Einleitung
Einleitung
Eine der zentralen Aufgaben des Kompetenznetzes Pädiatrische Onkologie und Hämatologie
(KPOH; Sprecher: Prof. Dr. G. Henze, Berlin) betrifft die Unterstützung von Therapieoptimierungsstudien
(TOS), die im Rahmen der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH)
durchgeführt werden.
Das wesentliche Ziel dieser Maßnahme ist die Verbesserung der Qualität der Studiendurchführung
und die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems, das in jeder Einzelnen dieser
Studien zur Anwendung kommen kann.
Die Notwendigkeit eines Qualitätsmanagements nimmt im Gesundheitswesen aufgrund gesetzlicher
Forderungen, aber auch aus der Einsicht, dass damit begrenzte Ressourcen effizienter
eingesetzt werden können, generell zu. Auf gesetzlicher Seite sind für Studienzentralen
das kürzlich reformierte Arzneimittelgesetz [6 ] sowie die „Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durchführung
von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen” (GCP-V) [5 ] zu nennen, welche die Liste externer Anforderungen deutlich verlängert und den Regelungsbedarf
weiter erhöht haben. In der Vergangenheit kamen im Gesundheitswesen alle Arten von
in der Industrie seit vielen Jahren bewährten Instrumenten aus dem Qualitätsmanagement
zum Einsatz. Hier sind beispielhaft die internationale Qualitätsnorm ISO 9001:2000
[7 ] und der auf einem europäischen Qualitätswettbewerb basierende EFQM (European Foundation
for Quality Management)-Ansatz [11 ] zu nennen. Weiterhin werden verschiedene Derivate entwickelt, wie zum Beispiel KTQ
(Kooperation für Transparenz und Qualität im Krankenhaus), welches den Ansatz der
EFQM auf Krankenhäuser überträgt.
Der in diesem Artikel geschilderte methodische Ansatz zeigt, wie die Anforderungen
an eine Studienzentrale im Sinne eines systematischen Qualitätsmanagements umgesetzt
werden.
Anforderungen an eine Studienzentrale
Anforderungen an eine Studienzentrale
Im Rahmen von Studiengruppen, die teilweise schon in den 70er-Jahren gegründet wurden,
werden derzeit 27 bundesweite Therapieoptimierungsstudien im Bereich der Pädiatrischen
Onkologie und Hämatologie durchgeführt. Kontinuierlich werden neue Studienprotokolle,
aufbauend auf den vorangehenden, herausgegeben.
Über 90 % aller an Krebs erkrankten Kinder und Jugendlichen in Deutschland werden
nach diesen einheitlichen Therapievorgaben behandelt [9 ]. Die Therapie wird größtenteils risikoadaptiert durchgeführt und eine Weiterentwicklung
wird u. a. durch die randomisierte Prüfung neuer Therapieoptionen möglich. Bei den
im Kindesalter z. T. sehr seltenen Erkrankungen ist häufig nur der historische Vergleich
zur Effizienzbeurteilung möglich, da das Erreichen ausreichender Fallzahlen für randomisierte
Vergleiche zu viel Zeit erfordern würde.
Die ständige Verbesserung der Behandlung hat zu neuen, weiterführenden wissenschaftlichen
Erkenntnissen geführt und im Ergebnis die langfristige Überlebenswahrscheinlichkeit
auf mehr als 75 % für die Gesamtgruppe dieser Patienten erhöht [3 ].
Die Aufgaben, die im Rahmen der Studiendurchführung von Seiten der Studienzentralen
und der beteiligten Kliniken zu bewältigen sind, sind vielseitig und sehr komplex.
Erschwerend kommt hinzu, dass bundesweit häufig wechselnde Personen unterschiedlicher
Qualifikation beteiligt sind (z. B. Einsatz von Rotationsärzten sowohl in Studienzentralen
als auch in den Behandlungszentren). Dies unterstreicht die Bedeutung einer schnellen,
qualifizierten Einarbeitung neuer Mitarbeiter sowie die Notwendigkeit einer klaren
Aufgabenverteilung.
Hinzu kommt, dass inzwischen die Anzahl der gesetzlichen Vorgaben deutlich angestiegen
ist (aktuelle Übersicht z. B. in [2 ]). Neben der fachlichen Qualifikation wird von den handelnden Mitarbeitern die Erfüllung
dieser Vorgaben erwartet. Um hier ein Höchstmaß an Rechtssicherheit zu gewährleisten,
ist es erforderlich, einheitliche Vorgehensweisen, z. B. bei der Meldung von „Serious
Adverse Events” (SAE), festzulegen.
Zusätzlich werden Musterlösungen und Vorlagen benötigt, die die Erstellung von Studienprotokollen
und zugehörigen Dokumenten erleichtern. So können u. a. Inhaltsverzeichnis und Textbausteine
für die Erstellung von Studienprotokollen in Form eines „Masterprotokolls” zur Verfügung
gestellt werden. In ein zentrales Dokument können die Erfahrungen zurückfließen, die
mit einzelnen Anträgen gemacht wurden, um somit eine kontinuierliche Verbesserung
der Arbeitsergebnisse zu gewährleisten. Gleichzeitig stellen die Musterlösungen sicher,
dass die umfangreichen Anforderungen an Bewertung und Dokumentation erfüllt werden.
Die Anforderungen an die klinischen Studien in der Pädiatrischen Onkologie und Hämatologie
decken sich in vielen Punkten mit den zentralen Anliegen normenorientierter Qualitätsmanagementsysteme.
Daher erscheint es sinnvoll, die im Qualitätsmanagement entwickelten Instrumente daraufhin
zu überprüfen, ob sie sich für die Erfüllung der Aufgaben von Studienzentralen eignen.
In diesem Zusammenhang werden hier auch Begriffe verwendet (z. B. „Kundengruppen”),
die aus dem Sprachgebrauch des Qualitätsmanagements stammen und im medizinischen Umfeld
bislang nicht gebräuchlich sind.
Ein prozessorientierter Lösungsweg: das Qualitätshaus
Ein prozessorientierter Lösungsweg: das Qualitätshaus
Mit der ISO 9001:2000 verbreitet sich im Qualitätsmanagement der prozessorientierte
Ansatz. Prozessorientiert bedeutet, dass die Anforderungen an eine Organisation nicht
mehr abstrakt nach Elementen gegliedert in einem Handbuch aufgelistet werden, sondern
dass die Basis eine transparente Darstellung aller wesentlichen Abläufe (Prozesse)
in der Organisation ist. Keineswegs führt jedoch die stoische Abarbeitung der Forderungen
dieser bewährten Norm zum Ziel, sondern nur die kritische Diskussion um jede Anforderung
und die Klärung, wie die einzelnen Anforderungen nutzbringend für die Organisation
umgesetzt werden können. Da die Zertifizierung bei Studienzentralen nicht im Vordergrund
steht, konnte die Norm unvoreingenommen als Ideensammlung zur Verbesserung der Qualität
genutzt werden.
Das Projekt „Studienunterstützung” des KPOH begann die Erarbeitung eines Qualitätssicherungskonzepts
2002 und wurde dabei in den Jahren 2003 und 2004 von der BeraCon Unternehmensentwicklung
kontinuierlich betreut. Die Aufgabe der Unternehmensberatung liegt darin, die Erfahrung
zum Qualitätsmanagement aus zahlreichen anderen Organisationen und Unternehmen für
die Studien der GPOH nutzbar zu machen und sie durch „Coaching” bei der Einhaltung
der gesteckten Ziele zu unterstützen. Ebenfalls im Jahr 2003 wurde eine Arbeitsgruppe
aus Mitarbeitern verschiedener Studienzentralen gegründet, die über die von der Studienunterstützung
erarbeiteten strukturellen Vorschläge berät und mit dieser gemeinsam verabschiedet.
Der erste Schritt des Projekts im Hinblick auf eine Verbesserung der Qualität in Studienzentralen
bestand darin, die Ziele und Abläufe der „GPOH-Studien” [10 ] zu formulieren und daraus eine Prozesslandkarte abzuleiten. Als Ergebnis entstand
daraus das „Qualitätshaus Pädiatrische Onkologie und Hämatologie”, welches die Tätigkeiten
aller an einer Studie Beteiligten in einen ordnenden Rahmen stellt. Die Prozesslandkarte
fasst alle Prozesse zusammen, die direkt oder indirekt zur Erbringung der gewünschten
Leistung beitragen (Abb. [1 ]).
Abb. 1 Das Qualitätshaus Pädiatrische Onkologie und Hämatologie.
Die zentrale Frage des zweiten Schritts des Projekts bestand in der Feststellung,
welche „Kundengruppen” in welcher Form im Qualitätshaus berücksichtigt werden sollen.
Die Differenzierung nach Patienten, den behandelnden Kliniken und den Studienzentralen
ging ebenfalls in die Prozesslandkarte ein. Abb. [1 ] zeigt den aktuellen Stand, wobei sich die Prozesslandkarte mit zunehmender Durchdringung
und wechselnden Anforderungen aus dem Umfeld verändert.
Das Qualitätshaus besteht aus mehreren horizontal angeordneten Teilbereichen. Die
Mitte des Hauses wird von den Wertschöpfungsprozessen gebildet. In den Wertschöpfungsprozessen
werden die Schritte beschrieben, die zur Erreichung des vorher festgelegten Zieles
notwendig sind. So ist beispielsweise das wesentliche Ziel der Arbeit einer Studienzentrale,
eine optimierte Behandlung des Patienten zu gewährleisten.
Neben den eigentlichen Wertschöpfungsprozessen bilden die Unterstützungsprozesse das
Fundament des Qualitätshauses. Hier sind Abläufe beschrieben, die zur Erbringung der
Wertschöpfung erforderlich sind, wie z. B. Personalbetreuung, EDV und Bereitstellung
von Standards.
Das Dach des Qualitätshauses bilden die Lenkungsprozesse, die übergeordnete Aufgaben
erfüllen, wie die Festlegung der Strategie, organisatorische Grundsatzentscheidungen
und Fragen der Finanzierung.
Die Umsetzung des Qualitätshauses erfolgt mit der Software BeraCon Process2002 [1 ]. Mit dieser Software können die Strukturen visuell dargestellt werden, gleichzeitig
liegen alle Informationen datenbankgebunden vor. Die Ergebnisse werden zugriffsgeschützt
im Informationsportal den Mitarbeitern der GPOH-Studienzentralen zur Verfügung gestellt.
Auf diese Weise gibt es eine zentrale Dokumentation, die die „Best Practice”-Erfahrungen
bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Studien beschreibt.
Jeder der Wertschöpfungsprozesse wird als Ablauf beschrieben. Beispielhaft wird in
Abb. [2 ] der Prozess „W10” gezeigt, der in der Prozesslandkarte (Abb. [1 ]) rot eingekreist ist.
Abb. 2 Ausschnitt aus Prozessablauf W10 „Studie vorbereiten”.
Der Ablauf wird ausgehend von einem Startereignis Schritt für Schritt erklärt, wobei
jedem Prozessschritt in der Spalte „Zuständig” eine verantwortliche Funktion zugeordnet
wird (z. B. SK = Studienkoordinator, SL = Studienleiter). Diese Information wird dazu
genutzt, um hieraus automatisch vollständige Beschreibungen der Funktionen zu erzeugen.
Jedem Prozessschritt ist ein erläuternder Text zugeordnet, der als Dokumentation abrufbar
ist. Falls erforderlich, werden in der linken Spalte einzelnen Prozessschritten Dokumente,
z. B. spezielle Arbeitshilfen, zugeordnet, die Lösungsansätze liefern oder beschreiben,
wie einzelne Tätigkeiten durchzuführen sind. Hier finden auch die „Standard Operating
Procedures” (SOP, s. u.) ihren Platz. Verfügbare Dokumente sind einem entsprechenden
Symbol hinterlegt und jederzeit aus dem Prozess aufrufbar. Zusätzlich besteht die
Möglichkeit, diese Dokumente aus einer Dokumentenliste heraus aufzurufen.
Durch verschiedenfarbige Dreiecke werden Verbesserungsmöglichkeiten mit direktem Bezug
zum Ablauf festgehalten. Zu einem späteren Zeitpunkt kann darüber entschieden werden,
ob und in welcher Form auf diese Schwachstellen eingegangen werden kann. Hierbei findet
grundsätzlich eine Bewertung von Aufwand und erwartetem Nutzen statt, um die begrenzten
Ressourcen dort einzusetzen, wo der größte Effekt erzielt werden kann. Durch die Umsetzung
von Korrekturmaßnahmen werden Schwachstellen nach und nach beseitigt und die Prozessabläufe
bei Bedarf an neue Gegebenheiten angepasst. Die Abläufe unterliegen somit einem kontinuierlichen
Verbesserungsprozess.
Das Qualitätshaus zeigt auch unerfahrenen Mitarbeitern schnell auf, welche Aufgaben
wann wahrgenommen werden und wie einzelne Prozessschritte zusammenhängen.
Im nächsten Schritt entstehen Standard Operating Procedures (SOP), die verbindlich
festlegen, wie einzelne Tätigkeiten durchzuführen sind, sowie weitere konkrete Hilfsmittel
(Abb. [3 ]).
Abb. 3 Beispiel für eine Arbeitshilfe.
Die Arbeitshilfen richten sich nach den aktuellen rechtlichen Erfordernissen, so dass
deren Anwendung ein Höchstmaß an Rechtssicherheit, unter der Voraussetzung einer kontinuierlichen
Pflege des Systems, gewährleistet.
Mit der zentralen Prozessdokumentation werden erforderliche oder sinnvolle Veränderungen
im Ablauf nur noch an einer Stelle dokumentiert und stehen via Informationsportal
unmittelbar allen Studien zur Verfügung.
Zusammenfassend wird die Struktur des Informationssystems in Abb. [4 ] dargestellt.
Abb. 4 Die verschiedenen Ebenen des Systems.
Das Qualitätshaus als kontinuierlicher Prozess
Das Qualitätshaus als kontinuierlicher Prozess
Qualitätsmanagement ist ein kontinuierlicher Prozess. Entsprechend wurde das Projekt
langfristig angelegt und zu Projektbeginn viel Wert auf eine klare Zieldefinition
gelegt. Vor der eigentlichen Effizienzsteigerung („Die Dinge richtig tun.”) war die
Frage der Effektivität zu beantworten („Die richtigen Dinge tun.”).
Aus dieser Systematik ergibt sich das Jahresprogramm 2005, welches gemeinsam mit der
Geschäftsführung der GPOH Ende 2004 festgelegt wurde.
Nachdem die Grundlagen mit der Erstellung des Qualitätshauses gelegt sind, geht es
jetzt darum, das System schrittweise auszubauen und eine breite Anwendung in den Studienzentralen
zu erreichen. Die folgenden Argumente legen es nahe, dieses System in Studienzentralen
zu nutzen:
Berücksichtung aller einschlägigen rechtlichen Erfordernisse
höhere Rechtssicherheit für die Studienleiter
schnellere Einarbeitung von Mitarbeitern der Studienzentralen
Nutzung umfassender Hilfsmittel, wie Trial Master File, GCP-Checkliste etc.
Schulungsangebote für Studienleiter, Koordinatoren, Dokumentare
angestrebte Anerkennung der Qualitätsverpflichtung bei der Vergabe des Gütesiegels
der DKG und bei Förderern.
Eine entscheidende Rolle kommt der zügigen Erstellung der wesentlichen Standardarbeitsanweisungen
(SOP) zu. Dabei sollen, um Doppelarbeit zu vermeiden, Erfahrungen aus vergleichbaren
Einrichtungen genutzt werden. Deshalb erfolgt Anfang 2005 eine umfassende Bestandsaufnahme
der Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei den Koordinierungszentren für Klinische Studien
(KKS) und Kompetenznetzen (KN), welche vom KPOH zur Ermittlung von Synergiepotenzialen
ausgewertet wird. Diese Bestandsaufnahme wird im Rahmen der eigens gegründeten „Arbeitsgruppe
Management Klinischer Studien” der „Telematikplattform für Medizinische Forschungsnetze”
durchgeführt [12 ].
Vom KPOH-Projekt „Studienunterstützung” werden auch in Zukunft Schulungen unter kontinuierlicher
Einbindung neuer Anforderungen durchgeführt und aktualisierte Hilfsmittel für eine
effektive und effiziente Studienarbeit mit Hilfe des Qualitätshauses bereitgestellt.
Das vorgestellte Projekt konzentriert sich auf die Arbeit in den Studienzentralen.
Eine Lösung für den hohen dokumentarischen Aufwand in den kooperierenden Kliniken
wurde bisher nicht gefunden [8 ].
Insgesamt wird mit der Einführung eines Qualitätsmanagementsystems in Studienzentralen
eine Möglichkeit geschaffen, die „Studienkultur” der Pädiatrischen Onkologie und Hämatologie
den steigenden Anforderungen der Förderer und Behörden, aber ebenso auch der betroffenen
Patienten und der Öffentlichkeit, anzupassen.
Mit der Zielsetzung, umfassende Maßnahmen für die Qualitätssicherung in der Pädiatrischen
Onkologie und Hämatologie bereitzustellen, die über die Studienzentralen hinaus auch
Referenzzentren und vor allem die medizinische Versorgung einbeziehen, werden gegenwärtig
noch weitere Projekte konzipiert und begonnen [4 ]. Hiermit wird die Umsetzung der 12. Novelle des Arzneimittelgesetzes seitens der
GPOH und des KPOH in bestmöglicher Weise unterstützt.
Danksagung
Das Kompetenznetz Pädiatrische Onkologie und Hämatologie wird vom Bundesministerium
für Bildung und Forschung seit 1999 gefördert, Förderkennzeichen 01 GI 9958/5.
Die Firma BeraCon ist in den Jahren 2003 und 2004 Auftragnehmer der Koordinationszentrale
Kompetenznetz Pädiatrische Onkologie und Hämatologie gewesen.