Der Klinikarzt 2005; 34(4): 90
DOI: 10.1055/s-2005-868149
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Akutes Koronarsyndrom

M. Leschke
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Prof. Dr. M. Leschke

Esslingen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
14. April 2005 (online)

Inhaltsübersicht

    Kaum ein anderes Krankheitsbild hat in den letzten Jahren eine vergleichbar dramatische Zunahme in der Bevölkerung, aber auch einen grundsätzlichen Wandel von einer eher konservativen abwartenden („see and watch”) Therapieeinstellung zur möglichst umgehenden „aggressiven” invasiven Koronarinterventionstherapie erfahren wie das „akute Koronarsyndrom”. Während das Lehrbuch „Innere Medizin” von Ludwig Heilmeyer im Jahr 1971 noch empfiehlt, „das Wichtigste ist völlige körperliche Ruhe, also strenge Bettruhe über mindestens ein bis zwei Wochen. (...) Falls notwendig erhält er Sedativa...”, existieren heute Leitlinien für das akute Koronarsyndrom, welche die individuelle Therapie nach einer Risikostratifizierung verbindlich festlegen und eine unmittelbare, möglichst zeitnahe Wiedereröffnung der ischämie- bzw. infarktauslösenden Koronararterie fordern.

    In der Bundesrepublik Deutschland erleiden derzeit jährlich etwa 680000 Menschen ein akutes Koronarsyndrom - mit steigender Tendenz. Die aktuelle Definition subsumiert darunter die instabile Angina pectoris sowie einen akuten Myokardinfarkt mit (STEMI) oder auch ohne ST-Streckenhebung (NSTEMI). Zu den Hauptrisikofaktoren für die Entstehung einer koronaren Makroangiopathie zählt der Diabetes mellitus, der aufgrund seiner besorgniserregenden, sprunghaften Zunahme ganz wesentlich für die wachsende Inzidenz akuter Koronarsyndrome verantwortlich zeichnet. Diese Tatsache kann ganz einfach auf einen Nenner gebracht werden: 75 % der Herzinfarktpatienten haben einen Diabetes mellitus bzw. eine abnorme Glukosetoleranz, und drei Viertel der Diabetiker sterben an einem Herzinfarkt.

    Die klinische Relevanz des akuten Koronarsyndroms wird evident, wenn man sich vergegenwärtigt, dass noch 5-10 % aller Patienten trotz optimierter Therapie akut versterben. Innerhalb eines Jahres versterben 25 % der betroffenen Männer und 38 % der Frauen an den Folgen des akuten Koronarsyndroms. In den ersten Jahren nach einem akuten Koronarsyndrom erleiden etwa 18 % der Männer und 35 % der Frauen einen erneuten Myokardinfarkt, etwa 22 % der Männer und doppelt so viele Frauen entwickeln eine Herzinsuffizienz.

    Aufgrund zahlreicher Studienergebnisse zur Therapie des akuten Koronarsyndroms sind Therapieempfehlungen in die Leitlinien der internationalen und deutschen Fachgesellschaften für Kardiologie aufgenommen worden. Demnach gelten ein positiver Troponinwert, eine persistierende Beschwerdesymptomatik, fluktuierende ST-Streckenveränderungen, ein Diabetes mellitus oder eine hämodynamische Instabilität als Hochrisikokonstellation, die eine Therapie mit Glykoprotein(GP)-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten, eine invasive Diagnostik und eine interventionelle Koronartherapie benötigen. Als Basistherapie sollte grundsätzlich eine adäquate medikamentöse Versorgung mit Heparin, Acetylsalicylsäure, Clopidogrel, Betablockern, ACE-Hemmern bzw. AT1-Antagonisten und Statinen gewährleistet sein.

    Zwischen dieser idealen, leitliniengerechten Therapie und der klinischen Realität klafft allerdings noch eine große Lücke. Nur wenn sich die Klinikroutine aktiv verbessert, wird sich auch die Versorgungsqualität für akute Koronarsyndrome entscheidend weiterentwickeln. In der Konsequenz bedeutet dies den Aufbau von Netzwerken zur Versorgung der Patienten mit akutem Koronarsyndrom in einem Zentrum für interventionelle Koronartherapie. Im Interesse der betroffenen Patienten mit akutem Koronarsyndrom müssen deshalb - trotz kooperationserschwerender Vergütungsmodalitäten - Kooperationen zwischen häufig konkurrierenden Kliniken geschaffen werden

    Mit diesem Heft des klinikarzt wollen wir daher mit der Hilfe namhafter Experten einen entscheidenden Beitrag leisten, um eine adäquate Diagnostik und Therapie von Patienten mit akutem Koronarsyndrom sicherzustellen.

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    Prof. Dr. M. Leschke

    Esslingen

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