In einer kontrollierten, prospektiven Studie mit 211 auswertbaren Blasenkarzinom-Patienten
wurden mit der Fluoreszenz-Zytoskopie 28% mehr Patienten mit Carcinoma in situ (CIS)
identifiziert als beim Standardverfahren - ohne zusätzliche Nebenwirkungen oder Komplikationen
(J Urol 2004;171:135-138).
Die Identifizierung von CIS hat erheblichen Einfluss auf die Behandlung von Patienten
mit Blasenkarzinom, da die Läsionen mit einem hohen Risiko der Progession vergesellschaftet
sind. Aber gerade die oberflächlichen Läsionen sind bei der Standardzystoskopie schwierig
zu identifizieren. Die Zytologie wiederum erlaubt keine Lokalisierung der Herde oder
Aussagen zur Ausdehnung der CIS. Deshalb wurde die Floureszenztechnik mit photoaktiven
Porphyrinen wie Hexa- mniolaevolinat (HAL) entwickelt, die in neoplastischen Zellen
akkumulieren; unter blauem Licht zeigt sich eine rote Fluoreszenz, über die dann eine
Visualisierung möglich ist.
Die intravesikale Applikation von Aminolaevulinsäure zur Photodiagnose von Blasentumoren
ist bereits Erfolg versprechend angewandt worden. Mit Hervix Hexaminolävulinat wurde
jetzt ein Ester getestet, der eine höhere Selektivität und stärkere Fluoreszenz bei
kürzerer Instillationszeit verspricht. Vorausgegangene Untersuchungen hatten eine
hohe Detektionsrate für alle - auch oberflächliche - Blasentumoren ergeben bei gleichzeitig
gutem Sicherheitsprofil. Deshalb wurde die Substanz in einer europäischen Studie an
17 urologischen Zentren prospektiv kontrolliert geprüft, wobei jeder Patient als eigene
Kontrolle diente.
Nach Instillation von 50 ml HAL-Lösung wurde eine Zystoskopie vorgenommen, die Lichtquelle
erlaubte den Einsatz von weißem und blauem Licht nacheinander. Alle Tumorherde und
verdächtigen Stellen, die unter beiden Lichtquellen entdeckt wurden, wurden reseziert
oder aber biopsiert. Die Histologie wurde zentral von einem "geblindeten" Experten
vorgenommen.
Das Ergebnis: Bei den 211 Patienten wurde in 83 Fällen (39%) CIS nachgewiesen. Über
ein Fünftel (22%) davon waren allein durch die neue Technik entdeckt worden, drei
Viertel durch das Standardvorgehen und HAL-Technik. Insgesamt, so rechnen die Autoren
vor, konnten mit der neuen Technik 28% mehr Läsionen identifiziert werden als bei
der üblichen Zystoskopie.
Papilläres Karzinom: Harnblase (Bild: Taschenatlas der allgemeinen und speziellen Pathologie, Thieme, 1998).
Fazit
Fazit
Die Nebenwirkungen der HAL-Methode werden als vernachlässigbar eingestuft, das Verfahren
sei einfach als Zusatz in die Routine zu implementieren, Komplikationen nicht zu erwarten.
Für die Zukunft erhoffen sich die Urologen deshalb positive Auswirkungen auf die Prognose
von Blasenkarzinom-Patienten.
Renate Leinmüller, Wiesbaden
Erster Kommentar
Erster Kommentar
Die vorliegende Arbeit gleicht vielen älteren Studien, die sich mit der Detektion
von Blasenkarzinomen unter Verwendung der Floureszenztechnik beschäftigen. Allen gemeinsam
ist die höhere Nachweisrate insbesondere sog. "flat lesions" bei vergleichsweise geringen
Nebenwirkungen. Die aktuelle Publikation fokussiert auf den Vorteil von "Hexvix®"
beim Nachweis des Carcinoma in situ (CIS). Wie die Autoren in der Diskussion hervorheben,
hat dies eine wesentliche klinische und therapeutische Relevanz.
Die vergleichsweise hohe Nachweisrate des CIS von insgesamt 39% unter Verwendung von
"Hexvix®" lässt sich in der Studie durch die Einschlusskriterien erklären, die bewusst
auf Risikopatienten zielt. Von insgesamt 83 Patienten mit einem Carcinoma in situ
wurden 77% mit der Routinezystoskopie und 96% durch Floureszenzzystoskopie entdeckt,
d.h. in 16 Patienten wurde durch den Einsatz von "Hexvix®" ein zusätzliches CIS nachgewiesen.
Bezogen auf das Gesamtkollektiv von 211 Patienten sind dies 7,6%. In meinen Augen
sind die weiteren Zahlenspiele der Autoren, die vorwiegend zur Demonstration der Überlegenheit
der Floureszenzmethode dienen, nur schwer nachvollziehbar. So ist etwa die absolute
Anzahl aller nachgewiesenen Tumoren wenig aussagekräftig, die angegebenen Daten sind
durch den Wechsel der Bezugsgrößen (Patienten und Anzahl der Tumoren) ebenfalls verwirrend.
Leider wurde auch der Einfluss der Erfahrung des Operateurs nicht berücksichtigt.
Diese Variable wurde bereits in früheren Arbeiten als eine entscheidende Größe in
der Erkennungsrate oberflächlicher Tumoren allgemein und für das CIS und die diskutierten
Rezidivraten im Besonderen nachgewiesen. Im Zusammenhang mit der vom Konzept her fraglichen
Kontrollgruppe ist dies von Bedeutung, da sich auch in der eigenen Erfahrung durch
das leichte Wechseln von Weißlicht- und Floureszenzendoskopie mit dem Fußschalter
teils nur schwer abgrenzen lässt, welche Läsion welcher Methode zugeordnet werden
soll.
Dagegen fehlen klare Angaben, bei welchem histopathologischen Stadium in welcher Häufigkeit
das CIS durch die Weißlichtendoskopie und im Vergleich dazu mit der Floureszenzendoskopie
detektiert wurde. Dies führt zu der eigentlichen Kernfrage bei der Untersuchung, nämlich
der konkreten klinischen Relevanz und dem therapeutischen Prozedere. Die Behandlungskonzepte
in dem "Graubereich" zwischen den oberflächlichen "low-risk"-Tumoren und den muskelinvasiven
Karzinomen sind divergent, es konkurrieren hierbei die radikale Zystektomie im Sinne
eines frühen aggressiven chirurgischen Vorgehens mit dem Blasenerhalt durch kurzfristige
Kontrollen und rezidivierende transurethrale Resektionen kombiniert mit unterschiedlichen
Regimen von BCG-Instillationen.
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Die Studie bestätigt nur die Datenlage, liefert jedoch keine wesentlichen neuen Aspekte
für die Differenzialindikation und klinische Bedeutung dieser Technik.
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Für diejenigen, die dem Konzept des Blasenerhalts folgen, ändert sich durch den zusätzlichen
Nachweis eines CIS in der Regel nichts im therapeutischen Prozedere, da für das hier
untersuchte Risikokollektiv ohnehin die BCG-Instillationstherapie indiziert ist und
damit die wirksamste Form der konservativen Therapie eingeschlagen ist. Berücksichtigt
man dagegen das hohe Progressionspotenzial des CIS von etwa 80% und favorisiert in
dieser Situation die zeitnahe radikale Zystektomie, würde ein - in der Studie nicht
nachvollziehbarer - Anteil an Patienten der in diesem Stadium kurativen Therapie der
radikalen Zystektomie unterzogen werden. Ohne die Diskussion dieser Ansätze auch hinsichtlich
der Ergebnisse für die Tumorprogression und Prognose der Patienten zu vertiefen, wäre
eine klare Datenlage der Autoren für diese Fragestellung wünschenswert gewesen.
Eine weitere Überlegung gilt den finanziellen Aspekten der routinemäßigen Verwendung
der Floureszenzzystoskopie, da diese im DRG-System nicht extra berücksichtigt wird.
Hierfür muss individuell analysiert werden, ob der finanzielle Mehraufwand durch den
zusätzlichen Informationsgewinn kompensiert wird.
Durch eigene Erfahrungen mit der Floureszenzzystoskopie lässt sich die geringe Nebenwirkungsrate
und das einfache technische Handling dieser Technik voll unterstreichen. Ansonsten
bestätigt die besprochene Studie im Wesentlichen nur die bereits bekannte Datenlage,
dass die Floureszenzzystoskopie die Detektion sog. "flat-lesions" erhöht, liefert
darüber hinaus jedoch keine wesentlichen neuen Aspekte für die Differenzialindikation
und klinische Bedeutung dieser Technik. Als Verfechter eines frühen aggressiven chirurgischen
Vorgehens sehe ich weiterhin einen Vorteil dieser Technik für Patienten, bei denen
in der präoperativen Zystoskopie keine oder fraglich suspekte Befunde in der Blase
erhoben wurden und der Nachweis eines isolierten oder begleitenden CIS die Operationsentscheidung
beeinflussen würde.
PD Dr. Joachim Leißner, Bonn
Zweiter Kommentar
Zweiter Kommentar
Die Problematik bei der Diagnostik des Urothelkarzinoms der Harnblase besteht darin,
dass gerade die Läsionen, die mit einem hohen Progressionsrisiko behaftet sind (Carcinoma
in situ) mit der herkömmlichen Weisslichtendoskopie (WLE) häufig schwer zu erkennen
sind. Diese flachen Veränderungen kommen z.T. solitär vor, sind aber auch vielfach
mit anderen Tumorentitäten koinzident. Im Gegensatz zu den exophytisch wachsenden
Tumoren, die meist auch in der Weißlichtzystoskopie gut zu erkennen sind, sind die
flachen Carcinoma in situ oder Dysplasien II° häufig nicht von normaler Schleimhaut
zu unterscheiden.
Die photodynamische Diagnostik (PDD) zur Erkennung von urothelialen Neoplasien wird
bereits seit einigen Jahren erfolgreich angewandt. Als klassischer Photosensibilisator
wurde bisher die 5-Aminolävulinsäure eingesetzt. An großen Fallzahlen konnten u.a.
an unserer Klinik die Überlegenheit der PDD gegenüber der WLE gezeigt werden. Insbesondere
der Nachweis der flachen Urothelveränderungen (Carcinoma in situ und Dysplasien II°)
ist erheblich verbessert.
Die vorliegende Arbeit der Hexvix-Study Group (zu der auch die Autoren dieses Kommentars
gehören) konnte nun erstmals in einer kontrollierten, prospektiven Multizenterstudie
die Wertigkeit der photodynamischen Diagnostik unter Verwendung eines Hexylesters
der 5-Aminolävulinsäure belegen. Der Hexylester soll aufgrund seiner höheren Lipophilität
schneller in den Tumorzellverband aufgenommen werden. Das photodynamische Wirkprinzip
wird, wie bei Verwendung der 5-Aminolävulinsäure, durch die Anreicherung von photoaktiven
Substanzen in den Tumorzellen, insbesondere Protoporphyrin IX gewährleistet. Aus diesem
Grunde wird auch die- selbe Lichtquelle zur Anregung des Protoporphyrin IX verwendet.
Das Studiendesign der vorliegenden Arbeit war in erster Linie auf die Detektion der
Carcinoma in situ (CIS) ausgerichtet, indem hauptsächlich Risikopatienten eingeschlossen
wurden.
Die Ergebnisse bestätigten die bisher publizierten Daten verschiedener Arbeitsgruppen
nun erstmals in einer prospektiven Multizenterstudie. Insbesondere die gegenüber der
Weißlichtendoskopie verbesserte Detektion der flachen Neoplasien gleicht den Daten
unserer eigenen Arbeitsgruppe an mehr als 300 Patienten mit Carcinoma in situ oder
Dysplasien II°. Ein Unterschied zur 5-Aminolävulinsäure lässt sich hinsichtlich der
Effizienz aus dieser Studie nicht erkennen. Die Nebenwirkungen waren erwartungsgemäß
gering, was die sichere Anwendung des Hexyl-Esters der 5-Aminolävulinsäure belegt.
Inwiefern aus der Verwendung des Esters ("Hexvix®"), welcher aufgrund seiner lipohilen
Eigenschaften eine bessere Gewebegängigkeit aufweist, eine Verbesserung der Methodik
resultiert, kann aus der vorliegenden Arbeit nicht geschlossen werden.
Die Wertigkeit der photodynamischen Diagnostik hinsichtlich einer prognostischen Relevanz
oder aber auch hinsichtlich einer möglichen photodynamischen Therapie sollten in weiteren
Studie evaluiert werden. Gerade bei der photodynamischen Therapie könnte der Hexyl-Ester
aufgrund der verbesserten Gewebegängigkeit neue Perspektiven eröffnen.
Dr. Edwin Hungerhuber, PD Dr. Dirk Zaak, München