Im Jahr 2003 sind nach Schätzungen 47500 Neuerkrankungen an Mammakarzinomen aufgetreten,
360000 Frauen sind nach ihrer Therapie aktuell ohne Rezidiv oder Metastasen, 55000
Frauen befinden sich in der metastasierten Situation, und 16600 Frauen sind am Mammakarzinom
verstorben. Diese Zahlen und die Effekthascherei durch Pressemitteilungen, laut derer
die Qualität der Behandlung in Deutschland unter dem europäischen Standard liegt,
haben das Mammakarzinom ins Zentrum der politischen Diskussion gerückt. Sachlich sind
die Argumente über die höhere Mortalität - insbesondere im Vergleich zu den USA und
Großbritannien - nicht nachvollziehbar, da in Deutschland keine Dokumentationspflicht
besteht und so keine vergleichbaren flächendeckenden Daten zum Resultat der Mammakarzinomtherapie
vorliegen. Die gut dokumentierten prospektiven Untersuchungen deutscher Studiengruppen
befinden sich jedoch auch international auf ausgesprochen hohem Niveau. Dies als Hintergrund
für die aktuellen Diskussionen um neu zu implementierende Versorgungsstrukturen bzw.
-qualität.
Zentraler Bestandteil der aktuellen Versorgungsstruktur von Brustkrebspatientinnen
ist das Disease-Management-Programm (DMP) „Mammakarzinom” - eines von derzeit zwei
in Deutschland zu implementierenden Programmen für chronisch Erkrankte. Über den Risiko-Strukturausgleich
sollen solche Programme einen finanziellen Ausgleich zwischen den Kassen schaffen.
Mit dem Einsteigen in ein DMP erhält der zentrale Koordinator eine Steuerungsfunktion,
die in den nachfolgenden Jahren die Patientin kontinuierlich im Verlauf der Erkrankung
begleiten bzw. notwendige diagnostische und therapeutische Maßnahmen koordinieren
soll.
Die neben dem zentralen Koordinator notwendigen Strukturen sind die so genannten Brustkrebszentren
(DMP-Zentren). Ziel ist eine - flächendeckende - Zertifizierung solcher spezieller
Zentren nach den Kriterien der Deutschen Krebsgesellschaft bzw. der Deutschen Gesellschaft
für Senologie. Der Anforderungskatalog beider Fachgesellschaften definiert Grundsätze
zur Struktur, Qualität und Dokumentation. Dazu zählt auch die Teilnahme an bzw. die
Durchführung von klinischen Studien. Es besteht eine hohe Übereinstimmung dieser Normen
mit den internationalen EUSOMA-Kriterien („European Society of Mastology”), sodass
der deutsche Qualitätsstandard dem europäischen entspricht.
Handlungsgrundlage im DMP und den Brustkrebszentren sind Standards, Leitlinien oder
Richtlinien für die einzelnen interdisziplinären Versorgungseinheiten bzw. -schritte.
Unklar ist, wie die Honorierung der Leistung im Rahmen des DMP bzw. in den DMP-definierten
Kliniken erfolgt, da zeitgleich zu den DMPs auch die DRGs („diagnosis related groups”)
eingeführt wurden. Unter anderem bildet der Leistungskatalog der DRGs die plastisch
rekonstruktiven Eingriffe nicht suffizient ab. Diese sind jedoch unabdingbar für die
regelgerechte Versorgung einer Brustkrebspatientin, um deren körperliche Integrität
wiederherzustellen. Gleiches gilt für die medikamentöse und die kombinierte medikamentösestrahlentherapeutische
Therapie. Zentraler Punkt zur Evaluierung bzw. zur Verbesserung der Qualität durch
die neu implementierten Versorgungsstrukturen ist die Dokumentation und deren Auswertung
in entsprechenden umfassenden Programmen. Problematisch hierbei ist, dass teilweise
eine parallel laufende Dokumentation - zum Beispiel in den klinischen bzw. epidemiologischen
Krebsregistern und im DMP - erfolgt.
Das Gesundheitssystem steht vor einer deutlichen Wandlung mit Fokussierung spezifischer
Krankheitsbilder auf zentralistische Strukturen. Ob sich damit die Qualität der Versorgung
verbessern lässt, muss durch Ergebnisdokumentation und Qualitätsüberprüfung nachgewiesen
werden. Dieses ist umso wichtiger, da mit der Europäisierung und damit der Vereinheitlichung
der Strukturen in den Gesundheitssystemen deutsche Versorgungsstrukturen konkurrenzfähig
bleiben.