In den letzten zwei Jahren ist die molekulare, zielgerichtete Therapie auch des Lungenkarzinoms
zu einem der wichtigsten aktuellen Themen geworden [1]. Damit gemeint ist der Einsatz von neuen Therapiekonzepten, die als Folge der molekularen
Forschung, der Aufklärung verschiedener molekularer Prozessen bei der Entstehung und
Wachstum von Tumoren, entwickelt wurden. Die Arbeit von J. R. Fischer u. Mitarb. in
dieser Ausgabe der Pneumologie [2] gibt uns eine gute Übersicht über die Rolle des epithelialen Wachstumsfaktorrezeptors
EGFR, dessen Inhibierung und die Chance, damit eine echte Alternative zur Therapie
des Lungenkarzinoms zu haben. Zudem zeigen die Autoren an drei Patientenbeispielen,
wie der Einsatz des EGFR-Inhibitors Gefitinib (Iressa®) den Verlauf einer weit fortgeschrittenen
Tumorerkrankung auf eine durchaus beeindruckenden Weise günstig beeinflussen konnte.
Der Leser, der die fachliche Diskussion der letzten Monaten um die EGFR-Inhibitoren
verfolgt hat, wird aber einwenden, dass die neuesten Entwicklungen eher einen Schatten
über diese Therapie geworfen haben. Die INTACT-1 und INTACT-2 Phase III-Studien [3]
[4] verglichen die Wirkung einer Kombination aus Gefitinib und Chemotherapeutika (Cisplatin/Gemcitabine
bzw. Paclitaxel/Carboplatin) gegen Chemotherapie alleine bei Patienten mit metastasiertem
nicht kleinzelligen Lungenkarzinom. Beide Studien konnten keinen Vorteil der kombinierten
Therapie bezüglich Überleben, Ansprechrate oder Zeit bis zur Tumorprogression nachweisen.
Eine bis vor kurzem durchgeführte Phase III-Studie, bei der der Überlebensvorteil
von Gefitinib gegenüber best supportive care in der Rezidivtherapie untersucht wurde,
hat nach den ersten Analysen keinen Vorteil der Gefitinib-Gruppe zeigen können.
Warum besteht aber immer noch ein Interesse an der Inhibition des EGFR-Rezeptors?
Es gibt verschiedene Argumente, die den Einsatz dieser Therapie unterstützen: z. B.
der Zusammenhang zwischen der Expression des EGFR in Tumoren und deren Prognose, der
möglicherweise auch für das nicht kleinzellige Lungenkarzinom besteht [5], oder die Hoffnung, Patientensubgruppen zu bestimmen, die besonders gut auf diese
Therapie ansprechen könnten. Es gibt erste Hinweise darauf, dass nicht rauchende Patienten,
Patienten mit Adenokarzinom oder bronchoalveolärem Karzinom der Lunge und Patienten,
deren Tumore bestimmte Mutationen des EGF-Rezeptors aufweisen, besonders gut auf die
Therapie mit EGFR-Inhibitoren, z. B. Gefitinib ansprechen könnten [6]. Die Patienten, die von J. R. Fischer u. Mitarb. vorgestellt werden, hatten in der
Tat Adenokarzinome und waren Nichtraucher bzw. hatten bereits länger nicht geraucht.
Bei diesen Patienten wurde außerdem Gefitinib als Monotherapie beim Tumorrezidiv verabreicht,
in Anlehnung an die IDEAL-Studie, die einen positiven Effekt vom Gefitinib gezeigt
hatte [7]. Des Weiteren konnte eine zweite Substanz - Erlotinib (Tarceva®), die die Tyrosinkinase
des EGF-Rezeptors hemmt - einen Überlebensvorteil in der Rezidivsituation des nicht
kleinzelligen Lungenkarzinoms gegenüber best supportive care zeigen [8].
Es sollte aber auch darauf hingewiesen werden, dass bestimmte Patientensubpopulationen
besonders schlecht oder gar nicht auf EGFR-Inhibitoren ansprechen könnten. EGFR-Mutationen,
die Gefitinib- oder Erlotinib-resistent sind, wurden bereits identifiziert [9]
[10]. Des Weiteren muss die Interaktion mit den anderen Therapieformen des nicht kleinzelligen
Lungenkarzinoms systematisch untersucht werden.
Die Arbeit von J. R. Fischer u. Mitarb. belebt die Diskussion um die Zukunft der EGFR-Inhibitor-Therapie
des nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms. Sie sollte aber nicht als Aufforderung verstanden
werden, Patienten mit diesen Substanzen unkritisch zu behandeln, auch wenn sie die
o. g. Kriterien erfüllen. Die molekularbiologisch begründete Therapie wird unser Therapiearsenal
in naher Zukunft erweitern. Die derzeitige Datenlage ist aber noch nicht ausreichend,
um einen Einsatz von EGFR-Inhibitoren beim Lungenkarzinom außerhalb kontrollierter
Bedingungen zu begründen.