbst kein Risiko eines Alpha-1-Antitrypsin-Mangels haben.
4. Allgemeines Screening
Eine Typ D-Empfehlung wurde vorgeschlagen für:
D. h., ein allgemeines Screening wird derzeit nicht empfohlen. Eine Ausnahme zum allgemeinen
Screening (Typ B-Empfehlung) könnte möglicherweise bei Ländern gemacht werden, die
drei Bedingungen erfüllen:
die Prävalenz des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels ist hoch (ungefähr 1/1 500 oder mehr),
Rauchen ist häufig und
adäquate Beratungsdienste sind verfügbar.
Eine Typ C-Empfehlung wurde ausgesprochen für:
Lebererkrankung
Lebererkrankung
Die Arbeitsgruppe kommt zu folgenden Ergebnissen und Empfehlungen für Personen mit
Alpha-1-Antitrypsin-Mangel beim Auftreten von Lebererkrankung:
Die Erkrankung der Leber ist bedingt durch eine Ansammlung von polymerisiertem Alpha-1-Antitrypsin,
dieses bildet charakteristische, PAS-positive Einschlüsse bei Patienten mit Z- und
einigen anderen Allelen (z. B. Siiyama , Mmalton ). Diese Einschlusskörperchen finden sich innerhalb der Leberzellen und können nicht
sezerniert werden. Andere Mangel-Allele (z. B. die Nullvarianten oder S) prädisponieren
nicht zur Erkrankung der Leber.
Der „Goldstandard” zur Diagnostik des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels ist die Serumphänotypisierung
durch isoelektrische Fokussierung, welche in einem erfahrenen Labor durchgeführt werden
sollte. Eine Leberbiopsie ist zur Diagnostik des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels nicht
indiziert. Die Leberbiopsie sollte nur zur Stadiierung bei Personen mit eindeutiger
klinischer Lebererkrankung vorgenommen werden. Umgekehrt sollte der zufällige Befund
von PAS-positiven Einschlusskörperchen in der Leberbiopsie den Verdacht auf einen
Z-Allel oder anderen seltenen Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, verbunden mit intrahepatischen
Einschlusskörperchen, lenken.
Die meisten Patienten mit einem PI*ZZ Alpha-1-Antitrypsin-Mangel sind in der Kindheit
klinisch gesund, haben aber in den ersten Lebensjahren pathologische Leberenzyme im
Serum. Der PI*ZZ-Phenotyp ist eine häufige Ursache der neonatalen Cholestase. Trotz
spontaner Besserung bei der Mehrzahl der Betroffenen stellt der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
eine häufige Indikation zur Lebertransplantation in der Kindheit dar. Die Leberzirrhose
kann bei Individuen mit PI*ZZ Alpha-1-Antitrypsin-Mangel in jedem Alter klinisch manifest
werden, am häufigsten wird sie bei älteren Nierauchern beobachtet, die, ohne ein schweres
Lungenemphysem zu entwickeln, länger leben und dadurch erst „ihre Leberzirrhose erleben”.
Mit Ausnahme des niedrigen Plasma-Alpha-1-Antitrypsin-Spiegels unterscheiden sich
weder Laborwerte noch klinischer Befund der Betroffenen von denen bei Leberzirrhose
anderer Ätiologie.
Männer mit PI*ZZ Alpha-1-Antitrypsin-Mangel haben ein größeres Risiko eine Leberzirrhose
zu entwickeln, es gibt jedoch keine eindeutigen Hinweise, dass weitere Risikofaktoren
wie Virushepatitis oder Alkoholabusus eine Rolle spielen.
Bei Personen mit heterozygoten Z-Allel ist das Risiko, eine Leberzirrhose zu entwickeln,
sehr viel niedriger. Hierbei kann ein toxischer Leberschaden (Alkohol, Virus, insbesondere
Hepatitis C) ein zusätzliches Risiko sein.
Bei heterozygoten Patienten mit aktiver Lebererkrankung oder Vaskulitis ist der Alpha-1-Antitrypsin-Spiegel
im Plasma häufig normal; die Diagnose bei Personen mit möglichem heterozygoten PI*Z
muss daher mittels isoelektrischer Fokussierung gestellt werden.
Eine spezifische Therapie der Lebererkrankung bei Patienten mit ausgeprägtem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
gibt es derzeit nicht, außer der Lebertransplantation; die intravenöse Substitutionstherapie
mit α1 -Antiprotease bringt verständlicherweise keine Vorteile für die Lebererkrankung.
Obwohl es keine eindeutige Evidenz für eine optimale Strategie zur Nachsorge und Prävention
gibt, empfiehlt die Arbeitsgruppe, dass das klinische Management von Personen mit
Alpha-1-Antitrypsin-Mangel und Lebererkrankung folgendermaßen gestaltet werden sollte:
Hepatitis A- und B-Impfung, regelmäßige klinische Untersuchung mit Leberfunktionstests
und Ultraschall. Bei älteren Personen (d. h. 50 Jahre oder älter) mit dekompensierter
Leberzirrhose auf dem Boden eines Alpha-1-Antitrypsin-Mangels und einem erhöhten Risiko
eines Leberzellkarzinoms werden regelmäßige Computertomogramme zur Darstellung der
Leber empfohlen. Andere Tests, wie z. B. Bestimmung des α-Fetoproteins, sind für die
Früherkennung eines Leberzellkarzinoms nicht sensitiv genug.
Bei älteren Personen mit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, die keine Lebersymptome haben,
empfiehlt sich die regelmäßige Untersuchung mit einfachen Leberfunktionstests.
Andere Erkrankungen
Andere Erkrankungen
Neben dem Lungenemphysem und den chronischen Lebererkrankungen besteht nach heutigem
Wissen eine Beziehung zwischen Alpha-1-Antitrypsin-Mangel einerseits und nekrotisierender
Panniculitis und C-ANCA-positiver Vaskulitis (d. h. Wegener's Granulomatose) andererseits.
Eine Assoziation mit anderen Gefäßerkrankungen (z. B. intrakraniales Aneurysma, Bauchaortenaneurysma),
Pankreatitis oder Zöliakie kann nicht angenommen werden.
Wirksamkeit der Substitutionstherapie
Wirksamkeit der Substitutionstherapie
In der Erkenntnis, dass die Wirksamkeit der Substitutionstherapie sich auf übereinstimmende
Beobachtungsstudien stützt, aber nicht auf randomisierte, kontrollierte klinische
Studien, empfiehlt die Arbeitsgruppe die intravenöse Substitutionstherapie bei Patienten
mit nachgewiesener Atemwegsobstruktion infolge eines AAT-Mangels. Die Evidenz, dass
die Substitutionstherapie von Nutzen ist (d. h. den Abfall der FEV1 verlangsamt und die Mortalität reduziert) ist eindeutiger bei Patienten mit mittelschwer
ausgeprägter Atemwegsobstruktion (d. h. FEV1 35 - 60 % des Sollwertes) als bei Patienten mit schwerer Atemwegsobstruktion. Die
Substitutionstherapie wird derzeit nicht für Personen empfohlen, die kein Lungenemphysem
haben. Der Nutzen einer Substitutionstherapie für Patienten mit schwerer (FEV1 ≤ 35 % des Sollwertes) oder leichter (FEV1 ≥ 50 - 60 % des Sollwertes) Atemwegsobstruktion ist weniger eindeutig nachgewiesen.
Der Nutzen einer Substitutionstherapie bei Patienten nach Lungentransplantation bei
AAT-Mangel ist nicht eindeutig belegt. Eindeutige Empfehlungen sind deswegen nicht
möglich. Es gibt jedoch Beobachtungen, dass sich bei Patienten nach Lungentransplantation
während Entzündungen der Lunge freie Elastaseaktivität in der epithelialen Flüssigkeit
findet, z. B. während einer akuten Abstoßungsreaktion oder bei pulmonalen Infekten.
In Zusammenschau aller verfügbaren Daten zu diesem Thema spricht sich die Arbeitsgruppe
dafür aus, die Substitutionstherapie bei lungentransplantierten Patienten während
solcher Episoden durchzuführen.
Allgemeines Management bei obstruktiver Atemwegserkrankung
Allgemeines Management bei obstruktiver Atemwegserkrankung
Das optimale Management von Individuen mit AAT-Mangel sollte in der stabilen Phase
viele der Interventionen beinhalten, die für Patienten mit Lungenemphysem ohne AAT-Mangel
empfohlen werden, einschließlich:
Inhalation von Bronchodilatatoren.
Präventionen inform der Influenza- und Pneumococcus-Impfung.
Sauerstofflangzeittherapie, sofern die Indikation nach den üblichen Kriterien gegeben
ist, auch während Flugreisen.
Pulmonale Rehabilitation für Patienten mit funktioneller Beeinträchtigung.
In Betrachtziehen der Lungentransplantation bei ausgewählten Personen mit schwerer
Funktionsstörung und Atemwegsobstruktion.
Während einer akuten Exazerbation der COPD sollte das Management die übliche Therapie,
wie sie auch bei Patienten mit normalem AAT-Spiegel durchgeführt wird, beinhalten
(z. B. Stoßtherapie mit systemischen Corticosteroiden, maschinelle Beatmung, wenn
indiziert). Da die Lunge des Patienten mit AAT-Mangel jedoch bei jeder akuten Infektion
durch eine erhöhte Elastase-Belastung bedroht ist, empfiehlt die Arbeitsgruppe eine
frühzeitige antibiotische Therapie bei allen eitrigen Exazerbationen.
Die Evidenz zur Wirksamkeit der operativen Lungenvolumenreduktion (eventuell mit Resektion
der Unterlappen) bei Patienten mit AAT-Mangel ist begrenzt. Sie besagt, dass eine
Verbesserung von Dyspnoe, Lungenfunktion und Funktionsstatus möglich ist. Es gibt
jedoch keine eindeutigen Selektionskriterien für den idealen Kandidaten, außerdem
ist der Nutzen einer operativen Lungenvolumenreduktion bei Patienten mit AAT-Mangel
offensichtlich von kürzerer Dauer als bei Patienten mit COPD ohne AAT-Mangel.
Literatur
Literatur
1 American Thoracic Society. Guidelines for the approach to the patient with severe
hereditary alpha1 -antitrypsin deficiency. Am Rev Respir Dis 1989; 140: 1494 - 1497
2 Ad hoc Committee on Alpha1-Antitrypsin Replacement Therapie, Standards Committee of
the Canadian Thoracic Society. Current status of alpha1 -antitrypsin replacement therapy: recommendations for the management of patients with
severe hereditary deficiency. CMAJ 1992; 146: 841 - 844
3 Abboud RT, Ford GT, Chapman KR et al. Alpha1 -antitrypsin deficiency: a position statement of the Canadian Thoracic Society. Can
Respir J 2001; 8: 81 - 88
Lungenerkrankung
Lungenerkrankung
Erstellung dieses Dokumentes
Erstellung dieses Dokumentes
Dieses Dokument wurde von einem internationalen Komitee mit Repräsentanten der American
Thoracic Society, der European Respiratory Society und des American College of Chest
Physicians erstellt. Es will ein autoritativer Führer für Ärzte und andere Personen,
die im Gesundheitswesen arbeiten, sein und unser derzeitiges Verständnis des Alpha-1-Antitrypsin-
(AAT-) Mangels mit den vorhandenen Möglichkeiten in Diagnostik und Therapie darlegen.
Die Literatursuche beinhaltete Veröffentlichungen seit 1963. Zur Information über
die klinische Manifestation einschließlich der radiologischen Charakteristika, Risikofaktoren
und Therapie wurden Studien mit den größten Patientenzahlen ausgewählt. Die Evidenz
für klinische Charakteristika, Risikofaktoren und therapeutische Empfehlungen wurde
der Qualität entsprechend nach den „U. S. Preventive Service Task Force (siehe Tab.
[1 ])” gewichtet [1 ].
Einleitung
Einleitung
Der AAT-Mangel ist eine erst vor kurzem entdeckte erbliche Veranlagung, erstmals im
Jahre 1963 beschrieben [2 ]. Dank einer intensiven Forschung in den vergangenen 40 Jahren konnten detaillierte
Kenntnisse zu strukturellen und genetischen Veränderungen, Pathophysiologie des Lungenemphysems
und der Lebererkrankung sowie Ansatzpunkte zur Therapie des Mangelzustandes und Behandlung
der damit zusammenhängenden Erkrankung gewonnen werden.
Der schwere Mangel dieses Proteins in Serum und Gewebe, die Lunge eingeschlossen,
ist das Ergebnis der Vererbung von zwei Protease-Inhibitor-Mangel-Allelen des AAT-Gens;
dieses ist auf dem Chromosomsegment 14q31 - 32.3 lokalisiert [3 ]
[4 ]. Unter den Mangel-Allelen ist PI*Z am häufigsten. In seiner homozygoten Form (PI*ZZ)
hat dieser Defekt niedrige AAT-Serum Konzentration zur Folge, gewöhnlich unter 50
mg/dl (weniger als 11 µM) [5 ]. Das Lungenemphysem vom panazinären Typ ist das häufigste klinische Korrelat dieses
Mangelzustandes und der Hauptgrund für Invalidität und Tod [6 ]. Die zweithäufigste klinische Komplikation ist die Lebererkrankung, die sich gewöhnlich
im Kindesalter als Cholestase, die bis zur Adoleszenz spontan rückläufig ist, manifestiert
[7 ]
[8 ]. Neuste Ergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass Leberzirrhose und Leberkarzinom
bei ungefähr 30 - 40 % der Patienten mit ATT-Mangel im Alter von über 50 Jahren vorkommen
und bei Nichtrauchern mit PI*ZZ-Phenotyp eine wesentliche Todesursache darstellen
[9 ]
[10 ]
[11 ].
AAT ist der wichtigste Protease-Inhibitor im Serum. Es zirkuliert normalerweise im
Serum in Konzentration von 120 - 200 mg/dl und wurde wegen seiner Eigenschaft, Trypsin
zu hemmen, so benannt. Seine hauptsächliche biologische Rolle besteht jedoch darin,
neutrophile Elastase (NE) zu hemmen, ein Enzym, das Elastin, aber auch Basalmembranen
und andere Matrixkomponenten abbaut [12 ]
[13 ].
AAT wird von den Hepatozyten der Leber synthetisiert und gehört zur Familie der Serpine
(Serin-Protease-Inhibitor). Die Z-Variante des Moleküls, welche der am häufigsten
mit Lungenerkrankung assoziierte Phenotyp ist, geht mit einer normalen mRNA und Syntheserate
des Antitrypsins einher, aber nur 15 % des AAT werden in die Zirkulation freigesetzt.
Der Defekt beruht darauf, dass ungefähr 85 % des synthetisierten AAT in den terminalen
sekretorischen Abschnitten der Hepatozyten blockiert werden [14 ]. Man kann diese „steckengebliebenen Ansammlungen” als große intrazelluläre Einschlusskörperchen
im Zytoplasma der Hepatozyten sehen. Bei der Null-Variante des AAT-Mangels, bei der
überhaupt kein AAT-Protein gebildet wird, sieht man keine Einschlusskörperchen, und
Lebererkrankungen sind nicht berichtet worden.
Durch die Technik der isoelektrischen Fokussierung gelang es, ungefähr 100 genetische
Varianten des AAT zu identifizieren. Die alphabetische Benennung dieser Varianten
basiert auf ihrer Beweglichkeit im elektrischen Feld bei einem alkalischen pH-Wert.
Die schnell wandernden Varianten werden mit den ersten Buchstaben und die langsameren
mit den letzten Buchstaben des Alphabets bezeichnet. Die Z-Variante ist also die langsamste
Variante. Der häufigste normale Phenotyp ist das PI*MM (mit einer mittleren Beweglichkeit);
er findet sich bei 95 - 96 % der weißen Rasse [15 ]
[16 ]. Ungefähr 2 - 3 % der weißen Bevölkerung sind heterozygot (PI*MZ). Auch in Fernost
und Afrika wurden Alpha-1-Antitrypsin-Mangelzustände berichtet, sie sind aber relativ
selten [17 ]
[18 ].
Auf der Basis großer Übersichtsstudien zur weltweiten Häufigkeit des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels
schätzt de Serres, dass auf der ganzen Welt etwa 117 Millionen Menschen einen PI*MS-
und PI*MZ-Phenotyp aufweisen und 3,4 Millionen einen PI*ZZ-, PI*SZ- oder PI*SS-Phenotyp
[19 ]
[20 ]
[21 ].
Epidemiologie
Epidemiologie
Aufgrund der niedrigen Frequenz des PI*ZZ-Phenotyps in der Allgemeinbevölkerung sind
harte Daten zur Prävalenz der betroffenen Personen schwer zu bekommen. Es wurde jedoch
eine Reihe von Screening-Untersuchungen durchgeführt (siehe Appendix 2).
Die Prävalenz des AAT-Mangels bei Neugeborenen wurde in großen Bevölkerungsstudien
untersucht. Das Screening aller Neugeborenen in Schweden in den Jahren 1972 - 1974
ist die umfassendste aller Untersuchungen [20 ]. Von den 200 000 Kindern dieser Studie hatten 127 einen PI*ZZ-Phenotyp, was einer
Prävalenz von ungefähr 1 : 1 600 Neugeborenen entspricht. In anderen Studien aus Oregon
[21 ] St. Louis [22 ] und New York [23 ] wurden Prävalenzen von 1 : 5 097, 1 : 2 857 und 1 : 3 694 bestimmt.
Studien aus verschiedenen Regionen Europas zeigten eine große Variation in der Frequenz
der Z-Gene in verschiedenen Ländern [24 ]. Die Gen-Frequenz für das PI*Z-Allel ist am höchsten in den nordwestlichen Küstenländern
Europas, und es hat den Anschein, als hätte sich die Mutation dieses Allels im südlichen
Skandinavien ereignet [24 ]. In den Vereinigten Staaten ist deswegen die Frequenz des Z-Gens am höchsten bei
Personen, die aus den nördlichen und westlichen Ländern Europas stammen [25 ].
Die Verteilung des S-Typs ist unterschiedlich; die Genfrequenz ist am höchsten auf
der Iberischen Halbinsel und wahrscheinlich hat die Mutation in dieser Region stattgefunden
(siehe Tab. [2 ]). [24 ].
Tab. 2 Geschätzte Gen-Frequenzen und Prävalenz für die S- und Z-Allele und Phänotypen in
Europa und in den Vereinigten Staaten
Geschätzte Prävalenz (%)
Geschätzte Gen-Frequenz (per 1 000)
Europa
Vereinigte Staaten
Allele
Europa
USA
homozygot
heterozygot4
homozygot
heterozygot5
S1
1 - 9
2 - 4
0,01 - 2
4 - 11
0,05
3 - 8
Z2
2 - 243
1 - 2
0,02 - 0,06
2 - 55
0,02 - 0,04
2 - 45
Daten aus den Literaturhinweisen [22 ]
[25 ]
[297 ].
1 In Europa ist die Gen-Frequenz für das S-Allel auf der Iberischen Halbinsel am höchsten
und in Skandinavien am niedrigsten. In den Vereinigten Staaten ist die Gen-Frequenz
für das S-Allel bei der einheimischen spanischen Bevölkerung am häufigsten.
2 In Europa werden die höchsten Z-Gen-Frequenzen in Nordwesteuropa und die niedrigsten
in Osteuropa und auf der Iberischen Halbinsel gefunden. In den Vereinigten Staaten
ist die Genfrequenz in der Bevölkerung, die aus Nord- oder Westeuropa stammt, am höchsten.
3 Die Z-Gen-Frequenz ist bei Lappen und Basken praktisch null.
4 Die Prävalenz des SZ-Phänotyps wird in den USA bei der einheimischen Bevölkerung
mit 0,2 %, in Europa mit 0,02 - 0,3 % angegeben.
5 Höhere Frequenz als Allel-Frequenz, weil Bestimmungs-Bias in einer Population mit
chronisch obstruktiver Lungenerkrankung.
Die Ergebnisse von Studien zur Prävalenz von PI*ZZ bei Patienten mit der Diagnose
einer chronischen obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) werden in Appendix 3 zusammengefasst.
Der Prävalenzbereich ist im Allgemeinen niedrig und variabel, abhängig vom untersuchten
Patientenkollektiv, für PI*ZZ variiert er zwischen 1 - 4,5 % und für MZ kann er bis
zu 17,8 % betragen.
Pathophysiologie des AAT-Mangels
Pathophysiologie des AAT-Mangels
AAT ist ein 52-kD großes, einkettiges Glykoprotein, das aus 394 Aminosäureresten und
3 mit Asparagin verbundenen Kohlenhydrat-Seitenkettenkomplexen besteht. Das ATT-Gen
misst 12,2 kb auf dem menschlichen Chromosom 14q31 - 32.3 und ist unterteilt in drei
nicht-kodierende (1a, 1b und 1c) Exons und vier (2, 3, 4 und 5) kodierende Exons.
Die aktive Stelle des Proteins ist ein einzelnes Peptidband Met385 -Ser359 in der AAT-Sequenz und ist enkodiert im Exon 5. Hepatozyten sind die Hauptproduktionsstätte
des AAT, aber auch andere Zellen, mononukleare Phagozyten und intestinale sowie epitheliale
Zellen der Lunge können dieses Protein synthetisieren. Die Hauptfunktion des AAT ist
es, eine Reihe von Serinproteinasen zu hemmen, aber kinetische Studien haben gezeigt,
dass das bevorzugte Ziel des AAT die neutrophile Elastase (NE), eine omnipotente extra-zelluläre
29-kD Endopeptidase, ist. Die Hemmung vollzieht sich durch Formation eines stabilen
1 : 1 äquimolaren Komplexes, in dem die Proteinase an die aktive Seite des AAT-Moleküls
gebunden wird [26 ] (s. Abb. [2 ], welche die molekulare Interaktion der Hemmung darstellt).
Der menschliche neutrophile Granulozyt enthält und sezerniert auch eine zweite potente
Elastase, die so genannte Proteinase -3 (PR-3). PR-3 ist ebenfalls eine Serum-Proteinase
und spaltet Elastin in vitro. PR-3 verursacht ein Lungenemphysem, wenn man es bei
Hamstern intratracheal appliziert [27 ]. Die NH2 -terminale Aminosäuresequenz von PR-3 ist identisch mit der des Ziel-Antigens, des
anti-neutrophilen, zytoplasmatischen Autoantikörpers, welcher mit der Wegener's Granulomatose
assoziiert ist (auch Anti-Protenase-3-positiven Vaskulitis im vorliegenden Dokument
genannt) [28 ]. Proteinase-3 wird durch AAT gehemmt und durch α2 -Makroglobulin, aber nicht durch den sekretorischen Leukoprotease-Inhibitor (slipi)
[28 ].
AAT ist ein sehr pleiomorphes Protein, d. h. es hat einen pleiomorphen Genlokus mit
ungefähr 100 Allelen, die bisher identifiziert wurden, widerspiegelnd. Die Varianten
werden ebenfalls kodominant vererbt und entsprechend der Systematik der Protease-Inhibitoren
(PI) klassifiziert, wie durch die Plasma-isoelektrische Fokussierung definiert.
AAT-Genotypen, die mit einem erhöhten Risiko zur Entwicklung eines Lungenemphysems
einhergehen, sind diejenigen, bei denen das Mangel- oder Null-Allel in homozygotem
oder heterozygotem Zustand kombiniert ist und die AAT-Plasmaspiegel kodieren, die
unter der protektiven Schwelle liegen, also unter 11 µmol/L [29 ]. Auf der Basis der Plasmaspiegel und der Funktion des AAT, können die Varianten
nach folgendem Schema eingeteilt werden:
Normal: Die üblichen M-Typen, wie sie bei 95 % der weißen Rasse gefunden werden. Sie sind
charakterisiert durch normale Plasmaspiegel (> 20 µmol/L).
Mangelzustand: Charakterisiert durch Plasmaspiegel < 20 µmol/L. Die Z-Variante des AAT ist der häufigste
Mangeltyp, mit Plasmaspiegel von 5 - 6 µmol/L bei homozygoten Trägern. Dagegen ist
die S-Variante häufiger in mediterranen Ländern. Sie geht bei Homozygoten mit Plasmaspiegel
um ungefähr 60 % der Norm einher. Andere seltene Mangeltypen werden eingruppiert als
„M-ähnliche-” oder „S-ähnliche”-Typen.
Nullvariante: Eine seltene Form, die mit keinerlei nachweisbaren AAT zirkulierenden Plasma einhergeht.
Dysfunktionale Variante: Hier sei z. B. das AAT Pittsburgh genannt, bei dem aus einem Elastase-Inhibitor ein
Thrombin-Inhibitor wurde [30 ] oder die PI*F-Variante, die mit einer deutlich reduzierten Affinität zu Elastasen
gekennzeichnet ist [31 ].
Die Gene oder Proteinsequenzen der häufigsten Varianten sind bekannt. Die Mechanismen
der häufigsten AAT-Mangelzustände hängen zusammen mit den strukturellen Veränderungen
des Z-AAT, welches unter physiologischen Bedingungen seine reaktive Schleife spontan
in ein β-Hüllenpolymer transformiert [32 ]. Polymere mit identischem Erscheinungsbild konnten aus Lebern von Patienten mit
PI*ZZ isoliert werden.
Die Pathogenese des Lungenemphysems bei AAT-Mangel, aber auch bei Personen mit normalem
AAT-Spiegel als Folge des Zigarettenrauchens wird mit einer Imbalance von Proteasen
und Antiproteasen erklärt.
Die Hypothese der Proteasen-Antiproteasen-Imbalance geht davon aus, dass das Lungenemphysem
bei AAT-Mangel durch eine Imbalance zwischen dem Anti-Elastasen-Schutz der Lunge auf
der einen und einer exzessiven Aktivität von Leukozyten-Elastasen auf der anderen
Seite entsteht, mit der Folge der Zerstörung von Elastin und anderer Komponenten der
extrazellulären Matrix im unteren Respirationstrakt. Diese Hypothese basiert auf der
Erkenntnis, dass das AAT der wichtigste Anti-Elastase-Schutz des Alveolarraums ist,
und dass Personen mit schwerem AAT-Mangel keinen oder wenig AAT in ihren Alveolen
haben und daher Gefahr laufen, ein destruktives Emphysem zu entwickeln [33 ]. Die Evidenz für die Richtigkeit der These von der Protease-Antiprotease-Imbalance
hat sich über die letzten Jahre durch eine Reihe experimenteller Daten bestätigen
lassen.
Bei Untersuchung großer Patientenkollektive konnte klar gezeigt werden, dass weniger
als 60 % der Individuen mit schwerem AAT-Mangel eine deutliche Atemflusslimitation
entwickeln [6 ]. Das bedeutet, dass in vielen Fällen der AAT-Mangel allein nicht ausreicht, ein
Lungenemphysem zu verursachen [34 ]. Es wurde auch vermutet, dass ein Lungenemphysem dann entsteht, wenn die Reparaturmechanismen
der elastischen Faser durch eine massive Elastasen-Attacke aus Entzündungsreaktionen
außer Kraft gesetzt werden [35 ].
Ein wesentlicher pathogenetischer Faktor bei der Entstehung des Lungenemphysems ist
der Zigarettenrauch; er enthält Oxidanzien, die wiederum AAT inaktivieren können indem
sie die aktive Stelle von Met358 zu Methioninsulfoxid umwandeln, das einen etwa 2000-fach geringere Bindungsfähigkeit
mit NE hat. Es konnte außerdem gezeigt werden, dass das Z-AAT neutrophile Elastasen
langsamer inhibiert als M-AAT (4,5 vs. 9 × 106 M-1- Sekunde-1 ) [36 ]. Darüber hinaus fand man AAT-Polymere in der bronchoalveolären Lavage bei zwei von
fünf Personen mit einem AAT-Mangel-Emphysem [37 ]. Weil die Polymerisation die reaktive AAT-Schleife unzugänglich macht, wird durch
die Faltung des Moleküls die inhibitorische Aktivität gestört. Deshalb können Oxidanzien
aus Zigarettenrauch bei einem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel zu einer weiteren Störung
des bereits quantitativ und qualitativ funktionsgeminderten AAT führen. Darüber hinaus
können im Tiermodell des Elastase induzierten Emphysems Zigarettenrauch und Proteinasen
gemeinsam die Resynthese von Elastin der Lunge verhindern [38 ].
Zigarettenrauch führt auch zur Rekrutierung von Entzündungszellen. Bei AAT-Mangel
findet man mehr Neutrophile in den Alveolen als beim Lungenemphysem von Patienten
mit normalem AAT-Plasmaspiegel. Das trägt zu einer größeren Belastung der Lunge mit
neutrophilen Elastasen (NE) bei [39 ]. Dieses Phänomen kann zurückgeführt werden auf die Anwesenheit von neutrophilen
chemotaktischen Faktoren, hauptsächlich Leukotrien B4 , welches von Alveolar-Makrophagen freigesetzt wird [40 ].
Darüber hinaus können Neutrophile und Makrophagen eine Vielzahl von Metalloproteinasen,
die ihrerseits die Komponenten der extrazellulären Matrix degradieren können, freisetzen
[41 ]. Auch menschliche Kollagenase spielt bei der Zerstörung der Alveolarwände eine Rolle,
wie beim experimentellen Tierversuch gezeigt werden konnte [42 ]. Metalloproteinasen werden nicht durch AAT inhibiert, können dieses sogar durch
begrenzte Proteolyse in der Nähe der aktiven Stelle unwirksam machen [41 ]. Die C-terminalen Fragmente des AAT, die bei der proteolytischen Inaktivierung freigesetzt
werden, sind potente chemotaktische Faktoren für neutrophile Granulozyten [43 ]
[44 ].
Labortests
Labortests
Eine niedrige oder fehlende α1 -Globulinzacke bei einer routinemäßig durchgeführten Plasma-Protein-Elektrophorese
sollte den Verdacht auf einen AAT-Mangel lenken; dieser sollte durch quantitative
und qualitative Bestimmung des AAT im Serum bestätigt werden (s. Tab. [3 ]).
Tab. 3 Konzentrationsbereich des Alpha-1-Antitrypsin-Spiegels im Serum je nach Phänotyp
Phänotyp
Einheiten
PI*MM
PI*MZ
PI*SS
PI*SZ
PI*ZZ
µM
20 - 48
17 - 33
15 - 33
8 - 16
2,5 - 7
mg/dl
150 - 350
90 - 210
100 - 200
75 - 120
20 - 45
Daten aus den Literaturhinweisen [14 ]
[47 ]
[298 ].
* Die angegebenen Serumspiegel wurden mittels eines typischen kommerziellen Standards
(mg/dl) und dem gereinigtem Standard (µM), wie er beim U.S.-Register benutzt wurde,
bestimmt. Ein Serumspiegel von weniger als 11 µM ist mit einem erhöhten Emphysemrisiko
verbunden.
Quantitative Untersuchungen
Plasma-AAT-Spiegel werden gewöhnlich mittels Immunelektrophorese, radialer Immundiffusion
oder - in neuerer Zeit - nephelometrisch bestimmt. Kommerziell erhältliche Standards,
besonders solche für die radiale Immundiffusion, überschätzen tendenziell die AAT-Konzentration
um 35 - 40 % [45 ]. Um zwischen den historischen Werten, die mittels ungereinigter Standards bestimmt
wurden, und den mit den reinen Standards des U.S. National Institutes of Health erhobenen
Werten unterscheiden zu können, werden erstere in Milligramm pro Deziliter (mg/dl)
angegeben und letztere in Mikromolar-Einheiten (µmol/L oder µM). Die beiden Einheiten
werden in vielen kontinental-europäischen Ländern jedoch oft wechselweise angewandt,
unabhängig vom benutzten Standard. Darüber hinaus kann der AAT-Spiegel mit nephelometrischen
Methoden wegen der Interferenz mit Lipiden oder Hämoglobin fälschlicherweise zu hoch
gemessen werden. Auch muss berücksichtigt werden, dass AAT ein „Akute-Phaseprotein”
ist und dass entzündliche Erkrankungen bei Z-Heterozygoten zu einem Anstieg des AAT-Plasmaspiegels
führen können. Es sollte beachtet werden, dass ein „protektiver Spiegel” von 11 µmol/L
mit gereinigtem Standard bestimmt, einem Spiegel von 80 mg/dl mittels radialer Immundiffusion
und von 50 mg/dl mittels Nephelometrie entspricht (s. Tab. [4 ]). Dieser „protektive Spiegel” leitet sich von der Beobachtung ab, dass Patienten
mit heterozygotem Phänotyp und einem AAT-Spiegel oberhalb dieses Wertes gewöhnlich
kein Emphysem entwickeln [29 ].
Tab. 4 Methoden zur quantitativen Bestimmung von Alpha-1-Antitrypsin im Plasma, Normbereichen
und protektive Schwellenspiegel
Methode
Normbereich
Protektive Schwellenspiegel
radiale Immundiffusion
150/200 - 350/400 mg/dl*
80 mg/dl*
Nephelometrie
83/120 - 200/220 mg/dl*
50 mg/dl*; 11 µM)1
Daten aus den Literaturhinweisen [14 ]
[45 ]
[299 ].
* Wert bestimmt mittels kommerziell erhältlicher Standards.
1 Wert bestimmt mittels NHLBI-Standard.
Qualitative Untersuchungen
Die am häufigsten angewandte Methode zur Erkennung von AAT-Varianten ist ihre Aufteilung
mit Hilfe des isoelektrischen Punktes durch die isoelektrische Dünnschicht-Fokussierung
(IEF). Diese Methode, gemeinhin als Phänotypisierung bezeichnet, erfordert Geschicklichkeit
und Erfahrung und sollte nur in Referenzlabors durchgeführt werden. Die Spezifität
des IEF kann weiter gesteigert werden in Verbindung mit einem Immunoblot oder bei
Anwendung eines immobilisierten pH-Gradient IEF-Gels [46 ]. Die Phänotypisierung kann an Serum- oder Plasmaproben durchgeführt werden. Einige
Labors führen die IEF an getrockneten Blutproben durch. Wenn man einen Bluttropfen
auf einem Spezialpapier absorbieren lässt, ist der Transport solcher Proben einfacher.
Diese Methode ist zum Screening geeignet, aber die Erkennung einer Mangelvariante
bedarf der Bestätigung durch Serum- oder Plasmaproben.
Die Diagnose auf der molekularen Ebene („Genotypisierung”) wird an genomischer DNA
durchgeführt, die aus zirkulierenden mononuklearen Blutzellen extrahiert wird. Bekannte
Mutationen können durch allel-spezifische Amplifikation oder Analyse bestimmt werden.
Lässt sich eine bekannte Mutation nicht erkennen, so muss an das Vorhandensein einer
neuen Variante gedacht werden. In diesem Fall sollte ein Gen-Scan mit direkter Sequenzierung
durchgeführt werden oder eine denaturierende Gradient-Gel-Elektrophorese [47 ]. Die Diagnose auf molekularer Ebene ist leichter geworden durch kommerziell erhältliche
Kits, welche das S- und Z-Allel im Vollblut oder in der Mundspülflüssigkeit nachweisen
können. Die derzeitig erhältlichen Kits können jedoch nicht Null-Allele nachweisen
und deswegen sind auch AAT-Plasmaspiegel erforderlich.
Erkennung von Individuen mit AAT-Mangel
Erkennung von Individuen mit AAT-Mangel
Frühentdeckung: Pränatal
Der PI*ZZ-Mangel wird autosomal kodominant vererbt. Das Risiko eines homozygoten Nachkommens
beträgt bei jeder Geburt 1 : 4, wenn beide Eltern Träger des Z-Allels sind. Wenn ein
Elternteil einen homozygoten PI*ZZ-Mangel hat und der andere einen heterozygoten,
dann sind alle Kinder entweder Träger oder betroffen (PI*ZZ).
Es gibt keine Routinemethode, die speziell für die pränatale Diagnose des AAT-Mangels
entwickelt wurde. Mittels Amniocentese oder Chorionzottenbiopsie [48 ]
[49 ] kann Material zur genetischen Testung gewonnen werden. Die pränatale Diagnose kann
bei einer Familienanamnese mit perinataler Lebererkrankung eines älteren Geschwisters
gefragt sein. Das Risiko, eine Lebererkrankung zu entwickeln, steigt in diesem Falle
substantiell an [9 ]
[50 ]. Es sind mehrere Methoden zur pränatalen Genbestimmung beschrieben worden und in
vereinzelten Fällen auch erhältlich. Alle bedienen sich der DNA-Amplifikation und
verwenden spezielle Sonden für eine hinreichend spezifische Diagnostik [51 ]
[52 ]. Aber finanzielle und praktische Erwägungen begrenzen ihren Nutzen.
Die postnatale Entdeckung eines AAT-Mangels hängt vom Grad des Verdachts ab. Die Technologien
für rasche Screening-Tests sind vorhanden, sie bedienen sich der DNA-Amplifikation
aus Blutproben der Ferse [53 ]. Die postnatale Entdeckung eines AAT-Mangels ergibt sich bei dem Befund einer neonatalen
Hepatitis oder einer eindeutigen Familienanamnese. Ansonsten bleiben die meisten Fälle
unentdeckt, bis sich ein Lungenemphysem, eine Lebererkrankung oder seltene andere
Komplikationen entwickeln. Obwohl der AAT-Mangel eines der häufigsten kodominanten
Erbkrankheiten der weißen Rasse ist, werden Routine-Sreening-Untersuchungen nicht
durchgeführt.
Entdeckung bei Erwachsenen
Es ist bekannt, dass nicht rauchende Individuen mit homozygotem Z-Phänotyp erstaunlich
spät die ersten Symptome entwickeln und einige sogar eine fast normale Lebensspanne
haben [54 ]. Deswegen ist die genaue Prävalenz des AAT-Mangels in den meisten Bevölkerungen
unbekannt und viele betroffene Individuen werden nicht diagnostiziert. Screening-Programme
neugeborener oder erwachsener Populationen großen Stils wurden weder in den Vereinigten
Staaten noch in Europa (mit Ausnahme von Schweden) durchgeführt, hauptsächlich aus
Kostengründen und wegen der Probleme, in die Betroffene beim Nachweis einer erblichen
Abnormalität geraten können. Weil es derzeit keine Heilung für die Erkrankung gibt,
müssen die Betroffenen und ihre Familien den emotionalen Stress aushalten, mit dem
Wissen um die Erkrankung in einer Zeit zu leben, in der sie völlig symptomfrei sind.
Die Entdeckung einer Abnormalität könnte auch bei Versicherungen und bei der beruflichen
Einstellung Nachteile für den Betroffenen bringen. Andererseits kann aber durch Vermeiden
von Rauchen und Luftschadstoffen die Prognose von Individuen mit AAT-Mangel verbessert
werden - durchaus eine medizinische Berechtigung für die Früherkennung. In Abwägung
der positiven und negativen Faktoren, die mit der Entdeckung eines AAT-Mangels einhergehen,
sollte jedoch nach entsprechender Information die Zustimmung zur Durchführung des
diagnostischen Tests vom Betroffenen durch den Arzt nach ausgiebiger Erklärung des
Für und Wider eingeholt werden.
Es werden drei verschiedene Kategorien der Gentestung unterschieden (siehe auch die
Sektion GENETICS, PSYCHOSOCIAL, ETHICS, AND ECONOMIC ISSUES). Die erste Kategorie
wird als diagnostische Testung bezeichnet und meint die Testung von Individuen mit
Beschwerden oder klinischen Hinweisen auf eine AAT-Mangel-Erkrankung. Die zweite Kategorie
ist überschrieben mit „prädispositionaler” Testung und meint die Identifizierung von
Individuen ohne Symptome, aber mit einem hohen Risiko eines AAT-Mangels. Die dritte
Kategorie ist bezeichnet mit „Screening” und meint Programme, bei denen in bestimmten
Populationen nach Individuen mit erblicher Prädisposition für Krankheiten gesucht
wird. Das Entscheidende beim Screening ist, dass es keinen vorherigen Verdacht geben
sollte, dass irgendein Individuum die Kondition hat, die getestet wird. Spezielle
Empfehlungen und die damit zusammenhängende Empfehlungsgrade für die Testung in spezifischen
Gruppen von Individuen werden in Tab. [8 ] der Sektion GENETICS, PSYCHOSOCIAL, ETHICS, AND ECONOMIC ISSUES gegeben.
Tab. 8 Zusammenfassung der Risikofaktoren, die beim PI*SZ-Phänotyp zur Entwicklung von Lungenerkrankungen
führen
Risikofaktor
Evidenz-Grad für ein Risiko
Kommentare
Rauchen
II-2
erhöhte Evidenz für Emphysem aufgrund radiologischer Kriterien. Vermehrt Atemwegsobstruktion
bei Rauchern, signifikant korreliert mit den Packungsjahren verglichen mit PI*ZZ.
Weniger PI*SZ-Raucher als PI*ZZ-Raucher entwickeln ein Lungenemphysem.
PI*SZ selbst und/oder andere Umwelt-genetische Faktoren
II-3
bei Gelegenheitsrauchern radiologische Hinweise auf Emphysem und Atemwegsobstruktion.
Serum AAT-Spiegel
II-3
Häufung von Husten und Giemen nach Angabe der Patienten bei Serumspiegel < 11 µM. Insgesamt korrelierten die Serumspiegel nicht mit der Lungenfunktion.
Personen mit erniedrigtem Blutspiegel sollten weiter untersucht werden, damit das
Ausmaß einer eventuellen Erkrankung auf dem Boden eines AAT-Mangels festgestellt werden
kann. Selbst Individuen mit grenzwertig normalem AAT-Plasmaspiegel (12 - 35 µmol/L
oder 90 - 140 mg/dl) und deren Verwandte 1. Grades sollten phänotypisiert werden,
und zwar deswegen, weil diese grenzwertig normalen Spiegel auch bei den Phänotypen
PI*SZ, PI*SS und PI*MZ vorkommen, und weil so ein Verwandter mit asymptomatischem
oder fehldiagnostiziertem AAT-Mangel innerhalb der Familie entdeckt werden kann.
Außer der gelegentlichen Beobachtung einer verminderten oder fehlenden α1 -Globulinzacke in der Papier-Elektrophorese ist die Bestimmung des AAT-Spiegels besonders
bedeutungsvoll bei Patienten mit frühem Beginn eines Lungenemphysems, unabhängig von
der Raucheranamnese. Die Testung sollte auch durchgeführt werden bei Geschwistern
von Individuen mit AAT-Mangel und auch für deren Nachkommen in Betracht gezogen werden
sowie in den Fällen, bei denen eine familiäre Häufung von Symptomen mit Atemnot und
chronischem Husten beobachtet wird. Außerdem wird empfohlen, bei allen Patienten mit
COPD oder Asthma, bei denen die Atemwegsobstruktion nicht komplett reversibel ist,
eine AAT-Bestimmung im Serum durchführen zu lassen (s. Tab. [5 ]) [55 ]. Auch bei Patienten mit ungeklärter Leberzirrhose sollte der Phänotyp bestimmt werden
(z. B. PI*ZZ, PI*MZ, PI*Mmalton ) Ferner sollte bei Patienten mit Wegner'scher Granulomatose (Antiproteinase-3 Vaskulitis)
eine AAT-Phänotypisierung durchgeführt werden, da bei ihnen über eine hohe Prävalenz
von PI*ZZ- und PI*MZ-Phänotypen berichtet wurde und Antikörper gegen Proteinase-3
mitbeteiligt sind [9 ]. Auch bei Erwachsenen mit Bronchiektasen unklarer Genese sollte der Alpha 1-Antitrypsin-Spiegel
im Serum bestimmt werden.
Tab. 5 Empfehlungen zum quantitativen Screening auf Alpha-1-Antitrypsin: Die Wahrscheinlichkeit,
einen AAT-Mangel zu entdecken, nimmt in absteigender Reihenfolge ab
Empfehlung
1.
Bestätigung einer fehlenden Alpha-1-Antitrypsin-Zacke in der Serum-Eiweißelektrophorese.
2.
früh einsetzendes Lungenemphysem (unabhängig vom Rauchverhalten).
3.
Familienmitglieder von Patienten, bei denen Alpha-1-Antitrypsin-Mangel bekannt ist.
4.
Vorkommen von Atemnot und Husten bei mehreren Familienmitgliedern der gleichen oder
verschiedener Generationen.
5.
Lebererkrankung unklarer Ursache.
6.
alle Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung.
7.
Erwachsene mit Bronchiektasen unklarer Genese sollten zur Testung1 vorgesehen werden.
8.
Patienten mit Asthma, bei denen spirometrisch keine Normalisierung der Atemwegsobstruktion
unter Therapie nachgewiesen werden kann.
9.
Panniculitis und Anti-Proteinase-3-Vaskulitis ohne bekannte Ursache.
* S. Tab. 11 der GENETICS, PSYCHOSOCIAL, ETHICS, AND ECONOMIC ISSUES zur besonderen
Wichtung dieser Empfehlungen.
1 Wie in Tab. 11 der Sektion GENETICS, PSYCHOSOCIAL, ETHICS, AND ECONOMIC ISSUES dargestellt,
sollte eine Testung auf AAT-Mangel bei Personen mit Bronchiektasen ohne eindeutige
Ursache in Betracht gezogen werden (Typ B-Empfehlung). Dieser Empfehlungsgrad berücksichtigt
die Tatsache, dass der AAT-Mangel zu selten diagnostiziert wird, dass Bronchiektasen
in einigen Publikationen bei Personen mit AAT-Mangel häufig vorkommen, aber dass die
Verbindung von Bronchiektasen und AAT-Mangel nicht eindeutig erwiesen ist.
Pathologie
Pathologie
Bei der Obduktion erwachsener Patienten mit schwerem AAT-Mangel findet man immer ein
panazinäres Lungenemphysem mit basaler Betonung [56 ]. Selbst bei einem 11-jährigem Mädchen, das an einer Abdominalblutung im Gefolge
einer Leberzirrhose starb, konnte bei der Obduktion ein uniformes panazinäres Emphysem
nachgewiesen werden [57 ]. Gelegentlich sieht man auch ein minimales zentrilobuläres Emphysem in den Oberlappen.
Bei 14 Obduktionen, bei denen Proben der in Inspiration fixierten Lungen erhältlich
waren, wurden in 2 Fällen zylindrische Bronchiektasen beschrieben [56 ].
Feingewebliche Veränderungen von Bronchiolen und Bronchien AAT-Mangel werden in der
Literatur nur selten beschrieben. Der Reid-Index, der die Hypertrophie der Bronchialdrüsen
reflektiert, wurde in einem Fall als normal berichtet. In einer zweiten Studie wurde
nur eine geringe Drüsenvergrößerung beobachtet. Auch Verlust von Muskel- und elastischen
Fasern wurde in den kleinen Bronchien gesehen. Bei Lungengewebsproben von Patienten
mit schwerem Lungenemphysem auf dem Boden eines AAT-Mangels, bei denen eine Lungenvolumenreduktionsoperation
vorgenommen wurde, waren die Veränderungen auf der Ebene der Bronchiolen (Broncholitis
obliterans, Bronchiolektasie, akute und chronische Bronchiolitis, Bronchiolitis mit
organisierender Pneumonie) ausgeprägter als bei Patienten mit Emphysem ohne AAT-Mangel
[58 ]. Gelegentlich werden bei Autopsien, aber auch bei Lungenresektaten oder im Röntgenbild,
große bullöse Veränderungen, hauptsächlich in den basalen Partien der Lunge beschrieben.
Symptome
Symptome
(Siehe Appendix 1.)
Bei AAT-Mangel entwickelt sich bei Personen mit einer Raucheranamnese die Symptomatik
einer obstruktiven Lungenerkrankung gewöhnlich im Alter zwischen 32 - 41 Jahren [6 ]
[59 ]
[60 ]
[61 ]
[62 ]
[63 ]. Die Variabilität des zeitlichen Beginns der Symptome wird sehr unterschiedlich
beschrieben, aber die ersten Beschwerden treten vor dem 25. Lebensjahr auf. Obwohl
ausgeprägte Beschwerden am häufigsten bei Rauchern oder Exrauchern beobachtet werden,
haben einige Raucher und viele Nichtraucher überhaupt keine Beschwerden [64 ]
[65 ].
Das größte Patientenkollektiv mit schwerem AAT-Mangel (n = 1 129), das mit einem standardisierten
Symptom-Fragebogen untersucht wurde, konnte beim Register des National Heart, Lung
and Blood Institute (NHLBI) gesammelt werden [67 ]. In das Register Patienten mit einem AAT-Serumspiegel < 11 µm aufgenommen sowie
Personen, bei denen durch Familien-Screening ein entsprechender Defekt festgestellt
wurde (20 %), oft ohne jegliche Symptomatik. Die häufigste Beschwerde war Atemnot
bei Belastung (bei 84 % der Teilnehmer). Giemen während Atemwegsinfekten wurde sehr
häufig angegeben (76 %), obwohl Giemen auch unabhängig von Atemwegsinfekten vorkam
(65 %).
Husten war bei 42 % der Teilnehmer im NHLBI-Register vorhanden. Vermehrter Husten
und Auswurf über wenigstens drei Wochen im Jahr wurde bei 50 % aller Betroffenen beschrieben
[67 ] und war bereits früh im Alter von 18 Jahren vorhanden [68 ]. Bei anderen Studien wurden chronischer produktiver Husten über drei Monate in wenigstens
zwei zusammenhängenden Jahren, vereinbar mit der Diagnose einer chronischen Bronchitis,
bei 8 - 40 % der Patienten mit AAT-Mangel beschrieben [68 ]
[69 ]
[70 ]. Chronischer Husten mit oder ohne Auswurf wurde in Verbindung mit radiologischen
Hinweisen auf zylindrische Bronchiektasen beobachtet [70 ].
Auch gelegentliches Giemen und Atemnot, vereinbar mit der Diagnose eines Asthma, wurde
bei AAT-Mangel beobachtet. In einer Studie, bei der das Vorhandensein von Giemen,
Ansprechen auf Bronchodilatatoren, Atopie und erhöhtes Serum IgE untersucht wurden,
konnten drei oder mehr dieser Hinweise auf Asthma bei 22 % der AAT-Mangel-Patienten
gefunden werden, verglichen mit 5 % der COPD-Patienten ohne AAT-Mangel [69 ]. Allergische Rhinitis war häufig, auch wenn keine Atemwegsobstruktion vorhanden
war. Im NHLBI-Register berichteten 35 % der Teilnehmer über eine Asthma-Anamnese und
mehr als 50 % zeigten in einer wiederholten Ttestung signifikantes Ansprechen auf
Bronchodilatatoren bei vorhandener Atemwegsobstruktion (mehr als 12 % und 200 ml)
[67 ]
[69 ]. In diesem Register betrug das mittlere Alter, bei dem das erste Symptom auftrat,
nämlich Giemen, 31 Jahre.
Es gibt keine Studie mit einer populationsbasierten Kohorte, in der das Vorkommen
lebensbedrohlicher Erkrankungen bei Alpha 1-Antitrypsin thematisiert wird. Die besten
Daten, die zu diesem Thema erhältlich sind, kommen aus dem NHLBI-Register [67 ], in dem die Mehrheit der Todesfälle (72 %) dem Lungenemphysem zugeschrieben werden
kann. Die Angabe einer Lungenerkrankung in den vergangenen drei Jahren mit konsekutiver
Arbeitsunfähigkeit, Unfähigkeit, das Haus zu verlassen oder Bettlägerigkeit wurde
von 68 % der Patienten gemacht. 30 % der Teilnehmer des NHLBI-Registers berichteten
krankheitsbedingte Behinderung bei im Mittel 46 Jahren-Hinweis auf eine erhebliche
Morbidität im Zusammenhang mit dem AAT-Mangel [67 ]. Zusammenfassend sind bei Patienten mit AAT-Mangel die Atemwegssymptome mit einem
frühen Altersbeginn auffallend.
Klinische Befunde
Klinische Befunde
Es gibt keine hinreichend sensitiven oder spezifischen physikalischen Untersuchungsmethoden,
die bei der Entdeckung von Personen mit AAT-Mangel klinisch von Nutzen sind. Giemen
findet man häufig, jedoch kann es bei schwerem Emphysem fehlen. Mit fortschreitender
Erkrankung treten Zeichen einer Lungenüberblähung, vermindertes Vesikuläratmen an
der Lungenbasis und Muskelatrophie hinzu. Weil Asthma bronchiale die häufigste Fehldiagnose
ist, sollte die spirometrische Untersuchung des Patienten die körperliche ergänzen.
Bei den meisten Patienten mit adäquat behandeltem Asthma sollten sich die spirometrischen
Werte normalisieren.
Lungenfunktionsuntersuchungen
Lungenfunktionsuntersuchungen
Die Lungenfunktionsuntersuchungen sollten beinhalten die Spirometrie (vor und nach
Inhalation eines Bronchodilatators), die Messung der Lungenvolumina mittels Heliumverdünnungsmethode
oder Ganzkörperplethysmographie und die CO-Diffusionskapazität im Single-Breath [71 ]
[72 ].
Die Spirometrie ist die Lungenfunktionsuntersuchung, die am häufigsten bei Betroffenen
mit AAT-Mangel durchgeführt wird, weil sie reproduzierbar ist und einen wesentlichen
Aspekt der Lungenerkrankung erfasst. Die spirometrischen Abweichungen schließen eine
Verminderung des forcierten expiratorischen Volumens in der ersten Sekunde (FEV1 ) und eine normale oder reduzierte Vitalkapazität (FVC) ein. Die obstruktive Ventilationsstörung
(Erniedrigung des FEV1 /FVC-Verhältnisses) ist primär bedingt durch den Verlust elastischer Rückstellkräfte
des Lungenparenchyms (Lungenemphysem) und dynamischem Kollaps der ansonsten regelrechten
Atemwege. Die Flussvolumenkurve zeigt für gewöhnlich eine deutliche Verminderung des
Flusses mit abnehmendem Lungenvolumen, was im typischen Fall an der konkaven Verlaufsform
der expiratorischen Fluss-Volumen-Kurve darstellbar ist.
Die Verminderung der Rückstellkräfte hat eine Erhöhung der Lungen-Compliance zur Folge,
die wiederum zur Überblähung mit Anstieg des Residualvolumens (RV) und der totalen
Lungenkapazität (TLC) führt. Da es innerhalb der kranken Lunge minder ventilierte
Abschnitte gibt („air trapping”), werden die statischen Lungenvolumina mittels der
Ganzkörperplethysmographie für gewöhnlich größer gemessen als die mittels Verdünnungsmethode
über ein Indikatorgas.
Das Lungenemphysem beeinträchtigt auch den Gasaustausch; die Diffusionskapazität ist
erniedrigt und der alveolo-arterielle Sauerstoffgradient erhöht. Obwohl beide Phänomene
oft verschiedene Aspekte des gleichen pathologischen Prozesses sind, nämlich des Lungenemphysems,
korreliert die Erniedrigung des expiratorischen Flusses (FEV1 ) nicht immer gut mit der Verminderung der Diffusionskapazität [73 ]
[74 ]; deswegen sollten beide bestimmt werden, wenn man für den Schweregrad der Lungenfunktionsstörung
bei AAT-Mangel feststellen will. Zusätzlich gibt der arterielle Sauerstoffdruck Informationen
über Störungen des Ventilations-/Perfusionsverhältnisses.
Bei fortgeschrittener Lungenerkrankung kann die Auswirkung des Lungenemphysems auf
die Muskelaktivität von Brustkorb und Zwerchfell durch Messung des maximalen in- und
expiratorischen Munddrucks bestimmt werden. Sollwerte sind publiziert [75 ].
Der kardiopulmonale Zustand kann auch durch Belastungsuntersuchungen festgestellt
werden. Während bei Normalpersonen der Sauerstoffpartialdruck sich unter Belastung
nicht ändert oder sogar ansteigen kann, findet man bei Personen mit AAT-Mangel eine
deutliche Erniedrigung des Pao2 und eine Erhöhung des alveolo-arteriellen Sauerstoffgradienten. Personen mit AAT-Mangel
haben in Ruhe eine erhöhte Atemfrequenz und erreichen unter leichter körperlicher
Belastung rasch mehr als 80 % vom Soll ihres Atemgrenzwertes, ein Hinweis, dass die
Ventilation bei höheren Arbeitsbelastungen zum limitierenden Faktor wird [76 ].
Obwohl bei einem Großteil der Patienten mit AAT-Mangel Symptome wie Husten oder Giemen,
die auf eine Atemwegsüberempfindlichkeit hinweisen, vorhanden sind, und einige anfangs
sogar als Asthmatiker diagnostiziert werden, ist die Reversibilität der Atemwegsobstruktion
nach Applikation eines Dosieraerosols mit Bronchodilatatoren gewöhnlich nicht sehr
groß [69 ].
Schlussfolgerungen
Als optimale klinische Untersuchung ist bei Personen mit AAT-Mangel eine komplette
Lungenfunktionsuntersuchung unter Einschluss der Spirometrie angezeigt. Diese sollte
die statischen Lungenvolumina, die arteriellen Blutgasanalyse und den Transferfaktor
beinhalten. Sie sollten bei Patienten mit obstruktiver Lungenerkrankung als Ausgangspunkt
des Funktionsstatus dokumentiert werden [77 ]
[78 ].
Weil Patienten mit AAT-Mangel in der Hauptsache eine fixierte Atemwegsobstruktion
entwickeln, erscheint es bei den meisten Patienten mit AAT-Mangel nicht gerechtfertigt,
die Variabilität der Atemwegsobstruktion mittels regelmäßiger Peak-Flow-Messung zu
bestimmen. Jedoch sollte bei den Patienten jährlich die Spirometrie kontrolliert werden.
Bildgebende Verfahren (einschließlich Computertomographie und Ventilations-/Perfusionsszintigraphie)
Bildgebende Verfahren (einschließlich Computertomographie und Ventilations-/Perfusionsszintigraphie)
Lungenemphysem
Im Frühstadium der Erkrankung ist das Röntgenbild des Thorax gewöhnlich unauffällig.
Bei fortgeschrittener Erkrankung fallen Überblähung und erhöhte Strahlentransparenz
der Lungen auf, insbesondere in den basalen Segmenten. Die Zwerchfelle stehen tief
und sind abgeflacht, das Herz tropfenförmig und steil stehend, der anteriore-posteriore
Durchmesser des Brustkorbs ist vergrößert und der retrosternale Luftgehalt der Lunge
ist vermehrt. Die Abflachung des Zwerchfells in der seitlichen Projektion ist von
allen genannten Kriterien wahrscheinlich das spezifischste. Die Gefäßzeichnung ist
rarifiziert, hauptsächlich in den basalen Lungenabschnitten im Gegensatz zum vorwiegenden
Befall der Oberlappen bei Patienten mit Lungenemphysem ohne AAT-Mangel [63 ]
[79 ]
[80 ]
[81 ]
[82 ]
[83 ]. Die gleichzeitige Verbreiterung der Pulmonalgefäße ist ein Hinweis auf eine mögliche
pulmonale Hypertonie.
Beim Nachweis eines Lungenemphysems hat die Computertomographie des Thorax eine viel
größere Sensitivität als die Röntgenuntersuchung des Thorax oder als die Lungenfunktionstestung
[74 ]
[83 ]
[84 ]. Die hochauflösende Bildfrequenzrekonstruktion (high resolution computed tomography
[HRCT]) ist bei der Aufdeckung morphologischer Veränderungen wie Bullae oder Bronchiektasen
sensitiver. Im HRCT ist das Lungenemphysem durch Areale mit abnorm niedriger Dichte
charakterisiert; diese Dichte-Differenzen können durch ein niedriges Houndsfield-Fenster
(-600 bis -800 Houndsfield-Einheiten [HU]) bildlich abgesetzt werden gegen das umgebende
normale Lungengewebe Die klassischen Veränderungen beim ATT-Mangel zeigen ein panazinäres
Emphysem mit uniform niedriger Dichte der Lobuli und ein deutliches Überwiegen dieser
Veränderungen in den Unterlappen. Die Lungengefäße in den befallenen Lungenabschnitten
erscheinen kleiner und an Zahl vermindert [85 ], während sich radiologisch geringe und selbst mittelschwere Veränderungen im Sinne
eines panakinären Lungenemphysems nur sehr subtil darstellen lassen und schwer zu
entdecken sind [86 ]. Während fokale Areale mit Lungenemphysem für gewöhnlich keine eindeutige Wandung
zeigen, demarkieren sich bullöse Veränderungen scharf durch eine dünne Wand gegenüber
dem umgebenden Lungengewebe. Sie haben einen Durchmesser von mindestens 1 cm. Bollae
werden häufig auch bei „gewöhnlichem Lungenemphysem” ohne AAT-Mangel beobachtet [79 ].
Bronchiektasie
Obwohl die enge Beziehung zwischen AAT-Mangel und früher Emphysem-Entwicklung wohl
bekannt ist, existieren zur Frage „AAT-Mangel und Bronchiektasen” nur eine kleine
Zahl von Studien. In der Originalarbeit von Eriksson wurden bei 23 Patienten über
zwei Fälle mit Bronchiektasen berichtet [59 ]. Guest und Hanssell beobachteten eine Verdickung der Bronchialwand und/oder eine
Erweiterung des Bronchiallungens bei 7 von 17 Patienten (41 %) mit AAT-Mangel [82 ], und King u. Mitarb. fanden Hinweise auf Bronchiektasen bei 6 von 14 Patienten mit
AAT-Mangel (entsprechend 43 %) [87 ]. Cuvelier u. Mitarb. berichteten über keine Häufigkeit des AAT-Mangel-Allels bei
Patienten mit Bronchiektasen, während in anderen Studien Bronchiektasen bei spanischen
Patienten häufiger beobachtet wurden [88 ]. Die Untersuchung von Cuvelier u. Mitarb. legt nahe, dass Bronchiektasie eher das
Ergebnis der emphysematösen Veränderungen des Lungenparenchyms ist als Ausdruck des
AAT-Mangels per se [88 ].
Lungendichtemessung
Pixelwerte von CT-Bildern zeigen die Gewebsdichte an. Dies ermöglicht die Berechnung
densitometrischer Parameter aus Pixelhäufigkeitshistogrammen innerhalb der Lunge.
Die densitometrischen Parameter geben uns die Möglichkeit, die Ausdehnung des Emphysems
quantitativ zu bestimmen. In der Literatur gibt es verschiedene Methoden zur Berechnung
der densitometrischen Parameter. Mit der Methode der „Dichtemaske” kann man Areale
mit abnorm niedriger Lungendichte hervorheben; man benutzt dabei ein Computerprogramm,
mit dessen Hilfe man durch Hervorhebung der Pixel eine Dichtemaske für jeden gewünschten
Bereich herstellen kann. Der „Dichtemaske-Parameter” ist definiert als der prozentuelle
Anteil des hervorgehobenen Lungenareals im Vergleich zum gesamten. Die Hervorhebung
aller Pixel mit Dichtewerten unter -910 HU korreliert gut mit dem pathologisch-anatomischen
Schweregrad und ist vergleichbar der visuellen Abschätzung [89 ]. Die „Perzentilen”-Methode legt den Schweregrad des Emphysems durch einen Grenzwert
fest, der eine gegebene Perzentile des Histogramms bestimmt (z. B. die 10. Perzentile
wird aus dem Histogramm als derjenige Dichtewert in Houndsfield-Einheiten extrahiert,
bei welchem 10 % der Pixel niedrigere Dichtewerte besitzen) [90 ]. Eine dritte Möglichkeit, das Ausmaß des Lungenemphysems abzuschätzen, erfolgt über
die „mittlere Lungendichte” [91 ].
Die Ventilations-/Perfusionsszintigraphie ist eine nützliche Methode, um frühe Veränderungen
im Zusammenhang mit AAT-Mangel festzustellen, selbst Personen mit relativ normaler
Lungenfunktion können bereits ein pathologisches Szintigramm aufweisen [63 ]
[76 ]
[92 ]
[93 ]
[94 ]
[95 ]. Dabei zeigt das Ventilationsszintigramm typischerweise eine symmetrische Verteilung
des radioaktiven Edelgases 133 Xenon in der Äquilibrationsphase über alle Lungenzonen,
in der folgenden Auswaschphase sieht man dagegen eine deutliche Verzögerung der Abatmung
des radioaktiven Edelgases, hauptsächlich in der Lungenbasis und im mittleren Lungenbereich.
Ebenso beobachtet man im Perfusionsszintigramm eine symmetrische Minderung der Lungendurchblutung,
am ausgeprägtesten an der Lungenbasis.
Zusammenfassend sollte bei der Erstuntersuchung eine Röntgenaufnahme des Thorax zum
Ausschluss von eventuell gleichzeitig vorhandener Lungenherden und zum Nachweis von
lokalisierten, bullösen Veränderungen durchgeführt werden. Die CT-Untersuchung des
Thorax unter Einschluss von Dünnschnitten für morphologische und dicken Schnitten
für densitometrische Untersuchungen ist zur Zeit die wichtigste Methode, um bei AAT-Mangel
das Vorhandensein eines Emphysems und ggf. sein Ausmaß festzustellen.
Verlaufsparameter: FEV1 , Desmosin und Computertomographie
Verlaufsparameter: FEV1 , Desmosin und Computertomographie
Die Standardmethode, um das Fortschreiten des Lungenemphysems zu beurteilen, ist die
Lungenfunktionsuntersuchung. Der Abfall der FEV1 ist mit Abstand der am häufigsten gemessene Parameter bei Longitudinal-Untersuchungen.
Die Spirometrie hat bei der Untersuchung von Patienten mit Lungenemphysem aber auch
ihre methodischen Tücken: Weil die Atemwegsobstruktion hauptsächlich durch den dynamischen
Atemwegskollaps bedingt ist, hängen die Ergebnisse der Spirometrie ganz wesentlich
davon ab, wie kooperativ der Patient bei der Untersuchung ist und wie sehr er sich
dabei anstrengt. Die „inspiratorische” Vitalkapazität mit langsamer Ausatmung (IVC)
ist gewöhnlich größer als die „forcierte” Vitalkapazität (FVC) mit forcierter Ausatmung.
Entsprechen kann die FEV1 bei einer submaximalen Anstrengung höher ausfallen als bei einem maximal forcierten
Atemmanöver.
Der Vorteil der Spirometrie liegt darin, dass sie einfach durchführbar und häufig
leicht wiederholbar ist. Es hat sich jedoch gezeigt, dass häufige Messungen in Abständen
von weniger als 3 - 6 Monaten nutzlos sind, weil Messungen in kurzen Intervallen wenig
zusätzliche Informationen im Vergleich zu Messungen über längere Zeitabschnitte bringen
[96 ].
Die FEV1 wird im Allgemeinen als gut reproduzierbar angesehen. In mehreren großen multizentrischen
Studien [97 ] hatte die Spirometrie, mit hoher technischer Qualität an verschiedenen Tagen durchgeführt,
eine Standardabweichung von ungefähr 100 ml. Dieser Messfehler ist jedoch groß im
Vergleich zum jährlichen Abfall des FEV1 , welcher bei normalen Erwachsenen ungefähr 30 ml und bei Personen mit AAT-Mangel
ungefähr 60 ml beträgt. Der Messfehler impliziert einen Standardfehler von wenigstens
100 ml/Jahr, wenn man den FEV1 -Abfall bei Personen ermittelt, die nicht länger als ein Jahr kontrolliert wurden.
Der Standardfehler ist umgekehrt proportional zu der Beobachtungsperiode (d. h. bei
einer Beobachtungsperiode von 10 Jahren reduziert sich der Standardfehler des FEV1 -Abfalls auf 10 ml/Jahr, was immer noch ziemlich hoch ist).
Die Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid im Ein-Atemzug-Verfahren (DL CO-SB) variiert bei wiederholten Messungen stärker als die FEV1 ; deswegen ist die Diffusionskapazität als Verlaufsparameter weniger geeignet. Obwohl
die arteriellen Blutgase und die Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid bei der Betreuung
von AAT-Mangel-Patienten häufig gemessen werden, ist ihre Eignung in der Nachsorge
in keiner Studien nachgewiesen.
Vom Konzept her könnten Änderungen der Dichte, wie man sie bei wiederholten CT-Scans
messen kann, ein sensitiver und spezifischer Parameter des emphysematösen Umbaus sein
und möglicherweise lässt sich das Fortschreiten des Emphysems, wie Flenley vor mehr
als einem Jahrzehnt vermutete, besser durch wiederholte quantitative CT-Messungen
als durch FEV1 -Messungen beurteilen [98 ]
[99 ].
Radiologie
Die Hauptursache für die Schwankungen bei Messungen der Lungendichte ist die Tiefe
der Einatmung. Die Lungendichte kann sich zwischen maximaler Inspiration und maximaler
Expiration mehr als verdoppeln [100 ]
[101 ]
[102 ]. Das Gasvolumen in der Lunge kann man über CT-Bilder bestimmen, also Histogramme
mit CT-Dichtewerten [102 ]
[103 ]
[104 ]. Die Lungendichte wird zu 50 % durch das Blut in der Mikrozirkulation bestimmt [105 ]. Bei einer tiefen Einatmung wird nicht nur das Gasvolumen der Lunge erhöht, sondern
es wird auch Blut in die Lunge „gesaugt”, und das kompliziert die Beziehung zwischen
Inspirationstiefe und Lungendichte noch weiter.
Nach Ansicht einiger Untersucher lässt sich durch spirometrische Kontrolle der Ventilation
während des Scanvorgangs die Reproduzierbarkeit und Genauigkeit von Dichtemessungen
verbessern [106 ]
[107 ]
[108 ]. Allerdings sind Patienten mit COPD nicht in der Lage, Atemmanöver, die mit maximaler
Expiration und Inspiration einhergehen, so gut zu reproduzieren, als dass damit eine
Standardisierung gelingen könnte [109 ]
[110 ].
Bei der Analyse von CT-Scans bei verschiedenen Inspirationstiefen konnte bei Einzelpersonen
die Abhängigkeit der Lungendichte vom aktuellen Lungenvolumen gezeigt werden. Auf
der Basis dieser Daten lassen sich densitometrische Parameter durch log-transformierte
Lungenvolumina standardisieren und damit Differenzen im Lungenvolumen zwischen den
Scans korrigieren. Spirometrisch kontrollierte Computertomogramme erübrigen sich damit
[111 ]. Wenn man eine große Bandbreite von Pixel-Perzentilen von der 10. bis zur 30. Perzentile
(korrespondierend zur Dichteskala von -950 bis -890 HU) benutzt, lassen sich jährliche
Veränderungen von 2 HU finden, entsprechend dem Verlust an Lungengewebe von 2 g/l
Lungenvolumen [111 ]. Die Quantifizierung des Lungenemphysems durch densitometrische Parameter scheint
demnach eine sensitivere Methode, das Fortschreiten des Lungenabbaus zu messen als
die Lungenfunktion (z. B. FEV1 ) [98 ]
[112 ]
[113 ]. Inspirations-Computertomogramme sind Expirations-Computertomogrammen beim Nachweis
der Langzeitveränderungen der Lungenstruktur durch Alterung und Rauchen überlegen
[113 ], und die Pixelperzentile war gegenüber dem Pixelindex der robustere Parameter zur
Messung des Fortschreitens des Lungenemphysems [111 ].
In einer randomisierten klinischen Studie zur AAT-Substitutionsbehandlung über einen
Zeitraum von drei Jahren mit 56 Patienten konnte gezeigt werden, dass die Sensitivität
der Messung des Progresses des Lungenemphysems durch die Perzentilen-Methode 3 - 4fach
höher war als jeder andere Parameter, der mit Hilfe der Spirometrie oder der CO-Diffusionskapazität
gemessen wurde. Die bedeutet, dass neue medikamentöse klinische Studien, die CT als
„outcome Parameter” heranziehen, mit einer 5fach geringeren Zahl von Patienten durchführbar
sind [112 ].
Da gezeigt werden konnte, dass die Lungendichtemessung abhängig ist vom Alter, sollten
Normalwerte für CT-Lungendichte als Funktion des Alters erstellt werden [117 ]. Ein Problem beim Einsatz des CT zur Messung der Progredienz des Lungenemphysems
ist die Strahlenbelastung. Wenn man die Untersuchung auf einen einzelnen Schnitt 5
cm unterhalb der Karina begrenzt, könnte die Strahlendosis deutlich reduziert werden.
Tatsächlich erhält man bei Berechnung auf der Basis eines Dünnschnitts ähnliche Ergebnisse
wie bei Ganzlungen-Scans [111 ]. Auch eine Reduktion der Stromstärke (mA) bis zu 10 Mal unterhalb des Standardpegels
hat keinen wesentlichen Einfluss auf die Messung der Lungendichte [118 ]
[119 ].
Biochemische Marker
Da man allgemein annimmt, dass die Schädigung der Lunge bei AAT-Mangel aus der Imbalance
zwischen neutrophiler Elastase (NE) und AAT resultiert, kann man logischerweise vermuten,
dass Faktoren, die mit der Aktivität der NE und/oder dem Stoffwechsel der extrazellulären
Lungenmatrix zu tun haben, als Indikatoren für die Zerstörung der Lunge infrage kommen
[120 ]. Die ersteren (aktive NE und NE-spezifische fibronogene Aα-Peptide) [121 ] sind indirekte Marker, die letzteren (Desmosin/Isodesmosin) [DES/IDES] und Peptide
aus dem Elastin-Abbau) sind direkte Marker des Elastinabbaus und deswegen enger mit
der klinischen Entwicklung eines Emphysems verknüpft [122 ]. Peptide aus dem Elastin-Abbau können mittels immunologischer Methoden im Plasma
oder Urin gemessen werden, sie sind, wie man gefunden hat, bei Patienten mit COPD
signifikant erhöht, verglichen mit Kontrollpersonen - sowohl bei der direkten Messung
[123 ] wie auch im Radioimmunassay [124 ]; die unvollständige biochemische Charakterisierung des immun reaktiven Materials
lässt jedoch Zweifel aufkommen, ob diese Methode für kontrollierte klinische Studien
nutzbar eingesetzt werden kann.
DES und IDES sind miteinander verbundene Aminosäuren, typisch für reifes Elastin.
Sie sind in Form von Peptiden aus dem Elastin-Abbau im Blutstrom vorhanden und werden
im Urin ausgeschieden. DES-Spiegel im Urin sind bei Rauchern mit einem raschen Abfall
der Lungenfunktion höher als bei solchen mit einem langsamen [125 ]. Außerdem sind sie bei Personen mit AAT-Mangel ebenso erhöht wie bei Patienten mit
COPD ohne AAT-Mangel [123 ]. Aufgrund vorläufiger Hinweise, dass die Substitution mit AAT die Urinausscheidung
von DES bei Personen mit AAT-Mangel vermindert [126 ], wurde bei klinischen Studien zur kurzzeitige Substitution mit AAT die Reduktion
der DES/IDES-Rate im Urin als primärer Endpunkt gewählt. Eine dieser Studien konnte
allerdings die vorläufigen Ergebnisse nicht bestätigen [127 ]. Zusammengenommen sprechen zwar bisherige Studien dafür, die Urinausscheidung von
DES/IDES als möglichen Verlaufsparameter für den Progresses des Lungenemphysems und
für die Wirksamkeit der Substitutionstherapie bei AAT-Mangel einzusetzen, es bedarf
jedoch weiterer Untersuchung, um die methodische Zuverlässigkeit und die klinische
Relevanz nachzuweisen.
Zusammengefasst gibt es hinreichend Untersuchungen zur Verlässlichkeit von FEV1 und CT-Densitometrie zum Nachweis der Progredienz des Lungenemphysems bei AAT-Mangel.
Die Spirometrie sollte anfänglich in jährlichen Abständen durchgeführt werden, bis
klar erkennbar ist, dass das Fortschreiten nicht so rasch ist und die Frequenz der
Untersuchung gesenkt werden kann.
Risikofaktoren
Risikofaktoren
Zahlreiche Studien haben die Rolle verschiedener Risikofaktoren für die Entwicklung
von COPD bei Patienten mit einem PI*ZZ-Phenotyp gezeigt (s. Tab. [6 ] und APPENDIX 3 und 4). Es ist eindeutig, dass beim AAT-Mangel vom PI*ZZ-Typ Rauchen
der wichtigste Risikofaktor bei der Entstehung eines Lungenemphysems ist. Der jährliche
Abfall der FEV1 bei Rauchern mit AAT-Mangel beträgt etwa 130 ml, bei Exrauchern 70 ml [67 ]
[128 ]
[129 ]
[130 ]. In einer nachfolgenden Untersuchung konnte jedoch gezeigt werden, dass der mittlere
Abfall bei Rauchern 70 ml/Jahr betrug, bei Nierauchern 47 ml/Jahr und bei Exrauchern
41 ml/Jahr, also ein Hinweis für ähnlichen Abfall pro Zeit bei Nichtrauchern und Exrauchern
[131 ]. Bei Untersuchung von Umweltfaktoren und endogenen Ursachen, die zum Abfall der
Lungenfunktion beitragen, muss man sicherstellen, dass die Teilnehmer Nichtraucher
sind; man vermeidet damit Fehlschlüsse durch den führenden Effekt des aktiven Rauchens.
In den schwedischen, dänischen und nordamerikanischen Registern gibt es eine große
Anzahl von Patienten, bei denen Nachfolgeuntersuchungen durchgeführt wurden.
Tab. 6 Risikofaktoren, die bei PI*ZZ-Personen zur Entwicklung einer Lungenerkrankung führen
Risiko
Ergebnis
Literatur
Evidenz-Grad
Kommentar
COPD und Tod
allgemein hohe Prävalenz
allgemein hohe Prävalenz
Appendix 2
App. 2 + 4
II-1
II-1
die anfängliche Bevölkerungsstudie [59 ] zeigt ein hohes Risiko für COPD, und eine Obduktionsstudie [10 ] bestätigt frühe Mortalität bei Rauchern, während Nichtraucher ein niedriges Risiko
für COPD und eine praktisch normale Lebenserwartung haben, aber ein höheres Risiko
für Lebererkrankung. Es gibt kein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer COPD bis
zum Alter von 20 Jahren. Hohe Prävalenz von PI*ZZ und PI*MZ in einer COPD-Population (Appendix 3), frühes Einsetzen
und erhöhte Schweregrade von COPD in Fallstudien (Appendix 4).
Rauchen
Überleben
Symptome
Appendix 2
App. 3 + 4
II-1
II-3
Obduktionsstudien [11 ] bestätigen die verminderte Lebenserwartung von Rauchern. Viele Studien zeigen ein früheres Einsetzen, eine niedrigere FEV1 und einen rascheren FEV1 -Abfall bei Rauchern.
Geschlecht
erhöhte Prävalenz
App. 2, 3 + 4
II-3
unterschiedliche Schlussfolgerungen hinsichtlich des erhöhten Risikos von Männern,
eine COPD zu entwickeln wegen Vermengung mit dem Risikofaktor Rauchen. Einige Studien
legen ein erhöhtes Risiko für Männer aufgrund einer erhöhten Berufs- und Umweltbelastung
nahe.
Arbeit- und Umweltbelastung
erhöhte Prävalenz
Appendix 4
II-3
Untersuchungen bei Nichtrauchern bestätigen das erhöhte Risiko, an Atemwegssymptomen
bei Gas-, Rauch- und Staub-Exposition zu leiden, aber alle Studien sind angreifbar
wegen retrospektiver Analyse und Nichtberücksichtigung anderer Faktoren (Rauchen,
Alter, Geschlecht und familiäre Faktoren).
familiär Faktoren
erhöhte Prävalenz
App. 2, 3 + 4
II-2, II-3
gehäuftes Auftreten von COPD in Familien, speziell bei Geschwistern von Index-Fällen
mit COPD.
Atopie
keine erhöhte Prävalenz
erhöhte Prävalenz
App. 2
App. 3 + 4
II-1
II-2, II-3
in schwedischen Longitudinalstudien wurde vermehrt Asthma vermutet, aber die Ergebnisse
waren statistisch nicht signifikant. Diagnose „Asthma” und Ansprechen auf Bronchodilatatoren häufig in vielen Populationsstudien
mit Bias. Eine einzige Studie mit Kontrollpersonen legt eine signifikante Verbindung
mit Asthma nahe [69 ].
Definition der Abkürzung: COPD = chronic obstructive pulmonary disease.
In drei Untersuchungen wird die Bedeutung von Umweltfaktoren auf den Lungenfunktionsabfall
auf der Basis von Eigenbeobachtungen untersucht. Bei 225 nicht rauchenden Personen
mit PI*ZZ in Schweden mit einer FEV1 von 84 ± 28 % des Sollwertes (Mittelwert ± einfache Standardabweichung) wurden die
berufliche Exposition gegenüber Gas, Rauch oder Staub über mindestens drei Monate,
die Häufigkeit von jährlichen Erkältungen und die Zahl der Lungenentzündungen als
möglicher Risikofaktor bei der Lungenfunktion abgefragt und analysiert [132 ]. Zunehmendes Alter, männliches Geschlecht und Giemen als Symptom konnten als unabhängige
Größen, die den FEV1 -Abfall beeinflussen, erkannt werden. Bei Männern über 50 Jahre waren Giemen und berufliche
Belastung mit inhalativen Noxen unabhängige Determinanten der Lungenfunktion. Ein
nachfolgender Bericht über die gleichen Patienten zeigte, dass Passivrauchen mit einem
erhöhten Risiko einer chronischen Bronchitis einherging und dass Gebrauch von Kerosinheizungen
und Berufstätigkeit in einem landschaftlichen Betrieb über mehr als 10 Jahre unabhängig
voneinander mit einer Verminderung der Lungenfunktion korrelierte [133 ]. Im Hinblick auf Passivrauchen konnte auch in anderen Studien ein schädigender Einfluss
mit Entwicklung von pulmonalen Symptomen gezeigt werden [34 ]
[68 ]. In einer prospektiven Studie an 103 schwedischen Kindern mit AAT-Mangel, der bei
der Geburt entdeckt worden war, konnte gezeigt werden, dass sie bei Erreichen des
Erwachsenenalters eine normale Lungenfunktion hatten, ein Hinweis dafür, dass Atemwegsinfekte
in der Kindheit kein wesentlicher Risikofaktor bei der Entwicklung eines Lungenemphysems
ist [134 ]. In einer dänischen Studie an Nierauchern mit PI*ZZ ohne klinische Symptome konnten
keine Veränderungen der Lungenfunktion festgestellt werden[135 ]. Über die schwedische Studie hinaus berichten Seersholm und Kok-Jensen über 27 symptomatische
und 48 asymptomatische Personen. Sie konnten keinen negativen Effekt des Passivrauchens
auf die Entwicklung des Lungenemphysems finden [136 ]. Eine weitere Analyse der Daten aus dem dänischen AAT-Mangel-Register zeigte, dass
Raucherentwöhnung sich günstig niederschlug: die Exraucher zeigten eine Verminderung
des jährlichen FEV1 -Abfalls [128 ]. Der mittlere FEV1 -Abfall war 81 ml/Jahr, bei den Rauchern 132 ml/Jahr, bei den Patienten, die das Rauchen
während der Studienperiode aufgegeben hatten, 58 ml/Jahr, und bei Nierauchern 86 ml/Jahr.
Die Rate des FEV1 -Abfalls war, bezogen auf den Sollwert des anfänglichen FEV1 , U-förmig. Dabei zeigten die Patienten mit einem initialen FEV1 von 30 - 64 % Soll den schnellsten Abfall.
Im nordamerikanischen NHLBI-Register wurden 1 129 Patienten mit schwerem AAT-Mangel
über einen Zeitraum von 3,5 - 7 Jahren nachuntersucht [137 ]. Der mittlere FEV1 -Abfall war 54 ml/Jahr, Männer zwischen 30 und 44 Jahren hatten einen rascheren Abfall,
ebenso aktive Raucher mit einem FEV1 zwischen 35 und 79 % des Sollwertes und Patienten, deren Lungenfunktion sich auf
Bronchodilatatoren besserte.
Mayer u. Mitarb. [138 ] untersuchten 128 Personen mit AAT-Mangel vom PI*ZZ-Phänotyp, um die Beziehung zwischen
chronischen Atemwegssymptomen, Atemwegsobstruktion, Behandlungsbedarf und semiquantitativer
Abschätzung der beruflichen Exposition gegenüber Dampf, Rauch und Gas zu analysieren.
Eine Häufung von chronischem Husten und Arbeitsverlust wegen Atemlosigkeit wurden
bei Personen mit hoher Steinstaubexposition häufiger beobachtet als bei solchen ohne
entsprechende Exposition. Personen mit hoher Steinstaubexposition hatten signifikant
niedrigere FEV1 (31 % des Sollwertes), verglichen mit Individuen ohne entsprechende Exposition (40
% vom Sollwert). Aktives Tabakrauchen war ein signifikanter Risikofaktor für die Entwicklung
der meisten pathologischen Befunde, aber es konnte keine Interaktion mit der beruflichen
Exposition gezeigt werden.
Zusammenfassend beschleunigen aktives Zigarettenrauchen, Giemen in der Anamnese und
einige distinkte Umweltnoxen wie Heizen mit Kerosin in Innenräumen und Arbeiten in
landwirtschaftlichen Betrieben die Entwicklung des Emphysems bei Männern über 50 Jahre.
Auch ist die berufliche Exposition gegenüber inhalativen Schadstoffen unabhängig assoziiert
mit Atemwegssymptomen und Atemwegsobstruktion. Es gibt durchaus Hinweise dafür, dass
die Exposition gegenüber Passivrauchen schädlich sein kann [34 ]
[68 ]
[133 ].
Krankheitsverlauf
Krankheitsverlauf
Von den 200 000 Kindern, die in Schweden gescreent wurden, hatten 127 den Phänotyp
PI*ZZ. Die Kinder wurden von Geburt an prospektiv nachuntersucht sowohl klinisch als
auch mit Messungen von Leber- und Lungenfunktion. Während der ersten zwei Lebensdekaden
blieb die Lungenfunktion in der schwedischen Kohorte normal [139 ]. Untersuchungen zum Verlauf des AAT-Mangels haben gezeigt, dass die Entwicklung
eines Emphysems, das zum vorzeitigen Tod führen kann, in der 3. und 4. Lebensdekade
beginnt. In einer Untersuchung zur Lebenserwartung bei 246 Personen, die Larsson durchführte
[6 ], lag das mediane Alter beim Tode für Raucher bei ungefähr 40 Jahren und bei Nierauchern
bei 65 Jahren. Bei einer Untersuchung an einem Zuweisungsklientel von 124 AAT-Mangel-Patienten
konnten Brantly u. Mitarb. eine kumulative Überlebenswahrscheinlichkeit von 52 % bis
zum Alter von 50 Jahren und nur eine 16 %ige Überlebenschance jenseits dem 60. Lebensjahr
nachweisen [63 ]. Jedoch basierten beide Studien auf Patientengruppen, die wegen pulmonaler Symptome
aus den Krankenhaus-Archiven herausgesucht wurden, und die Schätzung der Lebenserwartung
ist wegen dieses Selektionsbias zu einem gewissen Grade wahrscheinlich zu pessimistisch.
Die Ergebnisse bei 347 Patienten des dänischen Registers [140 ] zeigten, dass der FEV1 der wichtigste Prädiktor des Überlebens war. Das mediane Überleben betrug für Patienten
mit einem FEV1 von weniger als 25 % des Sollwertes 6,3 Jahre, für Patienten mit einem Atemstoß von
25 % bzw. 50 % des Sollwertes 10,5 bzw. 14,2 Jahre.
Tobin u. Mitarb. untersuchten den klinischen Verlauf und das Überleben von 166 Patienten
mit AAT-Mangel, von denen 40 Nonindex-Fälle waren, d. h. man hatte sie bei Familienuntersuchungen
herausgefunden [141 ]. In der Nonindex-Gruppe fanden sich deutlich weniger pulmonale Symptome als in der
Indexgruppe, und es wurde kein vorzeitiger Todesfall in der Nonindex-Gruppe gefunden
verglichen mit 23 in der Index-Gruppe. Die Studie legt nahe, dass der klinische Verlauf
der Erkrankung sehr variabel ist und dass diese Variabilität nicht nur durch die Raucheranamnese
erklärt werden kann. Bei der Untersuchung der Lungenfunktion fanden Silvermann u.
Mitarb. große Unterschiede bei 22 Index- und 30 Nonindex-Fällen, einige Personen der
Nonindex-Gruppe hatten überhaupt keine pulmonalen Symptome [34 ]. Daraus zog man den Schluss, dass wohl andere familiäre Faktoren den Schweregrad
des klinischen Verlaufes beeinflussen.
Um weitere Einsichten in den Verlauf des AAT-Mangels, insbesondere der Nonindex-Fälle
zu erhalten, wurde im Jahre 1978 das dänische AAT-Mangel-Register ins Leben gerufen
[54 ]. Patienten mit AAT-Mangel werden von allen dänischen Ärzten gemeldet, eine Familienanamnese
wird erstellt und die Familienmitglieder auf PI-Phänotyp untersucht. Bis Dezember
1998 führte das Register 695 Personen mit AAT-Mangel vom Typ PI*ZZ oder PI*Z0. Mehr
als 200 davon wurden bei Familienuntersuchungen entdeckt.
Mit den Daten dieses Registers war es möglich, nicht nur die Analyse der Lebenserwartung,
die Larsson im Jahre 1978 durchgeführt hatte [6 ], zu wiederholen, sondern auch die Lebenserwartung einer großen Zahl von Nonindex-Patienten
ohne Lungensymptome zu untersuchen [54 ]. Die rauchenden Nonindex-Patienten hatten eine mediane Überlebenserwartung von 49
Jahren, während die mediane Lebenserwartung von nicht rauchenden Patienten 69 Jahre
betrug und sich statistisch nicht von der normalen dänischen Bevölkerung unterschied.
Die weitere Analyse der Daten unter Kontrolle der lebenslangen Raucheranamnese zeigten,
dass der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen Index- und Nonindex-Fällen nicht
allein durch Unterschiede in der Raucheranamnese zu erklären war und dass einige Raucher
niemals ein schweres Lungenemphysem entwickelten [54 ].
Andere Risikofaktoren als Rauchen können genetisch oder umweltbedingt sein, wie z.
B. Exposition gegenüber Staub und Rauch, häufige Lungeninfektionen oder Asthma [34 ]
[68 ]
[142 ]
[143 ]
[144 ]. Die Möglichkeit, dass eine bronchiale Hyperreagibilität mit einem größeren Verlust
der FEV1 über die Zeit einhergehen könne, ist bei AAT-Mangel noch nicht vollständig geklärt
[137 ]. Der beste Ansatz wäre die Untersuchung des klinischen Verlaufes und der Prognose
von Nierauchern mit AAT-Mangel, es gibt jedoch nur wenige solche Studien mit kleinen
Patientenzahlen und kurzen Verlaufskontrollen.
In einer schwedischen Untersuchung bei 225 Personen mit PI*ZZ, die angaben, nie geraucht
zu haben, hatten die meisten bis zum 50. Lebensjahr eine normale Lungenfunktion und
nur wenige Symptome von Seiten der Atemorgane. Nach dem 50. Lebensjahr gab es zwischen
den einzelnen Personen große Unterschiede in der Lungenfunktion, die Mittelwerte (in
Prozent des Sollwertes) verschlechterten sich deutlich mit dem Alter. Bei den Männern
war das Risiko der Lungenfunktionsverschlechterung ausgeprägter als bei Frauen; asthmatische
Symptome sowie berufliche Exposition gegenüber Atemwegsnoxen bildeten zusätzliche
Risikofaktoren [132 ]. In einer Studie, die Veränderungen des FEV1 bei 211 Nierauchern, 354 Exrauchern und 46 Rauchern mit PI*ZZ-Phänotyp analysierte,
betrug die mittlere jährliche Änderung des FEV1 bei Nierauchern 47 ml/Jahr, bei Exrauchern 41 ml/Jahr und bei aktiven Rauchern 70
ml/Jahr. Bei Nierauchern wurde nach dem 50. Lebensjahr ein stärkerer FEV1 -Abfall gefunden als davor. Geschlechtsunterschiede beim Abfall des FEV1 wurden dagegen nicht beobachtet [128 ].
In einer britischen Studie [145 ] fand man in der Gesamtpopulation einen Abfall des FEV1 von 45 ml/Jahr, ohne dass Tabakabstinenz einen Effekt hatte. Auch sah man in dieser
Studie einen langsameren Funktionsabfall bei Patienten mit einem initial niedrigen
FEV1 . Dieser Befund hat wahrscheinlich etwas mit dem Überlebenseffekt, zu tun, d. h. von
den Patienten mit einem initial niedrigen FEV1 überlebten nur die mit einem langsameren Funktionsabfall lange genug, um genügend
Untersuchungen zur Berechnung des FEV1 -Abfalls zu generieren. In einer gemeinsamen amerikanisch-schwedischen Studie [146 ] wurde der FEV1 -Abfall mit 100 ml/Jahr bestimmt und in einer Studie von Janus u. Mitarb. [147 ] ein FEV1 -Abfall von 316 ml/Jahr bei Rauchern und 80 ml/Jahr bei Nierauchern. In den beiden
genannten Studien wurde der Effekt der Rauchentwöhnung nicht untersucht.
Aufgrund einer Reihe von Studien konnte geklärt werden, dass die Verschlechterung
der Lungenfunktion im Einzelfall von anderen Faktoren als dem Zigarettenrauchen abhängt
[32 ]. Ergebnisse der Longitudinal-Untersuchung bei Patienten mit COPD und normalem AAT-Spiegel
zeigen, dass die bronchiale Hyperreagibilität ein eindeutiger prognostischer Indikator
für den Verlust von FEV1 in der Zeiteinheit ist [137 ]. Wenn gleichzeitig Asthma bronchiale vorhanden ist, dürfte der FEV1 -Verlust durch vermehrte Entzündung der Atemwege bei fehlender anti-inflammatorischer
Reaktion infolge AAT-Mangel höher ausfallen. In mehreren Untersuchungen wurde über
die Verbindung zwischen Asthma und AAT-Mangel berichtet [69 ]. Obwohl es keine Untersuchungen gibt, die den Nutzen einer anti-inflammatorischen
Therapie zur Verminderung des FEV1 -Abfalls bei AAT-Mangel gibt, empfehlen wir derzeit, dass Patienten mit AAT-Mangel
und Asthma aggressiv mit Medikamenten behandelt werden sollten, da diese die Atemwegsüberempfindlichkeit
reduzieren und damit auch eine mögliche, unkontrollierte Atemwegsentzündung.
Über die Verbindung von sakkulären und zylindrischen Bronchiektasen mit AAT-Mangel
mit und ohne begleitendes Lungenemphysem wurde berichtet [87 ]. Bronchiektasen scheinen bei spanischen Patienten häufiger zu sein [148 ].
Vaskulitis und andere Organmanifestationen
Wie in dem Kapitel „Leber und andere Erkrankungen” diskutiert, wurde eine Vielzahl
von anderen Krankheiten beschrieben, die mit einem AAT-Mangel einhergehen. Dazu gehören
die systemische Vaskulitis, wie die ANCA-positive Wegener's Granulomatose und die
nekrotisierende Panniculitis [149 ]
[150 ]
[151 ]
[152 ], die periphere Neuropathie [153 ] sowie cerebrale und periphere arterielle Aneurysmen [154 ]. Letztere konnten in größeren Studien nicht bestätigt werden [155 ]. Einige berichten eine Verschlechterung der Vaskulitis-Symptome durch α1 -Antiproteinase-Behandlung [149 ]
[156 ]. Es ist bemerkenswert, dass im NHLBI-Registers mit 1.129 Patienten außer Lungen-
und Lebererkrankungen keine anderen tödlichen Krankheiten beobachtet wurden [137 ].
Nekrotisierende Panniculitis
Eine seltene Komplikation bei Patienten mit PI*ZZ ist die Entwicklung einer nekrotisierenden
Panniculitis [157 ]
[158 ]. Diese Erkrankung ist eine Entzündungsreaktion auf einen unbekannten Stimulus mit
typischen nekrotisierenden Herden in der Subkutis und in der Kutis, die sehr ausgedehnt
sein können.
Lebererkrankung
Nur 2,5 % der Neugeborenen, bei denen eine Phänotyp PI*ZZ diagnostiziert wird, sterben
an akutem Leberversagen. Patienten über 50 Jahre können auch ein hepatozelluläres
Karzinom und Leberzirrhose entwickeln [9 ]. Das beeindruckendste Ergebnis neuerer Studien [10 ]
[11 ] ist jedoch die beherrschende Rolle der Leberzirrhose als Todesursache, insbesondere
bei älteren Nierauchern. Die Leberzirrhose und ihre Komplikationen waren die Haupttodesursache
bei 12 von 41 Patienten und fanden sich bei 14 von 41 Patienten. Aber nur bei 2 von
23 Rauchern starben an den Folgen der Leberzirrhose, verglichen mit 12 von 17 Nierauchern
(p < 0,001). Ein hepatozelluläres Karzinom trat bei 5 Patienten mit Leberzirrhose
auf, wurde aber nie in einer nicht zirrhotischen Leber gefunden.
Die Prävalenz der Leberzirrhose bei AAT-Mangel wurde bisher unterschätzt. Die Zahl
von 5 %, wie sie in einem Bericht der World Health Organization genannt wurde [56 ], erscheint heute als zu niedrig. Das lebenslange Risiko, an einer Leberzirrhose
zu erkranken, liegt nach einer realistischen Schätzung im Bereich von 30 - 40 % [9 ]
[10 ]. Bei der Pathogenese der Leberzirrhose wird ursächlich die Polymerisation des AAT-Proteins
vermutet, aber der exakte Mechanismus ist nicht bekannt.
Risiken der MZ- und SZ-Phänotypen für die Entwicklung von Lungenemphysem und COPD
Risiken der MZ- und SZ-Phänotypen für die Entwicklung von Lungenemphysem und COPD
Es ist unklar, ob Personen mit einem heterozygoten AAT-Mangel vom Phänotyp MZ oder
MS empfänglicher für die Entwicklung eines Lungenemphysems und einer COPD sind als
Personen mit einem MM-Phänotyp. Nach den ersten Berichten über den Zusammenhang von
PI*ZZ, AAT-Mangel und Lungenemphysem wurde vielerorts der Versuch unternommen, den
klinischen Verlauf von Patienten mit PI*MZ-Phänotyp zu beschreiben. Leider wurde bis
heute keine genügend große bevölkerungsbasierte Screening-Untersuchung durchgeführt,
bei der Personen mit PI*MZ - gleichmäßig verteilt nach Alter, Geschlecht, Beruf und
Rauchgewohnheiten - mit einer Kontrollkohorte verglichen wurden hinsichtlich Verlaufskontrollen
von Lungenfunktion und bronchialer Hyperreagibilität. Stattdessen wurde eine Fülle
von Daten aus kleineren Fallkontrolluntersuchungen und populationsbasierten Studien
zu Risikofaktoren einer obstruktiven Lungenerkrankung bei PI*MZ (s. Tab. [7 ]).
Tab. 7 Risikofaktoren, die bei Personen mit PI*MZ zur Lungenerkrankung führen
Risikofaktor
Literatur
Evidenz-Grad
Kommentar
familiäre Häufung von COPD
Appendix 5
II-1
dazu wird es nie eine randomisierte, kontrollierte Studie geben.
Rauchen
Appendix 6
II-1
dazu wird es nie eine randomisierte, kontrollierte Studie geben.
Arbeitsumwelt als Risiko
Appendix 7
II-2
weitere Forschung zur Stratifizierung des Risikos nach Schwere und Art der Inhalationsexposition
sind erforderlich.
Atopie
Appendix 8
II-3
die Ergebnisse sind kontrovers bei widersprüchlichen Studien.
kinderlose Frauen
Horne u. Mitarb. 1992 [300 ]
II-3
Unterschiede wurden bei subtilen spirometrischen Tests gefunden, aber nicht bei der
FEV1 . Diese Studie bleib die einzige zu diesem Thema und wurde nicht wiederholt.
Zur Definition der Abkürzung s. Tab. [6 ].
MZ-Prävalenz bei Patienten mit COPD
Die ersten Hinweise für ein erhöhtes COPD-Risiko bei PI*MZ-Mangel fand man, als man
Patienten mit manifester Atemwegserkrankung phänotypisierte und dabei eine höhere
PI*MZ-Prävalenz fand, als nach der Genfrequenz der Allgemeinbevölkerung zu erwarten
war [159 ]
[160 ]
[161 ]
[162 ]
[163 ]
[164 ]
[165 ]
[166 ]
[167 ]
[168 ]. Nur in wenigen Studien fand sich eine solche Beziehung nicht [169 ]
[170 ]
[171 ]
[172 ].
Familiäre Einflüsse
Bei vielen dieser anfänglichen Untersuchungen wurden die PI*MZ-Personen über ihre
familiäre Beziehung zu symptomatischen PI*ZZ-Patienten herausgefunden. Als man bei
diesen Patienten obstruktive Lungenfunktionsveränderungen fand [173 ]
[174 ]
[175 ]
[176 ], wurden die Studien kritisiert, mit der Begründung, dass die Atemwegsobstruktion
Folge anderer genetischer oder Umweltfaktoren sein könnte, und nicht nur Ausdruck
des AAT-Mangels. Tatsächlich müsste man - bei der Häufung von COPD in Familien ohne
AAT-Mangel - zur Beantwortung dieser Frage einen Personenkreis untersuchen, der sich
aus der Gesamtbevölkerung und nicht aus Verwandten symptomatischer Patienten zusammensetzt
(siehe Appendix 2).
Die größte bisherige Studie zur Untersuchung von PI*MZ-Patienten von Seersholm u.
Mitarb. konnte zeigen, dass in Dänemark 9 % aller Patienten, die mit der Diagnose
„COPD-Exazerbation” im Krankenhaus aufgenommen wurden (n = 17 061), den Phänotyp PI*MZ
aufwiesen [177 ]. Damit hat der PI*MZ-Phänotyp, verglichen mit PI*MM-Patienten, ein relatives Risiko
der „Hospitalisation wegen COPD” von 2,2 (95 % Konfidenzintervall, 1,5 - 3,0). Darüber
hinaus hatten Verwandte ersten Grades von PI*ZZ-Indexfällen im Alter von 40 - 79 Jahren
ein zusätzliches Risiko. Damit wurde die familiäre Neigung bei PI*MZ-Heterozygoten,
eine COPD zu entwickeln, bestätigt. Bemerkenswert ist auch die hohe Prävalenz von
PI*MZ-Phänotypen bei Personen mit Cor pulmonale. Weitere Untersuchungen zur familiären
Häufung von COPD bei PI*MZ-Personen finden sich in Appendix 5.
Tabakrauchen und COPD bei PI*MZ-Patienten
In kleineren, bevölkerungsbasierten Studien wurde der Frage nachgegangen, ob Personen
mit PI*MZ bei gleichem Tabakkonsum eine höhere COPD-Prävalenz haben. Dabei fanden
sich bis auf wenige Ausnahmen ähnliche FEV1 -Werte bei PI*MM- wie bei PI*MZ-Patienten [178 ]
[179 ]
[180 ]
[181 ]
[182 ]
[183 ]
[184 ]
[185 ]
[186 ]
[187 ]
[188 ]
[189 ].
Jedoch beobachtete man bei PI*MZ-Patienten diskrete Störungen der Lungenfunktion.
So konnte gezeigt werden, dass der elastische Lungendruck, der mittlere forcierte
expiratorische Fluss während der mittleren FVC-Hälfte (FEF25 - 75 % ) [173 ]
[174 ]
[181 ]
[190 ]
[191 ], die Frequenzabhängigkeit des Gesamtlungenwiderstandes [192 ], die Frequenzabhängigkeit der dynamischen Compliance [173 ], die Inhomogenität der Ventilation [192 ] und der arterielle Sauerstoffpartialdruck sich bei Patienten mit PI*MZ und PI*MM
unterschiedlich verhielten. Die meisten Autoren vermuten, dass diese geringgradigen
Störungen keine klinische Bedeutung haben.
Bevölkerungsbasierte Obduktionsuntersuchungen sind im Ergebnis ebenfalls uneinheitlich.
So zeigte eine Obduktionsstudie bei MZ-Patienten eine erhöhte Emphysem-Prävalenz,
obwohl sich keine Verbindungen von prämorbiden Symptomen oder vorzeitigem Tod ergaben
[193 ]. In einer anderen Untersuchung konnten keine Unterschiede in der Emphysem-Prävalenz
bei PI*MZ und PI*MM-Patienten nachgewiesen werden [194 ].
Um diese Studien in Einklang zu bringen und den kovariaten Einfluss des Zigarettenrauchens
auf die Atemwegsobstruktion weiter zu analysieren, konstruierten Silverman u. Mitarb.
[195 ] Regressionsgleichungen für FEV1 und FEF25 - 75 % im Vergleich zum kumulativen Anzahl der gerauchten Zigaretten (Packungsjahre) bei
PI*MZ-Verwandten von PI*ZZ-Kranken. Sie konnten zeigen, dass PI*MZ-Patienten ein erhöhtes
Risiko zur Entwicklung einer Atemwegsobstruktion haben, in einer Größenordnung, die
zwischen dem von Patienten mit PI*MM und denen mit PI*ZZ-Phänotyp liegt. Eine andere
populationsbasierte Longitudinalstudie von Eriksson u. Mitarb. [196 ] untersuchte die FEV1 regelmäßig 6 Jahre lang bei Personen mit PI*MZ. Der FEV1 -Abfall war bei den Rauchern mit 75 ml/Jahr größer als bei nicht rauchenden PI*MZ-Personen
mit 40 ml/Jahr (p < 0,05).
Zusätzliche Daten aus der NHLBI Lung Health Studie bestätigen das Risiko des MZ-Phänotyps
bei einer rauchenden Bevölkerung. Unter den 5.887 männlichen und weiblichen Rauchern,
die für die NHLBI Lung Health Studie rekrutiert werden konnten, wurden 283 Personen
mit dem raschesten FEV1 -Abfall (Δ FEV1 = - 154 ± 3 ml/Jahr) und mit 308 Personen ohne FEV1 -Abfall (Δ FEV1 = + 15 ± 2 ml/Jahr) gesondert untersucht und zwar im Hinblick auf den Polymorphismus
im AAT-Protein und auf mikrosomale Epoxidhydrolase, Vitamin D-bindendes Hormon und
Tumor Nekrose-Faktor-Gen. Ein rascher Abfall des FEV1 war verbunden mit einem MZ-Genotyp des AAT-Gens (odds ratio [OR] 2,8; p = 0,03).
Diese Verbindung war stärker, wenn COPD in der Familienanamnese und der Genotyp MZ
zusammen auftraten (OR, 9,7; p = 0,03). Diese Ergebnisse legen nahe, dass der MZ-Genotyp
mit einem beschleunigten Abfall der Lungenfunktion einhergeht und mit anderen familiären
Faktoren interagiert. Die mikrosomalen Epoxidpolymorphismen gingen, wie PI*MZ AAT,
mit einem rascheren Abfall der Lungenfunktion einher. Nicht assoziiert mit einem beschleunigten
Abfall der Lungenfunktion jedoch waren in dieser Studie der AAT S und 3`Polymorphismus,
die Isoformen des Vitamin D-bindenden Proteins und die Tumor Nekrose-Faktoren (TNF-α-200304467oc
G308A und TNF-α-A252G) [197 ].
Zusammengenommen hat sich aufgrund vieler Studien die Einsicht verdichtet, dass Zigarettenrauchen
bei Personen mit PI*MZ ein Risiko zur Entwicklung einer COPD darstellt (s. Appendix
6).
Umweltrisiken zur Entwicklung einer COPD bei PI*MZ-Patienten
In einigen bevölkerungsbasierten PI*MZ-Kohorten konnten Atemnot [198 ] und Giemen häufiger beobachtet werden als bei PI*MM-Personen, insbesondere wenn
sie den Belastungen von Umweltrauch oder Tabakrauch ausgesetzt waren. Andere Untersucher
konnten diese Befunde bei großen Populationen nicht bestätigen [178 ]
[182 ]
[198 ]
[199 ]
[200 ]
[201 ].
Der Einfluss der Arbeitsumwelt wurde in Baumwollmühlen bei Arbeitern mit einem erhöhten
Byssinose-Risiko untersucht. Mit Hilfe multivariater Analysen, bei welchen auch der
Endotoxinspiegel gemessen und berücksichtigt wurde, konnte nachgewiesen werden, dass
der PI*MZ-Phänotyp ein Risiko zur Entwicklung von respiratorischen Symptomen mit sich
bringt [202 ]
[203 ]. In anderen Studien konnte keine Verbindung zwischen Patienten mit PI*MZ und Byssinose-Symptomen
nachgewiesen werden [204 ]
[205 ], diese Studien berücksichtigten jedoch nicht das stärkere Risiko der Endotoxinexposition.
Andere Arbeitsplätze mit einem erhöhtem Staubrisiko findet man möglicherweise bei
der Getreideverarbeitung [206 ] und im Bergbau [207 ]. Aktuelle Studien, die sich mit der Luftqualität als Risikofaktor für COPD bei Personen
mit PI*MZ umfassen, sind in Appendix 7 aufgelistet.
Der Einfluss des PI*MZ-Phänotyps auf atopische Erkrankungen
Die Datenlage ist bei atopischen Erkrankungen ziemlich lückenhaft (s. Appendix 8).
Obwohl der PI*MS-Heterozygote ein erhöhtes Asthma-Risiko haben könnte [208 ]
[209 ], findet man die PI*MZ-Genprävalenz einmal höher als bei einer allgemeinen Population
von Asthma-Patienten [186 ], das andere Mal wieder nicht [201 ]
[210 ]
[211 ]
[212 ]. In anderen Studien wird über eine Häufung von PI*MZ bei Aspirin-sensitivem Asthma
[213 ], Nasenpolypen und Sinusitis [214 ]
[215 ] berichtet.
Zu den anderen Lungenerkrankungen, bei denen in der Literatur über ein gehäuftes Auftreten
von PI*MZ berichtet wird, zählen die ambulant erworbene Pneumonie [216 ], die Rheumalunge [217 ] und die Wegener'sche Granulomatose [10 ].
Zusammenfassung
Der Einfluss des PI*MZ-Phänotyps auf Erkrankung der Lunge in Form eines erhöhten COPD-Risikos
erscheint gesichert. Das Konzept eines multifaktoriellen Zusammenwirkens von genetischer
Disposition, Zigarettenrauchen und Umwelt bei Patienten mit PI*MZ ist nach der vorhandenen
Datenlage schlüssig. Ein Mensch mit einem PI*MZ-Phänotyp, der raucht, entwickelt gewöhnlich
später im Leben eine leichte Lungenfunktionsstörung. Das Risiko, eine symptomatischen
COPD zu entwickeln, kann jedoch deutlich höher sein bei starken Zigarettenrauchern
mit einer zusätzlichen Umwelt- oder Arbeitsplatzbelastung, insbesondere bei Verwandten
von Patienten mit obstruktiver Lungenerkrankung.
Der SZ-Phänotyp
Studien haben gezeigt, dass Rauchen das Hauptrisiko für die Entwicklung eines Lungenemphysems
ist und dass das Emphysemrisiko bei Nichtrauchern vernachlässigbar klein ist [218 ]
[219 ]
[220 ] (s. Tab. [8 ] und Appendix 9). Die Auswirkungen des Zigarettenrauchens jedoch sind tiefgreifend
und führen zu einer Verschlechterung der Lungenfunktion; diese ist oft so ausgeprägt,
wie bei rauchenden PI*ZZ-Patienten. Obwohl es keine Studien zur Bedeutung berufsbezogener
Schadstoffe oder von Umweltnoxen bei Personen mit SZ-Phänotyp gibt, kann man mit gutem
Grund annehmen, dass sie ebenso empfänglich sind wie Personen mit PI*ZZ-Phänotyp.
Prognose
Prognose
Mehrere Studien haben nachgewiesen, dass die FEV1 der wichtigste Prädiktor für das Überleben von Patienten mit Lungenemphysem bei AAT-Mangel
ist. Im dänischen AAT-Mangel-Register war die 2-Jahres-Überlebenszeit so lange normal,
wie die FEV1 über 35 % des Sollwertes lag. Bei Personen mit einer FEV1 unter 35 % des Sollwertes stieg die Mortalität exponentiell mit dem Abfall der FEV1 an [221 ]. Jedoch ist der Krankheitsverlauf bei AAT-Mangel bis heute wegen der beschränkten
Zahl der prospektiven Studien nicht völlig geklärt. Bei Rauchern, die nicht aufhören
können mit dem Rauchen, ist die Lebenserwartung, nachdem die Diagnose eines AAT-Mangels
gestellt wurde, geringer als 20 Jahre. Der Abfall der FEV1 ist am schnellstens, wenn der FEV1 -Wert zwischen 30 und 65 % des Solls liegt [222 ]. In den Nachsorgestudien, die bis zu 19 Jahren liefen, betrug die Mortalitätsrate,
nicht bereinigt, 41 % [223 ]. Ist die Lungenfunktion erst einmal gestört, findet man beim Abfall der FEV1 -Kurve zwischen aktiven Rauchern und Exrauchern keinen signifikanten Unterschied,
Exraucher leben aber länger - so das Ergebnis zweier Studien [223 ]
[224 ]. Bei 282 Patienten mit PI*ZZ wurde anhand der 2-Jahres-Überlebensrate die Mortalität
in Abhängigkeit von der FEV1 berechnet. In einer einfachen Exponentialfunktion war die Überlebensrate nahezu 100
%, solange die FEV1 über 1/3 des Sollwertes lag. Die 2-Jahres-Mortalität war 50 %, wenn die FEV1 15 % des Sollwertes und weniger betrug [224 ]. Bei Non Index-Patienten, die nie in ihrem Leben geraucht hatten, konnte eine normale
Lebenserwartung beobachtet werden [135 ]
[221 ].
Prävention von Lungenerkrankung
Prävention von Lungenerkrankung
Um die Entwicklung des Lungenemphysems zu verhindern, genügt es, das Zigaretten rauchen
zu vermeiden und Umweltnoxen zu verhindern. Von der Lung Health Studie wissen wir,
dass der FEV1 -Abfall pro Jahr sich bei Personen, die das Rauchen mit Erfolg aufgeben, deutlich
verringert [225 ]. Frühe Raucherabstinenz ist besonders wichtig bei Personen mit einem homozygoten
Phänotyp. Leider sprechen junge Erwachsene auf solche Appelle am wenigsten an. Es
gibt mittlerweile eine ganze Reihe pharmakologischer Hilfen zur Raucherentwöhnung;
sie sollten von Rauchern, die mit dem Zigarettenrauchen aufhören wollen, genutzt werden.
Auch ist theoretisch zu erwarten, dass die Kontrolle von Atemwegsinfekten und bronchialer
Hyperreagibilität die Belastung der Lungen- und Atemwege durch neutrophile Granulozyten
vermindert. Die Exposition gegenüber Atemwegsnoxen, passivem Zigarettenrauchen sowie
Staub und Rauch sollte minimiert werden. Bei regelmäßiger Exposition gegenüber schädlichen
Umweltstoffen sollte ein Arbeitsplatzwechsel vorgenommen werden.
Präventive Strategien wie Influenza- oder Pneumokokken-Impfung sind zu empfehlen.
Wegen der Möglichkeit eines Mitbefalls der Leber empfehlen wir die Durchführung der
Hepatitis-Serologie. Was die Hepatitis-Impfung von Personen mit AAT-Mangel ohne manifeste
Lebererkrankung oder bei alleiniger Lungenerkrankung anbelangt, so schlagen wir vor,
den allgemeinen Impfempfehlung des betreffenden Landes nachzukommen. Eine Hepatitis-Impfung
ist jedoch zu empfehlen bei Patienten mit AAT-Mangel und manifester Lebererkrankung.
Die Arbeitsgruppe ist der Meinung, dass eine Immunisierung gegen Hepatitis B vor Beginn
einer AAT-Substitutionstherapie bei Patienten ohne Lebererkrankung nicht erforderlich
ist, da Infektionen mit Hepatitis B unter Substitutionstherapie nicht berichtet wurden.
Allgemeine medizinische Behandlung
Allgemeine medizinische Behandlung
Die Leitlinien zur Therapie von Erkrankungen mit COPD ohne AAT-Mangel sind in früheren
Publikationen ausreichend dargelegt und sind auf die pulmonalen Manifestationen bei
AAT-Mangel anwendbar [77 ]
[78 ].
Die meisten Patienten mit AAT-Mangel und obstruktiver Lungenerkrankung geben eine
symptomatische Besserung nach Anwendung von Bronchodilatatoren an, selbst wenn sich
keine objektive Besserung der Lungenfunktion nachweisen lässt. Viele Patienten benutzen
diese Medikamente, um die Atemnot bei Belastung zu verringern; Überdosierung ist jedoch
häufig und kann zu Zittrigkeit und Beklemmung führen. Die Patienten sollten ermutigt
werden, körperlich aktiv zu bleiben, aber die körperliche Belastung nicht zu übertreiben,
um Hyperventilation und „air trapping” zu vermeiden. Patienten mit einer bronchialen
Hyperreagibilität sollten inhalative Steroide erhalten, unter der Annahme, dass eine
Verminderung der Atemwegsentzündung auch den zeitlichen FEV1 -Abfall verringert. Eine Studie kam zu dem Ergebnis, dass Patienten mit AAT-Mangel
und Lungenerkrankung aus der Behandlung mit inhalierten Steroiden Nutzen ziehen, obwohl
nicht eindeutig ist, welche Patienten dies sind [226 ].
Antibiotika sollten bei Patienten mit Hinweisen auf Bronchitis oder Infekte der oberen
Atemwege verabreicht werden. Obwohl es keine Studien zur Bedeutung der infektinduzierten,
granulozytären Entzündung auf die Lungenfunktion gibt, erscheint ein aggressives Vorgehen
gerechtfertigt. Insbesondere Makrolide können die Entzündung mit Neutrophilen vermindern
[227 ]. Jedoch sollten auch β-Laktam-Antibiotika oder Quinolone eingesetzt werden, um die
Entwicklung von bakteriellen Resistenzen gegen Makrolide zu vermeiden. Patienten mit
Bronchiektasen sollten über einen längeren Zeitraum antibiotisch behandelt werden.
Sauerstoff sollte zur Anwendung kommen bei Patienten, bei denen unter körperlicher
Belastung ein Abfall der Sauerstoffsättigung nachgewiesen ist. Sauerstoffzufuhr erhöht
die körperliche Belastbarkeit derjenigen Patienten, die unter Belastung entsättigen.
Positive Auswirkungen auf Lebensqualität oder körperliche Kondition, die über die
Effekte der Lungenrehabilitation hinausgehen, konnten jedoch nicht nachgewiesen werden
[228 ]
[229 ]. Bei schwerer Hypoxämie sollte die Langzeit-Sauerstofftherapie entsprechend den
Kriterien der American Thoracic Society und der European Respiratory Society eingeleitet
werden [76 ]
[77 ].
Orale Kortikosteroide sind von Nutzen bei Patienten mit einer eindeutigen asthmatischen
Komponente ihrer Erkrankung, sollten aber über längere Zeiträume wegen des Verlustes
der Knochensubstanz nur mit Vorsicht eingesetzt werden [230 ]. Die Verkürzung der Wirbelsäule bei Osteoporose trägt zum Verlust von Lungenvolumen
und zu körperlicher Behinderung infolge von Wirbelsäulenschmerzen bei.
Depressionen treten bei Patienten mit chronischer Lungenerkrankung häufig auf, und
Patienten mit AAT-Mangel bilden dabei keine Ausnahme. Frühe Hinweise auf Depression
wie Appetitverlust sollten rechtzeitig erkannt und entsprechend behandelt werden.
Trizyklische Antidepressiva werden von Patienten mit chronischer Sputumproduktion
schlecht vertragen, können aber bei einigen Patienten zur Schlafinduktion von Nutzen
sein. Die neueren selektiven Inhibitoren der Serotonin -Wiederaufnahme sind wirksame
Medikamente.
Panikreaktionen treten bei Patienten mit Lungenemphysem ebenfalls häufig auf [231 ]
[232 ]; sie lassen sich pharmakologisch mit kurzwirksamen Benzodiazepinen behandeln. Nebenwirkungen
bei einigen Patienten limitieren jedoch ihren Einsatz. Buspiron, ein 5-Hydroxytryptamin-Rezeptor-Teilagonist,
ist in entsprechend hoher Dosierung besonders effektiv. In letzter Zeit haben sich
selektive Inhibitoren der Serotonin-Wiederaufnahme als besonders günstig bei angstbesetzten
Störungen erwiesen [233 ]. Einige Patienten finden nicht pharmakologische Entspannungstechniken wie Yoga hilfreich.
Das Konzept der pulmonalen Rehabilitation kombiniert ein multimodales Therapie-Regime
mit Verbesserung des Selbstvertrauens und der Stresskontrolle [234 ]. Die meisten Fachleute sind sich darüber einig, dass die Rehabilitation die Dauerleistungsfähigkeit
verbessert, die Atemnot reduziert und die Zahl der Krankenhausaufenthalte vermindert
[234 ]. Viele der bisher veröffentlichten Rehabilitationsprogramme funktionieren. Der genaue
Aufbau des Programms erscheint weniger wichtig als ein strukturiertes Vorgehen, die
Motivation des Therapeuten und die körperliche Belastbarkeit des Patienten. Der Übungseffekt
verschwindet mit der Zeit, sobald die Therapie beendet ist. Weil Patienten mit AAT-Mangel
für gewöhnlich jünger sind und weniger an Begleiterkrankungen leiden als die meisten
Patienten mit COPD, wird höhere körperliche Belastung gut vertragen. Da die meisten
Patienten noch im Arbeitsprozess stecken, können viele den Kauf von Ergometern für
zu Hause verkraften und die Sauerstoffsättigung mit portablen Pulsoximetern kontrollieren.
Gewichtsverlust und Unterernährung sind ein häufiges Problem bei Patienten mit Lungenemphysem
[235 ], wohl als Folge eines gesteigerten Stoffwechsels bei vermehrter Atemarbeit [236 ]. Eine intensivierte Nahrungszufuhr zur Wiederherstellung eines idealen Körpergewichtes
hat sich im Großen und Ganzen als erfolglos erwiesen, trotzdem können kleinere und
häufigere Mahlzeiten den Meteorismus vermindern und damit die Atemnot reduzieren.
Substitutionstherapie
Substitutionstherapie
Der Fokus der Therapie von Patienten mit Lungenemphysem infolge eines schweren AAT-Mangels
war immer auf die Korrektur des Mangelzustandes ausgerichtet: Wenn es gelänge, den
Mangel zu beheben, ließe sich auch die weitere Zerstörung von Lungengewebe verhindern
und die Erkrankung stabilisieren. Folgende therapeutischen Ansätze zur Behebung des
AAT-Mangels kommen in Betracht: (1) die intravenöse Substitutionstherapie mit Plasmaprodukten,
(2) die inhalative Substitutionstherapie, (3) die Substitutionsbehandlung mit rekombinantem
AAT und (4) die Therapie mit synthetischen Elastasehemmern (s. Tab. [9 ] und Appendix 10) [237 ].
Tab. 9 Zusammenfassende Evidenz-Tabelle zur Substitutionstherapie bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel:
Indikation und Durchführung
Verfahren
Messwert
Evidenz-Grad
Kommentare
Laboruntersuchung
Alpha-1-Antitrypsin-Serumspiegel < 11,0 µM
II-2
die Indikation zur Behandlung ist unabhängig vom Phänotyp und wird begründet durch
den Serumspiegel und den Nachweis einer obstruktiven Lungenerkrankung.
Lungenfunktionsuntersuchung
FEV1 (nach Bronchodilatantien) zwischen 30 und 65 % des Sollwertes
II-2
Patienten mit normaler oder nahezu normaler Lungenfunktion können behandelt werden,
wenn die Lungenfunktion sich rasch verschlechtert (Δ FEV1 > 120 ml/Jahr). Patienten mit sehr schlechter Lungenfunktion, die schon substituiert
werden, sollten weiter behandelt werden.
Dosierung und Frequenz
II-3
die Serumspiegel sollten durchgehend 35 % des Sollwertes überschreiten. Der untere
Schwellenwert im Serumsollte am Tag 7 unmittelbar vor der nächsten Infusion über 15
µM liegen. Wenn monatlich die 4-fache Dosis von Prolastin gegeben wird, ist der Patient
für einige Tage ohne Schutz.
Intravenöse Substitutionstherapie mit Plasmaprodukten
In den frühen 80er Jahren konnte gezeigt werden, dass die intravenöse Verabreichung
von gereinigtem menschlichen AAT-Konzentrat zu einer Erhöhung des AAT-Spiegels in
der Lunge von Personen mit AAT-Mangel führte [238 ]
[239 ]. Die anti-neutrophile Elastasekapazität im Flüssigkeitsfilm des Lungenepithels,
mittels bronchoalveolärer Lavage gewonnen, stieg bei homozygotem AAT-Mangel auf bis
zu 60 - 70 % der Norm an, wenn man 1 x wöchentlich AAT-Konzentrat als Plasmaprodukt
in einer Dosis von 60 ml/kg Körpergewicht verabreichte. Auf der Basis dieser Untersuchungen
wurde ein gereinigtes AAT-Konzentrat hergestellt, das aus fraktioniertem Plasma (Prolastin)
gewonnen wurde. Es erwies sich als biologisch wirksam [240 ]
[241 ]
[242 ]. Es gibt derzeit noch weitere Antiproteasen-Zubereitungen aus gepooltem menschlichen
Plasma [240 ], auch sind rekombinante Wirkstoffe in der technischen Entwicklung.
Auf der Basis dieser Studienergebnisse erfolgte die Zulassung durch die „US Food and
Drug Administration” im Jahre 1988 und danach auch die Zulassung durch die entsprechenden
Regulationsbehörden in Kanada, Deutschland, Spanien und Italien. Bis heute gibt es
lediglich eine einzige randomisierte, Plazebo kontrollierte Studie mit der Fragestellung,
ob durch die Substitutionstherapie die Entwicklung des Lungenemphysems hinausgezögert
werden kann [112 ]. Studien dieser Art sind sehr schwierig durchzuführen, zudem auch - wegen der großen
Zahl von Patienten und der langen Zeit, die eine solche Studie für eine adäquate Aussage
benötigt - teuer. Empfehlungen zur Substitutionstherapie wurden in früheren Jahren
durch die American Thoracic Society [243 ] und durch die Canadian Thoracic Society [244 ]
[245 ] veröffentlicht.
In zwei kontrollierten Beobachtungsstudien wurde der Frage nach der klinischen Wirksamkeit
der Substitutionstherapie nachgegangen: in einer deutsch-dänischen Studie [246 ]
[247 ] und in einer Studie des NHLBI-Registers der Vereinigten Staaten [137 ]. Die erste Studie hatte das Ziel, den FEV1 -Abfall zwischen dänischen Patienten, welche nie eine Substitutionstherapie erhalten
hatten, und deutschen Patienten, die wöchentlich mit AAT substituiert wurden, zu vergleichen.
Der jährliche Abfall der FEV1 in der behandelten Gruppe (- 53 ml) war signifikant niedriger als in der unbehandelten
Gruppe (- 75 ml) (p = 0,02). Es ist allerdings anzumerken, dass sich die beiden Gruppen
hinsichtlich der Geschlechtsverteilung und des initialen FEV1 unterschieden. Beim Vergleich der verschiedenen Schweregrade konnte ein signifikanter
Behandlungseffekt nur bei Patienten mit einem initialen FEV1 von 31 - 65 % des Sollwertes nachgewiesen werden. Die Autoren ziehen aus dieser nicht
randomisierten Studie den Schluss, dass die wöchentliche Infusion mit menschlichem
AAT bei Patienten mit einer mittelschwer beeinträchtigten Lungenfunktion den jährlichen
Abfall der FEV1 verlangsamt.
Im NHLBI-Register wurden 1 129 Patienten mit schwerem AAT-Mangel (Serumspiegel < 11
µm) erfasst und 3,5 - 7 Jahren nachuntersucht. Die 5-Jahres-Mortalität betrug 19 %.
In einer multivariaten Analyse konnte gezeigt werden, dass die Mortalitätsrate bei
den Substituierten niedriger war als bei den Nichtsubstituierten (OR, 0,79; p = 0,02).
Der mittlere FEV1 -Abfall betrug 54 ml/Jahr, und es gab gesamthaft keinen Unterschied zwischen den Substituierten
und den Nichtsubstituierten. Bei Patienten mit mittelschwer ausgeprägtem Lungenemphysem
(d. h. Emphysem vom Schweregrad II nach den Kriterien der American Thoracic Society
mit FEV1 von 35 - 49 % des Sollwertes) fiel jedoch der FEV1 -Abfall unter Substitution signifikant geringer aus (p = 0,03).
Diese zwei Beobachtungsstudien legen nahe, dass das Fortschreiten des Lungenemphysems
bei Patienten mit mittelschwer ausgeprägtem Lungenemphysem (FEV1 31 - 65 % des Sollwertes) verlangsamt werden kann. Darüber hinaus kann die Mortalität
bei Patienten mit einem niedrigen FEV1 gesenkt werden.
Zur Frage der Wirksamkeit der Substitutionstherapie wurden in einer kleinen randomisierten
klinischen Studie 26 dänische und 32 holländische Patienten untersucht [112 ]. Die aktive Behandlung beinhaltete die monatliche Infusion von 250 mg AAT/kg Körpergewicht;
als Plazebo diente Albumin. Die 2-Jahres-Studie war zu klein, um Unterschiede im Verlauf
der Lungenfunktion nachweisen zu können, aber beim Rückgang der Lungendichte im CT
zeigte sich einen Trend zugunsten der aktiv behandelten Gruppe (50 %ige Reduktion
des Abfalls, p = 0,07). Mit dieser Studie konnte die Bedeutung der Lungendichtemessung
mit CT als einen möglichen Endpunkt des Wirksamkeitsnachweises herausgearbeitet werden.
Unerwünschte Nebenwirkungen nach intravenöser Gabe von AAT-Konzentrat sind selten.
Zwischen Februar 1989 und Dezember 1995 wurden 443 Patienten 58 000 Infusionen verabreicht
[247 ]. Über 124 geringe Nebenwirkungen (Fieber, Schüttelfrost, Atemnot) wurde bei 65 Patienten
berichtet. Drei Patienten beendeten die Behandlung mit AAT-Konzentrat wegen wiederholtem
Schüttelfrost und Fieber unmittelbar nach der Infusion. Bei vier Patienten trat eine
anaphylaktische Reaktion auf, in jedem Fall mit vollständiger Erholung. In einem Fallbericht
wird eine IgE-vermittelte, anaphylaktische Reaktion nach der 3. Infusion beschrieben
[248 ]. Da bisher keine Ansteckung mit Viren beobachtet werden konnte, hält diese Arbeitsgruppe
die Immunisierung gegen Hepatitis B vor Beginn der Substitutionstherapie für verzichtbar.
Substitutionsbehandlung mit Aerosolen
Die Applikation von AAT als Aerosol führt bei Patienten mit AAT-Mangel zu einer Erhöhung
der AAT-Konzentration und der Anti-Elastase-Aktivität im unteren Atemtrakt, und zwar
dosisabhängig [249 ]. Auch konnte gezeigt werden, dass die Deposition von radioaktiv markiertem AAT bei
Patienten mit leichtgradigem Lungenemphysem zu einer vermehrten peripheren Deposition
führt, während Patienten mit fortgeschrittenem Lungenemphysem eine mehr zentrale Deposition
des inhalierten AAT im Atemtrakt aufweisen [250 ]. Das Auftreten von Bronchospasmus wurde nicht berichtet. Vorläufige Daten legen
nahe, dass die Verabreichung von AAT als Aerosol, 1 oder 2 × täglich verabreicht,
einen anhaltenden Anti-Elastase-Schutz in der Lunge gewährleistet.
Substitutionstherapie mit rekombinantem AAT
Eine Reihe rekombinanter AAT-Produkte wie auch ein rekombinanter Leukoprotease-Inhibitor
konnten bereits entwickelt werden [251 ]. Auch gelang es, menschliches AAT-Gen in Schafembryonen zu transferieren mit dem
Ergebnis, dass diese Tiere Mannose-glykolysiertes AAT mit der Milch ausscheiden [252 ].
Synthetische Inhibitoren
Derzeit werden mehrere niedermolekulare synthetische Elastaseinhibitoren untersucht.
Über ihre klinische Wirksamkeit und Sicherheit gibt es jedoch noch keine Angaben.
Zusammenfassung
Es gibt keine randomisierten, kontrollierten Studien, welche die klinische Wirksamkeit
der Substitutionstherapie eindeutig beweisen. In diesem Kontext sprechen die Ergebnisse
der vorliegenden Studien zur klinischen Wirksamkeit der AAT-Substitutionstherapie
dafür, dass die Gesamtmortalität reduziert wird und dass sich der jährliche FEV1 -Verlust bei den substituierten Patienten mit einer FEV1 von 35 - 65 % des Sollwertes verlangsamt. Mit der Messung der Lungendichte über hoch
auflösende CT-Scans steht für zukünftige Studien eine viel versprechende, praktikable
und quantitative Methode zum Wirksamkeitsnachweis der Substitutionstherapie zur Verfügung.
Operative Maßnahmen
Operative Maßnahmen
Die Lungentransplantation (LT) ist heute eine Option für viele Patienten im Endstadium
pulmonaler Erkrankungen. Ungefähr 12 % aller Lungentransplantationen werden wegen
Emphysems bei AAT-Mangel vorgenommen [253 ]. Wegen des Mangels an Spenderorganen werden die meisten LTs als einseitige LT durchgeführt,
obwohl die doppelseitige Lungentransplantation einen besseren funktionellen Erfolg
bringt.
Die aktuarische 5-Jahres-Überlebensrate nach LT liegt bei 50 % [254 ]. Bei Patienten nach einseitiger oder doppelseitiger Lungentransplantation wurden
signifikante Unterschiede im aktuarischen Überleben 1, 2 und 3 Jahre nach Transplantation
beobachtet. Die funktionellen Ergebnisse nach LT sind gut [254 ], aber die Bronchiolitis obliterans ist nach wie vor die häufigste Todesursache.
Die Substitutionstherapie mit AAT-Konzentrat nach der Transplantation wird nicht allgemein
empfohlen. In einer Studie wurde die Proteinase-Antiproteinase-Balance bei AAT-Mangel
nach Lungen- und Herz-/Lungentransplantation mittels bronchoalveolärer Lavage untersucht
[255 ]. Während Phasen klinischer Stabilität konnte in der bronchoalveolären Spülflüssigkeit
der wegen AAT-Mangel Lungentransplantierten keine freie Elastase entdeckt werden.
Während Phasen pulmonaler Erkrankungen konnte bei einigen Transplantierten mit AAT-Mangel
dagegen freie Elastase-Aktivität gefunden werden. Danach sollte eine AAT-Substitution
beim Auftreten von entzündlicher Veränderungen der Atemwege erwogen werden, möglicherweise
auch während einer chronischen Abstoßungsreaktion, da bei Lungentransplantierten mit
AAT-Mangel in dieser Phase eine chronische Entzündung im Atemtrakt nachweisbar ist
[256 ].
Bei der operativen Lungenvolumenreduktion (LVR) werden 20 - 30 % der am schwersten
befallenen Emphysembereiche mit unzureichender Perfusion („Zielzonen”) reseziert.
Zielzonen können präoperativ mit Hilfe des CT oder der Perfusions-Szintigraphie, intraoperativ
durch „air trapping” abgegrenzt werden [257 ]. Als Kandidaten für diese Operation kommen Patienten mit weit fortgeschrittenen
Lungenemphysem und starker Behinderung durch Atemnot, die sich auch nach optimaler
medikamentöser und rehabilitativer Behandlung nicht bessert, in Betracht. Bei geeigneter
Selektion kann durch die operative LVR die körperliche Belastbarkeit von Patienten
mit „gewöhnlichem Lungenemphysem” verbessert und die Atemnot gelindert werden. Es
ist jedoch nicht klar, ob die operative LVR die Lungenfunktion bei Patienten mit Lungenemphysem
in Gefolge eines AAT-Mangels in ähnlicher Weise verbessert.
In einer prospektiven Studie wurde die Funktionsverbesserung im mittelfristigen Verlauf
konsekutiv bei 12 Patienten mit fortgeschrittenem Emphysem auf dem Boden eines AAT-Mangels
und bei 18 Patienten mit „Raucheremphysem” untersucht. Bei allen Patienten wurde eine
bilaterale operative LVR vorgenommen. Vor der Operation unterschieden sich die beiden
Gruppen statistisch nicht im Hinblick auf den 6-Minuten-Gehtest, den Dyspnoe-Score,
die Atemmechanik und die Lungenfunktion außer, dass der FEV1 bei der AAT-Mangel-Gruppe niedriger war (24 vs. 31 % des Sollwertes, p < 0,05). In
beiden Gruppen kam es nach der bilateralen operativen LVR zu einer signifikanten Verbesserung
der Atemnot, der 6-Minuten-Gehstrecke, der Lungenfunktion und der Atemmechanik. Bei
den Patienten mit AAT-Mangel ging die Atemfunktion jedoch zwischen dem 6. und 12.
Monat nach Operation auf den Ausgangspunkt zurück mit Ausnahme des 6-Minuten-Gehtestes.
24 Monate nach Operation zeigt sich sogar eine weitere Verschlechterung der Lungenfunktion
[258 ].
Der Funktionszustand der Gruppe mit „Raucheremphysem” blieb dagegen über die gesamte
Periode gegenüber dem präoperativen Status signifikant gebessert. Die Arbeitsgruppe
schließt daraus, dass die operative LVR den meisten Patienten mit einem Lungenemphysem
auf dem Boden eines AAT-Mangels nur kurzfristig nützt und empfiehlt den Eingriff für
diese Patientengruppe solange nicht, bis weitere Studien zur Wirksamkeit der operativen
LVR bei AAT-Mangel vorliegen, die dann auch eine bessere Patientenselektion ermöglichen
[258 ]
[259 ]
[260 ]
[261 ]
[262 ]
[263 ]
[264 ].
Spezielle Situationen
Spezielle Situationen
Es besteht allgemeiner Konsens darüber, dass sich Patienten mit AAT-Mangel in den
meisten Merkmalen außer dem Alter, nicht von Patienten mit COPD vergleichbaren Schweregrades
unterscheiden. Es gibt beispielsweise keine Hinweise dafür, dass das Pneumothorax-Risiko
in den beiden Populationen unterschiedlich ist. In Anbetracht der klaren biochemischen
Vorstellungen, die wir von dieser Krankheit haben, ist es naheliegend, jegliche Mehrbelastung
der Lunge mit neutrophilen Granulozyten zu vermeiden. Ob sich die Lungenfunktion allerdings
nach einer Bronchitis, einer Pneumonie oder einem akuten „respiratorischen distress
syndrom” verschlechtert, ist nicht bekannt.
Es gibt Hinweise dafür, dass die Schwangerschaft bei einigen Patientinnen mit AAT-Mangel
bei PI*ZZ problematisch ist [265 ]. In Fallstudien wurde eine Häufung von Fehl- und Totgeburten beobachtet, die sich
auf 29 % der 38 Schwangerschaften bei 8 Patientinnen summierte [266 ]. Es gibt auch Fallberichte über das Auftreten eines Pneumothorax während der Schwangerschaft
bei Patientinnen mit vorher bestehenden bullösen Veränderungen [267 ]. Nichts desto trotz können auch Patientinnen mit schwerem Lungenemphysem die Schwangerschaft
erfolgreich beenden [266 ].
Vor Flugreisen sollten Patienten mit Lungenemphysem vom Spezialisten untersucht werden.
Bei Patienten ohne Hypoxämie auf Meereshöhe kann der Einfluss des Kabinendruckes auf
den arteriellen Sauerstoffwert während des Fluges berechnet werden. Kennt man die
arteriellen Blutgase auf Meereshöhe, kann man über Regressionsgleichungen den Sauerstoffpartialdruck
in der Kabine bei unterschiedlichen Drucken berechnen [268 ]. Wenn der vorausberechnete Sauerstoffpartialdruck im hypoxämischem Bereich liegt
(d. h. < 55 mm Hg), wird die Zufuhr von 1 - 2 l Sauerstoff pro Minute mittels Nasenkanüle
während des Fluges empfohlen, um eine hypoxämieinduzierte pulmonale Hypertonie zu
vermeiden [269 ]. Patienten, bei denen bereits auf Meereshöhe eine bekannte Hypoxämie bekannt ist,
und die bereits Sauerstoff erhalten, sollte man raten, den Sauerstofffluss während
des Fluges um 1 oder 2 l pro Minute zu erhöhen. Man sollte möglichst verhindern, dass
der arterielle Sauerstoffpartialdruck 55 mm Hg (7,0 kPa) unterschreitet.
Aufgrund der chirurgischen Erfahrung mit der Lungentransplantation und der operativen
Lungenvolumenreduktion wissen wir, dass auch bei Patienten mit einem FEV1 von weniger als 1,0 l die Anästhesie vertragen. Bei Operationen im oberen Abdomen
ist es während der Narkose und in der unmittelbaren postoperativen Aufwachphase wichtig,
den Patienten mit längeren Expirationszeiten zu beatmen. Die postoperative Sekretelimination
ist wichtig. Indikationen für postoperative mechanische Beatmung sind respiratorische
Azidose, schwere Hypoxämie, Atelektase und Pneumonie [270 ]. Urologische, gynäkologische und kolorektale Eingriffe sollten möglichst in Lokal-
oder Epiduralanästhesie vorgenommen werden.
Zukünftige Richtungen in der Forschung bei AAT-Mangel
Zukünftige Richtungen in der Forschung bei AAT-Mangel
In der Forschung müssen noch viele Entwicklungen weiter voran getrieben werden, bis
eine effektive Behandlung des AAT-Mangels und der mit dem Defekt zusammenhängenden
Erkrankungen erreicht ist. Der erbliche Fehler könnte durch eine Korrektur der genetischen
Störung geheilt werden. In der Gentherapie bedarf es effektiver und effizienter Methoden,
um hinreichend genetisches Material zu den Zielzellen zu transferieren. Bisherige
Strategien zum Gentransfer haben sich Retroviren, Adenoviren und nichtvirale Vektoren
zu Nutze gemacht, um die Zielzellen zu erreichen, und zwar Lymphozyten, Fibroblasten,
Hepatozyten und Zellen des Atemwegsephitels.
Retroviren sind RNA-Viren, die mittels spezifischer Rezeptoren in die Zelle Eingang
finden. Die reverse Transkriptase, die von Viren eingebracht wird, wandelt die RNA
zu DNA um und das doppelstrangige DNA-Virus schleust Genome in die Zelle ein, indem
es die Information auf dem 5’ und 3’ terminalen Wiederholungszeichen nutzt. Wenn das
Retrovirus als Vehikel für die Gentherapie dient, wird er so verändert, dass es keine
Infektion produziert, nachdem es in die Zelle eingeschleust ist [271 ]. Diese Technik wurde verwandt, um eine geklonte Population von Mäusefibroblasten
herzustellen, welche imstande sind, normales menschliches AAT-Protein zu sezernieren
[272 ]. Diese Studie zeigte, dass es möglich ist, menschliches AAT-Protein außer in Hepatozyten
auch in anderen Zellen herzustellen, jedoch war die Ausbeute mengenmäßig gering. Auch
könnte die Implantation von Fibroblasten im Gewebe zu lokaler Fibrose führen.
In anderen Studien wurden Hepatozyten aus resezierten Leberlappen benutzt. Bei Tierversuchen
wurden 10 - 15 % der Hepatozyten infiziert; damit konnte die Produktion von menschlichem
AAT-Protein über mehr als 6 Monate aufrecht erhalten werden [273 ]. Diese Methode würde die Hepatektomie und die Reinfusion modifizierter Hepatozyten
erfordern. Die Transplantation allogener Hepatozyten hätte den Nachteil, dass man
mit immunologischer Abstoßung rechnen müsste und daher eine immunsuppressive Behandlung
erforderlich wäre.
Die direkte Infusion rekombinanter Retroviren mit AAT cDNA in die Lebervene ist ein
weiterer Ansatz. Damit konnte AAT-Protein über 6 Monate produziert werden, allerdings
in subtherapeutischen Mengen [273 ].
T-Lymphozyten wurden direkt in die Lunge transplantiert, mit dem Ergebnis einer lokalen,
aber subtherapeutischen Produktion von AAT [274 ]. Retroviren als Vektoren wurden ebenfalls eingesetzt, um die Zellen des Atemwegsepithels
zu erreichen. Die Transfektion war aber ineffizient, da die Retroviren auf sich rasch
teilende Zellen angewiesen sind. Epithelzellen des Atemtrakts replizieren aber langsam.
Adenoviren sind Viren, die aus einer Doppelstrang-DNA bestehen und eine besondere
Affinität zum Atemwegsepithel haben [275 ]. Anders als bei Retroviren entfaltet die DANN der Adenoviren ihre Wirkung auf einem
extrachromosomalen Weg. Damit ist die theoretische Möglichkeit einer Mutagenese nach
der Insertion ausgeschlossen. Die Gentherapie mit Adenoviren müsste - das sei angemerkt
- periodisch appliziert werden, da die genetische Modifikation der Zielzellen nicht
auf seine Vorläuferzellen übertragen wird.
Auch benötigt das Adenovirus für den Gentransfer und die Genexpression nicht die Replikation
der Wirtszelle. So wurden in einer Studie Adenoviren als Vektoren direkt in das Atemwegsepithel
von Baumwollratten eingebracht, sowohl in vitro als auch in vivo. Nach der trachealen
in vivo-Gabe konnte in den Zellen des respiratorischen Epithels menschliches AAT gefunden
werden. Auch waren entsprechende Spiegel im Flüssigkeitsfilm des Epithels eine Woche
lang messbar [276 ]. Andere gentherapeutische Versuche mit Adenoviren hatten Leber und Peritoneum als
Zielorgane [277 ]
[278 ]; auch bei diesen Versuchen wurden therapeutische AAT-Spiegel erreicht [279 ]. Im Prinzip könnte das Alveolarepithel der menschlichen Lunge als Zielorgan des
AAT-Transfer und damit zur Produktion von cDNA dienen. Allerdings wäre denkbar, dass
dies keinen ausreichenden Schutz gegen den Abbau von Matrixkomponenten unterhalb der
Epithelschicht bietet.
Song u. Mitarb. [280 ] haben DNA von menschlichem AAT in den Mäusemuskel übertragen, in dem sie ein Zytomegalievirus
als Vektor benutzten. Die Ergebnisse waren ermutigend: über 15 Wochen konnten anhaltende
Konzentrationen von menschlichem AAT mit Spiegeln über 800 µg/ml aufrecht erhalten
werden.
Der Einsatz der Gentherapie bei AAT-Mangel ist theoretisch auch ohne virale Vektoren
möglich, indem man Liposomen oder molekulare Konjugate anwendet. So verabreichte man
Kaninchen ein Plasmid, welches das AAT cDNA und ein Zytomegalie-Virus-Promoter enthielt,
gebunden an kationische Liposomen intravenös und über ein Aerosol [281 ]. Dabei konnte das AAT-Protein durch immunhistochemische Färbung im Lungenendothel
nach intravenöser Verabreichung und in den Zellen des Alveolar-Epithels nach Aerosolverabreichung
nachgewiesen werden. Es ist fraglich, ob sich die Inhalation solcher liposomaler Systeme
als protektiv gegenüber den Abbauprozessen im Lungenparenchym erweist.
Molekulare Konjugate sind ein weiteres Transfersystem, das zur Übertragung von AAT
cDNA eingesetzt wurde, in Form eines Plasmid-DNA gebunden an Polylysine und in Form
eines Moleküls, das die DNA-Bindung an einen spezifischen Zellrezeptor avisiert. Derzeit
sind diese Systeme beim Gentransfer jedoch weniger wirksam als virale Vektoren und
müssen noch weiter entwickelt werden [282 ]. Kren u. Mitarb. [283 ] benutzten bei ihrer Strategie zur Reparatur genetischer Lebererkrankungen wie des
AAT-Mangels chimere Moleküle, um in Zellkulturen einzelne Nukleotide in episomale
oder genomische DNA zu verwandeln.
Insgesamt haben die Experimente in vitro und in vivo gezeigt, dass AAT cDNA auf verschiedene
Zellen der Lunge übertragen werden kann. Wendet man diese Strategien beim Menschen
an, müssten bei den Methoden des Gentransfers folgende Fragen geklärt werden: (1)
die Invasivität und die Risiken der Gentherapie, verglichen mit der derzeit möglichen
intravenösen AAT-Substitutionstherapie oder möglicherweise der AAT-Aerosol-Substitution,
(2) die Kontrolle der Wirksamkeit des Gentransfers sowie die Durchführbarkeit und
Notwendigkeit von Gentransfer zur Behandlung des AAT-Mangels in Abhängigkeit davon,
ob in Zukunft wirksame, aber weniger invasive therapeutische Methoden zur Verfügung
stehen werden.
Zwei weitere Substanzgruppen, Hyaluronsäurederivate und Retinoide, kommen als Therapieoption
des Lungenemphysems bei AAT-Mangel und der COPD generell in Betracht: So konnte gezeigt
werden, dass Hyaluronan als Aerosol im Stande ist, die Entwicklung eines durch intratracheale
Elastaseapplikation erzeugten experimentellen Lungenemphysems zu begrenzen [284 ] und das Lungenelastin vor der Zerstörung durch Elastase in vitro zu schützen [285 ]. Damit wäre die Möglichkeit eröffnet, das Fortschreiten des Emphysems zu verhindern,
sobald es sich in der menschlichen Lunge entwickelt.
Bei Anwendung von all-trans-Retionid-Säure kann man nach ersten Berichten bei Ratten
mit Elastase-induziertem Lungenemphysem die Zahl der Alveolen erhöhen [286 ] und bei der erwachsenen „tight skinned” Maus teilweise die fehlende, durch Glukokortikoide
induzierte Septierung der Alveolen wieder herstellten [287 ].
Die Entdeckung der abnormen Polymerisation infolge Fehlfaltung im AAT-Protein beim
Z-Phänotyp, die durch den Ersatz von Lysin durch Glutaminsäure in der Position 342
zustande kommt, war für das bessere Verständnis der abnormen Faltung des Proteins
im Hepatozyten hilfreich [32 ]. Ermutigt durch diese Erkenntnis, untersuchen Forscher eine Reihe therapeutischer
Substanzen, von denen man hofft, dass sie die abnorme Faltung und Polymerisation des
Moleküls verhindern können. Damit könnte man die Sekretion des Moleküls aus den Hepatozyten
erleichtern und die Bildung von AAT-Globuli als wahrscheinliche Ursache der Leberzirrhose
in den Hepatozyten verhindern.
Die neutrophile Elastase zeigt vielfältige biologische Wirkungen; man könnte sich
daher vorstellen, in Zukunft Patienten mit schwerem AAT-Mangel außer mit natürlichem
AAT auch mit einem synthetischen Elastasehemmer zu behandeln, der sicher und wirksam
ist. Außer der Spaltung von Elastin hat die neutrophile Elastase noch viele potenziell
pathogene biologische Effekte wie die Aktivierung von Komplement, die Spaltung und
Komplexbildung mit AAT, die Anregung von Epithelzellen zur Produktion und Sekretion
von Interleukin-8 [288 ] und die Stimulation von Makrophagen zur Freisetzung von Leukotrien B4 . Auch wird wahrscheinlich die Produktion des sekretorischen Leukoprotease-Inhibitors
durch Zellen des Atemtraktes durch Elastasen reduziert [289 ]. Derartige Effekte könnten die Entzündung in den Atemwegen perpetuieren, da die
im Überschuss vorhandenen neutrophilen Elastasen nicht durch ihre natürlichen Inhibitoren
gehemmt wird. Durch Spaltung von Immunglobulinen durch die Elastase könnte zudem die
Bindung von Bakterien durch Globulin-Eiweißkörper inkomplett und damit die Opsonierung
und Phagozytose von Bakterien ineffektiv werden [290 ]. Es ist auch denkbar, dass die neutrophile Elastase die Schlagfrequenz der Zilien
herabsetzt und die Sekretion von Mukus steigert, was die Beeinträchtigung der mukoziliären
Clearance zur Folge hätte. Bei Bronchiektasie mit oder ohne zystische Fibrose lassen
sich Elastase im Bronchialsekret oft dauerhaft nachweisen [291 ]. Antiproteasen könnten sich unter diesen Bedingungen als therapeutisch wirksam erweisen.
Eine Stoßtherapie mit neutrophilen Elastaseinhibitoren, natürlich oder synthetisch,
könnte bei akuter Exazerbation nutzbringend sein, vielleicht eher noch bei chronischen
Zuständen, wenn die Sicherheit dieser Stoffgruppen bewiesen ist.
Synthetische Protease-Inhibitoren könnten auch nachteilige Auswirkungen haben, spielen
doch die neutrophilen Elastasen eine wichtige Rolle bei bestimmten Abwehrfunktionen
der Zelle. Möglicherweise benötigen die neutrophilen Granulozyten ihre Elastase, um
während ihrer Wanderung das Gewebe zu durchdringen [292 ]. Denkbar ist auch, dass Protease-Inhibitoren sich störend auf chemotaktische Reaktionen,
die von der Protease-Aktivität abhängig sind, auswirken [293 ]. Auch könnten Protease-Inhibitoren nach dem Eindringen in die Zelle die Differenzierung
der Neutrophilen verändern und zur Ausreifung von Zellen ohne neutrophile Elastase-Aktivität
führen. Aus diesen Gründen dürfte es das Beste sein, Protease-Inhibitoren nur in begrenzten
Organbereichen und nur für einen kurzen Zeitraum zu applizieren.
Nachdem erkannt war, dass das homozygote Z-Allel zu einer Fehlfaltung und Polymerisierung
des AAT-Moleküls führt und damit die normale Sekretion von AAT aus der Leberzelle
verhindert, versuchten Burrows u. Mitarb. [294 ], die Fehlfaltung des Moleküls zu korrigieren. Sie konnten zeigen, dass mehrere „chemical
chaperones”, die im Stande sind, die Fehlfaltung und die Fehllokalisation des Proteins
rückgängig zu machen, eine vermehrte Sekretion von AAT aus den Leberzellen bewirken.
Besonders 4-Phenylbuttersäure führte in der Zellkultur beim Z-Phänotyp zu einem deutlichen
Anstieg. Carrell und Lomas [295 ] haben die ganze Bandbreite der Faltungsabnormalitäten und der dadurch verursachten
Erkrankungen dargestellt. Die Korrektur von abnormen Faltungen mit dem Ziel der Erhöhung
des fehlenden AAT-Spiegels ist ein viel versprechender Forschungsansatz.
Ein weiteres Gebiet, auf dem die Versorgung von Patienten mit AAT-Mangel verbessert
werden könnte, ist die Früherkennung, mit dem erklärten Ziel, das Zigarettenrauchen
rechtzeitig zu untersagen und die Exposition gegenüber Schadstoffen der Umwelt zu
verhindern. Hier gibt es bereits Ansätze und Programme mit Erwachsenen- und in einigen
Bereichen auch Neugeborenen-Screening [20 ]
[296 ]. Die breite Durchführung von Neugeborenen-Screening-Programmen ist bisher nicht
auf allgemeine Zustimmung gestoßen. Jedoch sollten noch mehr Anstrengungen unternommen
werden, die Bereitschaft der Allgemeinmediziner und der spezialisierten Ärzte zur
Früherkennung des AAT-Mangels zu verbessern.
Viel bleibt noch zu erforschen über die Mechanismen, die bei schwerem AAT-Mangel zum
Lungenemphysem führen. Gerade weil das Lungenemphysem bei Personen mit PI*ZZ-Phänotyp
in ganz unterschiedlichem Ausmaß entsteht, auch bei Nierauchern, müssen wir in Erfahrung
bringen, welche Faktoren das Risiko eines Lungenemphysems minimieren. Dazu müssen
wir die Rolle der Proteasen, die aus Neutrophilen und Makrophagen stammen, besser
verstehen, aber auch den Einfluss anderer Inhibitoren - außer AAT - erforschen, die
möglicherweise bei der Verhinderung des Emphysems von Bedeutung sind.
In gleicher Weise müssen wir mehr über die Faktoren erfahren, die bei einigen Patienten
mit PI*ZZ-Phänotyp zu schweren Leberfunktionsstörungen prädisponieren.
Spezieller Forschungsbedarf bei AAT-Mangel
Spezieller Forschungsbedarf bei AAT-Mangel
Die genauere Beschreibung der pathologischen Veränderungen beim Lungenemphysem infolge
AAT-Mangel. Die Untersuchungen sollten das Lungenparenchym und die Bronchien mit einschließen
und besonders darauf achten, in welchem Ausmaß die Bronchien, die Bronchiolen und
die Blutgefäße vom Entzündungsprozess erfasst werden und auf welche Weise die Mitbeteiligung
der Bronchien das Fortschreiten der Erkrankung beeinflusst.
Die eindeutige Klärung der Frage, wie häufig Bronchiektasen in Verbindung mit AAT-Mangel
auftreten, um welchen Typus es sich dabei handelt und wie die klinischen und physiologischen
Manifestationen zusammenhängen.
Die Herausarbeitung von Risikofaktoren, die bei AAT-Mangel außer dem Zigarettenrauchen
zur Entwicklung von Lungenerkrankungen führen. Dazu dürften Infektionen, Atopie, familiäre
Faktoren und Umweltverschmutzung zählen.
Die Implementierung einer Plazebo kontrollierten klinischen Studie zur intravenösen
Substitutionstherapie. Bei einer solchen Studie sollten die Elastinabbau-Peptide im
Blut und im Urin mitbestimmt und die Effektivität des HRCT evaluiert werden. In Teilen
dieser Studie könnten auch die optimale Dosierung des AAT-Konzentrats und die Frequenz
der AAT-Gabe geklärt werden.
Die Klärung der besonderen Rolle der AAT-Substitution bei der Lungentransplantation.
Die Evaluation des therapeutischen Effekts von inhalierten AAT-Präparationen.
Die Erforschung der Pathomechanismen, die bei AAT-Mangel der Entstehung von Lebererkrankung
zugrunde liegen. Dies schließt die Abklärung der Rolle von Antioxidantien in Therapie
und Prävention von Lebererkrankungen ein. Bei den Lebererkrankungen sollte die Rolle
von viralen Hepatitis-Infektionen für die Entstehung von Leberzirrhose und hepatozellärem
Karzinom geklärt werden. Ebenso die Wirksamkeit einer Impfung gegen Hepatitis B und
möglicherweise auch Hepatitis C, wenn eine solche Vakzine zur Verfügung steht.
Die epidemiologische Untersuchung der Genfrequenz von AAT-Mangel-Allelen in verschiedenen
Ethnien und Kulturen, auch in der dritten Welt. Über derartige Studien könnten wir
mehr zu Kosten und Nutzen von Frühdiagnostik erfahren und aufbauend auf diese Erkenntnisse
Programme zum Frühgeborenen-Screening auf AAT-Mangel entwerfen.
Appendices
Appendices
Appendix 1 . Primäre Evidenztabelle: Zusammenfassung der Studien zu den klinischen Besonderheiten
des Phänotyps PI*ZZ bei Alpha-1-Antirypsinmangel
Appendix 2 . Studien bei Allgemeinpopulationen: Prävalenz der PI-Varianten und Risiken der damit
zusammenhängenden Lungenerkrankung
Appendix 3 . Studien bei Populationen mit chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen: Prävalenz
der PI-Varianten und Risiken der damit zusammenhängenden Lungenerkrankung
Appendix 4 . Verlaufsstudien bei PI*ZZ: Risikokategorien
Appendix 5 . Studien zum Risiko von Personen mit dem Phänotyp PI*MZ und einer „COPD-Familienanamnese”
Appendix 6 . Rauchen als Risikofaktor bei der Entwicklung von Lungenkrankheiten bei Personen
mit dem Phänotyp PI*MZ
Appendix 7 . Umweltbedingte Risiken bei der Entwicklung von Lungenerkrankung bei Individuen mit
dem Phänotyp PI*MZ
Appendix 8 . Der Phänotyp PI*MZ als möglicher Risikofaktor bei der Entstehung atopischer Erkrankungen
Appendix 9 . Primäre Evidenz des Emphysemrisikos bei Individuen mit dem Phänotyp PI*SZ
Appendix 10 . Zusammenfassende Tabelle mit Studien zur primären Evidenz der Wirksamkeit der Substitution
mit Alpha-1-Antitrypsin
Die Appendices sind aus der Website (http://ajrccm.atsjournals.org/search.dtl) zu
ersehen.