Brustkrebs ist eines der vorrangigen Probleme in der frauenspezifischen Gesundheitsversorgung
in der Bundesrepublik Deutschland. Neue tumorbiologische Kenntnisse und aktuelle therapeutische
Entwicklungen lassen innerhalb der nächsten Jahre eine Reduktion der Mammakarzinomsterblichkeit
nur schrittweise erwarten. Ein qualitätsgesichertes, fachübergreifendes Brustkrebs-Früherkennungsprogramm
bzw. ausschließliches Mammografie-Screening auf der Basis der Europäischen Qualitätsrichtlinien
als Eingangsschritt der Versorgungsstrukturen verspricht dagegen eine deutliche Reduktion
der Sterblichkeitsraten. Die Qualitätssicherung der Brustkrebs-Früherkennung ist eine
fachübergreifende Aufgabe aus klinischer Untersuchung, apparativer Diagnostik, pathomorphologischer
Beurteilung, operativer Therapie, Nachsorge und einer Optimierung der medizinischen
Versorgungsstrukturen und -abläufe [Abb. 1 ].
Risikobeurteilung und -beratung
Risikobeurteilung und -beratung
Geschlecht, Alter und familiäre Belastung sind die drei wesentlichen Risikofaktoren
für das Mammakarzinom. Zusätzliche Faktoren (z.B. Menarche vor dem elften Lebensjahr
oder Menopause nach dem 54. Lebensjahr, Hormoneinnahme, Körpergewicht) gelten als
Faktoren mit geringerer Risikomodulation. Primär ist das Mammakarzinom eine Erkrankung
der Frauen, bei Männern tritt ein Mammakarzinom unter 1 % auf.
Mit Beginn des gesetzlichen Krebsfrüherkennungsprogramms (§ 25 Abs. 2 SGB V) soll
ab dem 20. Lebensjahr ein Anamnese- und Aufklärungsgespräch über Risikofaktoren angeboten
werden. Diese Risikoaufklärung muss individuell gestaltet sein und Informationen zum
absoluten Risiko, zur genetischen und familiären Risikokonstellation und zu den Möglichkeiten
der primären individuellen Risikoreduktion - also Ernährung, Lebensstilberatung, Beratung
zur Selbstuntersuchung - zum Inhalt haben. Liegen spezielle Risikoprofile vor, ist
eine individuelle Strategie der Früherkennung indiziert. Hierzu zählen zum Beispiel
die Studienteilnahme nach Testung auf das Vorliegen einer Mutation für das hereditäre
Mammakarzinom oder modifizierte Maßnahmen und Methoden zur Früherkennung und Zeitintervalle
für die Untersuchungen.
Mamma-Tast-untersuchungen
Mamma-Tast-untersuchungen
Die Selbstuntersuchung der Brust trägt zur individuellen Motivation und Bewusstseinsförderung
für präventive Maßnahmen bei. Systematische Reihenuntersuchungen der Brust durch den
Arzt oder die Patientin selbst konnten jedoch die mittlere Tumorgröße und den Anteil
tumorbefallener Lymphknoten nicht oder nur unwesentlich reduzieren. Eine Senkung der
Mortalität an Brustkrebs konnte mit dieser Maßnahme ebenfalls nicht erzielt werden.
Auch deshalb bleibt die inspektorische und palpatorische Untersuchung der Brust und
der regionären Lymphabflussgebiete Bestandteil des Früherkennungsprogramms und sollte
zumindest ab dem 30. Lebensjahr in regelmäßigen Abständen erfolgen. Besonderer Wert
liegt dabei in der Erkennung von in der Mammografie nicht erfassbaren Befunden, wie
Hautveränderungen, Asymmetrien, Sekretion, Gewebsverdichtungen und große Tumoren bei
unauffälliger Mammografie.
Mammografie
Mammografie
Zurzeit ist die Mammografie die einzige Methode, die für die Erkennung von Mammakarzinomvorstufen
(ductales Carcinoma in situ; [Abb. 2 ]) oder frühen Tumorstadien allgemein als wirksam anerkannt wird. Prospektiv randomisierte
Studien zeigen, dass mit der Einführung einer Screening-Mammografie als Röntgen-Reihenuntersuchung
eine altersabhängige Brustkrebssterblichkeitsreduktion um 20-40 % möglich ist. Das
Optimum des Verhältnisses aus Nutzen und Risiko (durch die Strahlenexposition) liegt
zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr. Aber auch Frauen ab dem 40. Lebensjahr und Frauen,
die älter sind als 70 Jahre, profitieren von einer Früherkennungsmammografie.
Gefordert wird eine Mammografie in zwei Ebenen, dabei sollten Untersuchungsintervalle
von längstens 24 Monaten sowie die Sicherung der technischen und der Befundungsqualität
eingehalten werden. Die Dokumentation soll standardisiert nach der BI-RADS-Klassifikation
(„Breast Imaging-Reporting and Data System”) erfolgen [Tab. 1 ].
Befunde BI-RADS 3 bedürfen der mammografischen Kontrolle nach sechs Monaten. Einer
weitergehenden histopathologischen Abklärung müssen Befunde mit BI-RADS 4 und 5 zugeführt
werden.
Mammasonografie
Mammasonografie
Die wichtigste Zusatzuntersuchung zur Mammografie ist die Mammasonografie [Abb. 3 ]. Indikationen zur Sonografie sind
mammografische Befunde BI-RADS 4 und 5
die Abklärung mammografisch unklarer Tastbefunde
die Abklärung von Tastbefunden bei jungen Frauen, in Schwangerschaft und Laktationsperiode.
Die Befundung erfolgt analog der BI-RADS-Klassifikation [Tab. 1 ]. Im mammografisch dichten Gewebe kann die Sonografie durch den Nachweis von echoarmen
Karzinomen wichtige Informationen für den Malignomnachweis liefern oder durch typische
Merkmale eines gutartigen Befundes die Diagnose unterstützen. Die Treffsicherheit
der Sonografie hängt vom umgebenden Gewebe wie auch vom Befund selbst ab und ist bei
kleinen und vor allem präinvasiven Karzinomen (DCIS) eingeschränkt bzw. ausgeschlossen.
Deshalb darf die Sonografie nicht ohne eine mammografische Korrelation eingesetzt
werden.
Magnetresonanztomografie (MRT)
Magnetresonanztomografie (MRT)
Die Kontrastmittel(KM)-Magnetresonanztomografie bildet das Brustgewebe in 2-4 mm Schichtdicke
ab. Areale mit vermehrter Kontrastmittelanreicherung sind hochsensitiv nachzuweisen.
Kontrastmittelanreicherungen erklären sich durch vermehrte Vaskularisation, Gefäßpermeabilität
und vermehrten interstitiellen Raum - pathophysiologische Veränderungen (Neoangiogenese),
die die meisten invasiven Malignome aufweisen. Vergleichbare Modifikationen sind auch
bei verschiedenen gutartigen Veränderungen zu beobachten. Um eine akzeptable Treffsicherheit
erzielen zu können, ist daher der Nachweis von weiteren Kriterien (Anreicherungsdynamik,
Morphologie) notwendig.
Mammografie, Sonografie und Klinik mit Diagnosestellung sind Voraussetzungen vor der
Durchführung einer Magnetresonanztomografie [Abb. 4 ]. Die Kontrastmittel-MRT erreicht eine Sensitivität von über 95 % bei mäßiger Spezifität
von etwa 30 %. Je nach Schwellenwert kann auf Kosten der Sensitivität eine höhere
Spezifität erzielt werden. Die Befundung erfolgt analog der BI-RADS-Klassifikation
nach dem Göttinger Score.
Als alleinige Methode der Früherkennung ist die Kontrastmittel-MRT jedoch ungeeignet.
Sie ist vielmehr eine Zusatzuntersuchung unter spezieller Indikationsstellung:
Multifokalität, Multizentrizität bzw. kontralaterales Mammakarzinom bei histologisch
nachgewiesenem Malignom
Differenzialdiagnose einer Narbe bzw. Rezidivs bei Zustand nach operiertem Mammakarzinom
Fokussuche beim histologisch nachgewiesenen axillären Lymphknotenbefall mit Hinweis
auf ein Mammakarzinom bei negativer klinischer Untersuchung, Mammografie und Sonografie
(„carcinoma of unknown primary site”; CUP-Syndrom)
Zustand nach Wiederaufbauplastik (Prothese)
Interventionelle Techniken
Interventionelle Techniken
Die histologische Diagnostik unklarer Befunde (BI-RADS 4/5) erfolgt mithilfe der Stanzbiopsie,
der Vakuumbiopsie oder der offenen Biopsie. Perkutane Interventionen können sonografisch,
mammografisch oder kernspintomografisch gesteuerte Stanz- oder Vakuumbiopsien sein.
Bei der sonografisch gezielten Stanzbiopsie wird in Lokalanästhesie unter sterilen
Kautelen eine Koaxialnadel tangential zur Thoraxwand bis vor den Herdbefund eingeführt.
Darüber wird die Stanznadel eingebracht. Dabei sollten mindestens fünf Proben gewonnen
werden.
Mithilfe der mammografisch-stereotaktisch gesteuerten Vakuumstanzbiopsie werden einzig
in der Mammografie sichtbare Befunde abgeklärt. Anhand einer orthograden Mammografie
wird der Zielbereich für die anschließende Intervention festgelegt. Nach Durchführung
von Stereoaufnahmen (+ 10° bzw. + 15°) werden die Koordinaten der Läsion (X- und Y-Achse)
erfasst und durch den Computer die Tiefe der Läsion (Z-Wert) ermittelt. Bei abklärungsbedürftigem
Mikrokalk werden 5-20 Proben entnommen und die repräsentative Gewebeentnahme durch
eine Präparatradiografie gesichert. Ein bei der Gewebeentnahme gelegter Clip oder
kleine Lufteinschlüsse belegen die korrekte Entnahmestelle in der im Anschluss an
die stereotaktische Intervention durchgeführten Mammografie.
Bei der perkutanen Intervention muss der Befund mit der gewählten bildgebenden Methode
eindeutig zu identifizieren sein. Als Ergebniskontrolle dient die Korrelation der
bildgebenden Diagnostik mit dem histopathologischen Befund. Eine Follow-up-Kontrolle
bei histopathologisch benignem Befund erfolgt nach sechs und nach 24 Monaten.
Der Anteil der nicht tastbaren, malignen Befunde, die präoperativ durch mammografisch
oder sonografisch kontrollierte, interventionelle Methoden histopathologisch abgeklärt
werden, sollte über 70 % betragen. Hierbei ist die Punktionsrichtung so zu wählen
und zu dokumentieren, dass der Stichkanal bei typischer Schnittführung durch eine
eventuell nachfolgende Operation exzidiert werden kann.
Die Indikation zur offenen Biopsie (nach Markierung) ist bei nicht tastbarem Befund
BI-RADS 4 und 5 zu stellen - zum einen wenn eine interventionell gesteuerte Gewebsprobengewinnung
nicht durchführbar ist oder bei vorangegangener interventioneller, minimalinvasiver
Diagnostik eine Diskrepanz zwischen apparativ-diagnostischem und histopathologischem
Befund besteht [Abb. 5 a-c ].
Präoperative Markierung und intraoperatives Röntgen
Präoperative Markierung und intraoperatives Röntgen
Grundsätzlich ist die präoperative Markierung des nicht tastbaren, mammografisch [Abb. 5a ] oder sonografisch nachgewiesenen - gegebenenfalls schon histologisch gesicherten
- Befundes erforderlich. Bei sonografisch sichtbaren Befunden kann die Markierung
ultraschallgesteuert erfolgen. Bei jeglicher bildgebungsgesteuerter Markierung soll
der Draht den zu exzidierenden Befund penetrieren oder weniger als 1 cm entfernt liegen.
Eine Mammografie in zwei orthogonalen Ebenen nach Markierung mit exakter Erläuterung
der Drahtlage dient dem Operateur als Orientierung [Abb. 5b ]. Die Sicherung der korrekten Gewebeentnahme erfolgt durch die intraoperative Präparatradiografie
[Abb. 5c ], im Bedarfsfall ergänzt durch die Präparatsonografie. Eine Befundmitteilung wird
dem Operateur intraoperativ mündlich und schriftlich gegeben. Auch dem Pathologen
muss der Befund schriftlich mitgeteilt werden.
Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3 Die Histologie dieser in der Mammasonografie der Brust entdeckten Läsion ergab ein
multi-zentrisches invasives lobuläres Mammakarzinom (pT2 [2 ])
Abb. 4 Die Magnetresonanztomografie wurde bei CUP-Syndrom rechts durchgeführt, in der anschließenden
Histologie wurde die Diagnose „1,5 cm invasiv duktales Mammakarzinom” bestätigt
Abb. 5 Bei einem Verdacht auf ein ductales Carcinoma in situ (DD, invasives Mammakarzinom)
in der Mammografie der linken Mamma (a) erfolgte zunächst eine Drahtmarkierung (b)
und anschließend eine Präparatradiografie (c)
Tab. 1 Assessment-Kategorie der Deutschen Röntgen-gesellschaft 2003
BI-RADS-Kategorie
Beschreibung
Malignitätsrisiko
0
Bildgebung unvollständig
?
1
negativ
0 %
2
sicher gutartig
0 %
3
wahrscheinlich gutartig
< 2 %
4
malignomverdächtig
2-90 %
5
malignomtypisch
> 90 %