Einleitung
Einleitung
Die Haut ist die wichtigste Barriere des Menschen zum Schutz vor exogen schädlichen
Einflüssen sowie vor Austrocknung. Veränderungen dieser Barriere, etwa durch individuelle
Veranlagung, Alterungsprozesse oder Grunderkrankungen wie z. B. Diabetes führen zu
einem Hautzustand, der als trockene Haut (Xerosis) bezeichnet wird. Er ist gekennzeichnet
durch vermehrte Wasserabgabe sowie verminderte Hornschichtfeuchtigkeit [1]. Viele Erkenntnisse über trockene Haut basieren auf den Untersuchungen so genannter
Modellerkrankungen wie z. B. dem atopischen Ekzem und der Ichthyose. So führt etwa
eine quantitative und qualitative Veränderung in der Lipidzusammensetzung bei atopischem
Ekzem zu einem erhöhten Feuchtigkeitsverlust über die Haut. Es wird angenommen, dass
durch die abnorme Expression einer so genannten Sphingomyelin-Acylase ein Mangel an
bestimmten Strukturbestandteilen, den Ceramiden, Derivaten des Sphingosins, in der
Epidermis entsteht [2]. Bei der Ichthyose konnte gezeigt werden, dass verschiedene Formen der Erkrankung
einen verminderten Gehalt an Acylceramidfraktionen zeigen. Speziell bei der autosomal
rezessiven Ichthyose liegen Veränderungen der Ceramidzusammensetzung vor.
Ceramide und ihre Bedeutung für die Struktur der Haut
Ceramide und ihre Bedeutung für die Struktur der Haut
Die Arbeitsergebnisse verschiedener Forschergruppen lassen erkennen, dass auch bei
trockener Haut der Ceramidgehalt vermindert ist. Gleichzeitig liegt eine andere lipidische
Komponente der oberen Hautschicht, das Cholesterol, vermehrt vor.
Bei den Ceramiden handelt es sich um eine Gruppe unterschiedlicher Sphingolipide,
die sich in der Haut vor allem in der obersten Epidermisschicht, dem Stratum corneum,
befinden. Es wird heute von 8 verschiedenen Ceramidklassen (Ceramid 1 - 8) ausgegangen,
die sich in ihrem Aufbau hinsichtlich der Sphingosinbasen und der mit der Kopfgruppe
verknüpften Fettsäure unterscheiden (Abb. [1]). Die Ceramide stellen mit bis zu 50 Prozent neben Cholesterol und freien Fettsäuren
den größten Anteil der Stratum corneum Lipide dar [3]. Diese befinden sich in den interzellulären Zwischenräumen der Korneozyten. Die
Korneozyten bestehen hauptsächlich aus unlöslichen gebündelten Proteinen und sind
für die mechanische und chemische Struktur der Haut verantwortlich. Der interzellulären
Lipidmatrix wird die eigentliche Barrierefunktion in Bezug auf das Eindringen fremder
Substanzen sowie der Wasserhomöostase zugeschrieben. Die Struktur der Lipide, die
ein hochgeordnetes multilamellares System bilden, ist für die Regulierung des Wasserhaushaltes
von zentraler Bedeutung [4]. Dabei sind die vorhandenen Ceramide in der Lage, bei Anwesenheit von freien Fettsäuren
und Cholesterol stabile Doppelschichten zu bilden. Von entscheidender Bedeutung für
die Struktur der Doppelschichten ist das Ceramid 1, dessen ω-Hydroxyfettsäure eine
Doppelschicht komplett durchspannt. Der Linolsäurerest ragt dabei in die benachbarte
Doppelschicht hinein, wodurch das System gefestigt wird. Eine Stabilisierung der Lipidmatrix
wird ebenfalls durch einen hohen Cholesterolgehalt erzielt. Es zwingt benachbarte
Fettsäureketten in eine regelmäßige Anordnung und erhöht damit die Ordnung des Systems
[5]. Es wird angenommen, dass eine Störung der Ordnung zu einer Veränderung des Wassergleichgewichtes
führt.
Abb. 1 Strukturformel von Sphinganin.
So zeigen etwa Untersuchungen des lamellaren Systems bei atopischer Dermatitis, dass
im Vergleich zu gesundem Stratum corneum die strukturelle Anordnung der Lipide verändert
ist. Dabei ist der Anteil an hexagonal angeordneten Lipidkristallen (Gelphase) im
Vergleich zu einer orthorhombischen Packung (kristalline Phase) erhöht. Auch bei der
Ichthyose ist der Anteil hexagonal angeordneter Lipide dominant [6].
Dieses Ergebnis zeigt, dass durch Erkrankung der Haut verschiedene Strukturzustände
der Lamellenlipide auftreten können. Eine Störung des Gleichgewichtes zwischen der
hexagonalen und der orthorombischen Anordnung, die durch eine veränderte Lipidzusammensetzung,
insbesondere durch einen Mangel an Ceramiden, hervorgerufen wird, führt offensichtlich
zu einer Schwächung der Hautbarriere.
Applikation von Hautlipid-Gemischen verbessert Symptome trockener Haut
Applikation von Hautlipid-Gemischen verbessert Symptome trockener Haut
Grundvoraussetzung für die Rekonstruktion der gestörten Hautbarriere ist demnach die
Wiederherstellung des Lipidgleichgewichtes. Die topische Supplementierung von Sphingolipiden
bzw. geeigneter Präkursoren kann diesen Prozess möglicherweise fördern.
Zur Supplementierung von Sphingolipiden liegt eine Vielzahl von Studiendaten vor,
die zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen. So wurde in einer Studie die Wirksamkeit
eines mit 0,2 % Ceramid IIIb angereicherten Hautpflegemittel auf die Barrierefunktion
der Haut untersucht. Als Zielparameter wurde eine Verbesserung des transepidermalen
Wasserverlustes (TEWL) definiert. Es zeigte sich jedoch, dass mit dieser Formulierung
kein positiver Effekt auf den TEWL erreicht werden konnte [7].
Die Supplementierung einzelner Hautlipide scheint demnach nicht ausreichend zu sein,
um eine Störung der Hautfunktion zu beheben. Dagegen trägt der Einsatz einer Formulierung,
die eine Mischung aller relevanten Barrierelipide enthält, zu einer Senkung des transepidermalen
Wasserverlustes bei atopischer Dermatitis bei. Dies konnte in einer Studie von Chamlin
et al. belegt werden [8]. Eingeschlossen waren 24 Patienten mit atopischer Dermatitis, die 21 Wochen lang
ihr Hautpflegemittel durch die Lipid-Mischung ersetzten. Im Abstand von drei Wochen
wurde der Schweregrad der atopischen Dermatitis (SCORAD: Score für Schwere der atopischen
Dermatitis) sowie verschiedene biophysikalische Funktionen des Stratum corneum bestimmt.
Der SCORAD hatte sich nach 3 Wochen bei 22 der 24 Patienten signifikant verbessert.
Die Verbesserung nahm zwischen der 6. und 20. bzw. 21. Woche bei allen Patienten zu.
Der TEWL, der an betroffenen und nicht betroffenen Hautpartien bestimmt wurde, nahm
parallel mit dem SCORAD ab. Sowohl die Kohäsion des Stratum corneum als auch die Hydratation
verbesserten sich unter der Therapie langsam aber signifikant. Das mit der ceramidhaltigen
Lipid-Mischung behandelte Gewebe wies extrazelluläre lamellare Membranen auf, die
in den unbehandelten Hautpartien kaum vorkamen. Es zeigte sich auch, dass mit dem
neuartigen Pflegemittel sogar der Gebrauch von Hautarzneimitteln eingespart werden
konnte. Die Studie bestätigt, dass Mischungen von Barrierelipiden geeignet sind, die
Hautbarriere zu verbessern. Weitere Studien sind jedoch notwendig, um eine optimale
Mischung aus Hautlipiden zu finden.
Präkursor Sphinganin beeinflusst Ceramidgehalt der Haut
Präkursor Sphinganin beeinflusst Ceramidgehalt der Haut
Einen Hinweis auf geeignete Präkursoren für trockene Haut bietet der Syntheseweg der
Sphingolipide (Abb. [2]). Er beginnt mit einer Kondensation von L-Serin und Palmitoyl-CoA am endoplasmatischen
Retikulum, wodurch 3-Keto-Sphinganin gebildet wird. Dieses wird unter Einfluss einer
NAD(P)H-abhängigen Reduktase zu Sphinganin reduziert. Im weiteren Verlauf entstehen
Ceramide, die das zentrale Molekül der Sphingolipid-Biosynthese darstellen [9]. In der wissenschaftlichen Literatur werden als geeignete Präkursoren insbesondere
Sphingosin, das Phytosphingosin, das Sphinganin und das 6-Hydroxy-Sphingosin diskutiert.
Für Sphinganin (N-2-Hydroxyhexadecanoyl-Sphinganin) als Präkusor bei trockener Haut
liegen bereits Studiendaten vor. So konnte in einer In-Vitro-Studie von L'OrÅal-Recherche
an einem Hautmodell (EPISKINTM) gezeigt werden, dass die Haut in der Lage ist, exogenes Sphinganin biosynthetisch
in endogene Sphingolipide umzuwandeln. Im Rahmen der Studie wurde eine rekonstruierte
Epidermis über 7 bzw. 14 Tage unter dem Einfluss von exogenem Sphinganin kultiviert.
Die Quantifizierung der epidermalen Lipide mittels HPTLC (High Performance Thin Layer
Chromatography) zeigte einen Anstieg des Gesamtgehaltes an epidermalen Ceramiden.
Insbesondere die Gehalte der Ceramide 1, 2 und 3 stiegen unter dem Einfluss des exogenen
Sphinganins an. Die anderen Lipidfraktionen blieben unverändert. Der Ablauf der Lipidsynthese
wurde durch die Gabe exogenen Sphinganins nicht beeinflusst, wie Vergleichsuntersuchungen
mit 14C-markiertem Acetat zeigen [10].
Abb. 2 Syntheseweg der Sphinganine und Ceramide in der Haut: Ansatzpunkt für Sphinganin-Zufuhr
Oleosome als geeignete Trägersysteme für Sphingolipid-Präkursoren
Oleosome als geeignete Trägersysteme für Sphingolipid-Präkursoren
Entscheidend für die effektive Aufnahme von Präkursoren in die Haut ist deren Transport
zu den Hautschichten, in denen die Synthese von Ceramiden stattfindet. Untersuchungen
haben gezeigt, dass ein Niosomen-Präparat verglichen mit Liposomen besser geeignet
ist, einen zu untersuchenden Arzneistoff in die Haut zu schleusen. Vor diesem Hintergrund
wurde die so genannte Oleosomen-Technologie etabliert. Im Gegensatz zu Liposomen stellen
die ca. 250 nm großen Oleosomen Transportvehikel speziell für lipophile Wirkstoffe
dar (Abb. [3]). Sie sind von einer konzentrisch angeordneten lamellaren Flüssigkristallphase aus
amphiphilen Substanzen umgeben und transportieren in ihrem Inneren die Ölphase.
Abb. 3 Oleosome als Trägersysteme.
Im Rahmen klinischer Studien wurde die Wirkung einer sphinganinhaltigen Präparation
zur Hautpflege, deren Galenik auf einer Oleosomen-Technologie (Nutrilogie®) basiert, auf die trockene Haut untersucht.
An einer klinischen experimentellen Studie nahmen 30 Frauen im Alter zwischen 30 und
50 Jahren teil. Insgesamt 4 Wochen lang wurde das Präparat zweimal täglich auf das
Gesicht und jeweils ein Bein appliziert. Das andere Bein blieb zur Kontrolle unbehandelt.
Die Dermatologen bestimmten bei Studienbeginn sowie nach 4 und 5 Wochen die Hauttrockenheit
anhand eines Score-Systems. Dafür wurde das Prüfareal in 10 Zonen kartiert, in denen
die Werte zwischen Grad 0 (keine Abschuppung, normale Haut) und Grad 3 (schwere Abschuppung)
unterschieden werden. Der Gesamtscore kann dabei einen Maximalwert von 30 erreichen.
Darüber hinaus wurde die Hautoberfläche mittels Videomikroskop sowie abgelöste Epidermis
der Beine mit Hilfe eines Elektronenmikroskops bei Studienbeginn sowie nach 4 Wochen
untersucht.
Nach 4 Wochen hatte sich der Score für die trockene Haut merklich verbessert (Gesicht
um 43 %, Beine um 70 %, p < 0,05). Die Verbesserung war auch noch eine Woche nach
der Anwendung messbar. Zudem konnte nach vierwöchiger Anwendung im Elektronenmikroskop
eine verbesserte Organisation der Lipidlamellen sichtbar gemacht werden (Abb. [4]) [11].
Abb. 4 Elektronenmikroskopische Aufnahme menschlicher Haut vor und 4 Wochen nach Beginn der
Anwendung einer Oleosom-Sphingolipid-Zubereitung [11].
Bestätigung fanden diese Studienergebnisse in einer klinischen Multicenterstudie mit
100 Frauen im Alter von 18 bis 60 Jahren. Die Probandinnen applizierten das Sphinganin-Oleosomen-Präparat
vier Wochen lang zweimal täglich im Gesicht. Bewertet wurden die Hauttrockenheit,
die Rauigkeit sowie die Flexibilität der Haut zu Studienbeginn sowie nach vier Wochen.
Des Weiteren fand auch eine Analyse mittels Squamometrie Anwendung. Der Score für
Hauttrockenheit verbesserte sich merklich um 65 % (p < 0,05). Auch die Rauigkeit der
Haut nahm im Vergleich zu Studienbeginn nach vierwöchiger Behandlung deutlich ab (Senkung
um 77 %). Unter der Behandlung konnte die Flexibilität der Haut um 34 % gesteigert
werden. Zudem wiesen alle Probandinnen nach vier Wochen normale Squamometriewerte
auf. Hier lag nicht nur eine Reduktion in den Parametern für gestörte Haut vor, sondern
es konnte als wichtiger Endpunkt eine Normalisierung der Haut ausgemacht werden [11]. Auch die Stiftung Warentest war von ihren Untersuchungsergebnissen überzeugt und
bewertete die Creme ,Nutrilogie gegen trockene Haut‘ mit „sehr gut”. Es stehen demnach
aktuell in Form der beiden Cremes mit Sphinganin, Nutrilogie® I und II, Präparate zur Verfügung, die zur Pflege der trockenen Haut in neuartiger
Weise beizutragen vermögen.