US-Wissenschaftler haben mit der robotergestützten Prostatektomie Fortschritte bei
der Behandlung von Patienten mit lokalen Prostatakarzinomen erzielt. Im Vergleich
zur herkömmlichen radikalen retropubischen Prostatetomie (RRP) ist die Komplikationsrate
deutlich geringer und die Patienten erreichen schneller Kontinenz und normale Erektionsfähigkeit.
Im Vattikuti Urology Institute in Detroit wird das Da-Vinci-Robotersystem seit November
2000 bei Prostatektomien eingesetzt. Bis Dezember 2002 wurden 400 Patienten damit
behandelt, berichten Dr. M. Menon und Kollegen. Die Überlegenheit des neuen Verfahrens
haben die Wissenschaftler beim Vergleich der Ergebnisse bei 200 Patienten, die mit
Da Vinci, und 100 Patienten, die herkömmlich operiert wurden, belegt. Alle Studienteilnehmer
hatten ein lokales Prostatakarzinom mit einem Gleason-Score von mindestens 6 und eine
Lebenserwartung von 10 Jahren. Die Patienten konnten sich selbst entscheiden, wie
sie operiert wurden (BJU International 2003; 92: 205-210).
Die OP-Dauer war in beiden Gruppen mit im Mittel etwa 160 Minuten ähnlich, berichten
die Urologen. Der Blutverlust war bei den mit Roboter operierten Patienten signifikant
geringer (150 vs. 910 ml). Kein Patient benötigte eine Transfusion im Vergleich zu
67% der Patienten der RRP-Gruppe. Auch die Komplikationsrate (5 vs. 20%) und die postoperativen
Schmerzen waren bei den Patienten der roboter-gestützten OP-Gruppe deutlich geringer.
Im Mittel konnten die Patienten nach 1,2 Tagen aus der Klinik entlassen werden, die
übrigen Patienten erst nach 3,5 Tagen. Die Dauer der Katheterisierung war in der RRP-Gruppe
etwa doppelt so lang (15,8 vs. 7 Tage). Das onkologische Ergebnis war in beiden Gruppen
ähnlich. Jedoch wurde in der RRP-Gruppe häufiger ein positiver Rand nachgewiesen (23
vs. 9%).
In einer späteren telefonischen Befragung von 120 Studienteilnehmern wurde belegt,
dass das robotergestützte Verfahren auch Vorteile für die Lebensqualität der Patienten
bot. Im Mittel waren die Patienten 44 Tage nach dem Eingriff kontinent und hatten
nach 180 Tagen eine normale Erektionsfähigkeit. Bei den Patienten der RPP-Gruppe dauerte
dies im Mittel 160 und 440 Tage.
Fazit
Fazit
Die robotergestützte Prostatektomie ist sicher und bietet Vorteile im Vergleich zur
RRP, betonen die Autoren. Das Verfahren kann von Chirurgen, die in der konventionellen
RRP erfahren sind, leicht erlernt werden.
Erster Kommentar
Erster Kommentar
Der Einsatz von Operationsroboter in der Urologie nimmt auch in Deutschland zu. Diese
Operationsrobotern werden seit der Etablierung der laparoskopischen radikalen Prostatektomie
für die Urologie attraktiv. In der Arbeit von Tewari et al. wird der Einsatz des Da-Vinci-Robotersystems
(Intuitive Surgical, Sunyvale, CA, USA) im Bereich der radikalen Prostatektomie der
offenen retropubischen Prostatektomie gegenüberstellt. Die Arbeit unterstreicht die
Schwierigkeit einer randomisierten Studie, die abgebrochen werden musste, weil die
Patienten klare Vorstellungen für ihre Operationsmethode hatten. Obwohl diese keine
randomisierte Studie ist, sind die Patientencharakteristika nicht signifikant unterschiedlich.
Die Autoren weisen auf keine bewusste Patientenselektion in beiden Gruppen hin.
Kommentar: Der Untertitel der Arbeit verspricht eine Bewertung von Komplikationen
der laparoskopischen radikalen Nephrektomie im Vergleich zur laparoskopischen Nierenteilresektion.
Die klinischen Daten wurden retrospektiv erhoben. Die Autoren berichten nicht, inwieweit
die Erhebung von Komplikationen standardisiert erfolgte. Auch eine Abstufung nach
Schweregrad einer Komplikation wird nicht vorgenommen. Eine Aussage über Anzahl und
Qualifikation der Operateure fehlt. Ferner sind die genauen Kriterien, die zur Selektion
des jeweiligen Eingriffes geführt haben, nicht erwähnt. Allein aufgrund der gerade
genannten Punkte ist eine Bewertung der Ergebnisse im Hinblick auf Komplikationen
im Vergleich zu anderen Serien nicht möglich. An dieser Stelle sein angemerkt, dass
die Komplikationsraten in den verfügbaren Serien zur laparoskopischen Nierenteilresektion
erfreulich gering sind.
Die Operationszeiten waren fast gleich, in der Gruppe mit der roboterassistierten
Prostatektomie waren nicht nur der Blutverlust, die Bluttransfusionsrate signifikant
besser, sondern auch die Krankenhausverweildauer, die intraoperativen Komplikationen
sind deutlich geringer. Man kann die telefonische Abfragung kritisieren, aber die
Autoren räumen ein dass Ergebnisse eines validierten Fragebogens in Aussicht. Ein
weiterer Kritikpunkt ist, warum man bei Patienten mit der offenen Technik das Zystogramm
später durchgeführt hat, dies könnte einem logistisches Problem ähneln.
Diese Daten unterstreichen für mich die Vorteile der minimal invasiven Chirurgie im
Bereich der radikalen Prostatektomie. In der Arbeit bleiben die Autoren schuldig warum
die positive Schnittränder in der Gruppe der retropubischen Prostatektomie so schlecht
sind. Wenn man davon ausgeht dass diese Arbeit eine "single center Arbeit" ist muss
man davon ausgehen dass die Pathologen identisch sind. Die Erklärung dass man mit
dem Robotersystem 2-3 mm extra-margin gewinnen kann erscheint subjektiv.
Die Arbeit belegt die Vorteile in dieser Institution so eindeutig dass man auf die
Frage nach den Kosten der Beschaffung des Robotersystems und Kosten des Einsatzes
pro Operation in Vergleich zu anderen Methoden gar nicht kommt. Die Autoren stellen
jedoch diese Gegenüberstellung in Aussicht. Dabei werden die Vorteile der frühen Entlassung,
frühere Entfernung des Harnblasenkatheters, geringe Bluttransfusion in den Vordergrund
treten.
Ein wichtiger Aspekt dieser Arbeit ist in meinen Augen, dass Robotersysteme Operateuren,
die keine oder wenig Erfahrung mit laparoskopischer urologischer Chirurgie haben,
die Möglichkeit bietet, in das Gebiet der komplizierten Eingriffen wie die radikale
Prostatektomie einzudringen.
Zweiter Kommentar
Zweiter Kommentar
Die Arbeit vergleicht prospektiv die Ergebnisse von 100 offenen retropubischen radikalen
Prostatektomien (Oktober 1999 bis Dezember 2002) mit den letzten 200 telechirurgischen
laparoskopischen radikalen Prostatektomien (Dezember 2001 bis Dezember 2001) unter
Einsatz des Operationsrobotersystems Da Vinci. Beide Verfahren wurden am Vattikuti
Institute für Urologie in Detroit eingesetzt. Die untersuchten Parameter umfassen
sowohl perioperative Daten als auch kurzfristige postoperative funktionelle Ergebnisse
(Potenz, Kontinenz), wobei sich deutliche Vorteile zu Gunsten der Roboterchirurgie
finden.
Obwohl die Studie 300 Patienten umfasst, müssen die Aussagen der Arbeit aus folgenden
Gründen erheblich relativiert werden:
Beide Kollektive sind schwer vergleichbar. Die Arbeit betont, dass es sich um eine
Untersuchung an einer Institution handelt und die Basisdaten der Patienten (Alter,
PSA-Wert, Tumorstadium, Glea- son Score) differieren nicht signifikant, aber dafür
stellt sich die Ausgangslage beider Gruppen sehr unterschiedlich dar. Die offene retropubische
radikale Prostatektomie wurde von 8 unterschiedlichen Operateuren in einem deutlich
längeren Rekrutierungszeitraum (ca. 3 J.) durchgeführt, während für das roboterunterstützte
laparoskopische Verfahren die letzten in etwa 1 Jahr von einem einzigen Operateur
durchgeführten Eingriffe ausgewertet wurden. Dies wird zwar von den Autoren in der
Diskussion angesprochen, aber mit Hinweis auf die insgesamt vorliegende offene Erfahrung
von über 1400 Fällen abgetan. Gerade für die radikale Prostatektomie jedoch scheint
die Häufigkeit des Eingriffs eine entscheidende Rolle für die Qualität des Operationsergebnisses
zu spielen, wobei von dem Medizinökonomen Prof. Lauterbach ja bekanntlich eine Zahl
von 55 Eingriffen pro Jahr angesetzt wird. Diese Zahlen divergieren in der vorliegenden
Studie eklatant (5 vs. 200 Eingriffe pro Operateur).
Das prospektive Studiendesign ist unklar. Bei der Durchsicht der Arbeit muss der prospektive
Charakter der Datenerhebung angezweifelt werden. Dies mag sicherlich für die Laparoskopiegruppe
gelten, die offen operierten Patienten wurden jedoch zu einem Zeitpunkt erfasst (Oktober
1999), wo am Vattikuti Institute weder klassisch noch roboterassistierte laparoskopische
radikale Prostatektomien erfolgten. Dies legt die Vermutung nahe, dass die offenen
Patienten zumindest in den ersten beiden Jahren retrospektiv erfasst wurden. So unterscheidet
sich auch das postoperative Management grundlegend: Während die offen operativ operierten
Patienten nach 48 h entlassen wurden und der Dauerkatheter nach 14 Tagen entfernt
wurde, verblieben die roboterassistierten Kranken nur maximal einen Tag stationär
und ein Zystogramm erfolgte nach 4-7 Tagen. Auch wenn eigene retrospektive Erfahrungen
ebenfalls gezeigt haben, dass die Katheterdauer nach dem laparoskopischen Eingriff
kürzer ist, bedeutet dies im angeblich prospektivem Studiendesign schon per se eine
Benachteiligung der offenen Gruppe. Auch die Beurteilung der positiven Ränder differiert
in beiden Gruppen: Während in der offenen Gruppe die Bestimmung auf dem klassischen
Stanford-Protokoll (zweifarbige Tuschefärbung der beiden Prostatalappen mit Großflächenschnitten),
werden in der Roboter-Laparoskopie-Gruppe nur positive Randbiopsien gewertet mit
Argument, die optische Vergrößerung erlaube eine bessere Beurteilung. Damit sind die
Daten zu positiven Rändern nicht zu verwerten. Auch können die PSA-Nachsorgedaten
bei nahezu doppelt so langem Beobachtungszeitraum der offenen Gruppe (556 vs. 236
Tage) nicht gegenübergestellt werden. Auch weicht hier der Text von der Tabelle ab:
Im Text wird über einen signifikanten Unterschied des Anteils der PSA-negativen Patienten
zu Gunsten der Laparoskopiegruppe berichtet, der sich in Tabelle 2 als nicht signifikant
(92 vs. 85 %) herausstellt.
Unklare Subkollektive in der Nachsorge. Die Autoren berichten über die Ergebnisse
eine Quality of Life-Studie in der Nachsorge der Patienten. Interessanterweise benötigt
das zitierte und angewandte Instrument (Fragebogenevaluation) laut den Autoren 140
vollständig ausgefüllte Antworten in beiden Gruppen. Die Daten der vorgelegte Studie
basieren aber nur auf 120 interviewten Patienten, wobei unklar bleibt, wie viele davon
zu jeder Gruppe gehören und wie repräsentativ das nachuntersuchte Kollektiv ist. Gerade
bezüglich Kontinenz und Potenz könnte sich auch der bestehende, aber nicht signifikante
Altersunterschied zu Gunsten der Laparoskopie (60 vs. 63 Jahren) vorteilhaft auswirken.
Beispielsweise sind die bisher unerreichbaren Potenzraten von Patrick Walsh (86 %)
an einem präselektierten Kollektiv (Altersdurchschnitt 57 Jahre) erzielt worden.
Zusammenfassend erlaubt die vorliegende Arbeit nur wenige Rückschlüsse im Vergleich
der verschiedenen Techniken. Betrachtet man die gesamte aktuelle Literatur, so lassen
sich keine wesentlichen Unterschiede bezüglich der Komplikationsraten, funktionellen
Ergebnisse und onkologischen Frühergebnissen zwischen laparoskopischer und offener
retropubischer Prostatektomie an mit der jeweiligen Technik erfahrenen Zentren finden.
Die Vorteile der Laparoskopie liegen naturgemäß in der Reduktion der perioperativen
Morbidität, etwas kürzerer Liegedauer des Katheters, geringeren Spätkomplikationen
und vor allem einer früheren Rehabilitation der Patienten.
Aus eigener Erfahrung mit dem Da-Vinci-System, wiegen die in der Arbeit zitierten
Vorteile der roboterassistierten Chirurgie (3D-Endoskop, 6 Freiheitsgrade der Instrumente,
10fache Vergrößerung, Tremorfilter) zumindest für den erfahrenen Laparoskopiker dessen
Nachteile (Operateur nicht am Tisch, schwierige Assistenz zwischen Roboterarmen, fehlendes
taktiles Feedback) nicht auf und rechtfertigen daher auch nicht die hohen Investitions-
und Unterhaltskosten des Gerätes. Kaum jemand ist in der glücklichen Situation von
Mani Menon, der über einen millionenschweren Sponsorenetat eines am Prostatakarzinom
erkrankten Patienten verfügen kann. Außerdem benötigen wir inzwischen für die Harnröhrenanastomose
zwischen 20 und 30 Minuten, eine Zeit, die wir auch kaum mit Da-Vinci unterbieten
könnten.
Offen bleibt die Frage, ob Da-Vinci dem Laparoskopie-Unerfahrenen den Einstieg zur
Schlüssellochchirugie erleichtert. Dies wird zumindest neben der Detroit- Gruppe noch
von einigen anderen Autoren (Universitätsklinik Frankfurt, University of California
Irvine) angeführt. Die vorliegenden Arbeit liefert hierzu leider auch keine validen
Daten.
Prof. Dr. Jens Rassweiler, Heilbronn
Literatur beim Autor
Dritter Kommentar
Dritter Kommentar
Die Autoren vergleichen prospektiv zwei operative Methoden zur Therapie des lokal
begrenzten Prostatakarzinoms. Dabei kam zum einen die klassische radikale retropubische
offene Prostatektomie (RRP) und zum anderen die laparoskopische radikale Prostatektomie
zur Anwendung. Hier wurde das OP-Team von erfahrenen französischen Laparoskopikern
trainiert, so dass offensichtlich die sog. Lernkurve schnell durchschritten werden
konnte. So finden die Autoren hinsichtlich der OP-Zeit keinen Unterschied im Vergleich
beider Verfahren, wenn auch die durchschnittliche OP-Zeit der offenen RPE mit 163
min relativ lang erscheint. In Deutschland liegen hier die durchschnittlichen OP-Zeiten
in zahlreichen Klinken bei 2 Stunden.
Die laparoskopische Prostatektomie wurde als roboterassistierte Operation durchgeführt,
was durch die dreidimensionale Visualisierung des Operationsgebietes, insbesondere
den technisch schwierigsten Teil der Operation - das Nähen der urethrovesikalen Anastomose
- für viele Operateure erleichtert.
Ansonsten besitzt die roboterassistierte Chirurgie bisher keine nachgewiesenen Vorteile
gegenüber der klassischen "zweidimensionalen" Laparoskopie. Das Nähen einer wasserdichten
Anastomose ist lediglich eine Frage der Übung und nicht der dritten Dimension. So
liegen beispielsweise die durchschnittlichen OP-Zeiten für eine endoskopische extraperitoneale
radikale Prostatektomie (EERPE) in der Leipziger Klinik bei 140 Minuten. Zudem fehlt
bei der roboterassistierten Laparoskopie die taktile Kontrolle während der gesamten
Operation.
Die Ergebnisse der Autoren zeigen ausschließlich Vorteile der roboterassistierten
Laparoskopie gegenüber der offenen Prostatektomie. Sicherlich bietet die laparoskopische
oder endoskopische Technik Vorteile hinsichtlich der Morbidität des Verfahrens (niedrigere
Transfusionsrate, weniger postoperative Schmerzen, kürzere Krankenhausverweildauer,
schnellere Rekonvaleszenz). Auch konnte von verschiedenen Arbeitsgruppen gezeigt werden,
dass bei minimalinvasien Verfahren die Verweildauer der Katheter mit 3-6 Tagen kurz
ist. Warum aber die mittlere Katheterverweildauer bei der offenen Prostatektomie in
dieser Klinik 15,8 Tage beträgt, wird nicht deutlich. In Deutschland ist mittlerweile
auch bei der offenen Prostatektomie eine Katheterverweildauer um die 10 Tage üblich.
Hinsichtlich der drei wichtigen Parameter (Tumorfreiheit respektive positive Schnittränder,
Kontinenz, Potenz) konnte bisher in keiner Studie eine Überlegenheit der minimalinvasiven
Verfahren nachgewiesen werden. Es mag deshalb verwundern, dass in der vorliegenden
Arbeit die roboterassistierte Technik solch eindeutigen Vorteile besitzt. Insbesondere
der Unterschied in der Rate der positiven Schnittränder (9 vs. 23%) ist sehr fraglich,
zumal anfänglich die Laparoskopie höhere Raten positiver Schnittränder als die RRP
zeigte. Die bisher umfassendste Arbeit zu onkologischen Ergebnissen der laparoskopischen
Prostatektomie nach 1000 Eingriffen zeigt nahezu identische Ergebnisse nach drei Jahren
im Vergleich zur offenen Prostatektomie.
Zusammenfassend muss sicherlich die Bedeutung der laparoskopischen/endoskopischen
Prostatektomie als weniger invasives Verfahren im Vergleich zur offenen Prostatektomie
hervorgehoben werden. Zahlreiche Publikationen zeigen hin- sichtlich der onkologischen
und funktionellen Parameter jedoch keine Unterschiede zwischen beiden Verfahren bzw.
gleich gute Ergebnisse an sog. "high volume centres".
PD Dr. Jens-Uwe Stolzenburg, Leipzig