Drogenabhängige Jugendliche drohen durch das Netzwerk des psychosozialen Betreuungsangebots
zu fallen. Die traditionelle Drogenhilfe hat ihren Schwerpunkt in der Betreuung von
Erwachsenen. In der stationären Jugendhilfe ist der Drogenkonsum häufig ein Ausschlusskriterium.
Die Behandlung drogenkonsumierender Jugendlicher stößt in der allgemeinen Kinder-
und Jugendpsychiatrie schnell an ihre Grenzen. Vor fünf Jahren wurde in Hannover die
Therapiestation für drogenabhängige Kinder und Jugendliche Teen Spirit Island (TSI)
in Kooperation mit der Drogenberatungsstelle Prisma und der stationären Jugendhilfeeinrichtung
Stepkids realisiert [2]
[3]
[4]
[6].
Auf der Therapiestation für drogenabhängige Kinder und Jugendliche Teen Spirit Island
ist neben der qualifizierten Entgiftung eine längerfristige stationäre psychiatrisch-psychotherapeutische
Behandlung der zugrunde liegenden seelischen Störung, die ihre Wurzeln in einem gestörten
Entwicklungsprozess hat, möglich. Die Station ist Teil der Kinder- und Jugendpsychiatrie
des Kinderkrankenhauses auf der Bult in Hannover. Sie hat 12 Behandlungsplätze, 4
in der Aufnahmephase und 8 in der Behandlungsphase. Nach einer 4 - 8 Wochen dauernden
Entgiftungs- und Motivationsphase wechselt der Jugendliche in die Behandlungsphase,
wo der Schwerpunkt die psychiatrische psychotherapeutische Behandlung der zugrunde
liegenden seelischen Störung ist. Hier ist ein Verbleib im Einzelfall bis zu 10 Monaten
möglich [5].
Behandelt werden Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren. Der Tagesablauf ist zeitlich
und inhaltlich klar strukturiert. In den Alltags- und Therapiegruppen soll Verbindlichkeit
im Umgang miteinander und mit den Erwachsenen erarbeitet werden. Das Reden über sich
selbst ist im Jugendalter noch ungeübt, oft beängstigend und bedrohlich. Die traumatischen
Erfahrungen werden häufig vom unmittelbaren Erleben abgespalten. Oft sind diese Erfahrungen
nicht als Geschichte verfügbar und deshalb nicht erzählbar. Vor allem in der Anfangszeit
auf Station leiden die Jugendlichen unter ihrer Sprachlosigkeit in Bezug auf ihre
Erlebniswelt und ihre Lebensgeschichte [2]
[5].
Im Rahmen des stationären Settings wird häufig reinszeniert, was erfahren wurde, in
Worten aber nicht auszudrücken ist. Auf Station kann nach Bedingungen gesucht werden,
die helfen, aus den Spannungszuständen herauszufinden, die eine gewisse Sicherheit
und Ruhe vermitteln und zur Stabilisierung beitragen. Ich-Fähigkeiten können entwickelt
und trainiert werden, nach Interessen gesucht und Ressourcen aufgebaut werden.
In den gruppen- und einzeltherapeutischen Sitzungen können die der Drogensucht zugrunde
liegenden Konflikte aufgedeckt und bearbeitet werden. In kleinen Schritten können
Worte oder künstlerische Ausdrucksformen erarbeitet werden, die traumatische Reinszenierung
als Ausdrucksform tritt in den Hintergrund. Auf die Drogen kann längerfristig verzichtet
werden, wenn die erlebten Traumata bearbeitet wurden und Kraftquellen erschlossen
sind. Die Gruppe kann bei diesem Prozess als stabilisierend und haltbringend erlebt
werden.
Mit TSI wurde ein spezielles kinder- und jugendpsychiatrisches Angebot entwickelt
in enger Zusammenarbeit mit der Drogenberatungsstelle Prisma und der stationären Jugendhilfeeinrichtung
Stepkids. Prisma hat einen Schwerpunkt in der Betreuung drogenabhängiger Jugendlicher
und der Präventionsarbeit. Eine Betreuung nach § 35 a und § 41 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes
(KJHG) ist bei Prisma möglich. In den Räumlichkeiten von Prisma findet regelmäßig
eine kinder- und jugendpsychiatrische Sprechstunde für drogenkonsumierende und abhängige
Jugendliche und ihre Angehörigen statt. Gemeinsame Gespräche mit Mitarbeitern beider
Einrichtungen sind möglich. Die Vermittlung bei speziellen Fragestellungen ist kurz
und unbürokratisch. Nach Beendigung der Therapie auf TSI ist eine Überleitung zu Stepkids
möglich, die sich auf Jugendliche mit einer Drogenproblematik als Eingliederungshilfe nach
§ 35 a des KJHG spezialisiert hat [4]. Bei Stepkids sind der Wiedereinstieg in die Schule, begleitende Berufsausbildung
und weitere Verselbstständigung inhaltliche Ziele. Bei Rückfällen ist eine kurzfristige
Wiederaufnahme zur Krisenintervention auf TSI möglich. Gemeinsame Freizeitangebote
der beiden Einrichtungen erleichtern die Eingewöhnung. Die ambulante Nachbetreuung
findet bei Bedarf über die Ambulanz von TSI statt. Eine Weiterbetreuung durch Prisma
ist möglich [2].
In der traditionellen Drogenhilfe erfährt das Beziehungsangebot durch die institutionelle
Trennung von Drogenentzug und Entwöhnung/Rehabilitation einen Bruch (so genannte Schnittstellenproblematik).
Das vorhandene Misstrauen und die innere Emigration der Jugendlichen werden verstärkt
und es kommt häufig zu Rückfällen. Demgegenüber haben wir auf der Therapiestation
TSI ein Konzept entwickelt mit maximaler Konstanz in den therapeutischen und betreuenden
Beziehungen von der Aufnahmephase (Drogenentzug und Motivation) über die Behandlung
der zugrunde liegenden seelischen Störung (Behandlungsphase) bis zur stationären und
ambulanten Nachsorge. Im Einzelfall kann der Jugendliche von der ambulanten Phase
über die stationäre Therapie bis zur Wiedereingliederungshilfe betreut und behandelt
werden. Dieses Modell bietet eine hohe Beziehungskontinuität und eine bedarfsgerechte,
unbürokratische Zusammenarbeit unterschiedlich spezialisierter, sich ergänzender Einrichtungen
[3]
[4]. Das zentrale Element der therapeutischen und pädagogischen Arbeit ist die intensive
persönliche Beziehung. Weiterhin ist durch Öffentlichkeitsarbeit einer bestehenden
Pauschalisierung und Stigmatisierung der Sucht als selbstverschuldete Erkrankung entgegenzutreten.
Diese bestehende Diskriminierung drogenabhängiger Menschen steht einer Integration,
einem „Haltfinden” in den Familien und in der Gesellschaft, entgegen [1].
Abb. 1 Kooperationsnetzwerk von Teen Spirit Island.