Daniela Riese
Seit mehreren Jahren gibt es immer wieder kontroverse Diskussionen um die Qualitätssicherung
im Gesundheitswesen. Der Schwerpunkt liegt dabei in der letzten Zeit häufig auf der
Forderung nach einer "sektorübergreifenden" Qualitätssicherung. Ausgehend von der
externen vergleichenden Qualitätssicherung im Krankenhaus, dem so genannten "BQS-Verfahren",
soll im Folgenden erläutert werden, was eine sektorübergreifende Qualitätssicherung
notwendig macht und woran ihre Umsetzung bis jetzt gescheitert ist.
Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) in Düsseldorf
Im Rahmen der externen vergleichenden Qualitätssicherung gemäß § 137 Abs. 1 Satz 3
Nr. 1 SGB V i.V.m. § 135 a SGB V sammelt die Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung
gGmbH (BQS) seit nunmehr vier Jahren bundesweit Daten, die ihr von Krankenhäusern
zur Verfügung gestellt werden, bewertet sie anhand von Qualitätszielen und -indikatoren
und vergleicht die Ergebnisse. Insgesamt wurden im Jahr 2003 in 2200 Krankenhäusern
Daten zu 2,8 Mio. Krankenhausleistungen erhoben und ausgewertet. Dies hat, wie alle
Maßnahmen der externen Qualitätssicherung, eine Verbesserung der Ergebnisqualität
zum Ziel. Mit der Erfassung von immerhin 20% aller stationären Leistungen konnte dazu
zwar schon ein wichtiger Teil beigetragen werden. Eine umfassende Bewertung der Ergebnisqualität
setzt über das oben beschriebene Verfahren hinaus jedoch mittel- und langfristige
Verlaufsbeobachtungen voraus.
Längerfristige Ergebnisse erforderlich
Im Bereich der Orthopädie beispielsweise lässt sich die Ergebnisqualität bei der Implantation
von Knie- und Hüfttotalendoprothesen an kurzfristigen Komplikationen wie der postoperativen
Wundinfektion oder über die Messung der postoperativen Beweglichkeit bei Entlassung
feststellen. Postoperative Daten werden jedoch in der Regel letztmalig am Ende des
stationären Aufenthalts erhoben. Komplikationen, die nach der Entlassung aus dem Krankenhaus
auftreten, werden damit nicht erfasst. Ohne Erkenntnisse zu langfristigen Komplikationen
wie der Pseudarthrosenbildung und zu Langzeitergebnissen wie der Standzeit der Prothesen
bleibt das Bild allerdings unvollständig. Für umfassende Aussagen zur Ergebnisqualität
wäre eine Verlaufsbeobachtung über den stationären Bereich hinaus im Rehabilitationsbereich
oder in der vertragsärztlichen Versorgung notwendig. Diese wiederum erfordert eine
Datenerhebung in allen Sektoren der Patientenversorgung.
Mit der Begründung einer fehlenden Verlaufsbeobachtung wurden sogar einige Leistungsbereiche
ab dem Jahr 2004 bis auf weiteres von der Dokumentationspflicht des BQS-Verfahrens
ausgenommen. So ist beispielsweise bei der Kataraktoperation die Ergebnisqualität
bezogen auf den wichtigsten Qualitätsindikator, die Verbesserung des Sehvermögens,
in der Regel erst mehrere Wochen nach dem Eingriff beurteilbar. Angesichts der sehr
kurzen Verweildauer bei stationär erbrachten Eingriffen ist dies ohne sektorübergreifende
Datenerhebung nicht möglich.
Operation des Karpaltunnelsyndroms meist ambulant
Bei der Dekompression bei Karpaltunnelsyndrom ergab sich die Notwendigkeit einer sektorübergreifenden
Datenerhebung daraus, dass die Operation in 90% der Fälle ambulant durchgeführt wird.
Über das BQS-Verfahren können also nur Daten für 10% der Eingriffe erhoben werden;
zudem sind diese auf den in der Regel kurzen stationären Aufenthalt beschränkt. Auf
diese Weise können keine belastbaren Aussagen zur Ergebnisqualität der erbrachten
Leistungen gemacht werden. Für das Jahr 2004 hat das Bundeskuratorium folgerichtig
eine Aussetzung der Dokumentation beschlossen mit der Begründung, dass ohne Erhebung
der Ergebnisse ambulanter Operationen bzw. der Ergebnisse nach Abschluss der Behandlung
Aufwand und Nutzen der externen Qualitätssicherung in keinem sinnvollen Verhältnis
stehen. Wie schwierig derzeit eine Erhebung von Verlaufsdaten nur über den Zeitraum
von einem Monat ist, verdeutlicht das Beispiel der isolierten Koronarchirurgie. Der
Vergleich risikoadjustierter 30-Tage-Letalitätsraten scheiterte daran, dass nur 27%
der Krankenhäuser das Follow-up im notwendigen Umfang leisten konnten.
Niedrige Komplikationsrate wegen kurzer Krankenhausverweildauer?
In der Konsequenz bedeutet dies auch, dass die Krankenhäuser, die die Qualität der
von ihnen erbrachten Leistungen in einem Benchmarking mit anderen Krankenhäusern vergleichen
wollen, dies nur eingeschränkt tun können. Sie wissen beispielsweise nicht, ob die
niedrige Komplikationsrate eines anderen Krankenhauses nur auf dessen kürzere Verweildauern
zurückzuführen ist.
Die externe vergleichende Qualitätssicherung nach § 137 SGB V ist nur ein Beispiel
dafür, dass eine sektorübergreifende Qualitätssicherung bisher nicht flächendeckend
umgesetzt worden ist. Auch in anderen Sektoren der Patientenversorgung beziehen sich
die gültigen Vereinbarungen und Richtlinien jeweils lediglich auf den eigenen Bereich;
eine Verlaufsbeobachtung anhand von Daten aus allen Sektoren der Patientenversorgung
gibt es nur vereinzelt.
DRG - Disease Management - Integrierte Versorgung
Die Einführung der DRGs, die zu immer weiter sinkenden Verweildauern im Krankenhaus
führt, wird diese Problematik noch verschärfen. Auch die Umsetzung neuer Versorgungsformen
wie beispielsweise der Integrierten Versorgung oder der Disease-Management-Programme
macht deutlich, dass in Zukunft eine sektorübergreifende Zusammenarbeit bei der Qualitätssicherung
angestrebt werden muss.
Gesetzliche Grundlagen zur sektorübergreifenden Qualitätssicherung
Häufig wird den Leistungserbringern und den Krankenkassen zum Vorwurf gemacht, den
Bereich der sektorübergreifenden Qualitätssicherung zu vernachlässigen oder gar eine
Zusammenarbeit zu blockieren. Eine solche Argumentation greift jedoch zu kurz. Zunächst
sollte man die gesetzlichen Grundlagen für die sektorübergreifende Qualitätssicherung
unter zwei Gesichtspunkten betrachten:
- Inwieweit sind die Leistungserbringer zur Mitwirkung an einer sektorübergreifenden
Erhebung von Verlaufsdaten verpflichtet?
- Inwieweit sind die Leistungserbringer zur Erhebung und Übermittlung von Daten im
Rahmen der sektorübergreifenden Qualitätssicherung berechtigt?
Im SGB V finden sich dazu unterschiedliche, teils gegenläufige Regelungen.
Als so genannte Generalklausel verpflichtet § 135a SGB V alle Leistungserbringer zur
Qualitätssicherung. In Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V werden Vertragsärzte, medizinische
Versorgungszentren, zugelassene Krankenhäuser, Erbringer von Vorsorge- oder Rehabilitationsleistungen
und Einrichtungen, mit denen ein Versorgungsvertrag nach § 111a SGB V besteht, zur
Beteiligung an einrichtungsübergreifenden Maßnahmen der Qualitätssicherung verpflichtet.
Einschränkend heißt es jedoch in Abs. 1, die Leistungserbringer seien "zur Sicherung
und Weiterentwicklung der Qualität der von ihnen erbrachten Leistungen verpflichtet".
Eine enge Auslegung dieser Regelung schließt beispielsweise die Weiterleitung von
Daten über die stationäre Einweisung nach einer ambulanten Operation durch einen Vertragsarzt
aus.
Des Weiteren wird im § 137 Abs. 1 Satz 2 SGB V ausdrücklich die Berücksichtigung der
Erfordernisse einer sektoren- und berufsgruppenübergreifenden Versorgung eingefordert.
Der Geltungsbereich des § 137 SGB V bleibt jedoch auf die nach § 108 SGB V zugelassenen
Krankenhäuser beschränkt. Eine gesetzliche Verpflichtung der niedergelassenen Ärzte
oder der Rehabilitationseinrichtungen zur Beteiligung an den externen vergleichenden
Maßnahmen der Qualitätssicherung nach § 137 SGB V besteht nicht. Für diese haben wiederum
Richtlinien nach § 136a Satz 1 Nr. 1 SGB V bzw. Vereinbarungen § 137d SGB V Gültigkeit,
die auch nur jeweils auf den eigenen Bereich beschränkt sind. Eine einheitliche Datenerhebung,
wie sie beispielsweise für einen Vergleich der Beweglichkeit nach Gelenkendoprothesenimplantation
nach Abschluss des Aufenthalts im Krankenhaus und nach Abschluss der Rehabilitation
sinnvoll wäre, lässt sich auf diese Weise nur schwer erreichen.
Gemeinsamer Bundesausschuss
Seit dem 1. Januar 2004 hat der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 SGB V umfangreiche
Kompetenzen im Bereich der vertragsärztlichen und stationären Versorgung, insbesondere
auch im Bereich der Qualitätssicherung, erhalten. In § 137b SGB V wird er unter anderem
damit beauftragt, Empfehlungen für eine an einheitlichen Grundsätzen ausgerichtete
sowie sektoren- und berufsgruppenübergreifende Qualitätssicherung im Gesundheitswesen
einschließlich ihrer Umsetzung zu erarbeiten. Allerdings sind die Beschlusskompetenzen
des Gemeinsamen Bundesausschusses für die sektorübergreifende Qualitätssicherung begrenzt;
die Qualitätssicherung bei ambulanten Operationen und bei sonstigen stationsersetzenden
Leistungen gemäß § 115b Abs. 1 SGB V sowie die Qualitätssicherung bei der ambulanten
und stationären Vorsorge oder Rehabilitation gemäß § 137d SGB V unterliegen anderen
Regelungsmechanismen. Die für Krankenhäuser und Vertragsärzte wichtige Frage, ob eine
Operation bessere Ergebnisse bringt, wenn sie ambulant oder stationär erbracht wird,
muss aus zwei verschiedenen Qualitätssicherungssystemen mit unterschiedlichen Regelungsmechanismen
beantwortet werden.
Zusammenfassend muss also festgestellt werden, dass einerseits die Selbstverwaltung
vom Gesetzgeber mit der Umsetzung der sektorübergreifenden Qualitätssicherung beauftragt
wird, andererseits die Leistungserbringer nicht eindeutig zur Mitwirkung an entsprechenden
Maßnahmen verpflichtet sind. Ohne eine solche Verpflichtung fehlt auch die gesetzliche
Ermächtigung der Leistungserbringer. Eine sektorübergreifende Verlaufsbeobachtung
erfordert die Erhebung, Übermittlung und Verarbeitung personenbezogener Daten. Selbst
wenn dies pseudonymisiert oder anonymisiert erfolgt, ist der Leistungserbringer aus
datenschutzrechtlicher Sicht nur zur Erhebung und Übermittlung der Daten berechtigt,
wenn die Einwilligung des Patienten oder eine verfassungsgemäße gesetzliche Ermächtigung
des Leistungserbringers vorliegen.
Anpassung der gesetzlichen Regelungen erforderlich
Der erste Schritt zur Umsetzung einer erfolgreichen sektorübergreifenden Qualitätssicherung
ist demnach die Anpassung der gesetzlichen Regelungen. Alle Leistungserbringer sollten
zur Mitwirkung an einer sektorübergreifenden Qualitätssicherung verpflichtet und berechtigt
sein, die entsprechenden Daten zu erheben und zu übermitteln. Auf dieser Basis können
dann Vereinbarungen zur sektorübergreifenden Qualitätssicherung unter Beteiligung
aller betroffenen Spitzenorganisationen abgeschlossen werden, die für alle Leistungserbringer
verbindlich sind. Dabei ist sorgfältig zu prüfen, welche Versorgungsbereiche in die
Qualitätssicherung einbezogen werden sollen, etwa ob über die im SGB V genannten hinaus
auch weitere Leistungserbringer, wie beispielsweise Pflegeeinrichtungen, einbezogen
werden müssen, um die sektorübergreifende Qualitätssicherung erfolgreich umzusetzen.
Quelle für alle genannten Ergebnisse der Externen vergleichenden Qualitätssicherung: www.bqs-outcome.de