Der Klinikarzt 2005; 34(4): VI
DOI: 10.1055/s-2005-868140
Blickpunkt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Primärprävention mit ASS - Geschlechtsspezifische Wirkung stärker als vermutet

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Publikationsdatum:
18. April 2005 (online)

 
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Zwar ist Acetylsalicylsäure (ASS) bei der Behandlung von Patienten mit akutem Myokardinfarkt und zur Sekundärprävention kardiovaskulärer Ereignisse bei Männern wie bei Frauen nachgewiesenermaßen effektiv. Valide Daten für die Primärprävention gab es bislang jedoch nur für Männer, bei denen eine regelmäßige Einnahme von Acetylsalicylsäure das Herzinfarktrisiko hochsignifikant reduziert - nicht aber das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Genau das Gegenteil gilt jedoch bei Frauen, wie jetzt die Ergebnisse der Women's Health Study belegen. "Diese Beobachtung ist besonders wichtig, da Frauen im Vergleich zu Männern häufiger einen Schlaganfall als einen Herzinfarkt erleiden", konstatierte Dr. Julie Buring, Boston (Massachusetts, USA).

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Signifikant weniger ischämische Insulte

Zehn Jahre lang nahmen fast 40000 initial gesunde Frauen über 45 Jahre mit geringem kardiovaskulären Risiko im Rahmen dieser Studie randomisiert entweder 100mg ASS oder Plazebo ein. Im Verlauf wurden insgesamt 999 schwere kardiovaskuläre Ereignisse (MACE, "major adverse cardiovascular events") beobachtet, 477 davon traten unter der ASS-Therapie auf, 522 in der Kontrollgruppe. Dies entspricht einer nichtsignifikanten relativen Risikoreduktion von 9% (p = 0,13).

Anders als bei Männern war dieser Unterschied vor allem durch die Reduktion ischämischer Insulte bedingt (relative Risikoreduktion 24%, p = 0,009). Hämorrhagische Schlaganfälle waren unter der ASS-Behandlung tendenziell häufiger (relatives Risiko: 1,24, p = 0,31). Keinen signifikanten Effekt hatte ASS auch auf das Herzinfarktrisiko der Frauen (relatives Risiko: 1,02; p = 0,83) oder auf ihr Risiko für einen kardiovaskulären Tod (relatives Risiko: 0,95; p = 0,68).

Am stärksten profitierten übrigens ältere Frauen von der ASS-Therapie: Nur 10,3% der Studienteilnehmerinnen waren älter als 65 Jahre, doch war in dieser Patientengruppe ein Drittel aller kardiovaskulären Ereignisse zu verzeichnen. Bei diesen Frauen resultierte die niedrig dosierte ASS-Therapie in einer 26%igen Reduktion ihres Risikos, ein schwer wiegendes kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden (p = 0,008). "Erkauft" wurde diese Risikoreduktion allerdings mit einer erhöhten Blutungsrate: Unter Acetylsalicylsäure waren in dieser Subgruppe 16 zusätzliche transfusionsbedürftige gastrointestinale Blutungen aufgetreten.

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Empfehlung für die Praxis

"Es ist auf jeden Fall notwendig, die individuelle Risikokonstellation der Patienten - bei Frauen ebenso wie bei Männern - genau zu evaluieren", rieten die Experten. Denn in dieser Studie hat sich das erhöhte Blutungsrisiko unter der ASS-Therapie einmal mehr bestätigt. Trat unter Acetylsalicylsäure in 4,6% der Fälle eine gastrointestinale Blutung auf, war dies in der Kontrollgruppe nur bei 3,8% der Patienten der Fall (p < 0,001). Auch transfusionsbedürftige Blutungen waren unter der ASS-Therapie signifikant häufiger zu verzeichnen (0,6 versus 0,5%; p = 0,02).

sts

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Quellen

  • 1 Hotline-Session I auf dem Kongress des American College of Cardiology, ACC 2005. 
  • 2 Ridker PM, Cook NR, Lee IM et al. A randomized trial of low-dose aspirin in the primary prevention of cardiovascular disease in women. N Engl J Med 2005; 352: 1293- 1304. 
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Quellen

  • 1 Hotline-Session I auf dem Kongress des American College of Cardiology, ACC 2005. 
  • 2 Ridker PM, Cook NR, Lee IM et al. A randomized trial of low-dose aspirin in the primary prevention of cardiovascular disease in women. N Engl J Med 2005; 352: 1293- 1304. 
 
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