In einer Studie wurde die Relation zwischen dem maximalen Urethraverschlussdruck (MUVD)
und dem Grad der urethralen Hypermobilität untersucht. Erik Schick u. Mitarb. von
der Universität in Montreal, Kanada, kamen zu dem Schluss, dass der MUVD bei einer
urethralen Hypermobilität signifikant abfällt (Neurourol. Urodyn. 2004; 23: 16-21).
Im zweiten Teil der Studie zur Funktion der weiblichen Urethra wurde die Beziehung
zwischen dem MUVD in Ruhe und dem Grad der urethralen Inkompetenz untersucht. Dazu
wurden 255 Frauen im Alter über 20 Jahren mit einer in der urodynamischen Untersuchung
stabilen Blase und einer urethralen Inkompetenz Grad I-IV nach abdomineller Druckerhöhung
durch Husten eingeschlossen. Sie hatten keine neurologischen Erkrankungen und keine
Becken- oder Inkontinenzoperationen in der Vorgeschichte.
Das mittlere Alter der Frauen betrug 45,6 ± 12,7 Jahre, der mittlere maximale Urethaverschlussdruck
(MUVD) 62,7 ± 28,5 cm H2O. Es bestand ein statistisch signifikanter Unterschied im
MUVD, wenn die verschiedenen Grade der urethralen Inkompetenz miteinander verglichen
wurden. Die höheren Grade waren mit einem niedrigeren MUVD verbunden.
Der Studie zufolge besteht eine hoch signifikante Beziehung zwischen dem maximalen
Urethraverschlussdruck und zwischen allen Graden der urethralen Inkompetenz, führen
die Autoren aus. Dies unterstütze die Beobachtungen, dass sich der MUVD verringert,
wenn der abdominelle Druck, bei dem es zu einem Harnverlust kommt, niedrig ist. Dies
könnte sekundär mit einem mechanischen Versagen bei der Druckübertragung von der Bauchhöhle
zur Urethra zusammenhängen.
Urtehradruckprofil der Frau (glockenförmig) und des Mannes (zweigipflig). Legenden:
PUV = Urethraverschlussdruck, BB= Beckenboden, P= Prostata (Bild: Praxis der Urologie, Thieme, 2003).
Fazit
Fazit
In klinischen Studien sollten niemals kontinente mit inkontinenten Kohorten verglichen
werden, ohne den abdominellen Druck mit einzubeziehen. Denn wenn das getan wird, werden
funktionell heterogene Gruppen miteinander verglichen, schließen die Autoren.
Dr. Ralph Hausmann, Frankfurt
Erster Kommentar
Erster Kommentar
Die quantitative Bestimmung der Harnröhrenfunktion, wenn möglich auch noch in den
unterschiedlichen Anteilen der Harnröhre, hat bekanntermaßen bis heute viele ungelöste
Probleme. Zum einen ist es die Standardisierung der Messtechnik, zum anderen die Reproduktion
der Messergebnisse. Meistens wird unverändert der Urinabgang visuell erfasst und dann
per Hand ein Marker in eine Druckkurve eingegeben. Ziel ist es, den Blasendruck zu
bestimmen, bei dem gerade noch ein Urinabgang feststellbar ist.
Im Unterschied zur Bestimmung des Leak Point Pressure versucht diese Studie die Harnröhrenfunktion
über die Länge der Harnröhre, abgeleitet von einem Ruhe- und einem aufgepfropften
Stressprofil zu bestimmen. Deshalb leidet diese Studie unter den gleichen Standardisierungsproblemen,
wie sie beim Harnröhrendruckprofil bekannt sind. Außerdem ist es bei dieser Messtechnik
notwendig, entweder graduell zunehmende Hustenstöße von Seiten des Patienten auszulösen
oder kontinuierliche gleichmäßige Hustenstöße in 3 aufeinander folgenden Serien. Für
die Mehrzahl der Patienten dürfte allein diese Voraussetzung kaum umsetzbar sein.
Auch die primär schwer verständliche Kalkulation des "maximalen Urethraverschlussdruckes"
in Relation zum "verbleibenden maximalen Urethraverschlussdruck" löst die vielen Standardisierungsprobleme
der Harnröhrendruckprofilmessung nicht.
Die klinisch wichtige Frage, ab welchem Druckgradienten eine Belastungs-Inkontinenz
praediktiv zu erwarten ist oder welche Druckverhältnisse in der Harnröhre herrschen
müssen, damit von einer operativen Korrektur eine Heilung bei einer Belastungsinkontinenz
erwartet werden kann, ist auch mit der jetzt beschriebenen Methode nicht möglich.
Ähnliches gilt auch für die in der Arbeit vorgenommene Interpretation der Druck- transmission,
die auf die Harnröhre im proximalen Anteil durch Anstieg des intraabdominalen Druckes
ausgeübt werden soll. Auch diese Hypothese ist heute zunehmend umstritten.
Am Ende bleibt lediglich die Feststellung, dass wenn der intravesikale Druck den maximalen
urethralen Verschlussdruck übersteigt, es zum Urinabgang kommen muss - eine Tatsache,
die seit langem bekannt ist.
Außerdem ist lange bekannt, zumindest seit 1972 von Heidenreich u. Mitarb. bereits
beschrieben, dass das Ruheprofil keinerlei Aussage zulässt über die Harnröhrenfunktion
und prä- und postoperative Ruheprofile meist identische Ergebnisse liefern, obwohl
die Harnröhrenfunktion sich postoperativ geändert hatte, indem die Patienten nach
einer Antiinkontinenzoperation kontinent waren.
Dieser Befund ist auch verständlich, da unter Ruhebedingungen lediglich bei einer
komplett vorhandenen intrinsischen Harnröhreninsuffizienz Urin abgeht.
Damit bleibt die Frage, welche klinische Sinnhaftigkeit hinter einer Harnröhrendruckprofilmessung
auch bei einer sehr hoch differenzierten Auswertung bleibt. Die Stabilität der Messung
muss schon deshalb angezweifelt werden, da bereits bei einer geringen Hypermobilität
von Blase und Harnröhre immer eine Verschiebung des Messkatheters unter Hustenstößen
zustande kommt und dann der Peak eines Hustenstoßes stets an einer anderen Stelle
gemessen wird als der Ausgangspunkt bevor ein Hustenstoß ausgelöst wird. Insgesamt
eine interessante Studie, klinisch jedoch ohne Relevanz, selbst wenn hoch signifikante
Beziehungen nachgewiesen werden konnten. Allerdings konnten diese Ergebnisse von anderen
Untersuchern nicht unbedingt nachvollzogen werden und dies vermutlich aus den genannten
und verständlichen Gründen der Standardisierung. Der Wunschtraum die Harnröhrenfunktion
über eine Harnröhrendruckprofilmessung definieren zu können, bleibt damit weiterhin
ein Zukunftstraum.
Ergänzend bleibt die nicht bewiesene und nicht untersuchte prognostische Einschätzung
wie sich eine mehr oder weniger ausgeprägte Harnröhreninkompetenz im Langzeitverfahren
entwickelt, insbesondere ob mit der dargestellten Methode eine Risikoeinschätzung
für die Entstehung einer Inkontinenz im individuellen Fall möglich sein wird.
Prof. Hans Palmtag, Sindelfingen
Literatur beim Autor
Zweiter Kommentar
Zweiter Kommentar
Schick et al. stellten verschiedene Studien zur Urethrafunktion vor. Sie untersuchten
die Beziehung zwischen maximalem Urethraverschlussdruck (MUCP), urethraler Inkompetenz
und urethraler Hypermobilität. In der vorliegenden Studie erkannten sie einen signifikanten
Zusammenhang zwischen MUCP und allen Graden urethraler Inkompetenz.
Kritisch gesehen werden muss die Patientenauswahl. Zum einen wurden 255 Frauen mit
unterschiedlichsten urologischen Symptomen untersucht. Es fand keine Differenzierung
der Ergebnisse bezüglich der Beschwerdesymtomatik der Patientinnen statt, so dass
anzunehmen ist, dass inkontinente Frauen genauso wie kontinente an dieser Studie teilnehmen
konnten. Einschlusskriterien waren eine stabile Blasenfunktion, fehlende neurologische
Abnormalitäten, keine Operationen des kleinen Beckens in der Vorgeschichte und alle
Grade der urethralen Inkompetenz, deren Einteilung der Autor 1985 eingeführt hat.
Patientinnen mit einer nach den neuen ICS-Kriterien hypersensitiven Blase (früher
sensorische Urge) konnten also ebenso eingeschlossen werden wie Patientinnen mit einer
chronischen Obstruktion. Das Alter der Patientinnen wurde erst in einem zweiten Schritt
in der Studie berücksichtigt. Nicht berücksichtigt wurde der Hormonstatus, sowie das
Körpergewicht (BMI).
Weiterer Kritikpunkt muss das Studiendesign sein. Die Verwendung von Microtip-Kathetern
ist weit verbreitet, kann jedoch auch zu Interpretationsfehlern der Urethradruckmessung
führen. Durch den unvermeidbaren Kontakt der Messoberfläche des Transducers mit der
Urethrawand kommt es definitionsgemäß nicht zu einem Drucksignal. Die "Druckwerte"
können durch den Microtip-Katheter selbst (Biegung, Eigengewicht) erzeugt werden.
Eine Interpretation bei mit Microtip-Kathetern gemessenen Stressprofilen ist in diesem
Zusammenhang fraglich. Die Positionierung in der 3-Uhr-Position des Katheters (wie
in dieser Studie) reduziert mögliche "Druckartefakte", kann sie jedoch nicht ausschließen.
Weiterhin ist das Blasenvolumen, bei dem die Urethradruckprofile erfolgten, unzureichend
definiert. Während in dieser Studie bei Blasenkapazität die Messungen erfolgten, empfiehlt
der "Arbeitskreis Urologische Funktionsdiagnostik und Urologie der Frau" beim Erwachsenen
eine Blasenfüllung von 100 ml.
Nach Durchführung von 3 Ruhedruckprofilen, wurden die Patientinnen dazu aufgefordert,
mit ansteigender Intensität zu husten, um bei Leak die Hustenamplitude zu messen.
Hierbei werden lediglich größere Urinverluste (Urinfluss Q mindestens 10 ml/s ) als
Leak bezeichnet. Geringere Inkontinenzepisoden in Form von einigen Tropfen werden
nicht berücksichtigt. Hieraus wurde der so genannte Husten-Leak-point-pressure (CLPP)
als der niedrigste intravesikale Wert bestimmt, bei dem es zu einem Leak kam. Das
hiernach durchgeführte Stressprofil sollte mit gleich bleibender Hustenintensität
erfolgen. Der Parameter des "residual maximum urethral closure pressure (rMUCP)" wurde
eingeführt. Dieser sei die größte Amplitude der Verbindungslinie zwischen den errechneten
negativen Hustenstößen in der Urethraverschlussdruckkurve. Die Negativausschläge kämen
durch einen Druck-Transmission-Fehler zustande. Wenn der rMUCP null beträgt, kommt
es zu Urinverlust. Es erfolgten insgesamt drei Stressprofile mit steigender Hustenintensität,
jedoch in jedem Stressprofil selbst mit gleicher Intensität der Hustenstöße. Aus diesen
drei Werten (rMUCP und die korrespondierende Hustenintensität) wurde ein Diagramm
erstellt, bei dem die Hustenintensität gegen den rMCUP aufgetragen wurde. Dieses methodische
Vorgehen beinhaltet mehrere mögliche Fehlerquellen. Zum einen wurde Leak erst durch
einen im Uroflow messbaren Urinverlust definiert. Man erkennt, dass die maximalen
Flussraten etwa 10 ml/s betragen. Tropfenweiser Urinverlust existiert in diesem Versuchsaufbau
nicht. Die Aufforderung mit steigender oder im weiteren Verlauf auch konstanter Intensität
zu husten, wirft die Frage nach der Durchführbarkeit und der Reproduzierbarkeit der
gewonnenen Ergebnisse auf. Die Einführung des rMUCP ist ebenfalls fragwürdig. Es komme
zu einem Druck-Transmissions-Fehler von der Bauchhöhle zur Urethra. Die Tatsache der
aktiven und passiven Drucktransmission ist bekannt und ist ein Normalbefund dargestellt
als Drucktransmissionsprofil/Ratio. Die Erstellung eines Diagrammes aus den so gewonnenen
Werten (Husten Leak Point Pressure = CLPP und rMUCP) selbst mag noch akzeptabel sein,
die Erweiterung um die urethrale Inkompetenz ist aber sicherlich nicht hinzunehmen.
Der Parameter der urethralen Inkompetenz wurde 1985 vom Autor selbst vorgestellt und
findet sich außer in seinen eigenen Veröffentlichungen weder in gängigen Büchern zu
diesem Thema noch in Publikation anderer Arbeitsgruppen.
Im Ergebnisteil der Arbeit stellt der Autor fest, dass höhergradige urethrale Inkompetenzen
mit niedrigeren maximalen urethralen Verschlussdrücken (MUCP) verbunden sind. Die
Präsentation der urethralen Inkompetenzgrade ergibt zu über 50% Grad-I- Patientinnen,
Patientinnen also mit nur geringgradiger Einschränkung der urethralen Funktion. Diese
Patientinnengruppe war in diesem Zusammenhang auch die jüngste Gruppe. Ein Zusammenhang
zwischen Alter und MUCP ist bereits bekannt und die Autoren konnten hier einen Zusammenhang
zwischen MUCP und urethraler Inkompetenz herstellen. Erwartungsgemäß war die Gruppe
der Patientinnen mit Grad-IV-Inkompetenz auch die älteste. Nach Alterberücksichtigung
konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen Inkompetenzgraden und MUCP festgestellt
werden.
Im Diskussionsteil gehen die Autoren erneut auf den Begriff der urethralen Inkompetenz
ein. Sie geben zu bedenken, dass bei Bestimmung der einzelnen Grade der Inkontinenz
die Modifizierung der Hustenstöße einigen Patienten schwer fallen könne. Ebenso wird
auf das Problem unterschiedlicher Inkontinenzgrade bei identischer Urethrafunktion
hingewiesen. Diese klinisch relevante Größe wurde in der Studie nicht berücksichtigt.
Es wird auf Studien verwiesen, bei denen der Zusammenhang zwischen MUCP und LPP gezeigt
werden konnte. Die eigene Studie mit dem Begriff der urethralen Inkompetenz wurde
in diese Reihe eingefügt, wenngleich bei den erfolgten Urethradruckprofilen keine
Unterscheidung stattfand zwischen Urethrahypotonie und verminderten passiven und aktiven
Drucktransmission. Diese relevanten Größen kommen jedoch als Ursachen einer Belastungsinkontinenz
infrage.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass diese Studie bekannte Zusammenhänge zwischen
MUCP und LPP bestätigt. Der weitere Zusammenhang zwischen der urethralen Inkompetenz
und dem MUCP wurde in dieser Studie dargelegt. Durch wenige Standardisierungen der
Urethradruckmessung mit vielen möglichen Fehlerquellen, einer heterogenen Patientenauswahl
und einem Studienprotokoll, deren Reproduzierbarkeit nicht gezeigt wurde, ist die
vorliegende Studie mit Einschränkungen zu beurteilen. Der klinische wichtige Zusammenhang
von Inkontinenzgraden und urethralen Inkompetenzgraden bzw. MCUP konnte hier nicht
gezeigt werden.
Dr. Björn Wefer, PD Peter M. Braun, Prof. Klaus-Peter Jünemann, Kiel