Z Gastroenterol 2005; 43(5): 551-552
DOI: 10.1055/s-2005-858270
Mitteilungen der DGVS

© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nachruf für Prof. Dr. Rudolf Ottenjann (19.4.1926 - 5.3.2005)

W. Schmitt1
  • 11. Med. Abteilung, Krankenhaus München-Neuperlach
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Publication Date:
04 May 2005 (online)

Prof. Dr. Rudolf Ottenjann wurde am 19. April 1926 als Sohn des Museumsdirektors Dr. Heinrich Ottenjann in Cloppenburg geboren.

Der Vater war Gründer des ersten Freilichtmuseums in Deutschland.

Mit 17 Jahren bekam er das Notabitur und war anschließend als Flakhelfer und Marinesoldat im Militärdienst. Nach dem Krieg musste er sich nochmals der Abiturprüfung unterziehen. Das Medizinstudium absolvierte er in Münster, der Abschluss erfolgte 1951 mit Staatsexamen und Promotion. Die Medizinalassistentenzeit fand bei Prof. Schellong an der Medizinischen Universitätsklinik in Münster statt. Es erfolgte eine 4-jährige Ausbildung in der Lungenheilkunde an der Kinderheilstätte Wangen im Allgäu bei Prof. Brügger, wo sein besonderes Interesse sich auf die extrapulmonale Tuberkulose richtete. Im Jahre 1958 erhielt er die Anerkennung als Facharzt für Lungenheilkunde. Von 1957 bis 1959 war er am Pius-Hospital in Oldenburg tätig, wo er die Ausbildung zum Internisten fortsetzte. Die Anerkennung zum Facharzt für innere Krankheiten erfolgte 1960.

Von 1959 bis 1961 war er das erste Mal in der Universitätsklinik Erlangen bei Prof. Norbert Henning tätig, weil nun sein besonderes Interesse der Gastroenterologie galt. Erlangen war damals ein Mekka der modernen Endoskopie. Ottenjann wechselte dann als Oberarzt zusammen mit seinem Erlanger Mentor Prof. Ludwig Demling nach Stuttgart - Bad Cannstatt, wo er bis 1966 als städtischer Chefarzt und Pionier der flexiblen Endoskopie tätig war.

In Stuttgart hatte er reichlich Gelegenheit, praktische Gastroenterologie zu betreiben. Sein wissenschaftliches Interesse galt vor allem der Magensekretion und der Magenschleimhaut-Durchblutung. In Stuttgart heiratete er seine Frau Josephine. Nach fünf Jahren wechselte er 1966 das zweite Mal nach Erlangen und folgte seinem Chef Prof. Demling, der den Ruf auf den Lehrstuhl und die Nachfolge von Prof. Henning angenommen hatte. Die Habilitation erfolgte 1968, die Teilgebietsbezeichnung Gastroenterologie erwarb er 1970. In der Erlanger Zeit beschäftigte er sich vor allem mit der Entwicklung endoskopischer Methoden. 1971 publizierte er die erste gastroskopische Polypektomie in Europa.

1970 bis 1972 war Ottenjann in Wiesbaden an der neu entstandenen Deutschen Klinik für Diagnostik (DKD) tätig. Dort setzte er seine Studien über die Topographie der chronischen Gastritis und der Refluxösophagitis fort.

Am 1.6.1972 wechselte er nach München, wo er am neu gebauten Krankenhaus München-Neuperlach (anlässlich der Olympiade!) die Chefarztstelle an der 1. Medizinischen Abteilung (Schwerpunkt Gastroenterologie und Hepatologie) übernahm. 1973 erfolgte die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor. Bis zum 30. April 1991 blieb er in Neuperlach tätig, um dann in den Ruhestand zu treten.

Die gastroenterologische Endoskopie hat er von dort aus vorangetrieben wie kaum jemand in Deutschland vor ihm. Er hat zahlreiche Publikationen und Bücher herausgebracht, sein wohl bedeutendstes ist das Lehrbuch und der Atlas Gastroenterologische Endoskopie (zusammen mit Prof. Meinhard Classen) im Enke-Verlag.

Er war Präsident zahlreicher wissenschaftlicher Fachgesellschaften (Deutsche Gesellschaft für Endoskopie und Bildgebende Verfahren (DGE-BV) 1976 und 1988, Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) 1983).

1967 war er Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für gastroenterologische Endoskopie, deren Schriftführer er mehrere Jahre war. Von 1969 bis 1992 war er in der Schriftleitung der Zeitschrift „Endoscopy”, die er zusammen mit Prof. Demling gegründet hatte; 1988 brachte er die Zeitschrift „Endoskopie heute” heraus, die bis jetzt das Publikationsorgan der DGE-BV darstellt.

Seine besondere Liebe galt der endoskopischen Erforschung des Dickdarms. Als einer der Ersten in Deutschland favorisierte er die lokale endoskopische Therapie bei Low-risk-T1-Karzinomen des Dickdarms. Er schätzte bildhafte Vergleiche: „Bei der Verletzung der Zehe muss nicht das ganze Bein abgenommen werden”. Durch seinen Einfluss wurde das Krankenhaus Neuperlach zur „Darmklinik”. Prof. Ottenjann war ein scharfsinniger Analytiker, seine Belesenheit überraschte viele Mitstreiter. Er hatte immer einen Spürsinn für aktuelle Trends, die bedeutsam in der Zukunft werden sollten, und er setzte sich dann rasch an die Spitze der Bewegung. Er forderte unermüdlichen Einsatz von sich selbst und allen seinen Mitarbeitern. Als ehemaliger leitender Oberarzt von 1987 bis 1991 hatte ich die Gelegenheit, „innen” und „außen” zu beobachten. Seine produktive Umtriebigkeit fand nicht immer die Gegenliebe bei seinen Mitarbeitern. Seiner einnehmenden, vehementen und sehr lebendigen Art bei der intensivstmöglichen Verfolgung seiner Ziele konnte nicht jeder widerstehen.

Prof. Ottenjann war begeisterungsfähig und konnte auch andere für die Sache der Endoskopie begeistern, sei es mit Esprit, Charme oder Witz. Seitenhiebe gegen Radiologen und Chirurgen liebte er besonders.

Rudolf Ottenjann war einer der besten und kompromisslosesten Kämpfer für die Disziplin der flexiblen Endoskopie.

Die deutsche Gastroenterologie hat Prof. Rudolf Ottenjann viel zu verdanken, seine herausragenden Leistungen in der gastrointestinalen Endoskopie sind von bleibendem Wert.

Prof. Dr. W. Schmitt

Chefarzt, 1. Med. Abteilung, Krankenhaus München-Neuperlach

Email: Prof.W.Schmitt@extern.lrz-muenchen.de

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